TE OGH 1959/10/27 3Ob262/59

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Veröffentlicht am 27.10.1959
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Norm

ABGB §1353

Kopf

SZ 32/134

Spruch

Eine unter Voraussetzung des Bestehens einer Solidarschuld eingegangene Bürgschaft ist unwirksam, wenn nur mit einem Hauptschuldner ein Vertrag zustandegekommen ist.

Entscheidung vom 27. Oktober 1959, 3 Ob 262/59.

I. Instanz: Kreisgericht Steyr; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Nach der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde und Bürgschaftserklärung vom 7. Dezember 1954 bekannten und bestätigten die Ehegatten Wolfgang und Hermine S., von der Klägerin ein Darlehen im Betrag von 30.000 S bar zugezählt erhalten zu haben und diesen Betrag der Gläubigerin schuldig geworden zu sein. Alle aus dem Schuldverhältnis entstandenen und noch entstehenden Verpflichtungen und Verzichte sollten zur ungeteilten Hand gelten, bei Nichtzuhaltung irgendeiner übernommenen Verbindlichkeit sollte die sofortige Fälligkeit des Kapitals oder dessen Restes samt Nebengebühren eintreten. Die Beklagten traten in derselben Urkunde den sämtlichen von den Ehegatten Wolfgang und Hermine S. in dieser Urkunde übernommenen Verpflichtungen als Bürgen und Zahler bei. Sie verpfändeten aus diesem Grund zur Sicherstellung des obigen Darlehens samt Zinsen, Verzugszinsen und der Kaution für sämtliche Nebengebühren gemäß Abs. III der Urkunde die ihnen je zur Hälfte gehörige Liegenschaft B. Nr. 4 in F. und erteilten ihre Einwilligung zur grundbücherlichen Einverleibung des Pfandrechtes für die Darlehensforderung.

Auf Grund dieser Urkunde wurde im Grundbuch auf der EZ. 12 Katastralgemeinde A. unter TZ. 1175/54 das Pfandrecht für die Darlehensforderung von 30.000 S samt 12% Zinsen, 12% Verzugszinsen und 15.000 S Nebengebührenkaution für die Klägerin einverleibt.

Das Darlehen von 30.000 S wurde an Hermine S. allein ausgezahlt. Wie sich nachträglich herausstellte, hatte Hermine S. die Unterschrift ihres Gatten Wolfgang S. gefälscht; dieser wußte weder von der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde und Bürgschaftserklärung der Beklagten noch von der Auszahlung des Darlehens an seine Gattin. Auch die Klägerin und die Beklagten erfuhren von der Fälschung der Unterschrift des Wolfgang S. erst nachträglich. Die Beklagten hätten für ein an Hermine S. allein gewährtes Darlehen nie eine Bürgschaft übernommen.

