TE Vfgh Beschluss 2001/6/15 G69/01 ua

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.06.2001
beobachten
merken

Index

37 Geld-, Währungs-und Kreditrecht
37/02 Kreditwesen

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
BAO §201, §202
InvestmentfondsG §42 Abs4

Leitsatz

Zurückweisung der Individualanträge von Kreditinstituten auf Aufhebung von Bestimmungen des InvestmentfondsG über die Verpflichtung zum Einbehalt von Kapitalertragsteuer für ausländische Kapitalanlagefonds infolge Zumutbarkeit der Erwirkung eines Bescheides bei der Abgabenbehörde

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit ihren auf Art140 B-VG gestützten (Individual-) Anträgen begehren die antragstellenden Kreditinstitute, §42 Abs4 des Investmentfondsgesetzes 1993, BGBl. 532, idF des Kapitalmarktoffensive-Gesetzes - KMOG, BGBl. I 2/2001, im folgenden InvFG, als verfassungswidrig aufzuheben; in eventu wird der Antrag gestellt, verschiedene näher bezeichnete Wortfolgen in §42 Abs4 InvFG als verfassungswidrig aufzuheben.

2. §42 InvFG, idF BGBl. I 2/2001, hat folgenden Wortlaut:

"§42 (1) Die Bestimmungen des §40 sind auch für ausländische Kapitalanlagefonds anzuwenden. Als solches gilt, ungeachtet der Rechtsform, jedes einem ausländischen Recht unterstehende Vermögen, das nach dem Gesetz, der Satzung oder der tatsächlichen Übung nach den Grundsätzen der Risikostreuung angelegt ist.

Veranlagungsgemeinschaften in Immobilien im Sinne des §14 des Kapitalmarktgesetzes sind ausgenommen.

(2) Unterbleibt für ausländische Kapitalanlagefonds ein Nachweis, so wird der ausschüttungsgleiche Ertrag mit 90 % des Unterschiedsbetrages zwischen dem ersten und letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis, mindestens aber mit 10 % des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreises angenommen. Bei Veräußerung eines Anteilrechtes ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem bei der Veräußerung und dem letzten im abgeschlossenen Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis, mindestens aber 0,8 % des bei der Veräußerung festgesetzten Rücknahmepreises für jeden angefangenen Monat des im Zeitpunkt der Veräußerung laufenden Kalenderjahres anzusetzen. Dies gilt sinngemäß auch beim Erwerb eines Anteilrechtes. Anstelle des Rücknahmepreises kann auch der veröffentlichte Rechenwert sowie bei börsenotierten Anteilen der Börsenkurs herangezogen werden.

(3) Substanzgewinne ausländischer Kapitalanlagefonds gelten als Einkünfte im Sinne des §30 des Einkommensteuergesetzes 1988. §40 Abs1 zweiter Satz ist nur bei Nachweis sowie bei Zulassung und der tatsächlichen Auflage zur öffentlichen Zeichnung anzuwenden. Bei in einem Betriebsvermögen gehaltenen Anteilen gelten Substanzgewinne als sonstige Erträge im Sinne des §40 Abs2 Z1. Soweit bei Substanzgewinnen aus inländischen Kapitalanlagefonds die Kapitalertragsteuer zur Steuerabgeltung nach §97 des Einkommensteuergesetzes 1988 führen würde, sind vergleichbare Substanzgewinne ausländischer Kapitalanlagefonds als Sondereinkunft mit einem Einkommensteuersatz von 25 % zu versteuern. §37 Abs8 des Einkommensteuergesetzes 1988 ist sinngemäß anzuwenden. Es kann dabei ein Antrag in analoger Anwendung des §97 Abs4 des Einkommensteuergesetzes 1988 gestellt werden.

