Norm
Arbeitsgerichtsgesetz §25Kopf
SZ 31/124
Spruch
§ 104 Abs. 3 JN. ist auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren anwendbar.
Entscheidung vom 21. Oktober 1958, 4 Ob 75/58.
I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der Kläger begehrte die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung von fünf Monatsgehältern a 3000 S für September 1957 bis einschließlich Jänner 1958, weil er von der beklagten Partei zu Unrecht entlassen worden sei. Sein Anstellungsverhältnis zur beklagten Partei gehe auf eine am 26. April 1957 getroffene Vereinbarung mit den anderen Gesellschaftern Gustav B. und Gertrude W. zurück, womit er zum Direktor mit einem Monatsgehalt von 3000 S berufen wurde. Außerdem habe er wie die anderen Gesellschafter auch die Funktion eines Geschäftsführers der beklagten Partei gehabt. Die Anstellung wie die Eigenschaft des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten hätten vereinbarungsgemäß auf die Dauer des Gesellschaftsverhältnisses des Klägers zur Beklagten wirksam sein sollen. Bis 31. Dezember 1962 sei Unkundbarkeit der Gesellschaft vereinbart worden. Die AO. Generalversammlung der beklagten Partei habe am 9. August 1957 mit Mehrheitsbeschluß der Gesellschafter das Mandat des Klägers als Geschäftsführer widerrufen. Am 20. August 1957 sei der Kläger im Handelsregister als Geschäftsführer gelöscht worden. Gleichfalls am 9. August 1957 sei der Kläger von den damaligen Geschäftsführern der beklagten Partei Gustav B. und Gertrude W. als Direktor der beklagten Firma wegen angeblicher Untreue fristlos entlassen worden. Der Kläger habe dem sofort widersprochen. Wegen unbegrundeter Entlassung habe er nunmehr Anspruch auf seine Bezuge während der vereinbarten Dauer des Dienstverhältnisses.
Die beklagte Partei bestritt die Behauptung unbegrundeter Entlassung und erhob in der fortgesetzten Streitverhandlung auch die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des Arbeitsgerichtes. Der Kläger sei niemals als Direktor der beklagten Partei vertraglich angestellt worden, vielmehr nur als Geschäftsführer zufolge seiner Gesellschaftszugehörigkeit tätig gewesen. Der Klageforderung setzte die beklagte Partei eine Gegenforderung von 16.618 S 40 g wegen übermäßiger Entnahmen des Klägers als Geschäftsführer aufrechnungsweise entgegen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß mit Mehrheitsbeschluß der Generalversammlung am 9. August 1957 die Auflösung der beklagten Gesellschaft beschlossen und in der Folge der Auflösungsbeschluß ins Handelsregister eingetragen wurde; die Gesellschaft befindet sich also derzeit in Liquidation. Unter 24 Cg 126/57 des Handelsgerichtes Wien ist ein Anfechtungsprozeß wegen Nichtigerklärung des Auflösungsbeschlusses anhängig. Am 9. August 1957 erfolgte die fristlose Entlassung des Klägers durch die schon genannten Geschäftsführer.
Das Erstgericht war der Auffassung, daß für die Ansprüche des Klägers das Arbeitsgericht gemäß § 2 Abs. 2 ArbGerG. nicht zuständig sei. Da jedoch die zuständigkeits- und anspruchsbegrundenden Tatsachen im vorliegenden Falle zusammenfielen, sei die Klage nicht zurück-, sondern abzuweisen gewesen.
