TE OGH 1958/9/10 1Ob340/58

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Veröffentlicht am 10.09.1958
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Norm

Ehegesetz §68
Ehegesetz §69

Kopf

SZ 31/106

Spruch

Bei rechtskräftiger Scheidung der Ehe nach § 55 EheG. kann die beklagte Ehefrau selbst bei Stellungnahme zur Frage ihrer Schuld im Zusammenhang mit der Beurteilung ihres Widerspruches in den Urteilsgrunden den Unterhalt nach § 69 EheG. ansprechen.

Entscheidung vom 10. September 1958, 1 Ob 340/58.

I. Instanz: Bezirksgericht Bludenz; II. Instanz: Landesgericht Feldkirch.

Text

Die am 14. Mai 1942 von den Streitteilen geschlossene Ehe ist mit dem Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 22. April 1953, 1 Ob 343/53, gemäß § 55 EheG. geschieden worden. Im Spruch des Urteils ist gleichzeitig nach § 61 Abs. 2 EheG. ausgesprochen worden, daß den klagenden Ehemann ein Verschulden treffe. Der Oberste Gerichtshof hat in der Begründung des Urteils darauf hingewiesen, daß der Ehefrau das Recht des Widerspruches gegen die Ehescheidung nach § 55 Abs. 2 EheG. nicht zustehe, weil auch sie an der Zerrüttung der Ehe mitschuldig sei und das Verschulden des Ehemannes nicht überwiege.

In der vorliegenden Klage begehrt die Ehefrau vom Ehemann nach § 66 EheG. die Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 500 S, weil der Ehemann an der Scheidung der Ehe allein schuldig sei. Dieser wendete dagegen unter anderem ein, daß beide Ehegatten als schuldig angesehen werden müßten und der Unterhalt von der Klägerin daher nur nach § 68 EheG. begehrt werden könne.

Das Erstgericht gab der Klage statt und vertrat den Standpunkt, daß im Spruch des Scheidungsurteils ein Verschulden der Klägerin nicht ausgesprochen worden sei und daß deshalb das alleinige Verschulden des Beklagten angenommen und dieser nach § 66 EheG zur Zahlung eines angemessenen Unterhaltsbetrages verhalten werden müsse. Infolge Berufung des Beklagten bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil. Da der Beklagte im Scheidungsverfahren die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Klägerin nicht begehrt habe, könne er sich nicht als beschwert ansehen, wenn sich der Unterhaltsanspruch der Klägerin nach § 66 EheG. richte.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist insoweit zulässig, als sie sich gegen die Rechtsansicht der Untergerichte wendet, daß der Klägerin der gesetzliche Unterhalt nach § 66 EheG. und nicht nach § 68 EheG. gebühre. Denn es handelt sich dabei um die Frage des Verschuldens bei der Scheidung, die nach dem Judikat 60 neu (SZ. XXVII 177) den Grund des Anspruches berührt.

Schon aus den Überschriften zu den den Unterhaltsanspruch regelnden Paragraphen 66 - 68 ("Unterhaltspflicht bei Scheidung wegen Verschuldens") und 69 ("Unterhaltspflicht bei Scheidung aus anderen Gründen") geht hervor, daß das Unterscheidungsmerkmal, ob es sich im Ehescheidungsverfahren um Scheidungsgrunde auf Grund eines Verschuldens oder ohne ein solches gehandelt hat, für die Unterhaltspflicht von maßgebender Bedeutung ist. Grundlage dafür, ob der Unterhalt nach §§ 66, 67, 68 oder nach § 69 EheG. geleistet werden muß, soll daher das Scheidungserkenntnis sein, in dem über die Scheidung und den Scheidungsgrund mit Rechtskraftwirkung entschieden worden ist. Handelte es sich im Scheidungsverfahren um einen Scheidungsgrund, für den das Verschulden eines der Ehegatten nicht von Bedeutung war, kann der Unterhalt nur nach § 69 EheG. zugesprochen werden, mag sich der Scheidungsrichter auch in der Begründung seines Urteils mit der Schuld der Ehegatten auseinandergesetzt haben. Nur dasjenige Verschulden ist für die Unterhaltspflicht von Bedeutung, über das im Scheidungsprozeß rechtskräftig erkannt worden ist und nach der Natur des geltend gemachten Scheidungsgrundes erkannt werden konnte. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Verschulden im Spruch oder in der Begründung des Scheidungsurteils ausgesprochen worden ist, wie Schwind (Kommentar zum österreichischen Eherecht, S. 234) mit Recht annimmt. Die Meinung des Beklagten freilich, Schwind halte jede Erörterung des Verschuldens in den Urteilsgrunden für maßgebend, ist nicht zutreffend, wie sich aus dessen Ausführungen a. a. O. S. 210 ergibt. Zu demselben Ergebnis ist schon die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 2 Ob 632/55 gekommen.

