Norm
ZPO §581Kopf
SZ 32/109
Spruch
Die Bestimmung des § 581 ZPO. ist auf im Schiedsvertrag selbst benannte Schiedsrichter nicht anwendbar.
Die Bestimmung des § 583 Abs. 2 Z. 1 ZPO. ist auch anzuwenden, wenn im Schiedsvertrag eine Person von beiden Parteien gemeinsam zum alleinigen Schiedsrichter bestellt wurde.
Entscheidung vom 23. September 1959, 1 Ob 255/59.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Am 8. März 1955 schlossen der Antragsteller und der Antragsgegner in Form eines Briefes an Zivilingenieur Hans J. einen Schiedsvertrag, in welchem sie Zivilingenieur Hans J. zum alleinigen Schiedsrichter zur Bereinigung der Unklarheiten bestellten, die aus Anlaß der Zu- und Umbauarbeiten beim Privatsanatorium Dr. H. im Sommer 1954 bezüglich der Endabrechnung und der Baumängel aufgetreten seien. Zivilingenieur Hans J. nahm die Bestellung zum Schiedsrichter an, führte Schiedsverhandlungen durch, versuchte eine vergleichsweise Einigung und setzte, als diese scheiterte, für den 8. Jänner 1959 eine weitere Schiedsverhandlung an. Mit Schreiben vom 5. Jänner 1959 lehnte der Antragsgegner den Schiedsrichter ab, weil ihm erst damals bekannt geworden sei, daß der Antragsteller und der Schiedsrichter der gleichen studentischen Korporation angehörten. Mit Beschluß vom 8. Jänner 1959 gab der Schiedsrichter diesem Ablehnungsantrag Folge. Mit Eingabe vom 12. Jänner 1959 begehrte der Antragsteller den Ausspruch des Gerichtes, daß der Schiedsvertrag vom 8. März 1955 außer Kraft trete. Er stützte den Antrag auf die Bestimmungen des § 583 Abs. 2 Z. 1 und 2 ZPO. Der Antragsgegner sprach sich gegen den Antrag aus.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Nach Ansicht des Erstgerichtes könne die Bestimmung des § 583 Abs. 2 Z. 1 ZPO. auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden, da sie voraussetze, daß mehrere Schiedsrichter bestellt waren und einer derselben sterbe, infolge Ablehnung oder aus einem anderen Gründe Wegfalle, die Übernahme des Schiedsrichteramtes verweigere oder von dem mit ihm geschlossenen Vertrag zurücktrete. Auch die Bestimmung des § 583 Abs. 2 Z. 2 ZPO. könne auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden, weil in der Stattgebung des Ablehnungsantrages durch den Schiedsrichter weder eine Weigerung noch eine ungebührliche Verzögerung der übernommenen Verpflichtung erblickt werden könne.
Über Rekurs des Antragstellers änderte das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es aussprach, der zwischen den Parteien am 8. März 1955 abgeschlossene Schiedsvertrag trete außer Kraft. Außerdem wurde der Antragsgegner zur Tragung der Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz verhalten. Nach Ansicht des Rekursgerichtes sei die Bestimmung des § 583 Abs. 2 Z. 1 ZPO. auch im vorliegenden Fall anwendbar. Wenn diese Gesetzesstelle die Außerkraftsetzung des Schiedsvertrages schon in dem Fall vorsehe, daß von mehreren im Schiedsvertrag bestellten Schiedsrichtern nur einer wegfalle dann müsse dieser Rechtssatz umso mehr gelten, wenn der einzige bestellte Schiedsrichter aus einem der im Gesetz genannten Gründe nicht mehr entscheiden könne, weil eben damit die Voraussetzungen für die Fällung eines Schiedsspruches durch den bestellten Schiedsrichter weggefallen seien. Dies treffe bei dem im Schiedsvertrag bestellten einzigen Schiedsrichter Dipl.-Ing. Hans J. zu, weil dieser dem gegen ihn erhobenen Ablehnungsantrag Folge gegeben habe.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Antragsgegners nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Im Revisionsrekurs wird die auch nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes zutreffende Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß die Bestimmung des § 583 Abs. 2 Z. 1 ZPO. auch dann anzuwenden ist, wenn im Schiedsvertrag eine Person von beiden Parteien gemeinsam zum alleinigen Schiedsrichter bestellt wurde, nicht mehr bekämpft. Der Antragsgegner führt hingegen aus, daß der Antrag des Antragstellers verfrüht sei. Da sich die Parteien auf die Entscheidung ihrer Differenzen durch einen Schiedsrichter geeinigt hätten, hätte er Anspruch auf Entscheidung dieser Differenzen durch ein Schiedsgericht. Auch sei dem Antragsteller schon bei Abschluß des Schiedsvertrages bekannt gewesen, daß der Schiedsrichter sein Bundesbruder sei. Der Antragsteller habe daher schon von Anfang an mit der Ablehnung des Schiedsrichters rechnen müssen. Er habe daher kein Recht, einen Antrag nach § 583 ZPO. zu stellen, solange er nicht zuvor versucht habe, gemäß § 581 ZPO. die gemeinsame Bestellung eines anderen Schiedsrichters zu erreichen.
Diesen Rechtsausführungen kann nicht gefolgt werden. Die Bestimmung des § 581 ZPO. gilt ihrem Wortlaut und ihrem Sinn nach nur für Schiedsrichter, die auf Grund eines Schiedsvertrages bestellt wurden. Solche Schiedsverträge sollen, solange sie ausführbar sind, in Wirksamkeit bleiben. Ein erst auf Grund eines Schiedsvertrages bestellter Schiedsrichter soll daher, wenn er aus einem der im § 581 ZPO. genannten Gründe wegfällt, durch einen anderen Schiedsrichter ersetzt werden.
Anders aber bei Schiedsrichtern, die wie hier schon im Schiedsvertrag selbst benannt wurden; in einem solchen Fall ist der Bestand des Schiedsvertrages von dem diesem Schiedsrichter entgegengebrachten Vertrauen abhängig. Wenn ein solcher Schiedsrichter wegfällt, kann der Schiedsvertrag gemäß § 583 Abs. 2 ZPO. als nicht mehr ausführbar außer Kraft gesetzt werden (vgl. SZ. VI 217, SZ. VI 264, SZ. XXV 134, Rspr. 1925 Nr. 17; ferner Sperl, Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege, S. 790 f.; Neumann, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, 4. Aufl. II S. 1481). Da sohin die Bestimmung des § 581 ZPO. auf einen im Vertrag benannten Schiedsrichter nicht anwendbar ist, war der Antragsteller berechtigt, unverzüglich nach Wegfall des gemeinsam ernannten Schiedsrichters Dipl.-Ing. Hans J. einen Antrag nach § 583 Abs. 2 Z. 1 ZPO. zu stellen.
Anmerkung
Z32109Schlagworte
Außerkraftsetzung eines Schiedsvertrages, Wegfall eines Schiedsrichters, Schiedsvertrag, Wegfall eines Schiedsrichters, Außerkraftsetzung des, Vertrages, Wegfall eines Schiedsrichters, Außerkraftsetzung des VertragesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1959:0010OB00255.59.0923.000Dokumentnummer
JJT_19590923_OGH0002_0010OB00255_5900000_000