TE OGH 1959/6/9 4Ob321/59

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Veröffentlicht am 09.06.1959
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Norm

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9

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SZ 32/75

Spruch

Die Bezeichnung "Ictosan" für ein Leber- und Gallepräparat kann mit der für die pharmazeutischen Erzeugnisse einer Firma registrierten Marke "Ichtolan" verwechselt werden.

Entscheidung vom 9. Juni 1959, 4 Ob 321/59.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht erließ auf Antrag der klagenden Partei zur Sicherung ihres Anspruches, die Verwendung der Bezeichnung tosan" für pharmazeutische Produkte im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, eine einstweilige Verfügung, mit der der beklagten Partei verboten wurde, im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung "Ictosan" für pharmazeutische Produkte zu verwenden. Es sei bescheinigt - so führt das Erstgericht aus -, daß für die Ichthyol- Gesellschaft seit dem 2. April 1928 die Wortmarke "Ichtolan" für Medikamente, chemische Produkte, Medizinen und Hygiene, Drogen und pharmazeutische Präparate unter Nr. 157.183 international registriert sei und auf Grund des Madrider Abkommens auch in Österreich Schutz genieße. Für diese Gesellschaft seien seit Jahrzehnten die Marke "Ichthyol" und von dieser Marke abgeleitete Marken, darunter auch die Marke "Ichtolan", in Ländern sämtlicher Kontinente geschützt. Die klagenden Parteien verwendeten im Einvernehmen mit der Markeninhaberin die Marke "Ichtolan" beim Vertrieb eines Salbenpräparates (Zugsalbe bei Furunkeln und Abszessen), welches Präparat in Verpackungen vertrieben werde, die nebst der Markenbezeichnung "Ichtolan" auch die bekannte Wortbildmarke "Ichthyol" mit den gekreuzten Hämmern enthielten. Die beklagte Partei vertreibe unter der Bezeichnung "Ictosanliquidum" ein in Tropfen zu nehmendes Leber- und Gallepräparat, das ebenso wie "Ichtolan" im Spezialitätenregister eingetragen sei. Auf der Verpackung dieses in Fläschchen vertriebenen Präparates seien auf der Etikette die Bezeichnung "Ictosan" (aber nicht das Wörtchen "liquidum") und die Worte, "Leber-Galle-Tropfen" in die Augen springend hervorgehoben. Auf der Etikette sei ersichtlich gemacht, daß das Leber-Galle-Präparat nur gegen ärztliche Verschreibung in Apotheken abgegeben werden dürfe. Für das Präparat "Ichtolan" sei eine ärztliche Verschreibung nicht erforderlich.

Die beiden einander gegenüberstehenden Bezeichnungen seien im Sinne des § 9 UWG. verwechselbar. Der Wortklang und das Wortbild stimmten im wesentlichen überein, und beide Wörter bestunden aus drei Silben mit derselben Vokalfolge i-o-a. Wenn die beklagte Partei ins Treffen führe, daß es sich bei ihrem Präparat um ein flüssiges Leber- und Gallepräparat, das in Tropfen genommen werde, im Gegensatz zum klägerischen Salbenpräparat handle und daß es außerdem nur gegen ärztliche Verschreibung erhältlich sei, so müsse dem entgegengehalten werden, daß beide Präparate derselben Warenklasse angehörten und die klagenden Parteien auch berechtigt wären, von ihnen vertriebene Leber-Galle-Präparate unter der Markenbezeichnung "Ichtolan" in den Verkehr zu bringen. Gewiß werde der Verbraucher, also der Patient, nicht ein Leber-Galle-Präparat verwenden, wenn ihm eine Zugsalbe nottue. Alle Kreise, die bei der Verschreibung oder Abgabe pharmazeutischer Präparat berufsmäßig beschäftigt seien, wie Ärzte, Apotheken usw., könnten angesichts des Wortklanges und des Wortbildes, insbesondere der großen Ähnlichkeit der Wortteile "Ichto" und "Icto", der Meinung sein, daß es sich beim Präparat "Ictosan" um ein weiteres auf den Markt gebrachtes Präparat aus der Erzeugungsstätte der klagenden Parteien handle, die alle gemeinsam den Wortteil Ichto" aufwiesen. So gesehen, wendeten sich die klagenden Parteien mit Recht gegen die Verwässerung ihrer Markenbezeichnung "Ichtolan", in welcher der für die klägerischen Erzeugnisse typische Wortteil "Ichto" enthalten sei. Gehe man aber von diesem Wortteil aus, sei der Wortteil "Icto" sehr ähnlich. Gewiß seien die Bezeichnungen "Ichtolan" und "Ictosan" Phantasiebezeichnungen. Während aber bei der Bezeichnung "Ichtolan" mit aller Deutlichkeit das griechische Wort "ichthys" erkennbar sei, sei in der Bezeichnung "Ictosan" weder das griechische Wort für Gelbsucht "ikteros" noch die lateinische Bezeichnung "icterus" erkennbar. Der Wortteil "icto" könnte nach der Meinung des Erstgerichtes allenfalls dem lateinischen Wort "ictus" (der Wurf, der Stoß) entnommen sein. Mit der Bezeichnung "Icto" sei eine Anlehnung an "Ichto" versucht worden.