Im vorliegenden Fall war die Ehescheidungsklage nur auf den Scheidungsgrund des § 55 EheG., also einen Tatbestand gestützt, für den das Verschulden der damaligen Beklagten und heutigen Klägerin bedeutungslos sein mußte. Dem heutigen Beklagten wäre es vielleicht freigestanden, auch den Ehescheidungsgrund des § 49 EheG. (Eheverfehlungen) heranzuziehen und es zum Ausspruch des Verschuldens der damaligen Beklagten kommen zu lassen. Nach § 55 EheG. aber hatte das Scheidungsgericht nur auszusprechen, ob der Scheidungsgrund nach § 55 EheG. vorliegt, und gemäß § 61 Abs. 2 EheG. auf Antrag der damaligen Beklagten auch über das Verschulden des damaligen Klägers zu erkennen. Nur dieser Ausspruch ist die Grundlage der Unterhaltsentscheidung. Im Scheidungsverfahren war zwar das konkurrierende Verschulden der heutigen Klägerin gleichfalls Gegenstand der Erörterung in der Urteilsbegründung. Dieses Verschulden spielte aber nur im Zusammenhang mit dem von der heutigen Klägerin gegen die Ehescheidung erhobenen Widerspruch nach § 55 Abs. 2 EheG., nicht aber mit dem Ehescheidungsgrund selbst eine Rolle. Derartige Erörterungen über das Verschulden konnten den in Rechtskraft erwachsenen Ausspruch, daß (nur) den heutigen Beklagten ein Verschulden treffe, nicht zu dessen Gunsten beseitigen. Der Hinweis des Beklagten, diese Auslegung des Gesetzes sei nicht billig, scheint dem Obersten Gerichtshof unbegrundet zu sein. Der Beklagte mußte bei der Geltendmachung des Scheidungsgrundes nach § 55 EheG. von vorneherein damit rechnen, daß er einen Schuldausspruch gegen seine Gattin nicht erwarten könne. Daß das Scheidungsgericht dessen ungeachtet wegen eines Nebenumstandes genötigt war, die Mitschuld der Klägerin zu prüfen, beruht auf einer Zufälligkeit der damaligen prozessualen Situation, die dem Beklagten keinen Vorteil verschaffen kann.

Die Untergerichte sind mit Recht zur Überzeugung gekommen, daß der Beklagte nach § 69 Abs. 1 und §§ 66, 67 EheG. und nicht nach § 68 EheG. unterhaltspflichtig ist.

Anmerkung

Z31106

Schlagworte

Ehescheidung nach § 55 EheG., Unterhaltsanspruch, Erörterung der Schuld, des Beklagten, Scheidung nach § 55 EheG., Unterhaltsanspruch, Erörterung des, Verschuldens der Beklagten, Schuld der Beklagten bei Scheidung der Ehe nach § 55 EheG., Unterhaltsanspruch, Unterhalt bei Scheidung nach § 55 EheG., Erörterung der Schuld des, Beklagten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1958:0010OB00340.58.0910.000

Dokumentnummer

JJT_19580910_OGH0002_0010OB00340_5800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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