TE OGH 1959/5/12 4Ob43/59

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Veröffentlicht am 12.05.1959
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Norm

ABGB §1325
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §333

Kopf

SZ 32/61

Spruch

Kein Schmerzengeldanspruch des Dienstnehmers gegen den Dienstgeber aus einem Arbeitsunfall.

Entscheidung vom 12. Mai 1959, 4 Ob 43/59.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wolfsberg; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Der Kläger ist Kraftfahrer und war beim Beklagten, einem Autounternehmer, bedienstet. Am 29. April 1956, ungefähr um 6.15 Uhr früh, befand sich der Kläger in der Garage des Beklagten, in der dessen Omnibus eingestellt war. Der Beklagte, der keinen Führerschein besaß, wollte den Wagen aus der Garage im Rückwärtsgang herausfahren. Er setzte den Wagen in Bewegung, doch fuhr dieser, da der erste Gang eingeschaltet war, nach vorne. Vor dem Autobus befand sich der Kläger, der über Weisung des Beklagten die Kühlerjalousie in Ordnung brachte. Der nach vorne in Gang gesetzte Autobus drückte den Kläger gegen eine Werkbank. Der Kläger erlitt dadurch einen Beckenringbruch und eine Harnröhrenverletzung. Der Beklagte wurde vom Bezirksgericht Wolfsberg zu U 407/56 rechtskräftig wegen der Übertretung gegen die Sicherheit des Lebens nach § 335 StG. schuldig erkannt, weil er "beim Starten des Omnibusses und Einschalten des ersten Vorwärtsganges so unvorsichtig den Kupplungshebel betätigt habe, daß er mit dem Fuß vom Pedal abgerutscht sei und dadurch das Fahrzeug nach vorne in Bewegung gebracht habe."

Der Kläger hat ein Schmerzengeld von 20.000 S s. A. schon zu 17 Cg 316/57 des Landesgerichtes Klagenfurt begehrt. Diese Klage wurde aber wegen sachlicher Unzuständigkeit zurückgewiesen. Mit der am 25. Oktober 1958 eingebrachten vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Bezahlung eines Schmerzengeldes von 20.000 S samt 4% Zinsen seit 19. Juli 1958 und die Feststellung, daß der Beklagte für alle Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 29. April 1956 aus dem Titel des Schmerzengeldes hafte.

Das Erstgericht wies die Klage ab, weil es sich um einen Arbeitsunfall handle und daher der Beklagte im Sinne des § 333 ASVG. nur für vorsätzliche Schadenszufügung hafte. Eine Haftung nach dem Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen komme nicht in Frage, weil der Kläger beim Beklagten beschäftigt gewesen und die Klage erst nach Ablauf der zweijährigen Verjährungsfrist eingebracht worden sei.