Infolge Rekurses der beklagten Partei änderte das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß der Antrag der Kläger auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen wurde. Die Marke "Ichtholan" und die Bezeichnung der Erzeugnisse der beklagten Partei "Ictosan" seien nicht verwechselbar. Beim Vergleich komme es zwar auf den Gesamteindruck an, den die Bezeichnungen beim Durchschnittskäufer hervorriefen. Ebenso sei richtig, daß der Durchschnittskäufer die Herkunft der beiden Wörter nicht erkennen und sie daher als Phantasiebezeichnungen auffassen werde. Auch wenn außer Betracht bleibe, daß das Heilmittel der beklagten Partei "Ictosan" nur gegen ärztliche Verschreibung, also nicht im freien Handel, gekauft werden könne, müsse beachtet werden, daß es sich bei den Erzeugnissen beider Parteien nicht um Massenartikel handle, bei denen eine besondere Aufmerksamkeit der Käufer nicht vorausgesetzt werden könne. Sei schon durch die starke Vermehrung der Markenartikel in den letzten Jahren im allgemeinen eine Steigerung des Unterscheidungsvermögens auch des Durchschnittskäufers eingetreten, so pflege dieser die Bezeichnung von Heilmitteln auch mit einer gewissen Aufmerksamkeit zu betrachten. Wenn auch beide Bezeichnungen dieselbe Vokalfolge i-o-a und dieselbe Silbenanzahl aufwiesen und auf der letzten Silbe betont würden, so werde dieser anscheinende Gleichklang durch den Unterschied im ersten Teil der Namen weitgehend aufgehoben. Dieser Teil sei trotz der anderen Betonung derjenige, der den Blick des Käufers auf sich ziehe. Sowohl das Schriftbild als auch die Aussprache der beiden verschiedenen Silben "Ichth" und "Ict" seien verschieden. Die erstere bestehe aus fünf, die letztere aus drei Buchstaben, erstere werde länger mit stimmhaftem th, letztere kurz, gleichsam abgehackt, ausgesprochen. Dazu komme noch die Verschiedenheit in den Anfangsbuchstaben der letzten betonten Silbe. Diese Unterschiede reichten - so meint das Rekursgericht - aus, daß auch der - mit der obigen Einschränkung so genannte - flüchtige Beschauer oder Käufer die beiden Bezeichnungen auseinanderhalten könne. Es könne daher nicht als bescheinigt angesehen werden, daß er in Versuchung kommen würde, beide Heilmittel derselben Erzeugerfirma zuzuschreiben, auch wenn er die beiden Bezeichnungen nicht gleichzeitig oder ganz kurze Zeit nacheinander lese oder höre. Allerdings dürfe der Durchschnittskäufer, der ein "konstruierter Maßstab" sei, nicht nach den durch die soziale und wirtschaftliche Entwicklung überholten Vorstellungen als ein primitives Wesen aufgefaßt werden. Er müsse grundsätzlich nach dem Bild des typischen Konsumenten von heute konstruiert werden, dem eine Fülle von pharmazeutischen Erzeugnissen angeboten werde, die ihrer Herkunft nach verschieden seien, und der sich auch dieser Situation bewußt und ihr gewachsen sei, das heiße, daß er sich bei der Auswahl gerade solcher Erzeugnisse entsprechend aufmerksam verhalte. Der Interessent von durchschnittlicher Aufmerksamkeit, welcher der Vorstellung der Rechtsprechung und Lehre vor einigen Jahrzehnten richtig entsprochen haben möge, wäre nach der Meinung des Rekursgerichtes heute ein Interessent von erheblich unterdurchschnittlicher Aufmerksamkeit. Er sei als Grenztypus bei der Anwendung des § 9 UWG. nicht mehr zu befragen.