(4) Tritt ein Kreditinstitut im Sinne des Depotgesetzes als Verwalter oder Verwahrer von Anteilen an ausländischen Kapitalanlagefonds auf, gilt für Zwecke der Kapitalertragsteuer Folgendes: Als Kapitalertrag gilt zugeflossen, wenn

-

der Anteil dem Steuerpflichtigen das gesamte Jahr zuzurechnen ist, zum 31. Dezember eines jeden Jahres ein Betrag von 10 % des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreises;

-

wenn der Anteil während des Jahres veräußert oder ins Ausland verbracht wird, zum Zeitpunkt der Veräußerung oder der Verbringung ein Betrag von 0,8 % des vor Veräußerung oder Verbringung zuletzt festgesetzten Rücknahmepreises für jeden angefangenen Monat des im Veräußerungszeitpunkt laufenden Kalenderjahres.

Abs2 letzter Satz gilt sinngemäß. Der Abzug unterbleibt, wenn der Steuerpflichtige dem Kreditinstitut eine Bestätigung der Abgabenbehörde vorlegt, dass er seiner Offenlegungspflicht in Bezug auf den Anteil nachgekommen ist."

§49 Abs12 leg.cit. ordnet an, daß §40 Abs1 zweiter Satz und §42 Abs3 und 4, idF BGBl. I 106/1999, auf Ausschüttungen aus Substanzgewinnen oder als zugeflossen geltende Substanzgewinne anzuwenden sind, wenn die Substanzgewinne nach dem 31. Dezember 2000 angefallen sind.

Diese Übergangsbestimmung - so die antragstellenden Kreditinstitute - sei im Zusammenhang mit §3 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verschiebung des Inkrafttretens der Spekulationsertragsteuer, über das Außerkrafttreten der Börsenumsatzsteuer und über das Investmentfondsgesetz, BGBl. II 79/2000, zu sehen, der folgenden Wortlaut hat:

"Die §§41 und 42 Abs1 des Investmentfondsgesetzes 1993 sind in Bezug auf die Börsenumsatzsteuer in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 106/1999 noch auf Vorgänge vor dem 1. Oktober 2001 anzuwenden. Im übrigen tritt §41 am 1. Jänner 2000 in Kraft. §40 Abs1 zweiter Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 106/1999 ist anzuwenden, wenn die Anschaffung des veräußerten Wirtschaftsgutes nach dem 30. September 2001 erfolgt ist. §42 Abs3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 106/1999 ist anzuwenden, wenn die Anschaffung des veräußerten Wirtschaftsgutes nachweislich vor dem 1. Oktober 2001 erfolgt ist."

Durch §49 Abs12 InvFG solle - so die antragstellenden Kreditinstitute - lediglich die Verschiebung der Anwendung der dort genannten Vorschriften beseitigt werden und die Fünftel-Besteuerung eingeführt werden; §49 Abs12 InvFG sage aber nichts über das Inkrafttreten der sonstigen durch das KMOG herbeigeführten Änderungen des InvFG aus. "Die bindende Kraft des angefochtenen §42 Abs4 InvFG, idF BGBl. I 2/2001, begann daher gemäß Art49 B-VG am Tag nach der Herausgabe und Versendung dieses Bundesgesetzblattes. Als Ausgabedatum trägt das KMOG den 05.01.2001 (siehe BGBl. I 2/2001). Den Normadressaten zugänglich gemacht wurde dieses neue Gesetz aber erst am 08.01.2001. Die bindende Kraft dürfte daher erst am 09.01.2001, 00 h, begonnen haben."

Freilich - so die antragstellenden Kreditinstitute weiter - könne nicht ausgeschlossen werden, daß in der oben zitierten Übergangsbestimmung der Verweis auf BGBl. I 106/1999, Steuerreformgesetz 2000, lediglich ein Redaktionsversehen sei und der Gesetzgeber eigentlich den zeitlichen Geltungsbereich des §42 Abs4 InvFG, idF des KMOG, regeln wollte. "Richtigerweise müsste dann der Verweis lauten: 'BGBl. I Nr. 2/2001'. Es versteht sich von selbst, dass rückwirkend eingeführte Verhaltenspflichten nicht erfüllt werden können." Soweit das Gesetz dies anordne, sei es nicht befolgbar und widerspreche schon deswegen der Verfassung.

