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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Dipl. Ing. M in L, vertreten durch Dr. Jürgen Nowotny, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Obere Donaustraße 4, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 4. Februar 2003, Zl. LGSOÖ/Abt.4/1282/0984/2003-4, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe gemäß §§ 10 und 38 AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem in Notstandshilfebezug stehenden Beschwerdeführer wurde - wie sich aus der von ihm vorgelegten Zuweisung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Linz ergibt - am 31. Oktober 2002 ein Stellenangebot als Küchenhilfe (mit der Aufgabenbeschreibung: "Anlerntätigkeiten im Bereich der Küche, Praxis bevorzugt") in näher bezeichneten Buffetbetrieben in Linz angeboten; in dieser schriftlichen Aufforderung wurde ihm als Vorstelltermin der 12. November 2002, um 8.30 Uhr, in einem näher bezeichneten Buffet, unter Nennung der genauen Adresse, bekanntgegeben. Dabei wurde ihm auch mitgeteilt, dass er mit der Dauer der Veranstaltung von vier Stunden zu rechnen habe.
Am 19. November 2002 wurde mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift betreffend die Nichtannahme bzw. das Nichtzustandekommen einer zugewiesenen Beschäftigung aufgenommen. In dieser Niederschrift erklärte der Beschwerdeführer, gegen die Beschäftigung insgesamt keine Einwendungen zu haben; die Beschäftigung sei nicht zustande gekommen, weil er sich in der Adresse geirrt ("WIFI statt BFI") und dann den Ort nicht sofort gefunden habe und daher zu spät gekommen sei. Es sei das Bewerbungsgespräch aber ohnehin noch im Gange gewesen und er habe "die Arbeit nicht abgelehnt".
Unter der Rubrik "Stellungnahme des Dienstgebers" enthält das Formular den Vermerk "statt 8:30 erst um 10:30" erschienen.
Daraufhin wurde mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Linz vom 26. November 2002 ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer seines Anspruchs auf Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 AlVG für den Zeitraum vom 12. November bis 28. Dezember 2002 verlustig gehe.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. In dieser Berufung machte er geltend, dass "ihm dieser Stadtteil, in dem sich das ...
Buffet ... befindet", zur Gänze unbekannt sei, weshalb er
zeitgerecht mit der Straßenbahn bis zu einer näher bezeichneten Haltestelle gefahren und von da zu Fuß gegangen sei. Er habe zahlreiche Passanten "nach dem richtigen und vor allem kürzesten Weg" befragt. Diese hätten ihm wiederholt "den falschen Weg" gewiesen. Schließlich habe es der Beschwerdeführer nicht geschafft, um 8:30 Uhr rechtzeitig bei seinem Bewerbungstermin vorstellig zu werden, da er durch die "wiederholt falschen Wegbeschreibungen etliche Zeit verloren" habe. Etwa gegen 9.45 Uhr habe er den Ort des Vorstellungsgespräches erreicht und dem "Bewerbungsleiter" seinen Namen unter Vorlage der Zuweisung mitgeteilt. Sein Erscheinen sei vermerkt, ihm jedoch mitgeteilt worden, dass es für ihn keine Möglichkeit eines Bewerbungsgespräches mehr gebe, obwohl die Bewerbungstermine bis 12:30 Uhr ausgeschrieben gewesen seien. Ungeachtet des Umstandes, dass sich nur wenige weitere Bewerber eingefunden hätten, sei er wieder weggeschickt worden. Der Beschwerdeführer habe sich daher nicht geweigert, die ihm zugewiesene Arbeit anzunehmen. Es sei ihm ein entschuldbares Versehen dahingehend unterlaufen, dass er "als Ortsunkundiger zum Bewerbungsgespräch zu spät gekommen" sei. Darin liege keine Weigerung im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen.