Der Oberste Gerichtshof stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zum Personenkreis, der mit pharmazeutischen Präparaten zu tun hat, gehören neben den Ärzten, Apothekern und deren Hilfspersonal, die die Präparate verschreiben, in den Verkehr bringen und anwenden, auch die Leidenden, die sich von der Verwendung des Präparates, das sie sich besorgt haben, Heilung erhoffen. Es mag sein, daß die mit pharmazeutischen Erzeugnissen beruflich Beschäftigten Personen eine besonders scharfe Gabe zur Unterscheidung haben müssen, weil viele chemische und ärztliche Bezeichnungen sowohl dem Wortbild als auch dem Wortklang nach einander ähnlich sind. Diese Unterscheidungsgabe kann sich aber nur auf wissenschaftlich und sprachlich richtige und eindeutig als solche erkennbare Bezeichnungen beziehen. Sobald hingegen wissenschaftlich gebräuchliche Wortteile mit Phantasiebezeichnungen vereinigt und die so entstandenen Wörter selbst zu Phantasiebezeichnungen werden, reicht die berufliche Ausbildung von Ärzten, Apothekern usw. nicht hin, um das Wesen der Bezeichnung, deren Ursprung, Bedeutung und Hinweisung auf bestimmte Erzeugungsfirmen ohne weiteres zu erkennen. Auch sie können daher Irrtümern bei der Beurteilung der Markenbezeichnung pharmazeutischer Präparate ohne weiteres zum Opfer fallen.

In noch verstärktem Ausmaß gilt dies von den Käufern der Präparate. Sie sind in der Regel weder wissenschaftlich gebildet noch auch im Gebrauch von Fremdsprachen, besonders der lateinischen und griechischen Sprache, so versiert, daß sie die sprachliche Herkunft pharmazeutischer Marken erkennen und ähnlich lautende Marken ohne weiteres voneinander unterscheiden könnten. Die Annahme des Rekursgerichtes, der Typus des Durchschnittskäufers habe in den letzten Jahrzehnten sein Unterscheidungsvermögen und seine Aufmerksamkeit wesentlich gesteigert und ihm könne zugemutet werden, auch ähnlich klingende Bezeichnungen auseinanderzuhalten, scheint dem Obersten Gerichtshof nicht überzeugend zu sein. Die durchschnittliche Bildung der Bevölkerung hat seit einigen Jahrzehnten zwar zugenommen. Die vergrößerte Hast aber, in der die Menschen heute leben müssen, der vermehrte Ansturm der Reklame und die Verstärkung des Angebotes besonders der pharmazeutischen Erzeugnisse bewirken, daß die Menschen nicht die Ruhe aufbringen, Markenbezeichnungen genau zu prüfen, und nicht aufmerksam genug sind, um Irrtümern, die sie bei der Möglichkeit intensiverer Befassung und bei geringerem Ausmaß des Angebotes erkennen würden, zu entgehen. An das Unterscheidungsvermögen der durchschnittlichen beteiligten Bevölkerungskreise können keine wesentlich größeren Anforderungen als bisher gestellt werden.

