TE OGH 1959/4/28 8Os148/59

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Veröffentlicht am 28.04.1959
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. April 1959 unter dem Vorsitze des Rates des Obersten Gerichtshofes Dr. Prinz in Gegenwart der Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Heidrich, Dr. Mayer, Dr. Bröll und Dr. Greissinger als Richter und des Richteramtsanwärters Dr. Gruber als Schriftführers, über die von der Generalprokuratur gegen den gemäß dem § 39 StPO gefaßten Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 29. Dezember 1958, GZ Pers 5 - G - 82 mit welchem dem Ansuchen des Dr. Georg G***** um Eintragung in die Liste der Verteidiger des Oberlandesgerichtssprengels Wien nicht Folge gegeben wurde, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Rates des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayer, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Lotheissen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 29. Dezember 1958, Pers 5 - G - 82, mit welchem dem Ansuchen des Dr. Georg G***** um Eintragung in die Liste der Verteidiger des Oberlandesgerichtssprengels Wien nicht Folge gegeben wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 39 Abs 3 StPO dadurch, daß über diesen Antrag des Dr. Georg G***** ein Senat von drei Richtern statt des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien entschieden hat. Dieser Beschluß wird aufgehoben und das Oberlandesgericht Wien angewiesen, die Entscheidung über den Antrag des Dr. Georg G***** um Aufnahme in die Verteidigerliste dem Präsidenten dieses Gerichtshofes zweiter Instanz zu überlassen.

Text

Gründe:

Aus den angeschlossenen Akten des Oberlandesgerichtes Wien, Pers 5 - G - 82 betreffend die Eintragung des Dr. Georg G***** in die Verteidigerliste gemäß § 39 StPO ergibt sich folgender Sachverhalt:

Dr. Georg G***** hat bereits mehrmals, zuletzt am 4. Oktober 1957, um Eintragung in die Verteidigerliste beim Oberlandesgericht Wien angesucht (Bl. 50). Diesem Ansuchen hat das Oberlandesgericht Wien mit Beschluß vom 29. Dezember 1958, Pers 5 - G - 82 (Bl. 63-67), nicht Folge gegeben und dazu ausgesprochen, daß der Antragsteller, der für die Rechtsanwaltschaft geprüft ist, sich mit Rücksicht auf seinen bisherigen Lebenswandel des für den angestrebten Verteidigerberuf erforderlichen Vertrauens unwürdig gemacht habe. Diesen Beschluß hat das Oberlandesgericht Wien in einem aus drei Richtern bestehenden Senate gefaßt. Dr. G***** hat nach dem Vorbringen der Generalprokuratur gegen diesen Beschluß die Beschwerde an das Bundesministerium für Justiz erhoben, über die noch nicht abgesprochen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 29. Dezember 1958 steht mit dem Gesetze nicht im Einklang.

Gemäß § 39 Abs 3 StPO in der Fassung der Z 2 des Art I des Bundesgesetzes vom 23. Jänner 1957, über die Änderung und Ergänzung des gerichtlichen Strafverfahrensrechtes etc, BGBl Nr 31/1957, hat der Präsident jedes Gerichtshofes zweiter Instanz für seinen Sprengel eine Verteidigerliste anzulegen, in die jene Personen aufzunehmen sind und mit der so zu verfahren ist, wie es diese Gesetzesstelle im einzelnen vorsieht. Wer sich durch die Ausschließung aus dieser Verteidigerliste gekränkt erachtet, kann sich binnen 14 Tagen, nachdem ihm die Entscheidung zugestellt worden ist, beim Bundesministerium für Justiz beschweren.

