TE Vwgh Erkenntnis 2005/3/15 2004/08/0225

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Veröffentlicht am 15.03.2005
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des E in S, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 2. September 2004, Zl. LGSOÖ-Abt.4/1284/1624/2004-13, betreffend Verlust von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Aufwandersatzbegehren des Beschwerdeführers wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stand seit 14. Oktober 2003 im Bezug von Notstandshilfe. Mit Bescheid vom 17. Juni 2004 sprach das Arbeitsmarktservice Steyr, Service Versicherungsleistungen, aus, dass der Beschwerdeführer für den Zeitraum vom 12. Mai bis zum 6. Juli 2004 gemäß § 10 iVm § 38 AlVG den Anspruch auf Notstandshilfe verloren habe. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei nicht bereit gewesen, an der "Aktion Job" mit Beginn am 12. Mai 2004 teilzunehmen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, die "Aktion Job" hätte im Hinblick auf eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu keinem Erfolg geführt. Er verfüge über genügend Kenntnisse zur Arbeitssuche bzw. zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Hätte das Arbeitsmarktservice die Ausbildung des Beschwerdeführers zum Staplerfahrer gefördert, hätte dieser schon eine Anstellung bei einem Unternehmen gefunden, das der Beschwerdeführer zu Fuß erreichen könne. Hätte er einen Pkw, hätte er schon öfters eine Anstellung als Maler gefunden.

Mit Schreiben vom 23. Juli 2004 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zu seiner Berufung mit, dass die Maßnahme "Aktion Job" modular gestaltet sei und enthalte unter anderem die Möglichkeit "der Absolvierung des Staplerscheines". Über die Möglichkeiten "innerhalb der Maßnahme" sei der Beschwerdeführer anlässlich der Kurszuweisung von seiner Beraterin informiert worden.

In einer Stellungnahme zu diesem Schreiben bestritt der Beschwerdeführer, vor Kursbeginn auf die Möglichkeit zur Erlangung des "Staplerscheines" hingewiesen worden zu sein. Das Arbeitsmarktservice habe den Beschwerdeführer schriftlich aufgefordert, die "Aktion Job" zu besuchen, "ansonsten die Notstandshilfe unterbrochen wird". Vor Kursbeginn habe es kein Gespräch zwischen dem Beschwerdeführer und der zuständigen Mitarbeiterin des Arbeitsmarktservice gegeben. Erst im Berufungsverfahren sei der Beschwerdeführer auf die Möglichkeit der Erlangung des Staplerscheines bei der "Aktion Job" hingewiesen worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Begründung traf sie folgende Feststellungen:

     "Sie beziehen seit 14.10.2003 Notstandshilfe ... . Das

Arbeitsmarktservice ... hat ihnen am 5.5.2004 den Auftrag erteilt,

an der Maßnahme Aktion Job zur Wiedereingliederung in den

Arbeitsmarkt beim Wifi ... teilzunehmen. Ihre persönlichen

Kenntnisse und Fähigkeiten zur Vermittlung am Arbeitsmarkt sind nicht mehr ausreichend. Das haben die bisherigen Vermittlungsversuche gezeigt. Mit der Teilnahme sollten Qualifikations- und Motivationsdefizite behoben werden. Darüber hat Sie ihre Beraterin am 5.5.2004 aufgeklärt. Unter anderem sollten Sie angeleitet werden ihre Kenntnisse und Fähigkeiten bei Bewerbungen besser zu 'verkaufen'. Als Beginn der Maßnahme war der 12.5.2004 vorgesehen. Sie sind zum Einstiegstermin am 12.5.2004 beim Wifi ... nicht erschienen.

Die Maßnahme 'Aktion Job' ist für 3 Monate konzipiert und beinhaltet neben der Einstiegsphase mit der Erstellung eines individuellen Bildungsplanes auch einen Qualifizierungsteil mit diversen Möglichkeiten der Aufqualifizierung, unter anderem auch die Möglichkeit des Erwerbs eines Staplerscheines und enthält die Vermittlung von Bewerbungs-Know-How und konkreter Bewerbungsarbeit.

