Norm
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §2Kopf
SZ 31/101
Spruch
Zur Frage der Bezeichnung von Schaumwein als Sekt.
Entscheidung vom 2. September 1958, 4 Ob 301/58.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Klägerin behauptet, daß die beklagte Partei von ihr im Tankgärungsverfahren erzeugten Schaumwein unter der Bezeichnung "Sekt" und ohne Kennzeichnung desselben als "mit Kohlensäure versetzter Schaumwein" in den Verkehr bringe und hiebei Etiketten mit folgender Beschriftung verwende: "österreichischer Sekt - seit 1876 - K.-Auslese, Sektkellereien Rudolf K. & Söhne, Wien-Nußdorf". Sie begehrte unter Hinweis auf §§ 1 und 2 UWG. und § 27 WeinG., daß die Beklagte unterlasse:
1. den von ihr im Tankverfahren erzeugten Schaumwein als "Sekt" und ohne Kennzeichnung desselben als "mit Kohlensäure versetzter Schaumwein" in den Verkehr zu bringen;
2. auf den für diesen Schaumwein verwendeten Etiketten a) das Wort "Auslese" zu verwenden, b) das Gründungsjahr 1876 im Zusammenhang mit "Sektkellerei" anzuführen, c) die Bezeichnung "Sektkellerei" anzuführen.
Für den Fall, als das Gericht zur Ansicht gelangen sollte, daß die Voraussetzung des § 27 Abs. 4 WeinG. für den dort vorgesehenen Beschriftungszwang nicht gegeben sei, stellte die Klägerin das Eventualbegehren, die beklagte Partei zu verurteilen, daß sie unterlasse:
1. den von ihr im Tankverfahren erzeugten Schaumwein als "Sekt" und ohne Hinweis darauf, daß es sich um einen nicht ausschließlich durch Flaschengärung erzeugten Schaumwein handelt, in den Verkehr zu bringen;
2. auf den für diesen Schaumwein verwendeten Etiketten a) das Wort "Auslese" zu verwenden, b) das Gründungsjahr 1876 im Zusammenhang mit "Sektkellerei" anzuführen, c) die Bezeichnung "Sektkellerei" anzuführen.
Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei, zu unterlassen, auf den Etiketten des von ihr erzeugten und vertriebenen Schaumweines a) die Bezeichnung "Auslese" zu verwenden, b) das Gründungsjahr 1876 im Zusammenhange mit "Sektkellerei" anzuführen. Das Mehrbegehren wies es ab.
In seinem verurteilenden Teil ist das erstgerichtliche Urteil in Rechtskraft erwachsen. Nur die Klägerin focht das erstgerichtliche Urteil im abweisenden Teil an.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil, soweit das Begehren abgewiesen wurde, der beklagten Partei zu untersagen, den von ihr im Tankverfahren erzeugten Schaumwein als "Sekt" ohne Kennzeichnung als mit Kohlensäure versetzter Schaumwein in Verkehr zu bringen und auf den Etiketten für den von ihr erzeugten Schaumwein die Bezeichnung "Sektkellerei" anzuführen. Im übrigen hob es das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache ohne Rechtskraftvorbehalt an das Prozeßgericht zur Fortsetzung der Verhandlung und neuerlichen Urteilsfällung zurück. Es ging hiebei von der von ihm übernommenen Feststellung des Erstgerichtes aus, daß das von der beklagten Partei hergestellte Erzeugnis nicht mit Kohlensäure versetzt ist und daß die beklagte Partei über alle jene Einrichtungen verfügt, die zu einer Sektkellerei, das heißt zu einer Erzeugungsstätte für Schaumwein, notwendig sind, daß sie also eine als "Sektkellerei" anzusprechende Anlage besitzt. Zur Begründung seines Spruches führte das Berufungsgericht aus, daß sich die Klägerin nicht auf § 27 Abs. 1 und Abs. 4 WeinG. berufen könne, um ein Verbot der Bezeichnung des Erzeugnisses der beklagten Partei mit dem Worte "Sekt" und ohne Zusatz " mit Kohlensäure versetzter Schaumwein" zu erwirken. § 27 Abs. 1 WeinG. sage ausdrücklich, daß als Schaumwein oder Sekt nur Schaumwein bezeichnet werden dürfe, der aus Wein erzeugt sei. Aus dieser Bestimmung habe das Erstgericht mit Recht geschlossen, daß die Worte "Sekt" und "Schaumwein" gleichbedeutend seien, wenn auch des Gesetz in den folgenden Absätzen desselben Paragraphen nur mehr das Wort "Schaumwein" verwende. Keinesfalls gehe aus dieser Gesetzesstelle hervor, daß das Gesetz nur den durch