TE OGH 1959/10/21 5Ob483/59

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Veröffentlicht am 21.10.1959
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Norm

Mietengesetz §16 Abs2
Zinsstoppgesetz §1

Kopf

SZ 32/131

Spruch

Inhaltliche Derogierung des ZinsstoppG. durch die Neufassung des § 16 Abs. 2 MietG. (MietGNov. 1955).

Entscheidung vom 21. Oktober 1959, 5 Ob 483/59.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Kläger haben am 27. Mai 1953 dem Beklagten die Geschäftslokale Nr. 2, 5, 6 und 7 im Wien 17., H.-Gasse 47, vermietet. Im Punkt II des Mietvertrages wurde einvernehmlich festgelegt, daß das Bestandobjekt dem Mietengesetz unterliegt. Punkt VI enthält u. a. folgende Bestimmung: Von vorneherein wird gemäß § 16 Abs. 2 Z. 1 und Abs. 3 MietG. vereinbart, daß im Falle der Aufhebung der Verordnung DRGBl. I Nr. 159/1938 außer dem jeweiligen Hauptmietzins samt jeweiligem Neuvermietungszuschlag 2 S pro Friedenskrone vom Mieter zu bezahlen sind. Nunmehr begehren die Kläger unter Hinweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 7 Ob 345/57 für die Zeit ab 1. Jänner 1956 einen Mietzinszuschlag von 1466 S 67 g monatlich, das sind bis 31. Jänner 1959 (37 Monate) insgesamt 54.266 S 59 g.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach § 16 Abs. 2 MietG. sind unter den dort angeführten Voraussetzungen freie Vereinbarungen über die Höhe des Mietzinses zulässig. Das Zinsstoppgesetz, das alle der Preisregelung unterliegenden Mietverhältnisse und daher auch einen Teil der nach § 16 Abs. 2 MietG. zulässigen freien Vereinbarungen umfaßt (vgl. Pkt. II 1 a) und b) der Anlage A des Preisregelungsgesetzes 1950, BGBl. Nr. 194, in der Fassung seiner Novellen), hat durch die Inkraftsetzung der Mietengesetznovelle 1955 inhaltlich insofern eine Änderung erfahren, als dadurch die genannten Vereinbarungen, soweit sie seinerzeit der Preisregelung Unterlagen, nunmehr vom ZinsstoppG. ausgenommen sind. Preisregelung und gestoppter Zins sind mit freier Vereinbarung über die Zinshöhe nicht vereinbar. Dazu kommt noch folgendes: § 17 NeuvermietungsG. vom 3. Dezember 1956, BGBl. Nr. 225, findet nicht nur auf die dem Mietengesetz, sondern auch auf die dem Zinsstoppgesetz unterliegende Zinsbildung Anwendung. Das folgt schon aus seinem Wortlaut (arg. "... nach den bisher geltenden Vorschriften zulässigen Mietzins ..."). § 17 NeuvermietungsG., der bezüglich der Zinshöhe nicht nur das Mietengesetz, sondern auch das Zinsstoppgesetz ändert, sagt in Abs. 3 ausdrücklich, daß Rechtsvorschriften, die eine freie Vereinbarung über den Mietzins zulassen, durch die Bestimmungen des Art. V (§§ 17 bis 23) nicht berührt werden. Czech - Michlmayr haben nun überzeugend dargelegt (Das Neuvermietungsgesetz, S. 49 ff.), daß sich Abs. 3 des § 17 NeuvermietungsG. nur auf die Bestimmungen der §§ 16 Abs. 2, 3 und 16a MietG. beziehen kann. Daraus ist erkennbar, daß alle nach den zuletzt genannten Bestimmungen des Mietengesetzes zulässigen freien Vereinbarungen vom Zinsstopp ausgenommen sein sollen.

