Norm
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9Kopf
SZ 32/99
Spruch
Die Verwendung einer bestimmten Farbe kann für sich allein einem Mitbewerber nicht nach § 9 UWG. verboten werden.
Entscheidung vom 1. September 1959, 4 Ob 323/59.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die klagende Partei bringt zur Begründung ihres Begehrens vor, fast 80% ihrer Erzeugnisse, seien "Milka"-Produkte. Diese würden ausschließlich in Packungen in den Handel gebracht, welche eine charakteristische blauviolette Farbe hätten, die als "mauve" (malvenfarbig) bezeichnet werde und für die sich fast allgemein die Bezeichnung "milkablau" eingebürgert habe. Dieser Farbton habe sich für die "Milka"-Produkte der Klägerin im Laufe von Jahrzehnten derart eingebürgert, daß er als charakteristisches Kennzeichen Verkehrsgeltung habe. In letzter Zeit bringe nun die Beklagte einen aus Magermilch-Pulver, verschiedenen Pflanzenfetten und Erdnußpreßkuchen hergestellten Block unter der Bezeichnung "Milk-Nuts-Block" in einer Ausstattung auf den Markt, die geeignet sei, zu Verwechslungen mit den "Milka"-Erzeugnissen der Klägerin zu führen. Die Verpackung der Milk-Nuts-Blocks habe nämlich einen mit der Milka-Farbe verwechslungsfähigen Farbton, und das Wort "Milk" sei überdies mit dem Wort "Milka" verwechslungsfähig. Es könne daher in Käuferkreisen leicht der Eindruck erweckt werden, daß es sich bei den Milk-Nuts-Blocks um ein Produkt der Klägerin handle.
Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens indem sie im wesentlichen die Verwechslungsgefahr bestritt.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, den Vertrieb der von ihr unter der Bezeichnung "Milk-Nuts-Block" in den Handel gebrachten Erzeugnisse in einer Verpackung wie der des vorgelegten Blocks und überhaupt die Verwendung einer mit der auf den Verpackungen der Milchschokolade-Erzeugnisse der klagenden Partei benützten violetten Farbe verwechslungsfähigen violetten Farbe als vorherrschender Farbe auf den Verpackungen ihrer Erzeugnisse bei Exekution zu unterlassen. Das Mehrbegehren auf Unterlassung der Verwendung dieser violetten Farbe auf allen Werbemitteln sowie auf Beseitigung der Verpackungen und sonstigen Werbemittel blauvioletter Farbe wurde abgewiesen. Schließlich sprach das Erstgericht der klagenden Partei die Befugnis zu, den Urteilsspruch in den Zeitungen "Die Presse", "Neuer Kurier" und "Salzburger Nachrichten" auf Kosten der beklagten Partei zu veröffentlichen. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Die Klägerin bringt in Österreich allseits bekannte Schokoladeerzeugnisse in Tafelform unter der Bezeichnung "Milka" auf den Markt. Für die Verpackung dieser Milchschokolade-Erzeugnisse verwendet sie seit Jahrzehnten die klagsgegenständliche violette Farbe, wie sie die vorgelegten Packungen von "Milka"-Schokolade und die Werbeplakate aufweisen.
Die Beklagte verwendet die violette Farbe, welche die Verpackung des vorgelegten, von der Beklagten hergestellten Milk-Nuts-Blocks trägt, seit zirka neun Monaten, und zwar nur für das "Milk-Nuts-Block" genannte Erzeugnis.
Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft hat gemäß § 19 Abs. 2 lit. g des Handelskammergesetzes, BGBl. Nr. 182/1946, ein Gutachten erstattet. Die dem Gutachten neben den Äußerungen der Landeskammern zugrunde liegende Befragung der beteiligten Kreise des Handels, des Gewerbes und der Industrie hatte das Ergebnis, daß zirka 87% der beteiligten Verkehrskreise, und zwar auch der Konsumenten, die violette Farbe, welche die Klägerin auf den Verpackungen ihrer "Milka" genannten Schokoladeprodukte und für die Werbeplakate, betreffend diese Produkte, verwendet, als kennzeichnend für die Erzeugnisse der Klägerin erachten.
