Norm
KO §20 Abs1Kopf
SZ 32/171
Spruch
Das Aufrechnungsverbot des § 20 Abs. 1 KO. bezieht sich auf Konkursforderungen und nicht auf Forderungen, für die ein Absonderungsrecht besteht.
Entscheidung vom 23. Dezember 1959, 1 Ob 367/59.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Über das Vermögen der beklagten Partei wurde am 27. Februar 1956 der Konkurs eröffnet, am 14. Februar 1957 der Zwangsausgleich geschlossen und am 10. April 1957 bestätigt. Der Konkurs wurde bis zum zweiten Schluß der Verhandlung erster Instanz nicht aufgehoben (§ 157 Abs. 1 KO.). Nach der Konkurseröffnung erhielten die Kläger von Gläubigern des Gemeinschuldners verschiedene Forderungen zediert, darunter auch die Mietzinsforderung der Hauseigentümerin für die Zeit vom 1. Oktober 1955 bis 30. Juni 1956 in der Höhe von 27.959 S 42 g, welchen Betrag die Kläger mit der vorliegenden Klage von der beklagten Partei verlangen. Diese wendet dagegen eine Schadenersatzforderung von 30.000 S bis 40.000 S kompensando mit der Begründung ein, daß die Kläger entgegen einem am 29. Juni 1956 geschlossenen Verwahrungsvertrag durch ihre Arbeiter im Dezember 1956 eine zur Masse gehörige Hochvakuumpresse unsachgemäß hätten abmontieren und in die Bestandteile zerlegen lassen. Die Kläger wenden replicando ein, daß die beklagte Partei ihre angebliche Gegenforderung nicht gegen die Klageforderung, sondern nur gegen die früher entstandenen weiteren, den Klägern als Zessionaren gegen die beklagte Partei zustehenden Forderungen, die die Gegenforderung weit überstiegen, aufrechnen könne.
Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Teilurteil vom 2. Dezember 1957 sprach das Berufungsgericht die Klageforderung von 27.959 S 42 g samt Zinsen den Klägern zu. Es faßte die Klage als Pfandklage nach § 1101 ABGB. auf und wies die beklagte Partei bei sonstiger Exekution auf die von ihr in das Bestandobjekt eingebrachten Fahrnisse und sonstigen Einrichtungsgegenstände an, den Betrag den Klägern binnen 14 Tagen zu zahlen. Zugleich hob es das erstgerichtliche Urteil hinsichtlich der Gegenforderung auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zurück.
Nachdem das Erstgericht das weitere Verfahren über die Gegenforderung der beklagten Partei durchgeführt hatte, erkannte es mit Endurteil, daß die Gegenforderung in der Höhe von 23.020 S zu Recht bestehe und der Klageanspruch der Kläger von 27.959 S 42 g daher bis zu 23.020 S getilgt sei. Der Verkehrswert der Presse sei, so führte das Erstgericht aus, durch die unsachgemäße Behandlung durch die klagenden Parteien von 30.000 S auf 8500 S gesunken, um welchen Preis die Presse tatsächlich verkauft worden sei. Von der Differenz in der Höhe von 21.500 S seien die von der beklagten Partei zu tragenden Demontagekosten von 600 S abzuziehen und ihr die Verwahrungsgebühren von 2120 S hinzuzurechnen, die die beklagte Partei bei zeitgerechtem Verkauf nicht getroffen hätten. Mit Rücksicht auf die Bestimmungen der §§ 19, 20 KO. sei zwar die Aufrechnung der Klageforderung mit der Gegenforderung, nicht aber die der Gegenforderung mit den zedierten Konkursforderungen der Kläger zulässig. Das Endurteil des Erstgerichtes ist insoweit, als ein Teil der Gegenforderung implicite als nicht zu Recht bestehend erkannt worden war (4939 S 42 g), rechtskräftig geworden.
Infolge Berufung der Kläger gegen den restlichen Teil des erstgerichtlichen Endurteils (23.020 S) bestätigte ihn das Berufungsgericht hinsichtlich eines Teilbetrages von 20.900 S und änderte ihn hinsichtlich 2120 S dahin ab, daß die Gegenforderung der beklagten Partei diesbezüglich nicht zu Recht bestehe. Das Berufungsgericht wich von der rechtlichen Auffassung des Erstgerichtes insofern ab, als es das Auflaufen der Verwahrungsgebühren von 2120 S nicht als Schaden der beklagten Partei ansah. Es kam daher zum Ergebnis, daß die Klageforderung von 27.959 S 42 g bis auf den Betrag von 7059 S 42 g (die vom Erstgericht rechtskräftig aberkannten 4939 S 42 g zuzüglich der erwähnten 2120 S) getilgt sei. Bezüglich der 2120 S ist das Urteil des Berufungsgerichtes in Rechtskraft erwachsen, so daß nur mehr ein Forderungsbetrag von 20.900 S streitverfangen ist.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Kläger machen geltend, daß die Berechnung des der beklagten Partei erwachsenen Schadens unrichtig sei. Diese habe nämlich den Verkehrswert der Maschine nach der Abmontierung mit 17.000 S beziffert und davon ausgehend den Schaden berechnet. An diese Behauptung der beklagten Partei sei das Gericht gebunden und könne den Verkehrswert nicht mit einem geringeren Betrag als 17.000 S annehmen. Das Vorbringen der Beklagten läßt jedoch deutlich erkennen, daß sie nicht die Schadensdifferenz zwischen den Schätzwerten von 50.000 S und 17.000 S, sondern die zwischen 50.000 S und 8500 S im Auge hat, so daß vom Übersehen einer etwaigen prozessualen Bindung an eine Behauptung der beklagten Partei nicht gesprochen werden kann.