Die Anlegung und Führung der Verteidigerliste im Sinne dieser Vorschriften ist eine Justizverwaltungssache. Darüber kann bei der gegenwärtigen Regelung dieser Materie seit der Novellierung des § 39 Abs 3 StPO durch BGBl Nr 31/57 im Gegensatz zu den vorher in Geltung gestandenen Vorschriften kein Zweifel mehr bestehen. In seiner ursprünglichen Fassung besagte § 39 Abs 3 StPO, daß jeder Gerichtshof zweiter Instanz für seinen Sprengel eine Verteidigerliste anzulegen habe. Dieser seinerzeitigen Regelung gemäß hatte der Gerichtshof zweiter Instanz über die Aufnahme in die Verteidigerliste oder den Ausschluß aus dieser in einem gemäß § 15, letzter Satz StPO aus drei Richtern gebildeten Senate zu entscheiden. Zufolge der Bestimmung des § 4 Abs 1 Z 11 im Zusammenhänge mit dem zweiten Absatz dieses Paragraphen des Gesetzes vom 24. Februar 1907, RGBl 41/1907 (siehe Leonhard, Das GOG, Manz 1932, S 69-71) über die Ausübung der Gerichtsbarkeit bei den Oberlandesgerichten und dem Obersten Gerichtshof bedurfte es nur dann nicht einer Beschlußfassung des Senates, wenn die von dem Referenten entworfene Erledigung vom Vorsitzenden ohne Bedenken genehmigt wurde. Wie in den Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zum Art I des nachmaligen Gesetzes vom 23. Jänner 1957, BGBl 31/1957, deutlich hervorgehoben wird (vgl 52 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, VIII. GP, S 4 und 5) hatte diese ursprüngliche Regelung zur Folge, daß es zu einer Entscheidung nach § 39 Abs 3 StPO stets der Beschlußfassung einer Mehrheit von Richtern bedurfte. Deren Entscheidung - ob im Senate selbst oder nur durch Übereinstimmung zwischen Berichterstatter und Vorsitzendem zustandegekommen - stellte daher nach Art 87 Abs 2 des Bundesverfassungsgesetzes (ungeachtet der in den §§ 11 Abs 1 Z 5 und 546 Abs 1 Z 1 der Geo 1937 und §§ 11 Abs 1 Z 5 und 509 Abs 1 Z 1 der Geo 1952 enthaltenen Vorschriften) immer einen Akt der Gerichtsbarkeit dar, weil sie nach Vorschrift des Gesetzes in die Senatskompetenz fiel und gemäß Art 87 Abs 1 und 2 des BVG, sich der Richter auch bei Erledigung von Justizverwaltungssachen der Senatskompetenz in Ausübung seines richterlichen Amtes befindet und unabhängig entscheidet. Mit dieser Sachlage in Widerspruch eröffnete § 39 StPO aber auch in seiner alten Fassung gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichtes die Möglichkeit einer Beschwerde an das Bundesministerium für Justiz.

An dieser verfassungswidrigen Anomalie des Gesetzes vermochten auch die Bestimmungen des durch Z 2 des Art VI des Gesetzes vom 6. Dezember 1955, BGBl 282/1955, dem § 73 GOG angefügten zweiten Absatzes nichts zu ändern, die nur besagen, daß "soweit nicht anderes bestimmt ist, die Gerichtshöfe erster Instanz und die Oberlandesgerichte über Angelegenheiten der Justizverwaltung in Senaten entscheiden, die aus dem Präsidenten des Gerichtshofes oder seinem Stellvertreter als Vorsitzendem und zwei Richtern bestehen"; denn auch diese Regelung schaltete die Senatskompetenz bei Anlegung der Verteidigerliste nicht aus und vermochte die sich daraus gemäß den zitierten Bestimmungen des BVG ergebende Konsequenz, daß solcher Art ein Akt der Gerichtsbarkeit vorliege, nicht zu beseitigen. Mit Inkrafttreten des Gesetzes vom 23. Jänner 1957, BGBl 31/1957, aber wurde die Anlegung der Verteidigerliste der Absicht des Gesetzgebers entsprechend der Senatszuständigkeit entrückt und mit dieser Justizverwaltungssache der Präsident des Gerichtshofes zweiter Instanz persönlich und allein betraut, wodurch der Beschwerdezug an das Bundesministerium für Justiz seine verfassungsmäßige Berechtigung erhielt (siehe hiezu auch Art 94 des Bundesverfassungsgesetzes). Im gegebenen Falle hat das Oberlandesgericht Wien am 29. Dezember 1958, also nach Inkrafttreten des Gesetzes vom 23.Jänner 1957, BGBl Nr 31/1957, der mit diesem Gesetz getroffenen Regelung zuwider über den Antrag des Dr. Georg G*****, ihn in die Verteidigerliste für den Sprengel des Oberlandesgerichtes Wien gemäß § 39 Abs 3 StPO einzutragen, in einem Senate entschieden, der (Bl. 67) im Sinne des § 73 Abs 2 GOG aus dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes und zwei Richtern bestanden hat. Dieser Beschluß verletzt daher das Gesetz in der Bestimmung des § 39 Abs 3 StPO.