Der von der Beklagten hergestellte und vertriebene Milk-Nuts-Block hat eine Länge von 9.5 cm, eine Breite von 5 cm und eine Dicke von 0.5 cm. Er ist in einer Schleife verpackt, die auf der Rückseite mit Ausnahme eines kleinen weißen Rechtecks, in welchem die Firma der beklagten Partei angegeben ist, zur Gänze in einer violetten Farbe gehalten ist. Die Vorderseite der Verpackung ist durch eine von links unten nach rechts oben laufende Diagonale geteilt. Die linke obere Hälfte ist gleichfalls in der violetten Farbe gehalten wie die Rückseite, während die untere rechte Hälfte weiß ist. Die Vorderseite trägt die Aufschrift "Erita milk Nuts Block", und zwar
das Wort "Milk" in weißen Blockbuchstaben auf violettem Grund und
das Wort "Nuts" in violetten Blockbuchstaben auf weißem Grund. Das Wort "Erita" befindet sich in der linken oberen Ecke, das Wort "Block" in der rechten unteren Hälfte. Die dominierende Farbe der Verpackung ist die violette Farbe. Der Farbton der violetten Farbe, welche die Klägerin für die Verpackung ihrer "Milka"-Erzeugnisse und bei der Werbung für diese Erzeugnisse verwendet, und der Farbton der violetten Farbe der Verpackung der Milk-Nuts-Blocks der Beklagten sind, wenn sie mit der Aufmerksamkeit des Durchschnittskäufers betrachtet werden, gleich.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß die gegenständliche violette Farbe der Verpackung der Schokolade eine besondere Kennzeichnungskraft für die Erzeugnisse der klagenden Partei habe. Eine solche intensive Kennzeichnungskraft bedeute aber, daß die beteiligten Verkehrskreise zumindest dann, wenn diese Farbe auf Schokoladepackungen vorherrschend sei, damit unweigerlich die Vorstellung von Erzeugnissen der Klägerin verbinden und sonstige Ausstattungsmerkmale der Verpackungen, die diese Farbe trügen, an Unterscheidungswirkung verlieren würden. Dadurch sei allein infolge der Verwendung der gegenständlichen violetten Farbe durch die Beklagte für die Verpackung ihrer Milk-Nuts-Blocks eine große Verwechslungsfähigkeit dieses Erzeugnisses der Beklagten mit Erzeugnissen der Klägerin gegeben. Da die gegenständliche violette Farbe auf der Verpackung der Milk-Nuts-Blocks vorherrschend sei, sei der Beklagten die Verwendung dieser Verpackung im Sinne des Urteilsantrages der Klägerin zu untersagen gewesen. Dem Begehren auf Unterlassung, der Verwendung der gegenständlichen violetten Farbe durch die Beklagte auf Verpackungen ihrer Erzeugnisse überhaupt sei allerdings nur eingeschränkt auf Süßwarenerzeugnisse und auf die Verwendung der gegenständlichen violetten Farbe als vorherrschender Farbe stattzugeben gewesen, weil es sich bei dem Milk-Nuts-Block um eine Süßware handle und bloß bei Verwendung der gegenständlichen violetten Farbe als dominierender Farbe auf Verpackungen von Süßwaren gesagt werden könne, daß bei der intensiven Kennzeichnungskraft dieser Verpackungsfarbe für Erzeugnisse der Klägerin eine Verwechslungsfähigkeit in der oben ausgeführten Weise hervorgerufen werde. Dem Unterlassungsbegehren hinsichtlich der Verwendung der gegenständlichen violetten Farbe auf Werbemitteln sei nicht stattzugeben gewesen, weil von der Klägerin eine solche Verwendung dieser Farbe durch die Beklagte nicht behauptet worden und überdies unbestritten sei, daß die Beklagte diese Farbe nur für die Verpackung der Milk-Nuts-Blocks verwende. Auch das Begehren auf Beseitigung der Verpackungen und sonstigen Werbemittel blauvioletter Farbe sei abzuweisen gewesen. Die Befugnis zur Urteilsveröffentlichung habe der Klägerin gemäß § 25 Abs. 4 UWG. zugesprochen werden müssen.