Dieser Auffassung, die vom Obersten Gerichtshof in seiner Entscheidung EvBl. 1958 Nr. 22-ImmZ. 1958 S. 27, fußend auf Belegstellen in der Literatur, und sodann in der Entscheidung 1 Ob 81/59 gebilligt wurde, ist nicht durch eine Gegenüberstellung des Wortlautes der Bestimmungen der §§ 16 und 16 a MietG. vor dem Inkrafttreten der Mietengesetznovelle mit der Fassung dieser Vorschriften durch die Mietengesetznovelle und durch die Anwendung der Auslegungsregel beizukommen, daß die neue Regelung das besondere Gesetz nicht berühre, wenn dieses gegenüber der neuen Regelung in gleicher Weise eine Ausnahme bilde wie gegenüber der alten Regelung. So einfach liegen die Dinge hier nicht. Das zeigt schon die Richtung, in der sich die Gesetzgebung seit dem Inkrafttreten des Zinsstoppgesetzes bewegt; so hat das Neuvermietungsgesetz nicht nur eine Änderung der Zinsbildung nach dem Mietengesetz, sondern auch eine Änderung der Zinsbildung nach dem Zinsstoppgesetz gebracht. Jedes Gesetz ist unter Bedachtnahme auf den gesamten übrigen Inhalt der Rechtsordnung auszulegen (Pisko in Klang 1. Aufl. I/1 S. 112 zu § 6). Das gilt auch für die Frage, ob und inwieweit der sachliche Geltungsbereich des Zinsstoppgesetzes durch die Mietengesetznovelle eingeschränkt wurde. Pisko sagt daher auch vorsichtig, daß die Anwendung der oben wiedergegebenen Regel nicht ausnahmslos gilt (s. seine Ausführungen a. a. O. S. 161 f. zu § 9). Die Berufung auf die Äußerung des Berichterstatters in der Sitzung des Bundesrates vom 12. Dezember 1955 Bundesrates der Republik Österreich) scheitert daran, daß die subjektive Theorie der historischen Auslegung nach der Lehre abzulehnen ist (Wolff in Klang 2. Aufl. I 90 und Pisko a. a. O. S. 121 f. bei § 6 unter III 2 b). Das Neuvermietungsgesetz zeigt jedenfalls eindeutig die Absicht des Gesetzgebers, die starren Bestimmungen des Zinsstoppgesetzes, mit denen ein zu einem bestimmten Zeitpunkt vereinbarter Zins gestoppt wurde, für die Zukunft in ihrer Schärfe nicht aufrechterhalten zu wollen. Auf dieser Linie liegt die vom Obersten Gerichtshof vorgenommene Auslegung über die inhaltliche Derogation des Zinsstoppgesetzes durch das Inkrafttreten der Mietengesetznovelle 1955. Von ihr abzugehen, besteht daher kein Anlaß.

Im Punkt VI des Mietvertrages wurde vereinbart, daß im Falle der Aufhebung der Verordnung vom 4. Juni 1938, DRGBl. I S. 159, außer dem jeweiligen Hauptmietzins samt jeweiligem Neuvermietungszuschlag zwei Schilling pro Friedenskrone vom Mieter zu zahlen sind. Daraus ergibt sich, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgesprochen hat, die Absicht der vertragschließenden Parteien, daß bei Wegfall des hindernden Verbotes die getroffene Vereinbarung über den erhöhten Zins wirksam werden soll. Nun ist allerdings die Zinserhöhung erst durch das Inkrafttreten der Mietengesetznovelle 1955 wirksam geworden. Der Meinung des Beklagten, es liege eine unerlaubte Bedingung vor, weil die von den Parteien gesetzte Bedingung gegen ein gesetzliches Verbot zur Zeit des Vertragsabschlusses, nämlich gegen die Verordnung vom 4. Juni 1938, DRGBl. I S. 159, verstoßen habe, kann nicht gefolgt werden. Ein solcher Verstoß ist nicht gegeben, wenn für den Fall der Aufhebung des Verbotes eine gegen das Verbot gerichtete Vereinbarung getroffen wird. Denn damit ist ja zum Ausdruck gebracht, daß die Vereinbarung erst gelten soll, wenn das Verbot wegfällt (vgl. Gschnitzer in Klang 2. Aufl. IV 171). Es kann aber auch nicht die Auffassung geteilt werden, daß nur Vereinbarungen, die nach dem Inkrafttreten der Mietengesetznovelle 1955 im Sinne des § 16 Abs. 2 MietG. zustandekommen, gültig seien, nicht aber Vereinbarungen, die schon vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen wurden.

Verträge sind nicht nach ihrem Wortlaut allein auszulegen, sie sind vielmehr so zu verstehen, wie es der Absicht der vertragschließenden Parteien und der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (§ 914 ABGB.). Die Parteien, die ja die Entwicklung der Rechtslage nicht in ihren Einzelheiten voraussehen konnten, wollten im Punkt VI des Mietvertrages zum Ausdruck bringen, daß bei Aufhebung des Erhöhungsverbotes, das bei Abschluß des Vertrages in der Verordnung vom 4. Juni 1938 verankert war, die Zinserhöhung wirksam werden solle. Daß das Verbot nicht mit der Aufhebung der genannten Verordnung, sondern erst durch das neuerliche Inkraftsetzen des § 16 MietG. in der Mietengesetznovelle 1955, also durch die inhaltliche Derogation des Zinsstoppgesetzes, beseitigt wurde, spielt für das Wirksamwerden der Vertragsbestimmungen keine Rolle. Dieser Fall ist, wie gezeigt, durch die Parteiabsicht und damit durch die Vereinbarung gedeckt.

Anmerkung

Z32131

Schlagworte

Derogierung des Zinsstoppgesetzes durch Neufassung des § 16 Abs. 2, MietG., Inhaltliche Derogierung des Zinsstoppgesetzes durch Neufassung des, § 16 Abs. 2 MietG., Mietengesetz, Neufassung des § 16 Abs. 2 derogiert dem Zinsstoppgesetz, Neufassung des § 16 Abs. 2 MietG., Derogierung des Zinsstoppgesetzes, Zinsstoppgesetz, inhaltliche Derogierung durch Neufassung des § 16, Abs. 2 MietG.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1959:0050OB00483.59.1021.000

Dokumentnummer

JJT_19591021_OGH0002_0050OB00483_5900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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