Der Umstand, daß es sich im gegenständlichen Falle bei der angefochtenen Entscheidung um eine solche handelt, die bei Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen als Justizverwaltungssache behandelt hätte werden sollen, steht der Zulässigkeit der von der Generalprokuratur ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nicht entgegen. Denn die Beschwerde gemäß § 33 StPO kann ua auch gegen jeden gesetzwidrigen Beschluß oder Vorgang eines Strafgerichtes (wozu bei Wahrnehmung der Strafrechtspflege auch der Gerichtshof zweiter Instanz zählt) und zwar wegen jeder Verletzung oder unrichtigen Anwendung "des Gesetzes" erhoben werden (vgl Roeder, Österr. Strafverfahrensrecht, 1951, S 434). Diese Voraussetzung ist stets auch dann gegeben, wenn - unzuständigerweise - ein Strafgericht statt eines Justizverwaltungsorganes eingeschritten ist. Denn es liegt dann eben ein gesetzwidriger Beschluß oder Vorgang eines Strafgerichtes vor, der anders als durch eine auf Grund einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ergehende Entscheidung des Obersten Gerichtshofes nicht behoben werden kann. Daß aber das Oberlandesgericht als Gericht und nicht ein Justizverwaltungsorgan in der vorliegenden Sache entschieden hat, sobald nicht der zuständige Präsident sondern ein 3-Richter-Senat den angefochtenen Beschluß gefaßt hat, wurde bereits oben unter Hinweis auf Art 87 Abs 2 B-VerfG dargetan. Die Zulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes in solchen Fällen ist von der Rechtsprechung auch stets anerkannt und in der Literatur schon frühzeitig vertreten worden (vgl KH 1913, 1859, 3553, 3976, EvBl 1952 Nr 409, 1953 Nr 418, 1954 Nr 405, 1956 Nr 82 und auch 5 Os 357,358/55, 5 Os 11,12/55 und 5 Os 865/55 bzw Mayer, Komm zur Österr. StPO, II.Bd. 1878, S 124 Z 11 1.Abs, S 129 Z 34 2.Halbsatz und Lohsing-Serini S 462/463).

Die angeführte Gesetzesverletzung war daher gemäß § 292 StPO festzustellen; es war aber auch der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Oberlandesgericht Wien aufzutragen, die Entscheidung über das Ansuchen des Dr. Georg G***** um Eintragung in die Verteidigerliste des Oberlandesgerichtssprengels Wien dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien zu überlassen. Diese Maßnahme ist deshalb notwendig, weil sonst Dr. Georg G***** bei Fortbestand des angefochtenen Beschlusses des Oberlandesgerichtes Wien dadurch benachteiligt würde, daß das Bundesministerium für Justiz seine Beschwerde, da sie sich gegen einen Beschluß eines Strafgerichtes richtet, als unzulässig zurückweisen müßte und Dr. G***** daher des ihm gemäß § 39 Abs 3 StPO zustehenden Beschwerderechtes verlustig ging.

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes war daher Folge zu geben und wie im Spruche zu erkennen.

Anmerkung

E73500 8Os148.59

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1959:0080OS00148.59.0428.000

Dokumentnummer

JJT_19590428_OGH0002_0080OS00148_5900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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