TE OGH 1958/12/19 1Ob128/58

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Veröffentlicht am 19.12.1958
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Norm

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §16 Abs1
Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung ArtXLII.

Kopf

SZ 31/160

Spruch

Kein Anspruch auf Rechnungslegung oder Auskunftserteilung bei Verstößen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.

Entscheidung vom 19. Dezember 1958, 1 Ob 128/58.

I. Instanz: Kreisgericht Ried im Innkreis; II. Instanz:

Oberlandesgericht Linz.

Text

Die klagende Partei begehrt, daß die beklagte Partei im geschäftlichen Verkehr die Verwendung des Wortes "Elektra", das für die klagende Partei Verkehrsgeltung habe, unterlasse. Gleichzeitig verlangt sie, daß die beklagte Partei über ihre unter Verwendung des Wortes "Elektra" als Firmenschlagwort und Firmenbestandteil getätigten Umsätze ab 2. Jänner 1955 der klagenden Partei Rechnung lege.

Das Erstgericht erkannte gemäß dem Klagebegehren. Es stellte im wesentlichen fest, daß der Firmenwortlaut "Elektra" von einer Reihe von Firmen im In- und Ausland, insbesondere in Deutschland, geführt werde. Es handle sich hiebei jedoch um keine Gattungsbezeichnung, sondern um einen Phantasienamen. Das Wort "Elektra" habe in dem Handelsgerichtssprengel Ried im Innkreis, in welchem die beklagte Partei registriert sei, schon vor dieser Registrierung für das klägerische Unternehmen Verkehrsgeltung gehabt. Es sei aber auch die Verwechslungsfähigkeit der beiden Firmenwortlaute gegeben. Das Firmenschlagwort "Elektra" werde aber vom klägerischen Unternehmen schon viel länger geführt als von der beklagten Partei. Aus diesen Gründen sei das Unterlassungsbegehren der Klägerin begrundet. Der Klägerin stehe aber seit Erhalt des Schreibens vom 30. Dezember 1954, das sei seit 2. Jänner 1955, ein Schadenersatzanspruch gegenüber der Beklagten dem Gründe nach zu, weil der Beklagten seit diesem Zeitpunkt bekannt gewesen sei, daß die Führung ihrer Firma "den Interessen der Klägerin widerspreche" (§ 9 UWG.). Aus diesen Gründen habe die Klägerin auch einen Anspruch auf Rechnungslegung gegenüber der Beklagten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge und bestätigte das angefochtene Urteil hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens, änderte es aber hinsichtlich des Rechnungslegungsbegehrens dahin ab, daß es dieses abwies. Dabei übernahm das Berufungsgericht die erstgerichtlichen Feststellungen. In rechtlicher Beziehung bejahte es die Verkehrsgeltung des Wortes "Elektra" für die klagende Partei und auch die Verwechslungsfähigkeit, woraus der Unterlassungsanspruch folge. Zum Rechnungslegungsanspruch habe die klagende Partei nur vorgebracht, daß durch rechtswidrige Benützung eines Unternehmenskennzeichens "regelmäßig" dessen Wert beeinträchtigt werde. Sie habe es daher unterlassen, zu behaupten und unter Beweis zu stellen, daß eine "hohe Wahrscheinlichkeit" vorliege, daß ihr ein Schaden erwachsen sei. Mangels jeglicher Substantiierung des ihr angeblich entstandenen Schadens sei daher das Rechnungslegungsbegehren unbegrundet.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte das Urteil des Berufungsgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Frage, ob ein Verstoß gegen die Bestimmungen des UWG. dem Verletzten einen Anspruch auf Auskunftserteilung oder Rechnungslegung durch den Verletzer gibt, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt und wird von Rechtsprechung und Rechtslehre nicht einheitlich beantwortet.