Das Berufungsgericht gab der nur von der beklagten Partei erhobenen Berufung Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren zur Gänze abwies. Es legte seinem Urteil die erstgerichtlichen Feststellungen zugrunde. In rechtlicher Beziehung führte es aus, der Ausstattungsschutz für eine Farbe allein - nur für die Farbe werde im vorliegenden Fall der Schutz in Anspruch genommen - gehe nicht so weit, daß die Verwendung der Farbe für ähnliche Erzeugnisse anderer Unternehmen auf jeden Fall ausgeschlossen werde. Die Farbe könne ihrer Natur nach praktisch nur in Verbindung mit einem Gegenstand gedacht werden. Ihre Wirkung sei daher auch von der Gestaltung des Gegenstandes, für den sie verwendet werde, und von dem Ausmaß und der Art, wie sie bei der Farbgebung des Gegenstandes verwendet werde, abhängig. Die ein Unternehmen kennzeichnende Farbe könne demnach ihre kennzeichnende Kraft dann nicht zur Geltung bringen, wenn die Gestaltung und sonstige Ausstattung des Gegenstandes des anderen Mitbewerbers und die Art der Anwendung der Farbe für diesen Gegenstand so erhebliche Abweichungen zeige, daß auch der Durchschnittskäufer die Farbe nicht mehr als ein auf ein bestimmtes Unternehmen hinweisendes Kennzeichen empfinde (kraß etwa: weißer Untergrund mit verstreuten violetten Punkten). Solche erhebliche Abweichungen weise aber die Verpackung der Beklagten, wie der Augenschein erkennen lasse, auf. Die Ausmaße des Blocks der Beklagten wichen in Länge, Breite und Stärke augenfällig von den Ausmaßen der Erzeugnisse der Klägerin ab. Die Vorderseite der Verpackung des Blocks der Beklagten - und für den Kleinverkauf sei nur diese maßgeblich - zeigte eine Farbenzusammenstellung von violett und weiß, wobei beide Farben das gleiche Flächenausmaß besäßen. Die Beschriftung sei ebenfalls von der der Klägerin augenfällig und leicht erkennbar verschieden. Wentlich erscheine es aber, daß die Ausstattung in ihrer Gesamtheit bei der Verpackung der Klägerin einen vornehmen und gediegenen Eindruck mache, während die der Beklagten nur ein unscheinbares Aussehen besitze. Festzuhalten wäre aber auch, daß die violette Farbe nicht als sogenannte Hausfarbe der Klägerin gewertet werden könne, da sie auch Erzeugnisse (allerdings nicht Milchschokolade) in andersfarbiger Ausstattung vertreibe (insbesondere rot). Ferner werde - was gerichtsbekannt sei - Milchschokolade von fast allen (inländischen und ausländischen) Erzeugern in einer Ausstattung unter Verwendung einer blauen Farbe vertrieben. Die violette Farbe der Verpackung der Erzeugnisse der Beklagten lasse daher auch für den Durchschnittskäufer nicht mehr den Eindruck entstehen, daß es sich um ein Erzeugnis der Klägerin handle, auch wenn er sonst aus der von der Klägerin verwendeten charakteristischen Farbe allein eine Gedankenverbindung mit deren Erzeugnissen getroffen hätte. Der Gesamteindruck der Verpackung der Beklagten schließe daher eine kennzeichnende Kraft der violetten Farbe für das Unternehmen der Klägerin aus.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin teilweise Folge. Er erkannte die Beklagte schuldig, den Vertrieb der unter der Bezeichnung Milk-Nuts-Block in den Handel gebrachten Erzeugnisse in der bisherigen Verpackung, deren Merkmale im Spruch genau angeführt wurden, binnen 14 Tagen bei Exekution zu unterlassen; das Mehrbegehren, die Beklagte sei schuldig, überhaupt die Verwendung einer mit der charakteristischen milkablauen Farbe verwechslungsfähigen blauvioletten Farbe auf den Verpackungen ihrer Erzeugnisse sowie auf allen Werbemitteln zu unterlassen und die Verpackungen und sonstigen Werbemittel blauvioletter Farbe zu beseitigen, blieb abgewiesen. Der Klägerin wurde ferner die Befugnis zur Urteilsveröffentlichung in drei Tageszeitungen zuerkannt.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Ausführungen des Berufungsgerichtes, wonach der Ausstattungsschutz für eine Farbe allein nicht so weit gehen könne, daß die Verwendung der Farbe für ähnliche Erzeugnisse anderer Unternehmen auf jeden Fall ausgeschlossen werden könne, macht sich der Oberste Gerichtshof zu eigen. Es ist völlig herrschende Auffassung, daß bei Beurteilung der Verwechslungsgefahr der Gesamteindruck maßgebend zu sein hat (Hohenecker - Friedl, Wettbewerbsrecht, S. 50 f.). Die Farbe kann nun immer nur neben Form, Beschriftung, Verwendung auch anderer Farben usw. eine Komponente dieses Gesamteindrucks sein, so daß die Verwendung einer bestimmten Farbe für sich allein nicht gemäß § 9 UWG. einem Mitbewerber verboten werden kann. Insoweit war daher der Revision nicht Folge zu geben und das Begehren, der beklagten Partei überhaupt die Verwendung einer der charakteristischen blauvioletten Farbe verwechslungsfähigen blauvioletten Farbe auf den Verpackungen ihrer Erzeugnisse zu verbieten, abzuweisen.