Flaschengärung erzeugten Schaumwein als Sekt bezeichne. Es sei richtig, daß das Gesetz die Erzeugung von Sekt im Tankgärungsverfahren nicht kenne. Das Gesetz lege sein Hauptgewicht auf die künstliche Beimengung von Kohlensäure, wie sich aus der Gegenüberstellung von Schaumwein ergebe, dessen Gehalt an Kohlensäure ausschließlich durch Flaschengärung entstanden sei, und solchem, bei dem dieser Gehalt ganz oder teilweise auf künstlichem Zusatz beruhe. Von einer künstlichen Beisetzung von Kohlensäure könne im Tankgärungsverfahren nicht gesprochen werden. Auch die Bezeichnung "Sektkellerei" sei richtig.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Zulässigkeit der Revision ergibt sich daraus, daß das Unterlassungsbegehren, wenn es auch eine Gliederung bezüglich der zu unterlassenden Anführungen enthält, aus einem Rechtsgrunde erhoben, auf einem einheitlichen Sachverhalt aufgebaut wird und daher in sich eine Einheit darstellt. Es konnte aus diesem Gründe im Hinblick auf das Judikat 56 neu von einer Bewertung des Streitgegenstandes durch das Berufungsgericht gemäß § 500 Abs. 2 ZPO. abgesehen werden, da es sich im Gegenstande um ein teilweise bestätigendes Urteil handelt. Auf bloß teilweise bestätigende Urteile ist die Vorschrift des § 500 Abs. 2 ZPO. nicht anzuwenden.
Es ist zur Klarstellung vorauszuschicken, daß das Berufungsgericht, wie sich aus der Begründung seiner Entscheidung ergibt, durch die teilweise Bestätigung des erstgerichtlichen Urteils nicht zum Ausdruck bringen wollte, daß es die Bezeichnung der Erzeugnisse der beklagten Partei mit dem Wort "Sekt" nach dem bisherigen Stande des Verfahrens gutheiße. Es meinte vielmehr, daß die Frage, ob die beklagte Partei ihre Erzeugnisse berechtigt mit dem Wart "Sekt" bezeichne, noch einer weiteren Klärung im Hinblick auf § 2 UWG. bedürfe. Eine unrichtige Angabe im Sinne des § 2 UWG. könne auch in dem Unterlassen oder Verschweigen einer Mitteilung liegen, wenn zur Vermeidung von Mißverständnissen das Reden geboten wäre. Unter diesem Gesichtspunkt könne die Verwendung der Bezeichnung "Sekt" wettbewerbswidrig sein, falls sie durch niedrigere Preise, als für den durch Flaschengärung hergestellten Sekt zu fordern wären, den Anschein eines besonders günstigen Angebotes erwecke. Das Berufungsgericht trug aus diesem Gründe dem Erstgericht auf, vor allem durch Sachverständige Beweis darüber aufzunehmen, daß der Durchschnittskäufer mit der Bezeichnung "Sekt" die Vorstellung von einer bestimmten Herstellungsart (Flaschengärung) des Schaumweins verbindet.
Durch die Bestätigung der Abweisung des Begehrens, der beklagten Partei zu untersagen, den von ihr im Tankverfahren erzeugten Schaumwein als "Sekt" ohne Kennzeichnung als "mit Kohlensäure versetzter Schaumwein" in Verkehr zu bringen, hat das Berufungsgericht allerdings, ohne es zu wollen, dem Wortlaut nach über die Zulässigkeit der Verwendung des Wortes "Sekt" mit entschieden. Die Klägerin wendete sich, wie dem Haupt- und dem Eventualbegehren zu entnehmen ist, gegen die Verwendung des Wortes "Sekt" überhaupt und auch gegen die Bezeichnung der Erzeugnisse der beklagten Partei als "Schaumwein", sofern nicht einer der in dem Begehren angeführten Zusätze gebraucht wird.
In rechtlicher Beziehung kann der Revision in keiner Weise darin gefolgt werden, daß die Anführung der Bezeichnung "Sektkellerei" auf den Etiketten für die von der beklagten Partei hergestellten Erzeugnisse wettbewerbswidrig ist. Denn selbst wenn die beklagte Partei keinen Schaumwein erzeugt, aber neben ihrer Weinkellerei eine Sektkellerei besitzt, könnte sie diese Tatsache anführen, da hiedurch weder etwas Wahrheitswidriges behauptet noch eine Irreführung herbeigeführt wird, es wäre denn, man erblicke eine Irreführung darin, daß die beklagte Partei den Betrieb einer Sektkellerei behauptet, ohne eine solche zu betreiben. Eine solche Irreführung wäre aber, vom Standpunkt des Wettbewerbes aus gesehen, rechtlich bedeutungslos.
