TE Vwgh Erkenntnis 2005/3/15 2004/21/0240

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Veröffentlicht am 15.03.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §8;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1997 §56 Abs2;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §57;
FrG 1997 §75 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des M, vertreten durch DDr. Hellwig Torggler, Rechtsanwalt in 1014 Wien, Tuchlauben 17, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 7. Juli 2004, Zl. III-1088581/FrB/04, betreffend Abschiebungsaufschub, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Asylantrag des Beschwerdeführers vom 18. Jänner 2002 wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. März 2002 gemäß § 6 Z 3 Asylgesetz 1997 - AsylG abgewiesen; zugleich wurde gemäß § 8 leg. cit. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die DR Kongo für zulässig erklärt. Sein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung einer Berufung wurde mit Bescheid derselben Behörde vom 28. März 2002 abgewiesen. Die hiegegen erhobene Berufung blieb erfolglos (Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. Mai 2002); der Verwaltungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 17. September 2002, Zl. 2002/01/0333, die Behandlung der gegen den Berufungsbescheid gerichteten Beschwerde ab.

Mit Bescheid vom 17. Juni 2004 wies das Bundesasylamt den neuen Asylantrag des Beschwerdeführers vom 25. Mai 2004 gemäß § 68 Abs. 1 AVG iVm § 32 Abs. 8 AsylG wegen entschiedener Sache zurück.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den am 19. Mai 2004 eingelangten Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 56 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ab.

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Gegen den Beschwerdeführer bestehe ein bis zum 31. März 2007 befristetes Aufenthaltsverbot. Sein Asylantrag vom 18. Jänner 2002 sei "mittlerweile am 25.05.2004 rechtskräftig negativ beschieden" worden. Es sei "vom Bundesasylamt Außenstelle Traiskirchen" festgestellt worden, dass seine Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in sein Heimatland zulässig sei. Seine Angaben im Asylverfahren seien als unglaubwürdig eingestuft worden. Die erkennende Behörde schließe sich diesem Ergebnis an. Bei seinen Eingaben habe er keine neuen Gründe über eine Verfolgung in seinem Heimatland angegeben. Auf Grund dieses Umstandes sei ihm kein Abschiebungsaufschub zu erteilen. Seine Identität stehe "jedoch" derzeit fest, weil ihm von der Vertretungsbehörde in Bonn ein Heimreisezertifikat ausgestellt worden sei und er somit als Staatsbürger der Demokratischen Republik Kongo angesehen werde. Während der Schubhaft habe er neuerlich einen Asylantrag eingebracht, der von der "Erstaufnahmestelle Ost Traiskirchen" wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden sei. Da sich sein unsubstantielles Vorbringen auf die allgemeine Situation in seinem Heimatland beziehe, sei darauf nicht näher einzugehen, zumal die Abschiebung vom Bundesasylamt als zulässig festgestellt worden sei. Auf Grund des in § 46 AVG verankerten Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel sei es der Behörde nicht verwehrt, die Ergebnisse im bereits durchgeführten Asylverfahren zu berücksichtigen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 56 Abs. 2 FrG ist die Abschiebung eines Fremden auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte, jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben, wenn sie unzulässig ist (§ 57) oder aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheint.

Gemäß § 57 Abs. 1 leg. cit. ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde.

Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre.

Gemäß Abs. 4 des § 57 FrG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat, in dem sie zwar im Sinne des Abs. 2 jedoch nicht im Sinne des Abs. 1 bedroht sind, nur zulässig, wenn sie aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik darstellen oder wenn sie von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sind und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeuten.

Im Blick auf die Frage einer tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung bringt die Beschwerde vor, dass dem Beschwerdeführer am 7. Juli 2004 (dem Datum des angefochtenen Bescheides) von der Behörde mitgeteilt worden sei, dass kein Transport in sein Heimatland organisiert werden könne. In den Verwaltungsakten erliegt ein Bericht der belangten Behörde vom 19. August 2002 an das Bundesministerium für Inneres, dass "keine praktisch realen Flugverbindungen nach Kinshasa" bestünden, weil sich die einzige dorthin fliegende Fluggesellschaft Sabena weigere, "deportees" mitzunehmen. Am 7. Juli 2004 teilte die belangte Behörde dem Bundesministerium für Inneres mit, dass der Beschwerdeführer aus der Schubhaft habe entlassen werden müssen, weil auf Grund eines fehlenden Flugtermins die Abschiebung nicht habe durchgeführt werden können. Trotz dieser zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung bekannten Umstände hat es die belangte Behörde unterlassen, Feststellungen dazu zu treffen, ob die Abschiebung des Beschwerdeführers iSd § 56 Abs. 2 FrG aus tatsächlichen Gründen möglich ist.

Sie hat den angefochtenen Bescheid auch noch mit einem weiteren Verfahrensmangel belastet. Im eingangs zitierten Bescheid vom 4. März 2002 hat zwar die Asylbehörde über das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für einen Abschiebungsaufschub im Grund des § 57 FrG abgesprochen. Dieser rechtskräftige Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in sein Heimatland durch die Asylbehörden stünde der Erteilung eines auf § 57 (iVm § 56 Abs. 2) FrG gestützten Abschiebungsaufschubes (bezogen auf sein Heimatland) entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. März 2004, Zl. 2004/21/0013). Die verbindliche Wirkung eines Bescheides gemäß § 8 AsylG ist allerdings nur soweit gegeben, als sich die für die Erlassung eines solchen Bescheides maßgebliche Sach- oder Rechtslage nicht geändert hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1999, Zl. 99/21/0027).

Die belangte Behörde hat nun zwar auf die Einbringung eines neuen Asylantrages verwiesen und - ohne nähere Begründung - ausgeführt, dass keine neuen Verfolgungsgründe behauptet worden seien, die nicht schon im ersten Asylantrag vorgebracht worden sind. Die Beschwerde zeigt demgegenüber auf, dass der Beschwerdeführer in seiner in den Verwaltungsakten erliegenden Stellungnahme vom 29. Juni 2004 eine Änderung der Verhältnisse in der DR Kongo behauptet hat. Dieser Stellungnahme liegen Berichte unter Quellenangabe bei. Mit dem Inhalt dieser Stellungnahme und dieser Berichte hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aber nicht auseinander gesetzt, sondern sich auf die Begründung zurückgezogen, dass sich das Vorbringen auf die allgemeine Situation im Zielstaat beziehe und die Abschiebung als zulässig festgestellt worden sei. Beide Argumente sind nicht stichhältig. Die erste Überlegung lässt außer Acht, dass (allgemeine) Verstöße gegen die Menschenrechte durchaus unter Beachtung ihrer Häufigkeit und Intensität auf eine Gefährdung nach § 57 Abs. 1 FrG schließen lassen können; das zweite Argument berücksichtigt nicht die aufgezeigte Relevanz einer Änderung der Sach- oder Rechtslage.

Wegen der aufgezeigten Verfahrensmängel war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 15. März 2005

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Rechtskraft Besondere Rechtsgebiete Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004210240.X00

Im RIS seit

29.04.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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