3.1. Zur Begründung des Antrages, insbesondere der Antragslegitimation, wird von den antragstellenden Kreditinstituten - zusammenfassend - dargelegt, daß sie die Konzession besäßen, Bankgeschäfte zu betreiben, und u.a. dazu berechtigt seien, die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere gewerblich durchzuführen. Bei Vollziehung der angefochtenen Bestimmung rechneten die antragstellenden Kreditinstitute (offenbar wegen der zu erwartenden "Abwanderung" der ausländischen Fondsanteile) mit einem Ertragsausfall in Millionenhöhe.

Wörtlich führt das erstantragstellende Kreditinstitut überdies folgendes aus:

"Im Erkenntnis vom 15.03.2000, G141-150/99 (Spekulationsertragsteuererkenntnis), hat der Verfassungsgerichtshof die Individualanträge von Banken hinsichtlich §30 Abs8 EStG 1998 betreffend die Spekulationsertragsteuer - diese Bestimmung war durch das Steuerreformgesetz 2000, BGBl. I 106/1999, kundgemacht am 14.07.1999, in das EStG 1988 aufgenommen worden - für zulässig erachtet. ...

In diesem Erkenntnis sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass eine gesetzliche Regelung, die Kreditinstitute verpflichtet, an Stelle des eigentlichen Steuerschuldners und im unmittelbaren Interesse des Steuergläubigers die Berechnung, den Abzug (Einbehaltung) und die Abfuhr einer Steuer vorzunehmen, und diese Verpflichtung überdies durch eine persönliche Haftung für die Einbehaltung und Abfuhr absichert, direkt und nachteilig in die Rechtssphäre eben dieser Kreditinstitute eingreift. Mit einer solchen Regelung würden Kreditinstitute zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben in Pflicht genommen, nämlich zur Mitwirkung am Verfahren der Steuereinhebung. Die Inpflichtnahme erfolge direkt durch das Gesetz, werde also ohne Erlassung eines Bescheides wirksam; bei ihrer Verletzung drohe nicht nur die Sanktion der persönlichen Haftung für Fehlbeträge, es kämen darüber hinaus auch finanzstrafrechtliche Konsequenzen in Betracht. Diese Verpflichtung sei bestimmt und beeinträchtige ab dem vorgesehenen Anwendungsstichtag die (rechtlich geschützten) Interessen der Kreditinstitute nicht bloß potentiell, sondern aktuell.

Der Verfassungsgerichtshof erkannte ferner, dass die dafür notwendigen Aufwendungen administrativer und technischer Art und sonstigen Vorkehrungen zur Erfüllung dieser Gesetzespflicht nicht bloß eine wirtschaftliche Reflexwirkung der gesetzlichen Regelung darstellen, sondern eine aktuelle Beeinträchtigung der Rechtssphäre der von der Verpflichtung Betroffenen. Der Verfassungsgerichtshof nahm diese unmittelbare Betroffenheit für diesen Fall an, obwohl die angefochtene Bestimmung noch gar nicht in Kraft gesetzt worden war. Schon die im Voraus zu treffenden Vorkehrungen legitimierten zum Individualantrag."

Die antragstellenden Kreditinstitute legen sodann - mit ausführlicher Begründung - dar, daß sie durch die angefochtene Bestimmung aus zwei Gründen aktuell betroffen seien: Zum einen seien sie zum Steuereinbehalt (Einbehalt des Sicherungsabzuges) verpflichtet, womit ihnen - ebenso wie bei der Spekulationsertragsteuer - die Haftung für die Steuer des Kunden auferlegt werde, zum anderen mache die Erfüllung des angefochtenen §42 Abs4 InvFG Aufwendungen administrativer und technischer Art notwendig.

Durch die Verpflichtung zum Einbehalt der "Sicherungssteuer" würden sie unmittelbar auf Grund des Gesetzes in Anspruch genommen. Dies führe nicht nur zu einer persönlichen Haftung für die Steuer ihrer Kunden, sondern ziehe darüber hinaus auch finanzstrafrechtliche Konsequenzen nach sich. Bei thesaurierenden Fonds seien sie verpflichtet, einen Betrag einzubehalten, der weder ausgeschüttet noch vom Kunden erlegt werde; hiedurch würde direkt und nachteilig in ihre Rechtssphäre eingegriffen. Ihnen werde der Aufwand und das Risiko aufgebürdet, sich bei ihren Kunden schadlos zu halten. Es bestehe daher nicht nur eine potentielle, sondern eine aktuelle Beeinträchtigung ihrer Interessen.