Die deutsche Rechtslehre und Rechtsprechung (vgl. Reimer, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 3. Aufl. S. 838 ff.; Tetzner, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2. Aufl. S. 46 ff., und die dort angeführte Literatur und Entscheidungen) vertreten im überwiegenden Maße die Rechtsansicht, daß der durch einen Verstoß gegen das UWG. Verletzte, Anspruch auf Rechnungslegung hat. Als Rechtsgrund der Rechnungslegungspflicht wird angeführt, daß der Berechtigte auf Grund von Treu und Glauben den Anspruch habe, daß ihm der Verpflichtete über das Bestehen und den Umfang seines Rechtes Auskunft erteile, weil der Berechtigte darüber entschuldbarerweise im Ungewissen, der Verpflichtete hingegen unschwer in der Lage sei, eine solche Auskunft zu geben. Die deutsche Rechtslehre und die deutsche Rechtsprechung verschließen sich aber nicht der Tatsache, daß die Rechnungslegungspflicht bisweilen nur geltend gemacht werden könnte, um Einblick in die Geschäftsunterlagen des Verpflichteten - die den Kundenstock betreffen - zur Ausnützung im Wirtschaftskampf zu erzwingen. Sie schränken daher die Rechnungslegungspflicht teilweise auf eine Pflicht zur Auskunftserteilung ein und vermeinen, daß die Grenze des Anspruches auf Rechnungslegung und des Anspruches auf Auskunftserteilung immer dort liege, wo der Berechtigte beginne, seinen Anspruch zu Wettbewerbszwecken zu mißbrauchen. Das Gericht hätte daher im einzelnen Falle nach den gegebenen Umständen zu entscheiden, wie weit die Pflicht zur Auskunftserteilung gehe.

Die österreichische Rechtslehre vertritt einen ablehnenden Standpunkt. Neumann, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, 4. Aufl.

I S. 371 f., kennt eine Rechnungslegungspflicht nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes nur dort, wo gemeinschaftliches oder fremdes Vermögen verwaltet wird. Ehrenzweig (2. Aufl. II/1 S. 27) ist der gleichen Ansicht. Beide erwähnen nicht den Fall der Rechnungslegung zur Vorbereitung einer Klage auf Leistung von Schadenersatz. Lediglich Abel in Rspr. 1936 S. 92 begrüßt die dort unter Nr. 138 angeführte Entscheidung, auf die noch zurückzukommen sein wird. Er verweist hiebei lediglich auf die deutsche Rechtsprechung.

Auch der Oberste Gerichtshof hat sich wiederholt mit dieser Frage beschäftigt. Im Falle der Entscheidung SZ. VII 280 hat die erste Instanz den Anspruch auf Rechnungslegung als Vorbereitungsmaßnahme für die Geltendmachung künftiger Schadenersatzansprüche angesehen und der Klage stattgegeben. Die zweite und dritte Instanz haben diese Entscheidung bestätigt, ohne zur Frage der Pflicht zur Rechnungslegung näher Stellung zu nehmen. Die Entscheidung SZ. XIV 19 behandelt einen Patenteingriff. Der Oberste Gerichtshof hat dort die Verpflichtung zur Rechnungslegung aus § 96 PatG. erschlossen, nämlich aus dem nach dieser Gesetzesstelle zustehenden Anspruch auf Entschädigung oder Herausgabe der Bereicherung. Er hat ausgeführt, daß sich die Verpflichtung zur Rechnungslegung daraus ergebe, daß der schuldhaft eigenmächtige Benützer fremden Vermögens nicht besser behandelt werden könne als ein Geschäftsführer ohne Auftrag. In der in Rspr. 1928 Nr. 189 angeführten Entscheidung wird gleichfalls ein Anspruch auf Rechnungslegung zuerkannt, in den Gründen jedoch ohne nähere Ausführungen auf die Entscheidung SZ. VII 280 verwiesen. Die im EvBl. 1985 unter Nr. 637 abgedruckte Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien leitet die Pflicht zur Rechnungslegung gleichfalls aus einem Verstoß gegen Treu und Glauben ab. In der schon erwähnten Entscheidung Rspr. 1936 Nr. 138 wird die Rechnungslegungspflicht bei einem Verstoß gegen das UWG. daraus abgeleitet, daß der Schadenersatzberechtigte sich in einem Beweisnotstand befinde und daß es daher einem natürlichen Rechtsgrundsatz entspreche, daß die Rechtsordnung ihm ein Mittel in die Hand gebe, zu seinem Recht zu gelangen. Der Eingriff in die Rechtssphäre des Verletzten erzeuge die Verpflichtung zur Klarstellung und ergebe sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben.