Der Umstand, daß die Erzeugnisse der beklagten Partei nicht als "Sekt" bezeichnet werden können, fällt bei der Beurteilung der Frage, ob die beklagte Partei auf den Etiketten von sich als von einer Wein- und einer Sektkellerei sprechen kann, nicht ins Gewicht. Es kommt darauf an, daß die beklagte Partei tatsächlich den Betrieb einer Sektkellerei eingerichtet hat und führt, wenn auch vielleicht ihr im Tankgärungsverfahren hergestelltes Erzeugnis nicht als "Sekt" angesprochen werden darf. Eine Bäckerei ist eine Bäckerei, auch wenn der Inhaber zum Teil Konditorwaren erzeugt.
Es wurde schon darauf hingewiesen, daß in der Entscheidung des Berufungsgerichtes, die Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, auch die Genehmigung des Wortes "Sekt" erblickt werden kann. Es ist aber kein Zweifel, daß dies auf ein Versehen in der Diktion zurückzuführen ist, da die Entscheidung in ihrer Gesamtheit mit aller Klarheit die Zulässigkeit der Verwendung des Wortes "Sekt" einer weiteren Prüfung durch das Erstgericht unterworfen wissen will. Es war daher nur zu prüfen, ob die beklagte Partei den von ihr im Tankverfahren hergestellten Schaumwein ohne Kennzeichnung als "mit Kohlensäure versetzter Schaumwein" in den Verkehr bringen darf. Diese Frage haben beide Untergerichte mit Recht bejaht. Es ist ihnen dabei weder eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens noch eine unrichtige rechtliche Beurteilung unterlaufen.
Die Klägerin meint, daß es die klare Absicht des Gesetzgebers gewesen sei, den im Flaschengärungsverfahren erzeugten Sekt rechtlich zu schützen. Es solle verhindert werden, daß Sekt künstlich mit Kohlensäure versetzt und als dem Flaschengärungssekt gleichwertiges Produkt in den Handel gebracht werde. Es sei der klare Wille des Gesetzgebers gewesen, den im Flaschengärungsverfahren erzeugten Sekt generell zu schützen, weil dieses Verfahren sehr zeitraubend, lohnintensiv und für den Produzenten sehr teuer sei. Es habe der Gesetzgeber ausdrücklich das Wort Flaschengärung in den Text des § 27 Abs. 4 WeinG. aufgenommen. Wenn es auch richtig sei, daß zur Zeit der Abfassung des Weingesetzes das Verfahren der Erzeugung von Schaumwein in Tanks unbekannt gewesen sei, so sei die hier vorliegende Gesetzeslücke durch Interpretation zu schließen und das Gesetz dahin auszulegen, daß der Gesetzgeber generell durch § 27 Abs. 4 WeinG. den im Flaschengärungsverfahren erzeugten Sekt schützen und nicht nur den Zusatz von künstlicher Kohlensäure zum Sekt verhindern wollte.
Daß die beklagte Partei nach dem Weingesetz für ihr Erzeugnis das Wort "Sekt" berechtigt verwenden würde, ergibt sich aus § 27 Abs. 1 WeinG.; es handelt sich um aus Wein erzeugten Schaumwein. Das ist nach den Feststellungen der Gerichte erster und zweiter Instanz unzweifelhaft und auch nicht weiter strittig. Das Weingesetz würde die Bezeichnung "Sekt" nicht verhindern. Es verlangt nur bei Zutreffen der Voraussetzungen des § 27 Abs. 4 WeinG. die Kennzeichnung durch den Beisatz "mit Kohlensäure versetzter Schaumwein". Diese Kennzeichnung, die deutlich und ungekürzt erfolgen muß, wäre ausreichend, jede Verwechslungsmöglichkeit mit dem Schaumwein oder Sekt, dessen Gehalt an Kohlensäure ausschließlich durch Flaschengärung entstanden ist, auszuschließen. Es kann nach dem Gesagten nur fraglich sein, ob die beklagte Partei berechtigt ist, ihren im Tankverfahren erzeugten Schaumwein ohne Kennzeichnung "mit Kohlensäure versetzter Schaumwein" in den Verkehr zu bringen, und ob sie ihr Erzeugnis "Sekt" nennen darf.