Über Anfrage der Berufungsbehörde bestätigte der potenzielle Dienstgeber mit Schreiben vom 9. Jänner 2003, dass der Beschwerdeführer um ca. 10.00 Uhr am Ort der Vorstellungsgespräche verspätet eingelangt und weggeschickt worden sei. Ein Bewerber, der um ein oder zwei Stunden zu spät zum Vorstellungsgespräch komme, obwohl er Tage davor informiert worden sei, und sich damit entschuldige, er wisse nicht, wo der Vorstellungsort sei, habe "wahrscheinlich am Arbeitsmarkt eine sehr geringe Chance auf einen Arbeitsplatz".
Die belangte Behörde übermittelte diese Äußerung dem Beschwerdevertreter zur Stellungnahme, worin dieser im Wesentlichen darauf hinwies, dass die Darstellung in der Berufung durch diese Stellungnahme bestätigt werde. Es wäre nach seiner Auffassung ohne Weiteres möglich gewesen, ihm einen konkreten Termin für ein Einzelgespräch zu geben, selbst wenn dieses erst am Nachmittag gewesen wäre. Der Dienstgeber habe eine Vielzahl von Betriebsstätten, was insbesondere für einen nicht Ortskundigen zu "erheblicher Verwirrung und zu Irrtümer führen kann".
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 4. Februar 2003 hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Nach einer ausführlichen Darstellung des Verwaltungsgeschehens traf die belangte Behörde zunächst die Feststellung, es sei unstrittig, dass der Beschwerdeführer nicht um 8.30 Uhr, sondern zwischen 9.45 Uhr und 10.00 Uhr am angegebenen Vorstellungsort vorstellig geworden sei. Auf Grund der Verspätung von zumindest einer Stunde sei mit dem Beschwerdeführer kein Bewerbungsgespräch mehr geführt worden. Der Ort des Vorstellungsgespräches sei von der Wohnadresse des Beschwerdeführers "laut Routenplaner" 1,7 km entfernt. Die Einladung zum Vorstellungstermin sei dem Beschwerdeführer "so zeitig" zugegangen, dass er die Möglichkeit gehabt habe, sich über den Ort und dessen Erreichbarkeit zu erkundigen. Der Ausschuss für Leistungsangelegenheiten erachtet es daher "in freier Würdigung der aktenkundigen Beweise" als erwiesen, dass der Beschwerdeführer durch sein verspätetes Erscheinen zum Vorstellungsgespräch um ca. eine Stunde 15 Minuten eine durchaus mögliche Aufnahme einer Beschäftigung bei dem potenziellen Arbeitgeber vereitelt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermines oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (ständige Rechtsprechung; vgl. aus jüngerer Zeit das Erkenntnis vom 21. April 2004, Zl. 2001/08/0142).
Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Arbeitslosen als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Arbeitslosen und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Arbeitslose vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. die Erkenntnisse vom 20. Oktober 1992, Slg. Nr. 13.722/A, und vom 18. Oktober 2000, Zl. 96/08/0228).
Die belangte Behörde hat es als Vereitelungshandlung im vorstehenden Sinne gewertet, dass der Beschwerdeführer zu dem ihm ca. zwei Wochen vorher von der regionalen Geschäftsstelle bekannt gegebenen Bewerbungsgespräch nicht pünktlich zum angegebenen Termin um 8.30 Uhr (bei einer angekündigten Dauer der Veranstaltung von 4 Stunden), sondern erst um 9.45 Uhr erschienen ist. Dies bestreitet der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde ebenso wenig wie die im angefochtenen Bescheid ferner getroffene Feststellung, dass der Wohnort des Beschwerdeführers nur 1,7 km vom Ort des Vorstellungsgespräches entfernt lag. Der Beschwerdeführer beanstandet nur, dass sich die belangte Behörde nicht mit der Verschuldensfrage auseinandergesetzt hat. Es habe sich bei der Verspätung bloß um ein einmaliges Versehen gehandelt.