Einen nicht einheitlichen Standpunkt nimmt die Entscheidung SZ. XXVI 189 ein. Zunächst wird in ihr ausgeführt, daß die strikte Beweisführung über den Schadenseintritt im Wettbewerbsrecht häufig auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoße. Der Verletzte könne zunächst nichts Näheres über den Umfang der Verletzungshandlungen wissen. Erst eine Auskunftserteilung oder Rechnungslegung durch den Verletzer könne darüber Klarheit schaffen. Während diese Stelle der Begründung darauf hindeutet, daß eine Rechnungslegungspflicht durch den Verletzer bestehe, wird aber in der weiteren Begründung ausgeführt, daß abweichend vom § 108 Abs. 3 PatG. und § 87 Abs. 4 UrhG. das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb keine gesetzliche Bestimmung kenne, wonach die durch den Eingriff in ein geschütztes Recht erzielte Bereicherung herauszugeben sei. Bei der Bemessung des durch den Eingriff nach § 9 UWG. erlittenen Schadens sei die Höhe der gebührenden Entschädigung gemäß § 273 ZPO. zu ermitteln. Mit diesem Teil der Begründung wird demnach eine Rechnungslegungspflicht desjenigen, der einen Verstoß gegen § 9 UWG. begangen hat, abgelehnt, weil ja sonst bei der Ermittlung der Schadenshöhe nicht § 273 ZPO. herangezogen werden müßte.

In 1 Ob 272/58 lehnt der Oberste Gerichtshof eine Verpflichtung zur Rechnungslegung oder Auskunftserteilung zur Vorbereitung eines Schadenersatzanspruches ab. An dieser neueren Rechtsprechung hält der Oberste Gerichtshof auch weiterhin fest, einerseits weil dem Gesetz nicht zu entnehmen ist, daß der Gesetzgeber dem Geschädigten einen solchen Anspruch gewähren wollte, und andererseits deshalb, weil der Gesetzgeber durch die Bestimmung des § 273 ZPO. hinlänglich vorgesorgt hat, dem Geschädigten über seine allfälligen Schwierigkeiten beim Beweis der Höhe des erlittenen Schadens hinwegzuhelfen. Für die Richtigkeit dieser Rechtsansicht sprechen überdies die Bestimmungen der §§ 321 Abs. 2 Z. 5 und 38O Abs. 3 ZPO. Wenn jeder Zeuge sich unter Hinweis auf ein Geschäftsgeheimnis der Zeugenaussage entschlagen darf und wenn gegen eine Partei keine Zwangsmaßregeln ergriffen werden dürfen, um sie zu einer Aussage zu verhalten, so kann sie auch nicht verurteilt werden, Aussagen über Umstände zu machen, die sie nicht preisgeben will. Das erwähnte Recht der Prozeßpartei kann nicht dadurch hinfällig gemacht werden, daß sie zur Rechnungslegung oder Auskunftserteilung verurteilt und im Exekutionsverfahren durch Geld- oder Haftstrafen dazu gezwungen wird. Eine Pflicht zur Rechnungslegung oder Auskunftserteilung kann daher nur dort als bestehend erachtet werden, wo sie im Gesetz ausdrücklich normiert ist. Dies trifft bei Verstößen gegen das UWG. nicht zu, weshalb auch in diesem Punkt die Entscheidung der zweiten Instanz zu bestätigen ist.

Anmerkung

Z31160

Schlagworte

Auskunftspflicht Verstoß gegen das UWG., Rechnungslegung, Verstoß gegen das UWG., Unlauterer Wettbewerb, Rechnungslegung und Auskunftspflicht, Wettbewerb unlauterer, Rechnungslegung und Auskunftspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1958:0010OB00128.58.1219.000

Dokumentnummer

JJT_19581219_OGH0002_0010OB00128_5800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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