Dagegen vermag sich der Oberste Gerichtshof den Ausführungen des Berufungsgerichtes, wonach auch die im Spruch beschriebene Verpackung des Milk-Nuts-Blocks der beklagten Partei mit den Verpackungen der Milchschokolade-Erzeugnisse der klagenden Partei nicht verwechslungsfähig sei, nicht anzuschließen. Bei der Beurteilung der konkreten, von der beklagten Partei gebrauchten Verpackung auf ihre Verwechslungsfähigkeit muß nämlich sehr wohl von der überwiegenden Kennzeichnungskraft der Farbe für die Erzeugnisse der klagenden Partei - wie sie die Untergerichte festgestellt haben
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ausgegangen werden. Wenn ein Ausstattungsmerkmal - hier die Farbe
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in ganz besonderer Weise kennzeichnungskräftig ist, dann müssen, um Verwechslungen auszuschließen, die übrigen Merkmale der auf ihre Verwechslungsfähigkeit zu beurteilenden Verpackung in wenigstens annähernd der gleichen Weise auffällig sein, um das überwiegend kennzeichnungskräftige Merkmal in seiner Wirkung auszuschalten. Dies ist aber entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes hier nicht der Fall. Daß die Ausmaße des Blocks der Beklagten in Länge, Breite und Stärke auffällig von den Ausmaßen der Erzeugnisse der Klägerin abweichen, ist nicht richtig. Um Blocks handelt es sich hier wie dort. Es mag sein, daß ein Unterschied auffällt, wenn man die Blocks nebeneinanderlegt. Beim Vergleich mit einem Erinnerungsbild - von dem auszugehen ist (Hohenecker - Friedl a. a. O. S. 50) - fällt aber der Unterschied kaum ins Gewicht. Daß die Vorderseite der von der beklagten Partei verwendeten Verpackung zum Teil violett und zum Teil weiß ist, bildet einen - allerdings nicht sehr wichtigen - Unterschied, ebenso daß die Beschriftung verschieden ist. Bei der Ausführung, daß die Verpackung der klägerischen Erzeugnisse einen vornehmen und gediegenen Eindruck mache, während jene der Beklagten ein unscheinbares Aussehen habe, handelt es sich mehr oder minder um eine Geschmacksfrage, aus der kein ins Gewicht fallendes Unterscheidungsmerkmal gewonnen werden kann. Wenn dann das Berufungsgericht darauf verweist, daß es sich nicht um eine sogenannte "Hausfarbe" für die klagende Partei handle, weil sie auch andere Farben verwende, und daß auch andere Schokoladenerzeuger Milchschokolade in blauer Verpackung vertreiben, so ändert dies nichts an der festgestellten außergewöhnlichen Kennzeichnungskraft der blauvioletten Farbe für die Milchschokolade der Klägerin. Völlig außer acht gelassen hat aber das Berufungsgericht, daß die beklagte Partei als erstes Wort für die Bezeichnung ihres Erzeugnisses das Wort "Milk" gebraucht, während die Erzeugnisse der klagenden Partei mit "Milka" bezeichnet werden; überdies sind die Worte "Milk" und "Milka" auf den Packungen der Parteien in weißer Schrift gehalten und noch dazu auf einer Anzahl von Packungen der klagenden Partei ebenso wie auf der beanstandeten Packung der beklagten Partei in weißer Schrift auf blauviolettem Grund. Darin liegt eine weitere Ähnlichkeit, die sogar noch zur besonderen Kennzeichnungskraft der blauvioletten Farbe für die klagende Partei hinzukommt, so daß im vorliegenden Fall bei weitem nicht gesagt werden kann, daß diese Kennzeichnungskraft der Farbe durch annähernd gleichartige und ausreichend auffällige Ausstattungsmerkmale der Verpackung der beklagten Partei aufgehoben wäre. Der Oberste Gerichtshof bejaht daher die Verwechslungsfähigkeit der im Spruch beschriebenen, von der beklagten Partei verwendeten Verpackung mit den Verpackungen der Erzeugnisse der klagenden Partei jedenfalls für den Konsumenten, was genügt, um den diesbezüglichen Anspruch der klagenden Partei zu begrunden.
Anmerkung
Z32099Schlagworte
Ausstattungsschutz für eine Farbe, Farbenschutz nach § 9 UWG., "Milka", Ausstattungsschutz für eine Farbe, Unlauterer Wettbewerb, Schutz einer bestimmten Farbe, Wettbewerb unlauterer, Schutz einer bestimmten FarbeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1959:0040OB00323.59.0901.000Dokumentnummer
JJT_19590901_OGH0002_0040OB00323_5900000_000