Die Durchführung der "Sicherungssteuer" nach §42 Abs4 InvFG mache eine sofortige Umstellung des EDV-Systems inklusive Schulungen notwendig, wodurch ihnen hohe Kosten entstünden. Da die Bestimmungen über den "Sicherungseinbehalt" bereits in Kraft stünden und die Kreditinstitute insgesamt (und somit auch die antragstellenden Kreditinstitute) sofort zu entsprechenden Maßnahmen verpflichtet seien, sei die Betroffenheit insofern noch aktueller als in jenem Sachverhalt, der dem Spekulationsertragsteuererkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. März 2000, G141 - 150/99, zugrunde gelegen sei.

Durch die Verfassungswidrigkeit des §42 Abs4 InvFG seien sie unmittelbar in ihren Rechten verletzt, weil sie zur Einhebung einer Steuer und zu entsprechenden Vorkehrungen zu deren praktischen Durchführung verpflichtet würden. Durch die angefochtene Bestimmung werde ihnen eine Rechtspflicht auferlegt, die unmittelbar in ihre Rechtssphäre eingreife, ohne daß eine Gerichtsentscheidung oder ein Bescheid notwendig sei. Durch den angefochtenen §42 Abs4 InvFG - iVm §93 Abs3 Z5 und §95 Abs3 Z2 EStG - seien sie zum Ermitteln und Berechnen, Einbehalten und Abführen eines genau determinierten Betrages verpflichtet, für den sie auch hafteten. Es sei ihnen nicht zumutbar, durch Verstoß gegen die angefochtenen Vorschriften ein Finanzstrafverfahren zu provozieren, um sich bei der Bekämpfung des Strafbescheides auf die Verfassungswidrigkeit der genannten Bestimmungen zu berufen, weshalb die Individualanträge zulässig seien.

3.2. Im weiteren wird - mit näherer Begründung - die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung dargelegt.

4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie primär die Zurückweisung der Anträge begehrt. Hiezu führt sie wörtlich u.a. folgendes aus:

"Die mit dem Individualantrag bekämpfte Regelung des §42 Abs4 InvFG idF BGBl. Nr. 2/2001 enthält lediglich eine gesetzliche Fiktion, wann der Kapitalertrag als zugeflossen gilt. Diese Bestimmung ist daher - isoliert betrachtet - von ihrem Wortlaut und Sinngehalt her von vornherein nicht geeignet, die von den antragstellenden Sparkassen als verfassungswidrig erachteten Rechtswirkungen herbeizuführen. Diese ergeben sich vielmehr erst im Zusammenhalt mit anderen gesetzlichen Bestimmungen (wie etwa den §§40 sowie 42 Abs1 bis 3), die in den verfahrensgegenständlichen Anträgen freilich nicht angefochten wurden, weshalb sich die vorliegenden Individualanträge wegen falscher Abgrenzung des Anfechtungsumfanges als unzulässig erweisen dürften.

3.2. An diesem Befund vermag, wie der Vollständigkeit halber noch zu betonen ist, auch der Verweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes G141/99 vom 15. März 2000, nichts zu ändern, weil in dem ausschließlich angefochtenen §42 Abs4 InvFG idF BGBl. Nr. 2/2001 - im Gegensatz zum genannten Spekulationsertragsteuererkenntnis - weder eine persönliche Haftung des Kreditinstitutes für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragssteuer noch diesbezügliche finanzstrafrechtliche Konsequenzen normiert sind."

Die angefochtene gesetzliche Regelung - so die Bundesregierung weiter - zeitige im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes für sich - isoliert betrachtet - bloß faktische, nicht aber rechtliche Wirkungen. Die von den antragstellenden Kreditinstituten ins Treffen geführten (nachteiligen) Wirkungen seien daher nicht solche, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordere. Nach Auffassung der Bundesregierung seien beide Anträge mangels Vorliegens der Prozeßvoraussetzungen als unzulässig zurückzuweisen.