Am 2.6.2004 sind sie persönlich anlässlich einer Niederschrift beim Arbeitsmarktservice ... zu den Gründen für die Nichtteilnahme befragt worden. Sie gaben dazu keine Stellungnahme ab und haben auch keinen Vertreter namhaft gemacht."

Im Anschluss an den Sachverhalt gab die belangte Behörde den Inhalt der Berufung des Beschwerdeführers wieder und führte aus, der Beschwerdeführer sei im Berufungsverfahren darauf hingewiesen worden, dass er anlässlich der Kurszuweisung von seiner Beraterin "über die Möglichkeiten innerhalb der Maßnahme" informiert worden wäre, was vom Beschwerdeführer bestritten worden sei.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, die Maßnahme "Aktion Job" habe vor allem dazu gedient, Kurse und Trainingsmöglichkeiten anzubieten, die individuell auf die Defizite der einzelnen Teilnehmer abgestimmt seien. Insbesondere sei es auch möglich gewesen, im Rahmen dieser Maßnahme den "Staplerschein" zu erwerben. Zudem werde im Rahmen dieser Maßnahme zum besseren Präsentieren von Fähigkeiten und Qualifikationen am Arbeitsmarkt "Bewerbungs-Know-How" vermittelt. Inhalt und Umfang der Maßnahme sowie die als notwendig befundene Behebung von Qualifikations- und Motivationsdefiziten nach mehr als einjähriger Arbeitslosigkeit habe die Beraterin mit dem Beschwerdeführer im Rahmen der Zuweisung ausführlich besprochen. Durch die Ablehnung, an der Maßnahme teilzunehmen, habe der Beschwerdeführer gezeigt, dass er nicht arbeitswillig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 Z 1 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit rügt der Beschwerdeführer, dass ihm nicht mitgeteilt worden sei, in welcher Weise seine Fähigkeiten und Kenntnisse zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt nicht ausreichten, somit weshalb er eine Maßnahme zur Wiedereingliederung hätte besuchen sollen. Schon wegen dieses Vorbringens ist die Beschwerde begründet:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer u.a. bereit ist, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- bzw. umschulen zu lassen oder an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen.

§ 10 Abs. 1 AlVG bestimmt (u.a.), dass der Arbeitslose für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld verliert, wenn er ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt.

Diese Bestimmungen sind nach § 38 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2000, Zl. 99/03/0132) ausgeführt, es könne aus den §§ 9 Abs. 1 und 10 Abs. 1 AlVG nicht abgeleitet werden, dass es im freien Belieben des Arbeitsmarktservice stünde, einem Arbeitslosen (auch einem Langzeitarbeitslosen) entweder eine Arbeitsstelle zu vermitteln oder ihn einer Nach- oder Umschulung zuzuweisen. Eine solche Zuweisung vermöge sich insbesondere nicht auf die vom Arbeitslosen auch wiederholt an den Tag gelegte Unwilligkeit, eine ihm durch das Arbeitsmarktservice zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, zu stützen. Für eine solche Maßnahme sei vielmehr Voraussetzung, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitslosen für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausreichend seien. Das Arbeitsmarktservice habe diese Voraussetzung zu ermitteln und das Ergebnis ihres Ermittlungsverfahrens dem Arbeitslosen - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung - zur Kenntnis zu bringen. Von einer den Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld nach sich ziehenden ungerechtfertigten Weigerung des Arbeitslosen, an einer ihm zugewiesenen Nach- oder Umschulungsmaßnahme teilzunehmen, könne demgemäß nur dann gesprochen werden, wenn diese Zuweisung sich konkret auf eine solche Maßnahme beziehe und die Weigerung in objektiver Kenntnis des Inhaltes und der Zumutbarkeit sowie Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme erfolge.