Aus Anlaß der Berufung der klagenden Partei hob das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil und das ihm vorangegangene Verfahren einschließlich der Klagezustellung als nichtig auf, sprach die Unzuständigkeit des angerufenen Arbeitsgerichtes sowie die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte aus und wies die Klage zurück. Auszugehen sei davon, so führt der Beschluß aus, daß für die Zuständigkeitsentscheidung die Klagebehauptungen maßgebend seien. Nach diesen sei der Kläger während der Zeit des von ihm behaupteten Anstellungsverhältnisses Geschäftsführer der beklagten Partei gewesen. Gemäß § 2 Abs. 2 ArbGerG. verlören Dienstnehmer ihre Eigenschaft als Beschäftigte, wenn sie gleichzeitig gesetzliche Vertreter des Dienstgebers seien, was auch dann gelte, wenn ihre Organstellung auf einem Dienstvertrag beruhe. Für die Beurteilung, ob dies zutreffe, sei nicht der Zeitpunkt der klageweisen Geltendmachung dienstrechtlicher Forderungen von Bedeutung, sondern ob sich der Anspruch auf Zeiträume beziehe, in welchen der Dienstnehmer gesetzlicher Vertreter gewesen sei. Der Kläger mache gegenwärtig Gehaltsansprüche für September 1957 und die Folgemonate geltend. Er verkenne offenbar die Wirkung einer auch ungerechtfertigten Entlassung, wenn er meine, daß er im Falle unbegrundeter Entlassung noch Ansprüche auf laufende Gehaltsbezüge während der Dauer des vertraglich bis Ende 1962 unkundbaren und demnach bis dorthin aufrechten Dienstverhältnisses habe. Auch die ungerechtfertigte Entlassung aus einem Dienstverhältnis, das auf bestimmte Zeit geschlossen oder hinsichtlich dessen Unkundbarkeit vereinbart wurde, beende das Dienstverhältnis. Nur dort, wo ein besonderer gesetzlicher Kündigungs- oder Entlassungsschutz bestehe, treffe dies nicht zu. Die Entlassung vom 9. August 1957 habe daher das bis 31. Dezember 1962 unkundbar sein sollende Dienstverhältnis des Klägers beendet. Der Kläger habe somit keinen Anspruch auf laufende Gehaltsbezüge, sondern bloß Anspruch auf Kündigungsentschädigung. Es sei davon auszugehen, daß sich die Ansprüche des Klägers auf ein Dienstverhältnis grunden, das in eine Zeit falle, in der der Kläger gesetzlicher Vertreter der beklagten Partei gewesen sei. Für Ansprüche aus solchen Dienstverhältnissen sei nach § 2 Abs. 2 ArbGerG. dem Dienstnehmer der arbeitsgerichtliche Rechtsweg verschlossen, da bei Ansprüchen von Angestellten, die gleichzeitig gesetzliche Vertreter seien, die ordentlichen Gerichte zur Beurteilung dieser Ansprüche nach anderen Gesichtspunkten nicht dienstrechtlicher Natur besser geeignet erschienen als die Arbeitsgerichte. Das Erstgericht irre, wenn es meine, daß hier mit Klagsabweisung vorzugehen gewesen sei. Der Kläger mache seine Ansprüche immerhin aus einem Dienstverhältnis geltend. Würden ihm diese Ansprüche mit Sachentscheidung aberkannt, so sei er wegen der entgegenstehenden Rechtskrafteinrede außerstande, sie vor den ordentlichen Gerichten mit Erfolg geltend zu machen. Die Zuständigkeit sei nicht deshalb zu verneinen, weil der Kläger seine Ansprüche auf ein Dienstverhältnis grunde, das nach den Verfahrensergebnissen gar nicht vorliege sondern weil er als gesetzlicher Vertreter, obwohl ein Dienstverhältnis vorliege, nach dem Gesetz dennoch mit seinen Ansprüchen nicht unter die Jurisdiktion der Arbeitsgerichte falle. Es wäre daher schon nach den Klagebehauptungen die Klage wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen gewesen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug ihm auf, unter Abstandnahme vom gebrauchten Weisungsgrund über die Berufung zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die beklagte Partei erhob die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des Arbeitsgerichtes nicht schon in der Tagsatzung zur Vornahme der Streitverhandlung am 25. November 1957, sondern erst in der späteren Tagsatzung am 20. Jänner 1958.
Werden Streitigkeiten zwischen einer juristischen Person und ihren gesetzlichen Vertretern vor dem Arbeitsgericht geltend gemacht und wird die Einrede der Unzuständigkeit (§ 2 Abs. 2 ArbGerG.) nicht spätestens bei der ersten Tagsatzung erhoben, so wird das Arbeitsgericht gemäß § 104 Abs. 3 JN. und § 1 Abs. 4 ArbGerG. zuständig (ArbSlg. 5645, 5322). In der Entscheidung ArbSlg. 6233 hat sich der Oberste Gerichtshof ausführlich mit der Frage der subsidiären Geltung der Bestimmungen der Jurisdiktionsnorm für das arbeitsgerichtliche Verfahren befaßt und diese Frage eindeutig bejaht. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ArbSlg. 5945 besagt zwar, daß § 104 JN. im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar ist, allein die Gründe der Entscheidung lassen erkennen, daß der an die Spitze gestellte Rechtssatz nicht den tragenden Gedanken der Entscheidung ausdrückt. Dieser geht dahin, daß sich der Dienstgeber nicht auf eine Zuständigkeitsvereinbarung mit dem Dienstnehmer berufen kann, wenn damit schon vor Erhebung einer Klage, ja schon bei Eingehung des Dienstverhältnisses von vorneherein dem Dienstnehmer sein Wahlrecht nach den Zuständigkeitsbestimmungen des Arbeitsgerichtsgesetzes genommen wird. Können auf Grund des § 1 Abs. 4 ArbGerG. bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen juristischen Personen des Privatrechtes und ihren gesetzlichen Vertretern vor die Arbeitsgerichte gebracht werden, so ist damit jede Vereinbarung gemeint, sei sie jetzt mündlich oder schriftlich, ausdrücklich oder stillschweigend getroffen worden. Gegen die Anwendbarkeit des § 104 Abs. 3 JN., welche Bestimmung doch nur eine bestimmte Form stillschweigender Vereinbarung festlegt, ergibt sich demnach kein Hindernis.