Die Untersuchung dieser Frage hat in zwei Richtungen zu erfolgen, wie die Revision richtig aufgezeigt hat: nämlich in der Richtung, ob nicht schon aus § 27 Abs. 4 WeinG. die Verpflichtung zur Kennzeichnung in dieser Weise bei im Tankgärungsverfahren erzeugtem Schaumwein gefolgert werden kann; dann in der Richtung, ob nicht aus § 2 UWG. eine Verpflichtung dieser Art abzuleiten ist.
Was die erste Frage betrifft, liegt zweifellos eine Gesetzeslücke vor, die ihre Ursache darin hat, daß zur Zeit der Erlassung des Weingesetzes Sekterzeugung nur durch Flaschengärung bekannt war. Es kann aber daraus nicht zwingend darauf geschlossen werden, daß der Gesetzgeber ausschließlich die Sekterzeugung durch Flaschengärung schützen wollte, sondern nur darauf, daß der Gesetzgeber die Sekterzeugung durch Flaschengärung, die den künstlichen Zusatz von Kohlensäure nicht kannte und duldete, davor schützen wollte, daß die durch Hefezusatz hervorgerufene Gärung und so bewirkte Erzeugung von Kohlensäure, die sich als ein natürlicher Vorgang darstellt, künstlich ersetzt oder ergänzt wird. Wird die unbestrittene Tatsache, daß zur Zeit der Erlassung des Weingesetzes Sekterzeugung nur durch Flaschengärung bekannt war, bei der Auslegung des § 27 Abs. 4 WeinG. berücksichtigt, dann kann aus § 27 Abs. 4 WeinG. nicht gefolgert werden, daß jede andere Erzeugungsart von Schaumwein oder Sekt, die den künstlichen Zusatz von Kohlensäure ebenso vermeidet wie die Sekterzeugung durch Flaschengärung, die zusatzlose Bezeichnung des Erzeugnisses mit "Schaumwein" oder "Sekt" ausschließen wollte. Es lag, wie gesagt, das Hauptgewicht in der Gegenüberstellung der Erzeugung von Kohlensäure auf Grund eines natürlichen Gärungsvorganges und des künstlichen Zusatzes von auf anderem Wege erzeugter Kohlensäure. Der Schutz der Sekterzeugung durch Flaschengärung war nicht die unmittelbare Absicht des Gesetzgebers, sondern die mittelbare Folge seiner Bestimmung, die Naturbelassenheit der Weinproduktion zu fördern. Weder die grammatikalische noch die historische Auslegung rechtfertigen den von der Klägerin gezogenen Schluß, daß der Gesetzgeber im § 27 Abs. 4 WeinG. ausschließlich die Sekterzeugung durch Flaschengärung habe schützen wollen. Zu der Auslegung der Klägerin käme man nur, wenn man annehmen wollte, daß der Gesetzgeber jede andere Art der Sekterzeugung als die durch Flaschengärung ausschließen wollte. Diese Annahme ist aber durch nichts gerechtfertigt. Eine solche Absicht des Gesetzgebers kann weder aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhange entnommen werden (§ 6 ABGB.) noch ist dem Weingesetz oder anderen Gesetzen zu entnehmen, daß der Gesetzgeber die Sekterzeugung durch Flaschengärung um ihrer selbst willen habe schützen wollen. Es ergibt sich vielmehr, daß die Aufnahme der gegenständlichen Bestimmung in das Weingesetz ihre Ursache in der Durchführung von zwischenstaatlichen Vereinbarungen über Herkunftsbezeichnungen und in der Absicht des Gesetzgebers hatte, die Gattungsbezeichnungen für Schaumwein zu regeln. Die Bestimmung des § 27 WeinG. geht auf § 26 des Entwurfes eines Weingesetzes aus dem Jahre 1924 zurück. In diese Bestimmung war aufgenommen, daß Schaumwein oder Obstschaumwein, dessen Gehalt an Kohlensäure nicht ausschließlich durch Flaschengärung entstanden ist, sondern ganz oder zum Teil auf einem künstlichen Zusatz beruht, im geschäftlichen Verkehr in deutlicher und ungekürzter Weise durch die Worte "mit Kohlensäure versetzter Schaumwein (Obstschaumwein)" zu kennzeichnen ist. Nr. 252 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, II. GP., führt zu § 22 bis einschließlich § 26 des Entwurfes 1924 aus, daß die Bestimmungen über die Bezeichnung des Schaumweines und Obstschaumweines inhaltlich den Bestimmungen der Verordnung vom 9. März 1923, BGBl. Nr. 129, entsprechen, die auf