Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Ersten Präsidenten Dr.Heller als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr.Dinnebier, Dr.Liedermann, Dr.Machek und Dr.Berger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Fa.K*****, vertreten durch Dr.Reinhold Graf, Rechtsanwalt in Ried, wider die beklagten Parteien 1.) Johann T*****, 2.) Maria T*****, vertreten durch Dr.Othmar Steinkogler, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wegen Unterlassung und Feststellung (Streitwert S 15.000),- infolge 1.) Revision, 2.) Rekurses der klagenden Partei gegen das Urteil und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 26.Mai 1959, GZ 2 R 192/59-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 4.April 1959, GZ 2 Cg 4/59-8, teils bestätigt, teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung
1.) zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.
2.) den Beschluß gefaßt:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Rekurskosten sind wie solche erster Instanz zu behandeln.
Text
Entscheidungsgründe:
Unbestritten ist nachstehender Sachverhalt:
Die Beklagten sind Eigentümer des Hauses Nr.9 in V*****. Die Klägerin hatte dort eine Verkaufsniederlage, in welcher die Erzeugnisse ihrer Brauerei vertrieben wurden. Den Ausschank der Getränke besorgten auf Grund einer am 21.9.1954 getroffenen Vereinbarung die Beklagten. Es kam dann am 5.12.1957 zwischen den Streitteilen zu einem Vertrag, der in der als "Schuldschein" bezeichneten Urkunde v. 5.12.1957 Blg. B festgehalten ist. Die Beklagten bestätigten darin den Erhalt eines Darlehens von S 5.000,-, das mit 4 % zu verzinsen war. Sie hatten um die Konzession eines Flaschenbierschankes bzw. Gast- und Schankgewerbes anzusuchen und das Darlehen in der Weise zu tilgen, daß von jedem ausgeschenkten Hektoliter Bier S 50,- abgezahlt werden sollten. Die Zweitbeklagte verpflichtete sich vom Tag der Betriebseröffnung an, durch fünf Jahre hindurch ausschließlich Bier sowie gewisse, in der Urkunde näher bezeichnete, alkoholfreie Getränke von der Klägerin zu beziehen und auszuschenken. Die Klägerin stellte den Beklagten den Betrag von S 1.000,- an Einverleibungsgebühr bei der Kammer der gewerblichen Wirtschaft zur Verfügung. Nach Ablauf der fünfjährigen Vertragszeit sollte ihnen die Rückzahlungspflicht hinsichtlich dieses Betrages erlassen werden. Durch die Tilgung der Schulden von S 5.000,- und S 1.000,- sollte die Zweitbeklagte nicht von ihrer Verpflichtung zur Abnahme des Bieres und anderer Getränke befreit werden. Der Erstbeklagte trat der Verpflichtung seiner Gattin, der Zweitbeklagten, als Bürge und Zahler bei. Andererseits übernahm die Klägerin die Verbindlichkeit, Bier und die alkoholfreien Getränke stets in ausreichender Menge und gut schankfähiger Qualität zu den üblichen Preisen zu liefern. Zur Sicherung des Darlehens wurde die Hingabe von Wechselakzepten auf eine in der Urkunde näher geregelte Weise vereinbart. Die Klägerin bringt nun vor, die Beklagten hätten das Darlehen vor der am 1.10.1958 stattgefundenen Eröffnung des Betriebes zurückbezahlt. Die Zweitbeklagte beziehe Bier und sonstige Getränke von der Brauerei des Georg R***** in A*****. Hiedurch sei der Klägerin ein erheblicher Gewinnentgang erwachsen. Sie beantragt daher, die Zweitbeklagte zu verurteilen, ausschließlich von der Klägerin Bier und die im Vertrag genannten alkoholfreien Getränke auszuschenken und den Ausschank solcher Getränke eines anderen Erzeugers zu unterlassen. Weiters stellt sie das Klagebegehren, die beiden Beklagten seien "bei Exekutionsvermeidung schuldig, binnen 14 Tagen" der Klägerin den Nachteil zu ersetzen, der dadurch entstehe, daß in der Zeit vom 1.10.1958 bis längstens 1.10.1963 die genannten Getränke nicht ausschließlich von der Klägerin bezogen und ausgeschenkt würden.
Die Beklagten wenden ein, die Klägerin habe die mündliche übernommene Verpflichtung verletzt, in der Umgebung des Betriebes der Beklagten keine Kunden unmittelbar zu beliefern, das von der Klägerin den Beklagten zur Zeit, als sie noch die Geschäfte der Verkaufsniederlage besorgten, gelieferte Bier sei so schlecht und zwar sauer und unrein gewesen, daß es von den Gästen abgelehnt worden sei, die Beklagten seien daher gezwungen gewesen, sich von der Brauerei R***** beliefern zu lassen, im übrigen seien die Beklagten bereit, weiter alkoholfreie Getränke von der Klägerin zu beziehen, doch habe diese die Belieferung ohne Bier abgelehnt.