Infolge Berufung des Klägers bestätigte das Berufungsgericht das Ersturteil. Da der Beklagte nicht vorsätzlich gehandelt habe, sei er von jeder Haftung gemäß § 333 Abs. 1 ASVG. befreit. Die Sondervorschrift des § 333 Abs. 3 ASVG. komme nicht zur Anwendung, weil der Unfall des Klägers sich nicht bei dessen Teilnahme am allgemeinen Verkehr zugetragen habe. Von einer solchen Teilnahme könne nur gesprochen werden, wenn der Verletzte als Fußgänger der Benützer eines ihm gehörigen Fahrzeuges oder als Fahrgast in einem öffentlichen Verkehrsmittel den Arbeitsunfall erlitten habe, nicht aber, wenn er in Ausübung seines Dienstes an einem vom Unternehmer beigestellten, der Allgemeinheit nicht zugänglichen Fahrzeug tätig gewesen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit bekämpft der Kläger das Berufungsurteil, soweit dieses davon ausgeht, daß der Kläger nie behauptet habe, der Unfall sei im allgemeinen Verkehr durch ein Verkehrsmittel eingetreten, für dessen Betrieb auf Grund gesetzlicher Vorschrift eine erhöhte Haftpflicht bestehe. Der Kläger führt in der Revision aus, er habe vielmehr schon in der Klage die Bestimmungen des ABGB. zur Anspruchsbegründung herangezogen und darauf hingewiesen, daß der Beklagte als Halter eines Fahrzeuges nach dem KraftfVerkG. hafte. Diese Revisionsausführungen übergehen geflissentlich die Darstellung, die der Kläger in der Klage vom Unfallshergang gegeben hat. Dort hat er ausgeführt, daß er sich am 29. April 1956 in die Garage des Beklagten begeben habe und daß er, als er die Garage betrat, den Beklagten im Führersitz des Omnibusses vorgefunden habe. Über dessen Aufforderung mußte er zusammen mit dem Schwiegervater des Beklagten die Kühlerjalousie am Omnibus in Ordnung bringen. Indessen war der Beklagte damit beschäftigt, den Omnibus zu starten. Nachdem der Motor bereits eine Zeitlang gelaufen sei, habe sich der Autobus plötzlich durch eine Unvorsichtigkeit des Beklagten ruckartig nach vorne in Bewegung gesetzt. Es ist daher eine im Revisionsverfahren unzulässige Neuerung, wenn der Kläger in der Revisionsschrift behauptet, "seine Person sei im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall in keiner wie immer gearteten Beziehung zu seiner Tätigkeit als Angestellter des Beklagten gestanden, als sich der Unfall ereignete". Abgesehen davon, daß ein Autobus, der in einer Garage steht und dort zur Ausfahrt bereitgemacht wird, noch nicht "im allgemeinen Verkehr" steht, weil es Fahrgästen zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich ist, ihn zu besteigen, hat der Kläger über Weisung seines Dienstgebers im Zeitpunkt des Unfalles Arbeiten gerade an diesem Autobus ausgeführt. Der Kläger ist zur Unfallszeit an seinem Arbeitsort einer ihm aufgetragenen Beschäftigung im Rahmen seines Dienstvertrages nachgegangen und hat nicht am allgemeinen Verkehr teilgenommen. Es liegt daher ein Arbeitsunfall im Sinne des Abs. 1 des § 175 ASVG. vor, weil der Unfall sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der Beschäftigung des Beklagten ereignet hat. Der vorliegende Fall kann nicht anders beurteilt werden als das vom Kläger selbst gebrauchte Beispiel des Ankurbelns des Autobusses im Auftrag des Dienstgebers, weil es rechtlich ohne Bedeutung ist, ob dem Kläger als Dienstnehmer das Ankurbeln des Motors oder das Richten der Kühlerjalousie aufgetragen worden war. In beiden Fällen liegen Arbeitsunfälle im Sinne des § 175 Abs. 1 ASVG. vor, für deren Folgen der Dienstgeber nur im Rahmen des § 333 ASVG. haftet.

Da weder vorsätzliche Schadenszufügung (§ 333 Abs. 1 ASVG.) noch Erleiden des Unfalles anläßlich der Teilnahme am allgemeinen Verkehr (§ 333 Abs. 3 ASVG.) vorliegt, haftet der Beklagte nicht für den Anspruch des Klägers auf Bezahlung von Schmerzengeld.

Die Untergerichte haben daher die Leistungs- und Feststellungsklage des Klägers mit Recht abgewiesen. Die Frage des Klägers, wer ihm denn das Schmerzengeld zu zahlen habe, kann mit dem Gesetz nur dahin beantwortet werden, daß er gegen niemanden einen solchen Anspruch hat und in der Bestimmung des § 333 ASVG. eine Verletzung des verfassungsmäßig gewährleisteten Rechtes der Gleichheit aller vor dem Gesetz nicht gelegen ist (vgl. ArbSlg. 6681 - EvBl. 1957 Nr. 299.).

Anmerkung

Z32061

Schlagworte

Arbeitsunfall kein Schmerzengeldanspruch des Dienstnehmers, Dienstnehmer, Arbeitsunfall, kein Schmerzengeldanspruch, Schmerzengeld, kein Anspruch des Dienstnehmers auf - aus einem, Arbeitsunfall, Unfall bei der Arbeit, kein Schmerzengeldanspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1959:0040OB00043.59.0512.000

Dokumentnummer

JJT_19590512_OGH0002_0040OB00043_5900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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