Diese Subsidiarität gilt - angesichts des nach wie vor bestehenden Vorranges der Eingliederung des Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt bzw. der Vermittlung einer dem Arbeitslosen zumutbaren Beschäftigung durch seine eigenen, von ihm zu entfaltenden Bemühungen bzw. durch das Arbeitsmarktservice - in entsprechender Weise auch im Verhältnis zu einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Demgemäß liegt eine ungerechtfertigte Weigerung eines Arbeitslosen nur dann vor, wenn es sich überhaupt um eine solche Maßnahme handelt, wenn feststeht, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitslosen für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausreichend sind und es daher solcher Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bedarf, und wenn schließlich das Arbeitsmarktservice das Ergebnis des diesbezüglichen Ermittlungsverfahrens dem Arbeitslosen - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung -

zur Kenntnis gebracht hat und der Arbeitslose dennoch ohne wichtigen Grund die Teilnahme an dieser Maßnahme ablehnt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, 2002/08/0036).

Nach der Judikatur müssen die Voraussetzungen für die Zuweisung zu einer Maßnahme nicht notwendigerweise im Bescheid über die Verfügung einer Sperrfrist genannt werden. Es ist ausreichend, wenn dem Beschwerdeführer die objektive Notwendigkeit der in Rede stehenden Maßnahme anlässlich der Zuweisung zu derselben, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Ansehung seiner fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes und die Notwendigkeit gerade dieser Maßnahme zur Wiedereingliederung dargelegt werden und er auf die Rechtsfolgen einer Weigerung hingewiesen wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2003, 2000/08/0041, m.w.N.).

Versäumnisse anlässlich der Zuweisung können nach Beginn der Maßnahme nicht mehr nachgeholt werden (vgl. das Erkenntnis vom 19. März 2003, Zl. 2000/08/0087, mwN).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage wäre es für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides erforderlich, dass hinsichtlich der objektiven Notwendigkeit der gegenständlichen Maßnahme dem Beschwerdeführer vor der Zuweisung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Ansehung seiner fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes und der Notwendigkeit gerade dieser Maßnahmen zur Wiedereingliederung dargelegt und er auf die Rechtsfolgen einer Weigerung hingewiesen worden wäre.

Der angefochtene Bescheid enthält keinen Hinweis darauf, dass mit dem Beschwerdeführer vor der Zuweisung die Frage der Sinnhaftigkeit der in Aussicht genommenen Maßnahme erörtert worden wäre und dass er auf die Rechtsfolgen einer Weigerung hingewiesen worden wäre. Nach den Feststellungen wurde der Beschwerdeführer lediglich allgemein darüber informiert, dass durch die Teilnahme an der Maßnahme seine Qualifikations- und Motivationsdefizite behoben werden sollten; worin diese bestanden haben, wurde ihm nicht näher gebracht. Selbst wenn dem Beschwerdeführer mitgeteilt worden wäre - was er auch in der Beschwerde noch bestreitet -, dass er "unter anderem auch die Möglichkeit des Erwerbs eines Staplerscheines" gehabt hätte, konnte diese Mitteilung die Erörterung der gesamten Maßnahme nicht ersetzen.

Anhaltspunkte für eine Belehrung über die Rechtsfolgen können auch dem Akteninhalt nicht entnommen werden.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Der Beschwerdeführer hat als obsiegende Partei gemäß § 48 Abs. 1 Z 1 und 2 VwGG Anspruch auf Ersatz der Stempel- und Kommissionsgebühren sowie der Gebühr nach § 24 Abs. 3 (für die Beschwerde), die er im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu entrichten sowie der Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes, für die er aufzukommen hat und des Aufwandes, der für ihn mit der Einbringung der Beschwerde verbunden war (Schriftsatzaufwand). Gemäß § 48 Abs. 1 VwGG gebührt dem Beschwerdeführer Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand nur dann, wenn er tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten war.

Die vorliegende Beschwerde war zwar mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehen, enthielt aber keinen Hinweis auf ein Vertretungsverhältnis; der vom Beschwerdeführer offenbar als "Pauschal. Aufwandersatz" geltend gemachte Ersatz von Schriftsatzaufwand steht ihm daher nicht zu. Die in der Beschwerde angeführten übrigen Positionen (Portogebühr, Papierauslagen, Unterfertigung Rechtsanwalt), die der Beschwerdeführer ersetzt haben will, finden in der zitierten Bestimmung, die den Aufwandersatz abschließend regelt, keine Deckung. Das Aufwandersatzbegehren des Beschwerdeführers war daher abzuweisen.

Wien, am 15. März 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004080225.X00

Im RIS seit

26.04.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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