Grund des § 1 des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1922, BGBl. Nr. 928, betreffend die Durchführung von zwischenstaatlichen Vereinbarungen über Herkunftsbezeichnungen und betreffend die Regelung von Gattungsbezeichnungen für Schaumwein und gebrannte geistige Getränke, erlassen wurde. Der Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft (Nr. 335 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, II. GP.) über die Vorlage der Bundesregierung, betreffend das Weingesetz, sagt zu § 27 des geltenden Gesetzes unter weiterem Hinweis auf die Verordnungen vom 26. Februar 1923, BGBl. Nr. 108, und vom 27. Juli 1923, BGBl. Nr. 468, die Bezeichnungsvorschriften für Cognac und für Porto- und Madeirawein enthalten, daß § 27 dem § 26 der Regierungsvorlage mit Ausnahme des Abs. 5 entspreche. Erst in dem Entwurf des Weingesetzes aus dem Jahre 1924 ist vom Gehalt an Kohlensäure, der ausschließlich durch Flaschengärung entstanden ist, die Rede. Die Verordnung vom 9. März 1923, BGBl. Nr. 129, deren § 2 inhaltlich dem § 27 Abs. 1 und Abs. 2 WeinG. 1925 entspricht, führt im § 3 wörtlich aus: "Jeder Schaumwein (§ 2 Abs. 1) oder Fruchtschaumwein (§ 2 Abs. 2), dessen Gehalt an Kohlensäure nicht ausschließlich durch Gärung entstanden ist, sondern ganz oder zum Teil auf einem künstlichen Zusatz beruht, ist im geschäftlichen Verkehr in deutlicher und ungekürzter Weise als ein mit Kohlensäure versetzter oder als ein imprägnierter zu kennzeichnen." Die Verordnung, BGBl. Nr. 129/1923 spricht also nur von der durch Gärung entstandenen Kohlensäure. Erst der Entwurf des Weingesetzes aus dem Jahre 1924 spricht von dem durch Flaschengärung entstandenen Kohlensäuregehalt, ohne daß aus dem Gesetz oder den Materialien zu dieser Gesetzesstelle ersichtlich wäre, daß der Gesetzgeber die Sekterzeugung im Wege der Flaschengärung ausschließlich schützen wollte. Die Änderung des Wortlautes des § 27 Abs. 4 WeinG. gegenüber dem Wortlaut des § 3 der Verordnung BGBl. Nr. 129/1923 erklärt sich einzig und allein daraus, daß im Jahre 1924/1925 die Erzeugung im Tankgärungsverfahren unbekannt war. Aus § 27 Abs. 4 WeinG. kann die Klägerin demnach für sich nichts gewinnen.
Was aber §§ 1 und 2 UWG. anlangt, so wendet sich die Klägerin nur gegen die Bezeichnung "Sekt", nicht gegen die Bezeichnung "Schaumwein". Sie will nur auch diese nicht ohne Hinweis auf den künstlichen Zusatz von Kohlensäure dulden. Hiezu wurde schon Stellung genommen. Die Frage, ob die beklagte Partei verpflichtet ist, bei ihren Erzeugnissen darauf hinzuweisen, daß es sich um einen nicht ausschließlich durch Flaschengärung erzeugten Schaumwein handelt, ist noch offen und nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Das Erstgericht hatte auch diesen Teil des Eventualbegehrens abgewiesen. Das erstgerichtliche Urteil ist insoweit aufgehoben, es erübrigt sich daher, dazu Stellung zu nehmen.
Aus dem Gründe der §§ 1, 2 UWG. kann die geforderte Kennzeichnung nicht verlangt werden, wie sich aus den früheren Ausführungen ergibt. Es kann - wie das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat - nur mehr zweifelhaft sein, ob die beklagte Partei die Bezeichnung "Sekt" verwenden darf. Nur die Prüfung dieser Frage fällt in den durch den Urteilsantrag der Klägerin gesteckten Rahmen. Darf die beklagte Partei ihre Erzeugnisse "Sekt" nennen, dann bedarf es, wie sich aus den früheren Ausführungen ergibt, keines Beisatzes, daß der Schaumwein mit Kohlensäure versetzt wurde, weil ein solcher Erzeugungsvorgang nicht eingehalten wurde und der Beisatz selbst wieder wahrheitswidrig wäre. Aus den dargestellten Gründen erhellt, daß die Rechtsrüge der Klägerin verfehlt ist. Das Urteil des Berufungsgerichtes war zu bestätigen, allerdings mit der Richtigstellung, daß die im Spruch aufscheinenden Worte "als Sekt" zu entfallen haben.
