Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Elsigan als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Sabaditsch, Dr. Köhler, Dr. Pichler und Dr. Höltzel als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Richard H*****, vertreten durch Dr. Ferdinand Hochleitner, Rechtsanwalt in Zell am See, wider die beklagte Partei Josef L*****, vertreten durch Dr. Hans Zach, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 33.308,06 S und Rente (Streitwert 30.600 S) sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 26. Mai 1959, GZ 1 R 63/59-72, womit infolge Berufung der klagenden und beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 29. Dezember 1958, GZ 2 Cg 872/56-52, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.389,33 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte fuhr am 22. 11. 1954 gegen 6 Uhr früh mit seinem Personenkraftwagen auf der Salzachtal-Bundesstraße von St. Johann im Pongau in Richtung Mitterberghütten. In der Ortschaft Rainbach fuhr er den Kläger, der einen unbeleuchteten, beladenen Handkarren in der gleichen Richtung schob und dabei mehr der Fahrbahnmitte zu, mindestens aber 1 m vom rechten Fahrbahnrand entfernt fuhr, von hinten an, stieß ihn nieder und verletzte ihn schwer. Der Beklagte wurde der Übertretung gegen die Sicherheit des Lebens nach § 335 StG rechtskräftig schuldig erkannt.
Der Kläger begehrte Ersatz für Verdienstentgang und Kleiderschäden, ferner Schmerzengeld und Zahlung einer Rente.
Das Erstgericht sprach ihm an Verdienstentgang 5.272,39 S, an Schmerzengeld 8.000 S, für Bekleidungsschäden 175 S sowie eine Monatsrente von 350 S zu und wies das darüber hinausgehende Begehren von 12.958,06 S an Verdienstentgang, eines Schmerzengeldes von 20.000 S und von 350 S für Bekleidungsschäden sowie einer Rente von monatlich 850 S ab. Ausgehend von der gemäß § 268 ZPO gegebenen Bindung an den Schuldspruch des Beklagten kam es zu dem Ergebnis, dass das Verschulden des Beklagten in einer zu großen Fahrgeschwindigkeit bei durch Nebel behinderter Sicht, das des Klägers in der Benützung der Fahrbahn durch den unbeleuchteten Handkarren bestehe und dass das vorschriftswidrige Verhalten beider Verkehrsteilnehmer in gleicher Weise zum Zustandekommen des Unfalls beigetragen habe.
Die Berufung des Klägers blieb in der Hauptsache ohne Erfolg. Der Berufung des Beklagten wurde teilweise Folge gegeben und das Ersturteil dahin abgeändert, dass der Beklagte schuldig erkannt wurde, dem Kläger 8.175 S zu bezahlen, das Mehrbegehren von 25.133,06 S sowie das Rentenbegehren jedoch abgewiesen wurde. Das Berufungsgericht billigte die vom Erstgericht vorgenommene Aufteilung des Verschuldens. Der fahrtechnische Fehler des Beklagten erschöpfe sich darin, dass er nicht auf Sicht gefahren sei, der Kläger habe gegen die aus § 13 Abs 2 StPolG sich ergebende Verpflichtung, die äußerste rechte Seite der Fahrbahn einzuhalten, verstoßen. Die Abänderung des Ersturteils ergab sich daraus, dass das Berufungsgericht - anders als das Erstgericht - der Prüfung des Anspruches auf Verdienstentgang und Rente jene Berechnungsart zugrundelegte, wie sie seit dem Ergehen der im EvBl 1953, Nr 251 = SZ XXVI/87, veröffentlichten Entscheidungen der ständigen Rechtsprechung entspricht.
Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes seinem gesamten Inhalte nach mit Revision wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, das angefochtene Urteil im Sinne der vollständigen Klagsstattgebung abzuändern oder es aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen. Der Beklagte beantragt, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht begründet.
Mangelhaft soll das Verfahren sein, weil ein Mitglied des berufungsgerichtlichen Senates, der die angefochtene Entscheidung fällte, während des Verfahrens in erster Instanz mehrere Tagsatzungen zur mündlichen Verhandlung geleitet habe; dieser Umstand sei ein zureichender Grund, die Unbefangenheit jenes Richters in Zweifel zu ziehen.