Damit vermag der Beschwerdeführer weder eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes noch einen für das Ergebnis des Verfahrens relevanten Begründungsmangel aufzuzeigen:
Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass einerseits Personen, die an der Erlangung eines angebotenen Arbeitsplatzes interessiert sind, ausnahmslos danach trachten werden, pünktlich zum Vorstellungsgespräch zu erscheinen, und dass andererseits unpünktliches Erscheinen von Stellenbewerbern - von unvorhersehbaren oder sonst entschuldbaren Hindernissen abgesehen -
von einem potenziellen Dienstgeber entweder als Desinteresse an der angebotenen Beschäftigung oder als Ausdruck der Unzuverlässigkeit gewertet werden kann. Ein solches Verhalten ist daher geeignet, den Dienstgeber von einer Einstellung solcher Bewerber abzuhalten. Es kommt daher im Beschwerdefall - wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - nicht darauf an, ob auch bei verspätetem Erscheinen noch ein - vom potenziellen Arbeitgeber angesichts der Verspätung abgelehntes - Bewerbungsgespräch möglich gewesen wäre, wie dies der Beschwerdeführer im Verfahren behauptet hat: Die Kausalität seines Verhaltens für das Unterbleiben eines Vorstellungsgespräches und damit für das Nichtzustandekommen der Beschäftigung könnte mit Erfolg nur dann und insoweit in Zweifel gezogen werden, als die Stelle im Zeitpunkt des Vorstellungstermins bereits anderweitig vergeben und daher das Vorstellungsgespräch auch bei zur Erlangung der zugewiesenen Arbeitsstelle geeignetem Verhalten der Arbeit suchenden Person untauglich gewesen wäre. Davon kann im vorliegenden Beschwerdefall aber keine Rede sein.
Es kommt - wie der Beschwerdeführer auch erkennt - letztlich nur darauf an, ob die belangte Behörde angesichts des von ihr festgestellten Sachverhaltes von vorsätzlichem Handeln des Beschwerdeführers zumindest in der Schuldform des dolus eventualis ausgehen konnte.
Dies ist aber aus folgenden Gründen zu bejahen:
Es kann auf sich beruhen, ob es grundsätzlich bloß als (allenfalls grob) fahrlässiges Verhalten zu werten wäre, wenn sich eine arbeitssuchende Person nicht vorweg darüber ins Klare setzt, auf welche Weise und auf welchem Wege sie pünktlich zu dem ihr bereits längere Zeit vorher bekannt gegebenen Ort eines Vorstellungsgesprächs gelangen könne; denn mit dem schon im verwaltungsbehördlichen Verfahren erstatteten Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei ihm von Passanten "teilweise" der falsche Weg gewiesen und dadurch die Verspätung verursacht worden, vermag dieser nämlich nicht schlüssig zu erklären, wie es bei einer Entfernung von bloß 1,7 km zwischen seinem Wohnort und dem Ort des Vorstellungsgesprächs trotz behaupteter Verwendung der Straßenbahn zu einer Verspätung von rund eineinviertel Stunden kommen konnte. Da insoweit nähere Darlegungen des Beschwerdeführers fehlen (auch noch das Beschwerdevorbringen bleibt insoweit ganz im Allgemeinen), durfte die belangte Behörde davon ausgehen, dass sich der Beschwerdeführer, obwohl ihm der
betreffende "Stadtteil ... zur Gänze unbekannt" gewesen ist (wie
er in seiner Beschwerde behauptet), unter zeitlichen Begleitumständen auf den Weg gemacht hat, angesichts derer sie annehmen durfte, dass er entweder von vornherein wusste, er werde das Vorstellungsgespräch nicht mehr pünktlich erreichen können (Vorsatz), oder er es sich zumindest denken konnte, aber sich dennoch mit dieser realistischen Möglichkeit abgefunden hat (bedingter Vorsatz). Die belangte Behörde ist daher im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer durch sein Verhalten das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG vereitelt hat.
Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als frei von Rechtsirrtum; die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 15. März 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003080059.X00Im RIS seit
19.04.2005Zuletzt aktualisiert am
23.03.2012