Da die Zinsen ab 1. August 1957 nicht mehr gezahlt wurden, begehrte die Klägerin unter Hinweis darauf, daß die Beklagten der Verpflichtung der Ehegatten Wolfgang und Hermine S. als Bürgen und Zahler beigetreten seien, und unter Hinweis auf die Verpfändung der Liegenschaft, sie zur Zahlung des Betrages von 30.000 S s. A. bei Exekution in die verpfändete Liegenschaft zu verurteilen.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagten zur Zahlung im Sinne des Klagebegehrens.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Durch die Übergabe der von Dr. R. als Vertreter der Klägerin verfaßten Urkunde an Hermine S., Weiterleitung dieser Urkunde durch Hermine S. an die Beklagten, die beglaubigte Fertigung der Urkunde durch die Beklagten und Rückübermittlung durch Hermine S. an die Klägerin ist im vorliegenden Fall ein Bürgschaftsvertrag (Vertrag über den Beitritt der Beklagten als Bürgen und Zahler) mit der Klägerin zustandegekommen. Die Verpflichtung eines Bürgen, ebenso die eines Bürgen und Zahlers, besteht jedoch nur dann und soweit, als die Hauptschuld besteht, deren Erfüllung der Bürge zugesagt hat (Grundsatz der Akzessorietät). Die Bürgschaft kann nicht weiter ausgedehnt werden, als sich der Bürge ausdrücklich erklärt hat. Die Bürgschaftserklärung ist streng auszulegen. Es ist daher zu untersuchen, ob die Beklagten auf Grund ihrer schriftlichen Verpflichtungserklärung als Bürgen und Zahler der Klägerin gegenüber haften. Die Beklagten haben sich nach der Urkunde für eine Solidarschuld der Ehegatten S. der Klägerin gegenüber als Bürgen und Zahler verpflichtet. Sie gingen daher davon aus, daß ihnen allfällige Regreßansprüche gegen beide Ehegatten S. zustehen würden. Da nach dem festgestellten Sachverhalt das Darlehen nur der Hermine S. zugezählt, ein Darlehensvertrag nur mit dieser, nicht aber mit Wolfgang S. zustandegekommen ist, fehlt es an einer Solidarschuld, für die allein die Beklagten eine Verpflichtungserklärung abgegeben haben. Die Klägerin ist aus diesem Gründe nicht berechtigt, die Beklagten als Bürgen und Zahler in Anspruch zu nehmen.

Soweit sich der Klageanspruch auf die Verpfändung der Liegenschaft durch die Beklagten bezieht, ist zu berücksichtigen, daß das Pfandrecht nach § 449 ABGB. grundsätzlich Nebenrecht einer Forderung ist. Die Beklagten verpfändeten ihre Liegenschaft der Klägerin für eine ihr angeblich gegen die Ehegatten Wolfgang und Hermine S. als Solidarschuldner zustehende Forderung. Da eine solche Forderung gegen die Ehegatten S. und eine Solidarschuld der Ehegatten S. nicht besteht, sondern lediglich eine Forderung der Klägerin gegen Hermine S., ist das Pfandrecht nicht wirksam geworden und die Klägerin auch nicht berechtigt, die Beklagten aus dem Pfandvertrag, aus der Verpfändung der Liegenschaft, in Anspruch zu nehmen. Die Beklagten konnten und mußten schon nach dem Inhalt der ihnen von der Klägerin durch Vermittlung der Hermine S. zur Unterschrift übersendeten Vertragsurkunde bei ihrer Verpflichtungserklärung als Bürgen und Zahler und bei der Fertigung der Pfandbestellungsurkunde von der Voraussetzung ausgehen - und sind auch davon ausgegangen -, daß die Klägerin an Wolfgang und Hermine S. ein Darlehen gewährte oder gewährt hatte, das diese als Solidarschuldner zurückzuzahlen hatten. Da die Klägerin das Darlehen aber nur an Hermine S. ausgezahlt hat, haftet für die Rückzahlung dieses Darlehens nur Hermine S., nicht aber auch Wolfgang S. Es ist daher die Voraussetzung, unter der die Beklagten die Verpflichtungserklärung als Bürgen und Zahler und die Pfandbestellungsurkunde unterfertigt haben, nicht zugetroffen. Sie haben diese Einwendung mit Recht erhoben.

Da feststeht, daß die Beklagten bei Kenntnis der Sachlage die Verpflichtungserklärung nicht unterschrieben hätten, können sie weder als persönliche Schuldner (als Bürgen und Zahler) noch als Pfandschuldner in Anspruch genommen werden. Es wäre Sache der Klägerin gewesen, den Darlehensbetrag entsprechend der Urkunde tatsächlich an beide Ehegatten S. und nicht an Hermine S. allein auszuzahlen.

Anmerkung

Z32134

Schlagworte

Bürgschaft für Solidarschuld, keine Haftung bei Vertrag mit nur einem Schuldner Solidarschuld, Bürgschaft, keine Haftung bei Vertrag mit nur einem Schuldner

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1959:0030OB00262.59.1027.000

Dokumentnummer

JJT_19591027_OGH0002_0030OB00262_5900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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