Es erübrigte sich bei dieser Lage der Dinge, auf die Mängelrüge und auf den Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit einzugehen. Gerade die Prüfung, die die Revision vermißt, hat das Berufungsgericht dem Erstgericht aufgetragen, nämlich ob die Verwendung des Wortes "Sekt" durch die beklagte Partei nicht dem § 2 UWG. widerspricht. Das Berufungsgericht stellt allerdings nur darauf ab, ob die beklagte Partei durch niedrigere Preise, als für den durch Flaschengärung hergestellten Sekt geboten sind, den Anschein eines besonders günstigen Angebotes erweckt. Es hat aber durch den Hinweis auf die niedrigeren Preise und darauf, daß dadurch ein besonders günstiges Angebot gestellt erscheinen könnte, deutlich genug hervorgehoben, daß es darauf ankommt, ob der von der beklagten Partei hergestellte Schaumwein gegenüber dem im Flaschengärungsverfahren erzeugten minderwertig ist. Das wettbewerbswidrige, besonders günstige Angebot kann nur dann gegeben sein, wenn schlechtere Ware als der guten Ware gleichwertig hingestellt und dennoch billiger verkauft wird. Der relevanten Mängelrüge hat also das Berufungsgericht ohnedies Rechnung getragen. Was aber die Einholung eines Gutachtens der Codex-Kommission anlangt, genügt es, auf die Begründung des Berufungsgerichtes zu verweisen. Das Gericht zweiter Instanz hat mit Recht in der Unterlassung der Einholung eines solchen Gutachtens einen Mangel des Verfahrens nicht erblickt. Übrigens ist die neuerliche Mängelrüge im Revisionsverfahren unzulässig (SZ. XXII 106 u. v. a.).
Was die behaupteten Aktenwidrigkeiten betrifft, so liegen sie nicht vor. Das Berufungsgericht hat nicht eigene Feststellungen getroffen, sondern die Feststellungen des Erstgerichtes wiedergegeben. Diese Wiedergabe ist im wesentlichen richtig. Aber auch die Feststellungen des Erstgerichtes sind nicht aktenwidrig, sondern das Ergebnis der Würdigung aufgenommener Beweise, können daher nicht mit dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit bekämpft werden.
Was die Feststellung des Berufungsgerichtes anlangt, daß die Klägerin ein Gutachten der Codex-Kommission lediglich zur Klärung von Rechtsfragen beantragt habe, so entspricht dies nicht der Aktenlage. Es ist aber für die Entscheidung bedeutungslos, weil in der allein noch interessierenden Frage, ob die beklagte Partei den von ihr im Tankverfahren erzeugten Schaumwein als "Sekt" und ohne Hinweis darauf, daß es sich um einen nicht ausschließlich durch Flaschengärung erzeugten Schaumwein handelt, in Verkehr bringen darf, ohnedies die Ergänzung des Verfahrens durch Vernehmung von Sachverständigen angeordnet wurde und diese dazu werden Stellung nehmen müssen, ob und inwieweit die Vertreibung von Schaumwein, der im Tankverfahren erzeugt wurde, unter der Bezeichnung "Sekt" und ohne Hinweis darauf, daß es sich um einen nicht ausschließlich durch Flaschengärung erzeugten Schaumwein handelt, im Hinblick auf die Auffassung der am geschäftlichen Verkehr beteiligten Kreise als wettbewerbswidrig angesehen werden kann.
Anmerkung
Z31101Schlagworte
Anpreisung, wahrheitswidrige, Bezeichnung von Schaumwein (Sekt), Flaschengärungsverfahren, Sekt, Schaumwein, Sekt, Bezeichnung, Art der Gärung, Sekt, Schaumwein, Bezeichnung, Art der Gärung, Tankgärungsverfahren, Sekt, Unlauterer Wettbewerb, Bezeichnung von Schaumwein (Sekt), Wahrheitswidrige Anpreisung, Bezeichnung von Schaumwein (Sekt), Wettbewerb, unlauterer, Bezeichnung von Schaumwein (Sekt)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1958:0040OB00301.58.0902.000Dokumentnummer
JJT_19580902_OGH0002_0040OB00301_5800000_000