Bei der Prüfung der Verwechselbarkeit der von den Parteien verwendeten Bezeichnungen ihrer Präparate ist vom Wortlaut der für die Kläger international registrierten Marke "Ichtolan" auszugehen. Dieses Wort wird nach dem t nicht mit h geschrieben, wie das Rekursgericht angenommen hat. Es ist zwar richtig, daß die dem Gericht vorliegende Packung der von den Klägern erzeugten Salbe nicht die Marke "Ichtolan", sondern die Bezeichnung "Ichtholan" trägt. Allein den Markenschutz genießt nur der Wortlaut der registrierten Marke. Das Argument des Rekursgerichtes, die Aussprache der beiden Silben "Ichth" und "Ict" enthalte ein stimmhaftes th bzw. sei kurz, gleichsam abgehackt, und die Silben enthielten fünf bzw. nur drei Buchstaben, ist daher unzutreffend, weil ein h nach dem t nicht zu berücksichtigen ist.

Wie das Erstgericht richtig erkannt hat, besteht die Möglichkeit der Verwechslung der Bezeichnungen "Ichtolan" und "Ictosan". Hervorstechend ist die Gleichheit der Vokalfolge i-o-a. Beide Wörter beginnen mit demselben Anfangsbuchstaben, der Unterschied zwischen ch und c ist weder im Wortbild noch im Wortklang so groß, daß der Leser oder Hörer des Wortes eine wesentliche Verschiedenheit erkennen könnte. Der Unterschied der letzten Silbe" "lan" bzw. "san" ist gering, betrifft nicht mehr den Stamm, sondern ein bloßes Sufix der Wörter und haftet daher kaum im Gedächtnis. Es darf nicht außer acht gelassen werden, daß dem Leser oder Hörer der Bezeichnung "Ictosan" regelmäßig der Anblick oder der Klang der Marke "Ichtolan" nur in verwischter Erinnerung sein wird, so daß die Verwechslung umso leichter eintreten kann. Der Umstand, daß die Markenbezeichnung "Ichtolan" das griechische Wort "ichthys" (Fisch) und die Bezeichnung "Ictosan" das auf das Lateinische zurückgehende Wort "icterus" (Gelbsucht) verwendet haben dürften, spielt keine Rolle, weil es beim Durchschnitt der Bevölkerung nicht auf die Etymologie des Wortes ankommt. Auch die verschiedenartige, aber in keinem Fall hervorstechende Ausstattung der Präparate verhindert nicht, daß die beteiligten Verkehrskreise das Erzeugnis "Ictosan" der Ichthyol-Gesellschaft zuschreiben.

Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes haben die klagenden Parteien daher bescheinigt, daß die beklagte Partei die für die klagenden Parteien registrierte Marke "Ichtolan" in einer Weise benützt, die geeignet ist, Verwechslungen der pharmazeutischen Erzeugnisse der beklagten Partei mit denen der klagenden Parteien hervorzurufen, und daß den Klägern daher gegen die Beklagte der Anspruch zusteht, daß diese die verwechselbare Bezeichnung "Ictosan" nicht verwendet. Ob Verwechslungen tatsächlich vorgefallen sind, was die beklagte Partei bestreitet, spielt keine Rolle.

Da nach § 24 UWG. die Gefährdung des Unterlassungsanspruches der klagenden Parteien nicht bescheinigt zu werden brauchte, war die beantragte einstweilige Verfügung zu bewilligen.

Anmerkung

Z32075

Schlagworte

"Ichtolan" verwechselbar ähnlich mit "Ictosan" Markenschutz Verwechslungsgefahr zwischen "Ictosan" und "Ichtolan" Unlauterer Wettbewerb, Verwechslungsgefahr zwischen "Ictosan" und "Ichtolan" Verwechslungsfähigkeit "Ictosan" - "Ichtolan" Wettbewerb unlauterer, Verwechslungsgefahr zwischen "Ictosan" und "Ichtolan"

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1959:0040OB00321.59.0609.000

Dokumentnummer

JJT_19590609_OGH0002_0040OB00321_5900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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