Die übrigen Ausführungen der Kläger beziehen sich auf die Rechtsfrage, inwieweit die Forderungen der Streitteile gegeneinander aufgerechnet werden konnten. Die Bestimmung des § 20 Abs. 1 KO. erklärt die Aufrechnung unter anderem dann für unzulässig, wenn die Forderung gegen den Gemeinschuldner erst nach der Konkurseröffnung erworben worden ist. Wie sich aus dem ersten Teil dieser Vorschrift ergibt, betrifft das Aufrechnungsverbot jedoch nicht jede nach der Konkurseröffnung zedierte Forderung gegen den Gemeinschuldner. So wie es sich nämlich im umgekehrten Fall, wo eine Person nach der Konkurseröffnung Schuldner der Konkursmasse geworden ist, um einen Konkursgläubiger, also um eine Person handeln muß, die ihre Schuld mit ihrer Konkursforderung (§§ 50 bis 53 KO.) aufrechnen will, muß auch bei der nachträglich erworbenen Forderung gegen den Gemeinschuldner eine Konkursforderung vorliegen. Der Sinn des gesetzlichen Aufrechnungsverbotes liegt ja gerade darin, zu verhindern, daß auf dem Wege nachträglicher Gläubiger- oder Schuldnerverschiebung Konkursforderungen, die nur im Ausmaß der Quote zu befriedigen sind, auf Grund der normalen Kompensation mit Ansprüchen der Masse voll zum Zuge kämen.
Forderungen gegen den Gemeinschuldner auf Grund eines Absonderungsrechtes können mit Ansprüchen der Masse ohne weiteres kompensiert werden, weil solche Forderungen nach § 48 KO. aus der betreffenden Sondermasse voll zu befriedigen sind und daher kein Anstand besteht, die zu einer solchen Befriedigung führende Kompensation mit Ansprüchen der Masse zuzulassen.
Im vorliegenden Fall beruht die Klageforderung auf dem gesetzlichen Pfandrecht des Vermieters nach § 1101 ABGB., betrifft das im § 48 Abs. 4 KO. vorgesehene letzte Jahr vor der Konkurseröffnung (27. Februar 1956), macht an den vom Gemeinschuldner in das Bestandobjekt eingebrachten Fahrnissen und Einrichtungsgegenständen ein Absonderungsrecht geltend und ist daher trotz der späteren Zession an die Kläger ohne weiteres Gegenstand der Kompensation mit der Schadenersatzforderung der Masse.
Anders steht es aber mit den weiteren Forderungen der Kläger, die ihnen nach der Konkurseröffnung zediert worden sind. Bei diesen Forderungen handelt es sich nach dem eigenen Vorbringen der Kläger durchwegs um Konkursforderungen, für die das Aufrechnungsverbot des § 20 Abs. 1 KO. um so mehr gilt, als nicht der Masseverwalter, sondern die Kläger diese Kompensation wünschen. Durch die Zulassung der Aufrechnung mit der Schadenersatzforderung der beklagten Partei würden die Kläger bis zur Höhe dieser Forderung in den Genuß der vollen Deckung ihrer Konkursforderungen kommen, worauf sie nach dem Gesetz keinen Anspruch haben. Ohne Rücksicht darauf, daß die Konkursforderungen der Kläger vor den mit der Klage begehrten Mietzinsforderungen entstanden sein mögen, kommen sie zur Aufrechnung nicht in Frage. Die von den Klägern ins Treffen geführten Aufrechnungsbestimmungen des bürgerlichen Rechts können daher nicht angewendet werden. Es stehen einander vielmehr nur die mit Klage geltend gemachte Mietzinsforderung der Kläger und die Schadenersatzforderung der beklagten Partei aufrechenbar gegenüber, wie die Untergerichte zutreffend erkannt haben.
Die Kläger haben gegen die vom Berufungsgericht angenommene Schadenshöhe von 20.900 S sachlich gerechtfertigte Einwendungen nicht erhoben; die Klageforderung von 27.959 S 42 g ist daher um diesen Betrag zu vermindern, so daß der gesamte Rest der Klageforderung noch 7059 S 42 g ausmacht. Da sich die rechtlichen Bemängelungen der Kläger als nicht begrundet herausstellen, muß ihrer Revision der Erfolg versagt bleiben.
Anmerkung
Z32171Schlagworte
Aufrechnungsverbot nach § 20 Abs. 1 KO., Tragweite, Kompensationsverbot nach § 20 Abs. 1 KO., Tragweite, Konkurs, Tragweite des Aufrechnungsverbotes nach § 20 Abs. 1 KO., Verbot der Aufrechnung nach § 20 Abs. 1 KO., TragweiteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1959:0010OB00367.59.1223.000Dokumentnummer
JJT_19591223_OGH0002_0010OB00367_5900000_000