Dass das Senatsmitglied im vorliegenden Falle von der Mitwirkung an der angefochtenen Entscheidung nicht von Gesetzes wegen ausgeschlossen war, gibt der Revisionswerber selbst zu. Abgesehen davon aber, dass mit dem wiedergegebenen Vorbringen höchstens die bloße Besorgnis einer Befangenheit ausgedrückt wurde, keinesfalls aber zureichende Gründe dafür glaubhaft gemacht wurden, dass sich dieser Richter bei seiner Entscheidung von anderen als sachlichen Gesichtspunkten habe leiten lassen, kann der Beklagte die Tatsache der Teilnahme dieses Richters am berufungsgerichtlichen Verfahren schon deshalb nicht mehr als Verfahrensmangel rügen, weil er auch die Ablehnung wegen Befangenheit nicht mehr wirksam geltend machen könnte. Denn er hat sich in die Berufungsverhandlung eingelassen und in dieser Anträge gestellt, ohne den ihm bekannten als solchen angesehenen Ablehnungsgrund geltend zu machen (§ 21 Abs 2 JN). In rechtlicher Hinsicht wird nur mehr die Ansicht der Vorinstanzen bekämpft, das Verschulden des Klägers wiege ebenso schwer wie das des Beklagten. Nach Ansicht des Revisionswerbers spreche der Umstand, dass er nicht strafgerichtlich verurteilt, ja nicht einmal in Untersuchung gezogen worden sei, für ihn. Auch die Bindung des Zivilgerichtes an den Schuldspruch des Beklagten im Strafverfahren stehe der Ansicht, der Kläger sei am Unfall ebenso schuldtragend wie der Beklagte, entgegen. Schließlich müsse die Art der unfallsbeteiligten Fahrzeuge (Kraftfahrzeug einerseits, Handkarren andererseits) berücksichtigt werden.
Diese Argumente schlagen nicht durch.
Ebenso wie das Zivilgericht an ein freisprechendes strafgerichtliches Erkenntnis nicht gebunden und bei Beurteilung der Frage des Mitverschuldens des nicht verurteilten Beschädigten an einem Unfall völlig frei ist, ist es auch für die Frage eines Mitverschuldens und dessen Ausmaßes ohne Belang, dass und aus welchen Erwägungen die Anklagebehörde sich veranlasst sah, von der Verfolgung eines unfallsbeteiligten Verkehrsteilnehmers abzusehen. Gewiss ist die Betriebsgefahr eines bei Dunkelheit mit relativ überhöhter Geschwindigkeit fahrenden Kraftfahrzeuges größer als die eines unbeleuchteten Handkarrens. Eine Berücksichtigung der Betriebsgefahr iSd § 17 Abs 1 KfzVerkG scheidet jedoch angesichts der Art des Fahrzeuges des Klägers aus. Der Umstand an sich aber, dass der Kläger nur einen Handkarren lenkte, besagt nichts über das Gewicht seines Verstoßes gegen Verkehrsvorschriften. Der Oberste Gerichtshof hat in wiederholten Entscheidungen das Verschuldensverhältnis bei einem fahrlässigen Anfahren an ein unbeleuchtetes, aber im Scheinwerferlicht bei vorsichtiger Fahrweise rechtzeitig erkennbares Hindernis mit 1 : 1 angenommen.
Im vorliegenden Falle kommt zu Lasten des Klägers noch hinzu, dass er seiner Verpflichtung, mit seinem Fahrzeug in dem in § 13 Abs 2 StPolG näher umschriebenen Maße an den Rand der Fahrbahn zu fahren, nicht nachgekommen ist. Ein Anlass, einen im Hinblick auf das Fehlen eines Gehweges gebotenen Abstand vom rechten Fahrbahnrand zum Schutze für etwaige Fußgänger oder Radfahrer zu halten, bestand für den Kläger angesichts der geringen Geschwindigkeit, mit der er sich fortbewegte, nicht. Der Kläger kann sich daher über die von den Vorinstanzen angenommene und vom Revisionsgericht gebilligte Aufteilung des Verschuldens nicht mit Erfolg beschweren.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 51 ZPO.
Anmerkung
E77107 2Ob432.59European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1959:0020OB00432.59.0930.000Dokumentnummer
JJT_19590930_OGH0002_0020OB00432_5900000_000