Aber auch aus einem anderen Gründe erweist sich die angefochtene Entscheidung als verfehlt. Für die Beurteilung, ob einer Person die Eigenschaft eines "Beschäftigten" im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes zukommt, ist der Zeitraum maßgebend, für den dienstrechtliche Forderungen gestellt werden. Derselbe Grundsatz gilt für die Ausnahme des § 2 Abs. 2 ArbGerG. Es kann daher auch der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person Ansprüche vor dem Arbeitsgericht geltend machen, sofern sich diese auf Zeiträume beziehen, in denen er noch nicht oder nicht mehr gesetzlicher Vertreter, sondern lediglich Dienstnehmer war (ArbSlg. 6148). Der Kläger geht in seiner Klage davon aus, daß infolge der von ihm behaupteten ungerechtfertigten Entlassung das Dienstverhältnis nach wie vor aufrecht bestehe und er daher berechtigt sei, in Erfüllung des Dienstvertrages die laufend fällig werdenden Gehälter von der Dienstgeberin zu fordern. Wie früher angeführt, werden mit der vorliegenden Klage und ihrer Ausdehnung die Bezüge für die Monate September 1957 bis einschließlich Jänner 1958 geltend gemacht, somit für Zeiträume, in denen der Kläger unstreitig nicht mehr Geschäftsführer der beklagten Partei, daher auch nicht mehr einer ihrer gesetzlichen Vertreter war. Jene Ausführungen des angefochtenen Beschlusses, mit denen dargetan werden soll, daß auch die ungerechtfertigte Entlassung das Dienstverhältnis beende, der Kläger daher keinen Anspruch auf laufende Gehaltsbezüge aus einem weiterhin aufrecht bestehenden Dienstverhältnis, sondern bloß Anspruch auf Kündigungsentschädigung habe, berühren nicht die Zuständigkeitsfrage, sondern die sachliche Berechtigung des gestellten Begehrens. Wenn der angefochtene Beschluß im besonderen ausführt, es sei davon auszugehen, "daß sich die Ansprüche des Klägers auf ein Dienstverhältnis grunden, das in eine Zeit fällt, da der Kläger gesetzlicher Vertreter (Geschäftsführer) der Beklagten gewesen ist", so ist diese Ausdrucksweise, wenn schon nicht aktenwidrig, so doch ungenau. Tatsächlich macht der Kläger Gehaltsansprüche für eine Zeit geltend, während der er nicht mehr gesetzlicher Vertreter der Beklagten war. Für diese Ansprüche ist ihm aber die Anrufung des Arbeitsgerichtes durch § 2 Abs. 2 ArbGerG. nicht verschlossen. Eine andere Frage ist natürlich die nach der Berechtigung des klägerischen Standpunktes; ihre Beantwortung hat, wie schon erwähnt, mit der Zuständigkeitsfrage nichts zu tun, sondern betrifft das Meritum. Auf sie einzugehen, wäre gegenwärtig verfrüht.
Anmerkung
Z31124Schlagworte
Arbeitsgericht, Anwendung des § 104 Abs. 3 JN., Konsensprorogation, Anwendung des § 104 Abs. 3 JN. im, arbeitsgerichtlichen Verfahren, Stillschweigende Zuständigkeitsvereinbarung, Anwendung des § 104, Abs. 3 JN. im arbeitsgerichtlichen Verfahren, Zuständigkeit, Anwendung des § 104 Abs. 3 JN. im arbeitsgerichtlichen, VerfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1958:0040OB00075.58.1021.000Dokumentnummer
JJT_19581021_OGH0002_0040OB00075_5800000_000