Das Erstgericht gab beiden Klagebegehren statt. Es stellte fest, daß neben dem schriftlichen Vertrag keine Vereinbarung zustande gekommen sei, nach welcher die Klägerin Einzelpersonen nicht hätte beliefern dürfen. Die Beklagten könnten sich auf die angeblich schlechte Qualität des Bieres nicht berufen, weil es ihre Sache gewesen wäre, nach Eröffnung ihres Betriebes einmal Bier zu bestellen, erst dann hätten sie auf Vertragszuhaltung und bei weiterem Verzug in der Lieferung ordnungsgemäßen Bieres auf Vertragsauflösung dringen können. Sie hätten schon bei Vertragsabschluß wissen müssen, welche Beschaffenheit das von der Klägerin gebraute Bier habe. Das Berufungsgericht änderte mittels Teilurteiles die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es das zweite Begehren, das sogenannte Feststellungsbegehren, abwies. Ferner hob es die Verurteilung zur Ausschank des von der Klägerin erzeugten Bieres und sonstiger Getränke sowie auf Unterlassung anderweitigen Bezuges auf und verwies die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht zurück. Es führte aus, daß für das zweite Begehren das Feststellungsinteresse fehle. Wenn die Klägerin tatsächlich für ihre eigene Verkaufsniederlage schlechtes Bier geliefert haben sollte, so würde dies einer Verweigerung der Lieferung ordnungsgemäßer Ware gleichkommen, so daß die Beklagten berechtigt gewesen wären, vom Vertrag ohne Gewährung einer Nachfrist zurückzutreten. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision und gegen den Aufhebungsbeschluß der Rekurs der Klägerin. Sie beantragt für beide Rechtsmittel Abänderung der Berufungsentscheidungen dahin, daß das Ersturteil mit der Abweichung wiederhergestellt werde, daß beim Feststellungsbegehren die Worte "binnen 14 Tagen bei Exekution" zu entfallen hätten.
Rechtliche Beurteilung
Keines der beiden Rechtsmittel ist begründet.
Zu 1.) Wenn man selbst in dem zweiten Begehren ein solches auf Feststellung erblicken wollte, so hat doch das Berufungsgericht mit Recht darauf verwiesen, daß es nicht angeht, derzeit eine Schadensersatzpflicht für Unterlassungen festzustellen, von denen man gar nicht weiß, ob sie die Beklagten überhaupt begehen werden. Die materiellrechtlichen Voraussetzungen des Erfolges des Feststellungsbegehrens ist vor allem, daß dem ersten Teil des Klagebegehrens stattgegeben wird. Man kann, wie das Berufungsgericht bemerkt, nicht ohneweiters annehmen, daß die Beklagten dem Urteil zuwider handeln würden, Voraussetzung der Feststellung eines Schadenersatzanspruches ist zunächst die Begehung einer rechtswidrigen Handlung. Eine Entscheidung über die Rechtsfolgen etwaiger künftiger verbotener Handlungen oder Schuldverletzungen wäre kein Feststellungsurteil, sondern ein Rechtsgutachten. Mit Unrecht beruft sich die Klägerin auf die einheitliche Übung, die Verpflichtung festzustellen, für alle etwa in Zukunft aus einem Unfall entstehenden Folgen aufzukommen. Dort liegt der die Haftpflicht begründende Sachverhalt bereits vor; es wird die Schadensersatzpflicht für Folgen ausgesprochen, deren Eintritt vom Verhalten des Schuldners unabhängig ist. Das Recht, das festgestellt werden soll, besteht bereits, ungewiß ist bloß die Höhe des Anspruches. Es ist auch nicht richtig, daß die Klägerin befürchten müßte, ihre Ansprüche durch Verjährung zu verlieren. Denn diese kann nicht vor Begehung der Schuldverletzung, aus der der Anspruch abgeleitet wird, beginnen.
Ein dem "Feststellungsbegehren" stattgebendes Urteil würde auch der Klägerin nichts nützen. Denn es müßte in einem künftigen Schadenersatzprozeß nicht nur der Eintritt des Gewinnentganges, sondern die Fortsetzung des vertragswidrigen Verhaltens der Beklagten bewiesen werden. Es käme also immer wieder zu einer Neuaufrollung der Frage des Grundes des Anspruches. Nur das Weiterbestehen der Verpflichtung zur ausschließlichen Abnahme von Bier und anderen Getränken wäre nicht mehr zu erörtern, aber schon deshalb nicht, weil dem Leistungsbegehren allenfalls stattgegeben wurde. Die Klägerin hat daher auch kein rechtliches Interesse an der verlangten "Feststellung". Dasselbe gilt für die Schadensersatzbeträge, die auf die Zeit bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung in diesem Rechtsstreit entfallen werden. Diese können mit Leistungsklage geltend gemacht werden.
Lehre und Rechtsprechung lassen die Feststellungsklage für bedingte und betagte, aber nicht für künftig etwa entstehende Ansprüche zu (Neumann, II. S.881, Wiecorek II., 1, S.67, Stein Jonas18, I., bei § 256 II, 4 u.a.).
Der unbegründeten Revision war daher ein Erfolg zu versagen. Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 52, 50 ZPO.
Zu 2.) Zunächst ist zu erörtern, ob die Klägerin den Anspruch aus dem Abnahmevertrag trotz Rückzahlung des Darlehens noch geltend machen kann. Diese Frage ist zu bejahen. Betrachtet man mit GlUNF. 2260, Gschnitzer bei Klang IV., S.214 und Entscheidung JBl. 1956, S.617 das Schuldverhältnis als einheitlich, so muß man allerdings zum Ergebnis kommen, daß mit der Rückzahlung des Darlehens auch die Abnahmeverpflichtung entfällt. Im vorliegenden Fall wurde jedoch ausdrücklich vereinbart, daß die Tilgung des Darlehens auf die Abnahmeverpflichtung ohne Einfluß sein soll. Der Fall liegt hier also anders, als er in den genannten Belegstellen vorausgesetzt wird. Die Entscheidung JBl. 1956, S.617 führt aus, die Abnahmeverpflichtung sei als sittenwidrig anzusehen, wenn der Schuldner ohnedies die üblichen Darlehenszinsen bezahlen müsse. Auch davon kann hier nicht die Rede sein. Es ist gerichtsbekannt, daß ein reiner Personalkredit nur um einen erheblich höheren Zinssatz als 4 % zu erhalten ist. Diesen Zinssatz bezahlt bei einiger Bindung jede Sparkasse. Die Klägerin meint, von einem Verzug im Sinne des § 918 ABGB. könne keine Rede sein, weil sie ja niemals gegen eine Lieferungsverpflichtung verstoßen habe und ihr auch keine Nachfrist gesetzt worden sei. Es ist richtig, daß das angeblich schlechte Bier nicht auf Grund des Vertrages vom 5.12.1957, sondern für die seinerzeitige Verkaufsniederlage geliefert worden ist. Die behaupteten Beanständungen der Beklagten konnten sich daher auch nicht auf das nunmehr vorliegende Rechtsverhältnis bezogen haben. § 918 ABGB. setzt voraus, daß der Schuldner, im vorliegenden Fall also die Klägerin, in Verzug geraten ist, und verpflichtet den Gläubiger zur Gewährung einer Nachfrist. Damit soll dem Schuldner die Möglichkeit gegeben werden, den Vertrag durch Nachholung des Versäumten aufrecht zu erhalten. Weigert sich der Schuldner aber ernstlich, wenn auch vor Fälligkeit, den Vertrag auf die bedungene Weise zu erfüllen, so kann der Gläubiger zurücktreten, ohne daß es der Gewährung einer Nachfrist bedarf. Denn sie würde dann zu einer wertlosen Förmlichkeit herabsinken (Gschnitzer bei Klang, IV., S.458, Staub-Pisko, § 19 bei Art 356 S.700, Ehrenzweig, II, 1, S.206, Staudinger9, II, 1, S.530, RGZ.93, 285 u.a.).
Es kommt also darauf an, ob die Beklagten aus dem Verhalten der Klägerin vor Eröffnung ihres Betriebes schließen mußten, daß sie auch nachher entweder nicht gewillt oder nicht in der Lage sein werde, gutausschankfähiges Bier zu liefern. Dies wird aus der Art der Mängel und den Antworten, welche die Klägerin auf die behaupteten Beanständungen erteilte, und allfälligen sonstigen Umständen zu erschließen sein. Durften die Beklagten dies wirklich annehmen, so würde das Verhalten der Klägerin eine Verweigerung der Lieferung von Bier vertragsmäßiger Beschaffenheit darstellen.
Mit Recht hat jedoch die Klägerin darauf verwiesen, daß ja die Beklagten schon zur Zeit des Abschlusses des Vertrages vom 5.12.1957 die Beschaffenheit des Bieres kannten. Es wird daher zu erörtern und festzustellen sein, ob es sich seither so verschlechtert hat, daß seine Ausschankfähigkeit merklich vermindert worden wäre. Im Zweifel mußten beide Parteien davon ausgehen, daß das Bier, das auf Grund des Vertrages vom 5.12.1957 zu liefern gewesen wäre, dieselbe Beschaffenheit haben werde, wie dasjenige, das in der Verkaufsniederlage ausgeschenkt wurde.
Das Berufungsgericht hat sich damit begnügt, dem Erstgericht die Feststellung aufzutragen, welche Beschaffenheit das in der Zeit zwischen dem 5.12.1957 und der Eröffnung des Geschäftes der Beklagten gelieferte Bier hatte. Darüber hinaus werden aber noch die oben erwähnten weiteren Tatsachen klarzustellen sein.
Der Rekurs der Klägerin ist demnach im Ergebnis unbegründet, so daß ihm ein Erfolg zu versagen war.
Das Rechtsmittel war jedoch zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, weil der Oberste Gerichtshof die Wirksamkeit der Einwendung der Beklagten noch von anderen Umständen abhängig macht, als das Berufungsgericht. Es war daher der Kostenausspruch gemäß §§ 52, 50 ZPO. vorzubehalten.
Anmerkung
E73427 3Ob382.59European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1959:0030OB00382.59.0928.000Dokumentnummer
JJT_19590928_OGH0002_0030OB00382_5900000_000