5. Die antragstellenden Kreditinstitute erstatteten mit Schriftsatz vom 17. Mai 2001 eine Replik zur Äußerung der Bundesregierung, in der sie mit ins Einzelne gehender Begründung den Ausführungen der Bundesregierung zur Frage der Zulässigkeit der Anträge entgegentreten.

II. Die (in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VerfGG zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen) Anträge erweisen sich aus folgenden Gründen als unzulässig:

1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Der Verfassungsgerichtshof vertritt seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt sei, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung stehe (z.B. VfSlg. 11.684/1988, 13.871/1994, 14.752/1997).

2. Anders als im Fall der Spekulationsertragsteuer (hg. Erkenntnis vom 15. März 2000, G141/99 u.a. Zlen.), bei der im Hinblick auf die vom Gesetzgeber vorgesehene Legisvakanz den damals antragstellenden Kreditinstituten als (zumutbarer) Weg der Rechtsverfolgung lediglich ein Individualantrag zur Verfügung stand, steht im hier zu beurteilenden Fall den antragstellenden Kreditinstituten bereits ein anderer, ihnen zumutbarer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Verfassungswidrigkeit der oben näher bezeichneten Gesetzesbestimmung offen:

Bei dem nach §42 Abs4 InvFG, idF BGBl. I 2/2001, iVm den sonstigen Vorschriften des InvFG und des EStG 1988 einzubehaltenden Steuerbetrag ("Sicherungseinbehalt") handelt es sich um eine Kapitalertragsteuer, somit um eine Steuer, die das jeweilige Kreditinstitut im Zeitpunkt des Zufließens von Kapitalerträgen ohne bescheidmäßige Vorschreibung zu berechnen und abzuführen hat (§95 Abs3 und 4 EStG 1988). Dem Kreditinstitut kommt dabei zwar nicht die rechtliche Position eines Abgabenschuldners, wohl aber die eines Haftenden zu (§95 Abs2 EStG 1988). §201 BAO bestimmt für den Fall, daß "die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung der Abgabe zulassen, ... ein Abgabenbescheid nur zu erlassen (ist), wenn der Abgabepflichtige die Einreichung einer Erklärung, zu der er verpflichtet ist, unterläßt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstberechnung als nicht richtig erweist". Diese Vorschrift gilt nach §202 BAO sinngemäß, wenn - wie im hier vorliegenden Fall - nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt (und nicht ein zu Unrecht einbehaltener Betrag vorliegt, der gemäß §240 Abs3 BAO auf Antrag an den Abgabenschuldner zurückzuzahlen wäre). Die antragstellenden Kreditinstitute haben somit die Möglichkeit, bei Verwirklichung eines in §42 Abs4 InvFG umschriebenen Tatbestandes (somit bereits dann, wenn während des laufenden Jahres ein Anteil an einem ausländischen Kapitalanlagefonds veräußert oder in das Ausland verbracht wird) durch Unterlassung der Steuerabfuhr bei gleichzeitiger Offenlegung gegenüber der Abgabenbehörde die Erlassung eines Bescheides zu erwirken (vgl. dazu auch den - eine Selbstbemessungsabgabe betreffenden - hg. Beschluß VfSlg. 13.105/1992). Da die antragstellenden Kreditinstitute diesen Weg einschlagen können, ohne sich der Gefahr einer finanzstrafrechtlichen Verfolgung auszusetzen (vgl. §49 Abs1 lita FinStrG), ist dieser Weg zumutbar.

3. Die antragstellenden Kreditinstitute haben somit die Möglichkeit einen letztinstanzlichen Bescheid zu erwirken, in dem über die Abfuhrpflicht dem Grunde und der Höhe nach abgesprochen wird. Gegen einen derartigen Bescheid könnten sie in der Folge eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erheben und auf diesem Wege ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die von ihnen angefochtenen Gesetzesbestimmungen anders als im Wege des - bloß als subsidiären Rechtsbehelf ausgestalteten - Individualantrages an den Verfassungsgerichtshof herantragen.

III. Die Anträge waren daher mangels Legitimation gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

Finanzverfahren, Selbstbemessung, Kreditwesen, Bankwesen, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:G69.2001

Dokumentnummer

JFT_09989385_01G00069_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten