TE OGH 1960/2/4 3Ob183/58

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Veröffentlicht am 04.02.1960
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Norm

Staatsvertrag Art27

Kopf

SZ 33/15

Spruch

Art. 27 des Staatsvertrages gibt dem einzelnen österreichischen Staatsbürger einen unmittelbaren, im Rechtsweg durchsetzbaren Anspruch gegen die Republik Österreich.

Entscheidung vom 4. Februar 1960, 3 Ob 183/58.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Kläger begehrten Zuspruch von je 1.568.370 S 96 g s. A. und brachten vor: Sie seien je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ. 398 KG. W. in Jugoslawien gewesen. Diese Liegenschaft sei erstmalig im Jahr 1951 von der "MLO" ins Eigentum übernommen worden. Es seien dies 33.000 m2 Bauparzellen, landwirtschaftliche Vorräte, Wohnungs- und Geschäftseinrichtungen und Geschäftsinventar gewesen. Im Mai 1945 sei vorerst ein kommissarischer Leiter namens Janes K. in das Geschäft als Verwalter eingesetzt worden. Das Vermögen sei schließlich auch im Sinne des Art. 27 Z. 2 des Staatsvertrages von der jugoslawischen Regierung beschlagnahmt worden. Der den Klägern durch diese Enteignungen zugefügte Schaden betrage US-Dollar

120.643.92 = 3.136.741 S 92 g. Es handle sich um die individuelle Beschlagnahme. Allfällige Verzichtserklärungen der Kläger seien rechtsungültig: Der Schaden werde nach dem Zeitpunkt der Beschlagnahme im Jahr 1945 geltend gemacht. Beide Kläger seien ursprünglich jugoslawische Staatsangehörige gewesen und hätten im Jänner 1949 die österreichische Staatsbürgerschaft erlangt. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil der Staatsvertrag zwar zweifellos in Österreich Gesetzeskraft erlangt habe und die gesetzliche Grundlage darstelle, aus welcher der einzelne österreichische Staatsbürger einen individuellen Anspruch auf Ersatz abzuleiten berechtigt sei, die Entschädigung gemäß Art. 27 Z. 2 des Staatsvertrages jedoch vor Erlassung eines Ausführungsgesetzes nicht bestimmt werden könne.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, verwies auf die Rechtsprechung zu Art. 25, 26 des Staatsvertrages und führte aus, daß der Staatsvertrag durch seine Verlautbarung im Bundesgesetzblatt zwar Gesetzeskraft erlangt habe, doch ohne ein Ausführungsgesetz nicht angewendet werden könne, weil alle Anhaltspunkte fehlten, nach welchen Grundsätzen der den Klägern erwachsene Schaden zu berechnen sei.

Der Oberste Gerichtshof hob beide untergerichtlichen Urteile auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Für die Entscheidung des Rechtsstreites sind zunächst die folgenden Fragen von Bedeutung:

I. Sollte Art. 27 des Staatsvertrages für den einzelnen österreichischen Staatsbürger einen unmittelbaren Anspruch gegenüber der Republik Österreich begrunden?

II. (bejahendenfalls): Welcher Art ist dieser Anspruch?

III. Bedarf die Feststellung eines solchen Anspruches dem Gründe und der Höhe nach noch eines Ausführungsgesetzes, insbesondere bezüglich des anzuwendenden Verfahrens oder der Höhe des Anspruches?

Zu I: a) Der Staatsvertrag ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der zwischen den am Anfang des Staatsvertrages genannten Völkerrechtssubjekten abgeschlossen wurde. Es muß daher zur Frage Stellung genommen werden, ob nach völkerrechtlichen Grundsätzen dem einzelnen Staatsbürger aus einem solchen Vertrag ein subjektiver Anspruch gegen den Heimatstaat erwächst.

Schon die Friedensverträge nach dem ersten Weltkrieg enthielten dem Art. 27 Z. 2 des Staatsvertrages ähnliche Bestimmungen. Art. 74 des Friedensvertrages von Versailles besagte folgendes: "Die französische Regierung behält sich das Recht vor, alle Güter, Rechte und Interessen, die am 11. November 1918 deutsche Reichsangehörige oder von Deutschland abhängige Gesellschaften in den im Art. 51 bezeichneten Gebieten besaßen, unter den im letzten Absatz des obigen Art. 53 festgesetzten Bedingungen einzubehalten und zu liquidieren. Deutschland hat seine durch diese Liquidationsmaßnahmen enteigneten Angehörigen unmittelbar zu entschädigen ...". Und Art. 297 lit. i des Friedensvertrages bestimmte: "Deutschland verpflichtet sich, seine Angehörigen wegen der Liquidation oder Einbehaltung ihrer Güter, Rechte oder Interessen in den alliierten oder assoziierten Ländern zu entschädigen". Der Friedensvertrag von St. Germain enthielt hinsichtlich Österreichs im Art. 211 Abs. 2 eine dem Art. 74 Abs. 2 des Friedensvertrages von Versailles ähnliche und im Art. 249 lit. j eine dem Art. 297 lit. i des Friedensvertrages von Versailles gleiche Bestimmung. Im Jahr 1928 entschied das Reichsgericht (RGZ. 121, 9) über eine Klage eines Deutschen gegen das Deutsche Reich, der folgender Sachverhalt zugrunde lag: Der Kläger wohnte in Elsaß-Lothringen und besaß dort Vermögen. Er zog aus seiner Heimatstadt weg nach Deutschland, sein Vermögen wurde von Frankreich beschlagnahmt. Ein Teil des Verlustes wurde ihm ersetzt, den Rest begehrte er vom Deutschen Reich. Das Reichsgericht wies seine Klage ab und führte nach Erörterung prozessualer Probleme aus: "Der Versailler Vertrag ist ein völkerrechtlicher Vertrag und schafft daher zunächst grundsätzlich Rechte und Pflichten nur unter den Vertragsstaaten. Durch das Reichsgesetz vom 16. Juli 1919 hat er zwar innerstaatliche Kraft im Deutschen Reich erhalten. Aber der einzelne kann aus seinen Bestimmungen Ansprüche nur ableiten, soweit sich das mit Klarheit aus dem Vertrag selbst ergibt, wenn nämlich die einzelne Vorschrift nach Inhalt, Zweck und Fassung, ohne daß es noch völker- oder staatsrechtlicher Akte bedarf, privatrechtliche Wirkungen auszuüben geeignet ist ... Die hier in Frage kommenden Bestimmungen der Art. 74 Abs. 2 und 297 lit. i sind aber nicht geeignet, solche unmittelbaren privatrechtlichen Wirkungen auszuüben. Sie enthalten nur die ganz allgemeine, zwischen dem Feindbund und Deutschland getroffene Vereinbarung, daß Deutschland seine Angehörigen zu entschädigen habe. Jede nähere Regelung, ja auch die Angabe irgendwelcher Grundsätze für die Entschädigung fehlen. In welcher Weise Deutschland dieser Vertragspflicht nachkomme, war für die Mächte offenbar ohne jede Bedeutung". Das Reichsgericht verweist in diesem Erkenntnis auf eine einschlägige Vorjudikatur (RGZ. 117, 284; RGZ. 119, 157). Dabei schließt sich das Reichsgericht der von Isay,

Die privaten Rechte und Interessen im Friedensvertrage, 3. Aufl. S. 101 ff., 133 ff.; Schlegelberger, Ausführungsgesetze zum Friedensvertrag, § 8 A 5 S. 17, und Fuchs in Leske - Löwenfeld, Die Rechtsverfolgung im internationalen Verkehr, VI/2 S. 40, 43 und 284 ff., vertretenen Ansicht an und lehnt die von Weil, Das Recht der deutschen Grenzgebiete, Liquidationsgesetz, S. 31 ff.; Schücking, Zeitschrift für Völkerrecht 1920 S. 548; Niedhammer, JW. 1922 S. 122, und Wundisch, Der Friedensvertrag, S. 73, vertretene Meinung ab.

Der Oberste Gerichtshof lehnte sich bei der Entscheidung über die Frage der Wirkungen des Abkommens zwischen Österreich und USA. aus dem Jahre 1947 in den Entscheidungen 1 Ob 513/52 und EvBl. 1952 Nr. 418 an die Rechtsansicht des Reichsgerichtes an und führte in den erwähnten Entscheidungen noch insbesondere aus: "Es ist ein anerkannter Grundsatz des Völkerrechts, daß Einzelpersonen aus völkerrechtlichen Verträgen gegen ihren Heimatstaat kein Recht ableiten können, sondern daß die Nichtzuhaltung eines solchen Vertrages nur auf die im Völkerrecht vorgesehene Weise erzwungen werden kann. Hiezu wird auf die völkerrechtliche Praxis, nämlich die Sache Rustomjee v. The Queen (1876 - 1 QBD 487, QBD 69, 74) und die Entscheidung 74 Civilian War Claiments Association v. The King (1932 - A. C. 14) verwiesen."

Dazu siehe Anzilotti, Cours de Droit international, Paris 1929, S. 403:

"Die Wirkungen von (völkerrechtlichen) Verträgen bestehen immer ausschließlich in wechselseitigen Rechten und Pflichten zwischen Staaten, wobei unter diesem Ausdruck selbstverständlich jedes Völkerrechtssubjekt zu verstehen ist. Dies heißt aber letztlich nichts anderes, als daß die Rechte und Pflichten, die das Völkerrecht an den juridischen Tatbestand "völkerrechtlicher Vertrag" knüpft, vom Völkerrecht selbst auf die soziale Gruppe in ihrer Gesamtheit übertragen werden, so daß die auferlegten Pflichten und die eingeräumten Rechte nicht Pflichten und Rechte der einzelnen Individuen sind, die diese Gruppe bilden, sondern Pflichten und Rechte der Kollektivität als ein Ganzes betrachtet."

Es gibt jedoch andererseits auch maßgebliche Stimmen, die dem einzelnen Staatsbürger ein subjektives Recht gegen seinen Heimatstaat einräumen, was übrigens auch das zitierte Erkenntnis des Reichsgerichtes nicht vollständig ausschließt. Zu verweisen ist vor allem auf das sogenannte "Danziger Urteil":

Am 3. März 1928 beschloß der Permanent Court of International Justice das Rechtsgutachten Nr. 15, betreffend die Zuständigkeit der Gerichte von Danzig zur Entscheidung über Geldforderungen der Danziger Eisenbahnbediensteten, die in polnischen Dienst übergetreten sind, gegen die polnische Eisenbahnverwaltung (Sammlung der Rechtsgutachten des ständigen internationalen Gerichtshofes, S. 17 ff.), und führte darin (auszugsweise) folgendes aus:

"Der Streitpunkt ist also folgender: Bildet das Beamtenabkommen, so wie es ist, einen Teil des Inbegriffes der Bestimmungen, die die Rechtsbeziehungen zwischen der polnischen Eisenbahnverwaltung und den in ihre Dienste getretenen Danziger Bediensteten (Arbeitsvertrag) regeln? Die Antwort auf diese Frage hängt von der Absicht der vertragschließenden Parteien ab. Man kann ohne weiteres zugeben, daß nach einem wohlfundierten Grundsatz des Völkerrechtes das Beamtenabkommen, ein völkerrechtlicher Vertrag, als solcher nicht unmittelbar Rechte oder Verpflichtungen von Privatpersonen begrunden kann. Es kann aber nicht bestritten werden, daß gerade der Gegenstand eines völkerrechtlichen Vertrages nach der Absicht der vertragschließenden Parteien die Annahme von bestimmten Vorschriften seitens der vertragschließenden Parteien sein kann, die Rechte und Verpflichtungen für Einzelpersonen begrunden und von den staatlichen Gerichten anwendbar sind. Daß dies im vorliegenden Fall die Absicht gewesen ist, kann festgestellt werden, indem man sich auf den Wortlaut des Beamtenabkommens bezieht. Die Tatsache, daß die verschiedenen Bestimmungen in die Form eines Abkommens gegossen wurden, ist ein ergänzender Beweis, nicht aber ein entscheidender Beweis für die Natur und die juristische Wirkung des Aktes. Die Absicht der Parteien, die aus dem Inhalt des Abkommens festgestellt werden muß, wobei die Art und Weise zu berücksichtigen ist, in der das Abkommen angewendet wurde, ist entscheidend. Dieser Auslegungsgrundsatz muß vom Gerichtshof im vorliegenden Fall angewendet werden."

Mit der Frage der Erforschung des Parteiwillens hat sich der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung GerH. 1934 S. 95 befaßt und nachstehenden Grundsatz ausgesprochen: "Da der Staatsvertrag von St. Germain doch seinem Wesen nach als ein paktiertes Gesetz anzusehen ist, ist es selbstverständlich, daß für dessen Auslegung nicht bloß der Wille der Siegerstaaten, sondern auch die vermutliche Absicht Österreichs in Betracht kommt. Aber auch diese kann nur als auf die redliche Erfüllung des Vertrages gerichtet angesehen werden. Die Auslegung trägt dem § 914 ABGB., wenn man diese für den Bereich des Privatrechtes aufgestellte grundsätzliche Norm auch auf zwischenstaatliche Verträge anwenden will, und der Auslegungsregel des § 6 ABGB., die anerkanntermaßen als eine über das Gebiet des Privatrechtes hinausreichende Vorschrift gilt, vollkommen Rechnung."

Der Oberste Gerichtshof ist bei der schwankenden Rechtslage in der Frage, ob dem einzelnen Staatsbürger aus einem völkerrechtlichen Vertrag eigene Rechte entstehen können, der Auffassung, daß zwar im allgemeinen nur die Völkerrechtssubjekte, welche die Völkerrechtsverträge schließen, für sich Rechte und Pflichten begrunden, daß jedoch dem einzelnen Staatsbürger dann gegen seinen eigenen Staat aus einem Völkerrechtsvertrag Rechte zustehen, wenn dies der Absicht der vertragschließenden Parteien und dem Wortlaut des Vertrages zu entnehmen ist.

Es ist daher die Frage zu beantworten, ob nach der Auslegung des Art. 27 des Staatsvertrages (§ 6 ABGB.) und der Absicht der Völkerrechtssubjekte, die an dem österreichischen Staatsvertrag beteiligt waren, dem einzelnen Staatsbürger auf Grund des Art. 27 gegenüber der Republik Österreich Rechte eingeräumt werden sollten. Es ist sicherlich außerordentlich schwierig, die Absicht der einzelnen vertragschließenden Staaten festzustellen. Grundlage hiefür bieten in erster Linie der Zweck der Bestimmung und der Wortlaut des Vertrages. Art. 27 des Staatsvertrages sollte es der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien ermöglichen, österreichische Vermögenschaften, die sich ... auf jugoslawischem Gebiet befinden, zu beschlagnahmen, zurückzubehalten oder zu liquidieren. Die österreichische Regierung verpflichtete sich zur Leistung einer Entschädigung an die durch solche Maßnahmen geschädigten österreichischen Staatsangehörigen. Die vertragschließenden Staaten hatten die Absicht, der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien den einwandfreien Erwerb des Vermögens der österreichischen Staatsbürger zu verschaffen. Um eine völkerrechtlich unzulässige Konfiskation zu vermeiden, mußte den geschädigten österreichischen Staatsbürgern eine Entschädigung geleistet werden. Da jedoch die Föderative Volksrepublik Jugoslawien diese Entschädigung offenbar nicht leisten wollte, hat sich die Republik Österreich, um das Zustandekommen des Staatsvertrages nicht zu gefährden, zur Leistung dieser Entschädigung verpflichtet. Aus dem Zweck des Art. 27 des Staatsvertrages und seinem Wortlaut muß als Absicht aller beteiligten Staaten angenommen werden, daß auf jeden Fall der einzelne österreichische Staatsbürger für sein verlorenes Vermögen entschädigt wird; diese Entschädigung zu leisten hat die Republik Österreich übernommen.

Die erläuternden Bemerkungen zu Art. 27 des Staatsvertrages (Nr. 517 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, VII. GP.) führen hiezu aus: "Artikel 27, Paragraph 1, enthält ein Versprechen der Alliierten und Assoziierten Mächte, österreichisches Vermögen, das sich in ihrem Staatsgebiet befindet, oder die bei einer Liquidierung hiefür erzielten Erlöse den österreichischen Eigentümern freizugeben. Die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich und Frankreich haben das österreichische Vermögen schon seit Jahren freigegeben. Auch eine große Anzahl anderer Staaten hat, ohne eine staatsvertragliche Regelung abzuwarten, die aus dem Krieg herrührenden Blockierungsbestimmungen über das österreichische Vermögen aufgehoben. Eine Anzahl anderer Staaten hat sich dagegen bisher geweigert, vor Inkrafttreten des Staatsvertrages in Verhandlungen über die österreichischen vermögensrechtlichen Ansprüche einzutreten.

Artikel 27, Paragraph 2, enthält eine für Österreich sehr harte Bestimmung, die hingenommen werden mußte, um das Zustandekommen des Staatsvertrages nicht zu verzögern. Hiezu wird auch auf die erläuternden Bemerkungen zu Artikel 21 verwiesen."

b) Die Frage, ob dem einzelnen Staatsbürger auf Grund des Art. 27 des Staatsvertrages ein direkter Anspruch gegen die Republik Österreich zusteht, muß aber auch aus den nachstehenden Gründen nach staatsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Grundsätzen untersucht werden.

Ob Staatsverträge ohne ein Ausführungsgesetz innerstaatliches Recht erzeugen, ist keine Frage des Völkerrechtes, sondern der Verfassung des betreffenden Staates. Art. 50 Abs. 1 B-VG. bestimmt, daß alle politischen Staatsverträge, andere nur, sofern sie gesetzesändernden Inhalt haben, der Genehmigung des Nationalrates bedürfen. Ein Staatsvertrag, der nicht für den inländischen Rechtsbereich wirkt, hat keinen gesetzesändernden Inhalt, denn was im Inland nicht wirkt, ist nicht geeignet, das inländische Gesetz abzuändern. Wäre nach österreichischem Verfassungsrecht eine sogenannte Transformation durch ein Ausführungsgesetz erforderlich, so könnte es nur heißen, daß Staatsverträge deren Inhalt mit den bestehenden Gesetzen im Widerspruch steht, der Genehmigung des Nationalrates bedürften. Der Wortlaut der Verfassung läßt also keinen Zweifel darüber aufkommen, daß im allgemeinen jeder gesetzesändernde Staatsvertrag wie ein inländisches Gesetz wirkt. (In diesem Sinne Kelsen, Die Verfassungsgesetze der Republik Österreich, V S. 135; derselbe, Österreichisches Staatsrecht, S. 186; Adamovich, Die Bundesverfassungsgesetze, 8. Aufl. S. 95 Anm. 1 zu Art. 50 B-VG.; Adamovich - Spanner, Handbuch des österreichischen Verfassungsrechtes, 5. Aufl. S. 332; Verdross, Völkerrecht, 4. Aufl. S. 60 ff.; Pfeifer in ÖJZ. 1958 S. 260ff.; JBl. 1956 S. 231).

Adamovich - Spanner (a. a. O. S. 331 ff.) sagen wörtlich:

"Die Frage der innerstaatlichen Verbindlichkeit der Staatsverträge ist durch Art. 49 B-VG. im Sinne der generellen Transformierung der Staatsverträge in innerstaatliches Recht gelöst: Die Staatsverträge sind danach den Bundesgesetzen gleichgestellt, ihre verbindende Kraft beginnt, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nach Ablauf des Tages, an dem das Stück des Bundesgesetzblattes, das die Kundmachung enthält, herausgegeben und versendet wird, und erstreckt sich, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, auf das ganze Bundesgebiet. Die Staatsverträge schaffen daher, ohne daß sie erst in ein formelles Gesetz transformiert werden müßten, auch für die einzelnen Staatsorgane und für die einzelnen Staatsbürger unmittelbar wirksames Recht, sie sind in ihrer rechtlichen Qualität den Bundesgesetzen koordiniert, können daher insbesondere auch im Sinne des Art. 18 B-VG. die Grundlage für die Erlassung von Verordnungen bilden."

Darüber hinaus ist noch auf folgende Rechtsprechung des OGH. hinzuweisen: Die Entscheidung EvBl. 1956 Nr. 184 spricht aus, daß der Staatsvertrag, ohne daß er erst in ein formelles Gesetz transformiert werden müßte, auch für die einzelnen Staatsorgane und für die einzelnen Staatsbürger unmittelbar wirksames Recht schafft; der Staatsvertrag hat zufolge des Prinzips der generellen Transformierung an dem der Kundmachung im Bundesgesetzblatt folgenden Tag (31. Juli 1955) unmittelbar innerstaatliche Wirkung erlangt. In diesem Zusammenhang ist auf die Rechtsprechung des OGH. zum Übereinkommen zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der USA. vom 21. Juni 1947 hinzuweisen (EvBl. 1952 Nr. 137), worin der OGH. ausgesprochen hat, daß dieses Übereinkommen mangels Genehmigung durch den Nationalrat und mangels Verlautbarung im Bundesgesetzblatt unwirksam für den innerstaatlichen Bereich ist. Da dieser Vertrag bloß in der amtlichen "Wiener Zeitung" vom 28. Juni 1947 veröffentlicht wurde (nicht auch im Bundesgesetzblatt), ist er für den innerstaatlichen Bereich als nichtiger Akt anzusehen (Adamovich, Grundriß des Verfassungsrechts, S. 304). Aus dieser Entscheidung ergibt sich für den österreichischen Staatsvertrag, daß er zufolge der Genehmigung durch den Nationalrat und Verlautbarung im Bundesgesetzblatt innerstaatliche Wirkungen herbeizuführen geeignet ist.

Abschließend sei noch auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu Art. 24 und Art. 25 des Staatsvertrages (Vermögen der Vereinten Nationen in Österreich) und zu Art. 26 des Staatsvertrages (Vermögenschaften, Rechte und Interessen von Minderheitsgruppen in Österreich) verwiesen: Die Entscheidung Rkv 59/56 sagt wörtlich: "Aus Art. 25 des Staatsvertrages ist klar erkennbar, daß dieser Artikel nicht unmittelbar anwendbar (selfexecuting) ist, sondern einer Ausführungsbestimmung bedarf, da Form und Art der Geltendmachung derartiger Ansprüche im Staatsvertrag vollkommen offengelassen wurden. Art. 25 des Staatsvertrages enthält überdies lediglich eine Verpflichtung der Republik Österreich, aber nicht ausdrücklich eine solche ihrer Staatsbürger; es bedarf daher einer ausdrücklichen Anordnung hinsichtlich derGeltendmachung dieser Ansprüche sowie der Stellen, bei denen derartige Ansprüche erhoben werden." Oder EvBl. 1956 Nr. 362: "Den einzelnen Angehörigen der Vereinten Nationen stehen mangels eines Ausführungsgesetzes Ansprüche gegen österreichische Staatsbürger noch nicht zu." Ebenso Rkv 49/56 und Rkv 53/56: "Art. 25 des Staatsvertrages bedarf noch eines Ausführungsgesetzes." Zum selben Ergebnis kommt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 31. März 1958, Zl. 1832/56, ÖJZ. 1958 S. 666: "Aus Art. 25 und 26 des Staatsvertrages können unmittelbare Ansprüche auf Rückstellung von Vermögensrechten nicht abgeleitet werden."

In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 2 Ob 730/55 wird ausgeführt: "Nach Art. 24 Z. 2 des Staatsvertrages hat die österreichische Regierung gegenüber den Signatarstaaten zugestimmt, eine billige Entschädigung in Schilling den Personen zu leisten, die den Streitkräften der Alliierten auf Grund von Requisitionen Güter geliefert haben. Diese Verpflichtung hat die Republik Österreich gegenüber den alliierten und assoziierten Mächten übernommen. Schon aus der Fassung dieser Bestimmung des Staatsvertrages ergibt sich, daß ein unmittelbarer Rechtsanspruch eines Betroffenen gegen die Republik Österreich noch nicht begrundet werden sollte. Bevor über die Leistung einer Entschädigung, in welchem Verfahren immer, abgesprochen werden kann, bedarf es einer näheren Darstellung der Grundsätze und Richtlinien, nach denen diese Entschädigung gewährt werden soll. Mangels solcher Richtlinien könnte sich ergeben, daß die Ansprüche der Geschädigten in ihrer Gesamtheit von der Republik Österreich überhaupt nicht erfüllt werden können. Daß die gesetzgebende Körperschaft zur Begründung der Rechtsansprüche der Geschädigten die Erlassung eines besonderen Gesetzes für erforderlich hält, zeigt sich daraus, daß ein die Ansprüche der Geschädigten regelnder Gesetzentwurf bereits zur Behandlung zugeleitet worden ist (vgl. die Vorlage betreffend ein Bundesgesetz über die Gewährung von Entschädigungen für Schäden, die im Zusammenhang mit der Besetzung Österreichs entstanden sind; Nr. 671 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, VII. GP.). Erst dieses Gesetz wird nach seinem Inkrafttreten der klagenden Partei die rechtliche Grundlage für die Geltendmachung ihrer Ansprüche in dem dort bezeichneten Verfahren geben." Hiezu ist zu erwähnen, daß Art. 24 Z. 2 des Staatsvertrages lautet: "2. ... Die österreichische Regierung stimmt zu, eine billige Entschädigung in Schillingen den Personen zu leisten, die den Streitkräften der Alliierten oder Assoziierten Mächte im österreichischen Staatsgebiet auf Grund von Requisition Güter geliefert oder Dienste geleistet haben, und ebenso eine Entschädigung zur Befriedigung von Ansprüchen aus Nichtkampfschäden gegen die Streitkräfte der Alliierten oder Assoziierten Mächte, die auf österreichischem Staatsgebiet entstanden sind."

Die zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zu Art. 24 bis 26 des Staatsvertrages stehen der Auffassung des Obersten Gerichtshofes bezüglich des Art. 27 des Staatsvertrages nicht entgegen, da die Art. 24 bis 26 einen anderen Wortlaut haben als Art. 27 des Staatsvertrages. Insbesondere sieht Art. 24 des Staatsvertrages nur eine "billige" Entschädigung vor, und es ist daher nicht eindeutig klar, was unter dieser "billigen" Entschädigung zu verstehen ist.

Bei dieser Rechtslage muß daher davon ausgegangen werden, daß es ein in der Republik Österreich gültiges Gesetz gibt, welches den gleichen Inhalt wie Art. 27 des Staatsvertrages hat. Dieses österreichische Gesetz vermittelt nunmehr Rechtsbeziehungen zwischen der Republik Österreich und dem einzelnen österreichischen Staatsbürger. Letzterer hat daher auf Grund des österreichischen Staats- und Verfassungsrechtes einen Anspruch gegen die Republik Österreich; hiebei sind allerdings auch noch die Erwägungen im Punkt

c) und in den Punkten II und III zu berücksichtigen.

c) Eine weitere Voraussetzung für das Bestehen eines direkten Anspruches des einzelnen Staatsbürgers gegenüber der Republik Österreich ist grundsätzlich noch der Umstand, daß es sich nicht nur um ein Programm, nicht nur um ein formelles, sondern um ein materielles Gesetz handeln muß. Bei der Bestimmung des Art. 27 des Staatsvertrages handelt es sich nun keineswegs bloß um ein formelles Gesetz wie etwa Art. 23 B-VG. vor Inkrafttreten des Amtshaftungsgesetzes oder Art. 226 des Staatsvertrages von St. Germain. Art. 27 des Staatsvertrages enthält immerhin eine konkrete Verpflichtungserklärung zur Leistung einer Entschädigung, um die Auswirkungen einer Konfiskation zu vermeiden (für die unmittelbare Anwendung eines Staatsvertrages s. z. B. SZ XXIX 32).

Ebenso führt ein Vergleich zwischen Art. 5 des Vertrages vom 26. Mai 1952 über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den drei Mächten, DBGBl. II 1954 S. 57, 6. Teil, welcher lautet:

"Die Bundesrepublik wird Vorsorge treffen, daß die früheren Eigentümer der Werte, die ... beschlagnahmt worden sind, entschädigt werden", mit dem Schlußsatz des Art. 27 Z. 2 des österreichischen Staatsvertrages zu dem gleichen Ergebnis; während die Bundesrepublik in einer vorsichtigen Fassung sich nur verpflichtet, Vorsorge treffen zu wollen, hat sich die österreichische Regierung im Art. 27 des Staatsvertrages bereits konkret und eindeutig zur Leistung der Entschädigung an die österreichischen Staatsbürger verpflichtet.

Der Oberste Gerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, daß sowohl nach völkerrechtlichen wie auch nach österreichischen staatsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Grundsätzen Art. 27 des Staatsvertrages als materielles Gesetz dem einzelnen österreichischen Staatsbürger gegenüber der Republik Österreich eine unmittelbare Anspruchsberechtigung einräumen sollte.

Zu II: Begrundet demnach nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes Art. 27 Z. 2 des Staatsvertrages für den einzelnen österreichischen Staatsbürger einen Anspruch gegenüber der Republik Österreich, so muß nunmehr nach dem Wortlaut (§ 6 ABGB.) und dem Zweck dieser Bestimmung und unter Berücksichtigung der österreichischen Rechtsordnung die Frage untersucht werden, um was für einen Anspruch es sich handelt; da es hiebei um eine Rechtsfrage geht, ist der Oberste Gerichtshof berechtigt und verpflichtet, die Rechtslage nach allen Richtungen hin zu überprüfen, soweit sich nicht die Parteien auf einen ganz bestimmten Rechtsgrund bei ihrem Vorbringen festgelegt haben (SZ. XXIII 74). Dabei ist zu beachten, daß es sich nicht um einen Anspruch zwischen den Völkerrechtssubjekten, sondern um das Rechtsverhältnis zwischen dem einzelnen österreichischen Staatsbürger und der Republik Österreich handelt.

Als Rechtsgrunde kämen insbesondere in Frage: Schadenersatz, Erfüllungs- oder Schuldübernahme, Vertrag zugunsten Dritter, Enteignung, konstitutives Anerkenntnis und schließlich ein Anspruch sui generis.

Von einem Schadenersatzanspruch kann deshalb keine Rede sein, weil die Republik Österreich den Klägern weder durch Übertretung einer Vertragspflicht noch durch eine widerrechtliche Handlung ohne Beziehung auf einen Vertrag einen Schaden zugefügt hat und weil vor allem in der Zustimmung der Republik Österreich zum Abschluß des Staatsvertrages kein Verschulden erblickt werden kann.

Auch von einer Erfüllungs- oder Schuldübernahme kann nicht gesprochen werden, weil es an einem formellen Anerkenntnis einer Schuld durch Jugoslawien fehlt.

Zur Frage, ob als Rechtsgrund ein Vertrag zugunsten Dritter angenommen werden kann, ist folgendes zu sagen:

Nach österreichischer Lehre (Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 S. 196 ff.; Gschnitzer in Klang 2. Aufl. IV 226 ff.) liegt ein sogenannter echter Vertrag zugunsten eines Dritten im Sinne des § 881 ABGB. dann vor, wenn nach dem Sinn des Vertrages das Forderungsrecht (auch oder nur) dem Dritten zustehen soll. Der Dritte erwirbt dann ein Forderungsrecht aus einem Versprechen, das nicht er, sondern ein anderer angenommen hat. Seiner eigenen Annahme (Beitritt) bedarf es nicht. Diese Voraussetzungen eines echten Vertrages zugunsten Dritter sind in den Bestimmungen des Art. 27 Z. 2 des Staatsvertrages enthalten. Denn nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (6 Ob 246/58) müssen bei einem Vertrag zugunsten einer größeren Anzahl von Personen die Begünstigten nicht unbedingt mit Vor- und Zunamen, Berufs- und Anschriftenangabe bezeichnet werden; es genügt auch eine anderweitige eindeutige Umschreibung des Kreises der Begünstigten. Die Qualifikation als Vertrag zugunsten Dritter setzt jedoch voraus, daß diese privatrechtlichen Grundsätze auf völkerrechtliche Verträge angewendet werden können. Dies wurde sowohl von der österreichischen als auch von der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung abgelehnt. So hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 2 Ob 829/50 den Rechtssatz ausgesprochen, daß das Übereinkommen zwischen der österreichischen Bundesregierung und der amerikanischen Regierung vom 21. Juni 1947, wonach sich die österreichische Bundesregierung zur Erfüllung gewisser Verbindlichkeiten der amerikanischen Besatzungsmacht verpflichtete, kein privatrechtlicher Vertrag ist und einen Dritten nicht zur Geltendmachung von Ansprüchen nach § 881 ABGB. berechtigt. Das deutsche Reichsgericht hat in der Entscheidung RGZ. 121, 9, in den Bestimmungen des Friedensvertrages von Versailles (Art. 74 und Art. 297 lit. i) ebenfalls keinen Vertrag zugunsten der deutschen Staatsbürger gesehen. Es ergibt sich also, daß der Anspruch nach Art. 27 Z. 2 des Staatsvertrages dem eines Dritten, zu dessen Gunsten ein Vertrag im Sinne des § 881 ABGB. geschlossen wurde, nahe kommt, wenn auch nicht alle Voraussetzungen dieser Rechtsfigur gegeben sind.

Gegen die Annahme des Rechtsgrundes der Enteignung spricht zunächst die Tatsache, daß die Republik Österreich das Vermögen der klagenden Partei in Jugoslawien nicht enteignet hat; vielmehr hat Jugoslawien die Beschlagnahme, Zurückbehaltung oder Liquidation verfügt und nach Abschluß des Staatsvertrages nach der Behauptung der klagenden Parteien wiederholt. Die Republik Österreich hat auch im Art. 27 des Staatsvertrages auf die Rechte der österreichischen Staatsbürger in ihrem Namen nicht verzichtet und daher keine Enteignung des Forderungsrechtes der österreichischen Staatsbürger vorgenommen, weil ein solcher Verzicht aus der genannten Bestimmung nicht hervorgeht. Es wäre daher falsch, von einer Enteignung auf Grund einer Maßnahme der Republik Österreich in diesem Zusammenhang zu sprechen. Außerdem ist hiezu noch folgendes zu sagen: Gegen die Annahme einer Enteignung durch die Republik Österreich spricht auch die Tatsache, daß in der Regel der Enteignende aus der Enteignung etwas erlangen soll, wofür er die angemessene Entschädigung zu leisten hat; die Republik Österreich hat aus den Maßnahmen Jugoslawiens im Sinne des Art. 27 des Staatsvertrages materiell nichts erhalten, sondern im Gegenteil sich nur zu einer Leistung verpflichtet. Es muß jedoch hervorgehoben werden, daß der Zweck des Art. 27 Z. 2 des Staatsvertrages, wie bereits erwähnt, darin zu suchen ist, eine Konfiskation durch die Föderative Volksrepublik Jugoslawien zu vermeiden und vielmehr eine völkerrechtlich gültige Enteignung herbeizuführen; insofern spielt der Rechtsgrund der Enteignung eine Rolle.

Am ehesten kommt der Rechtsgrund des konstitutiven Anerkenntnisses in Betracht. Nach einhelliger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ. XXV 279, JBl. 1958 S. 44) ist der konstitutive (echte) Anerkenntnisvertrag ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, das dem Vergleich im Sinne der §§ 1380 ff. ABGB. nahe verwandt ist; ein solcher Vertrag liegt dann vor, wenn ein Gläubiger ernstlich eine Forderung behauptet und der Schuldner die Zweifel an deren Bestand durch sein Anerkenntnis wie bei einem Vergleich beseitigt. Er ist keine Schenkung, sondern schafft unabhängig von dem bestehenden, in der Vergangenheit liegenden Rechtsgrund eine neue selbständige Verpflichtung. Vom Vergleich unterscheidet er sich nur durch die Unentgeltlichkeit. Durch einen solchen konstitutiven Anerkenntnisvertrag wird eine Forderung begrundet, auch wenn sie bisher nicht bestanden hätte. Nach Ehrenzweig 2. Aufl. I/1 S. 361 ff. hat eine solche Anerkennung hilfsweise rechtsgestaltende Wirkung. Voraussetzung ist nach Ehrenzweig nur, daß das anerkannte Recht ernstlich behauptet worden ist, mag die Behauptung auch objektiv in keiner Weise begrundet gewesen sein. Die Anerkennung erzeugt jedoch kein abstraktes Schuldverhältnis, vielmehr gilt als Verpflichtungsgrund der Grund der behaupteten Schuld. Nach Ehrenzweig übernimmt jemand, der seine Verpflichtung zum Ersatz eines schuldlos verursachten Schadens "anerkennt", die Ersatzpflicht, mag auch über seine Schuldlosigkeit kein Zweifel bestehen. Das Geschäft ist keine Anerkennung, auch keine Schenkung, sondern ein unentgeltlicher Vertrag besonderer Art. Voraussetzung für die Wirksamkeit des "Anerkenntnisses" ist nur, daß die vollständige Verwirklichung des Tatbestandes des anerkannten Grundverhältnisses als möglich angesehen wurde, daß das Anerkenntnis ernstgemeinte Feststellung ist. Das Anerkenntnis wirkt dann konstitutiv, die anerkannte Forderung wird begrundet, auch wenn sie bisher nicht bestanden hat. Eine echte Anerkennung hat rechtsgestaltende Wirkung. Voraussetzung ist nur, daß das anerkannte Recht vom anderen Teil ernstlich behauptet wurde. Als Verpflichtungsgrund gilt der Grund der behaupteten Schuld (SZ. XXIV 162). Nach den dargelegten Grundsätzen kann jedoch von einem konstitutiven Anerkenntnisvertrag nur dann gesprochen werden, wenn zwischen den Parteien eine bezügliche Vereinbarung zustande gekommen ist. Eine solche fehlt jedoch im vorliegenden Fall, so daß von einem reinen konstitutiven Anerkenntnisvertrag nicht gesprochen werden kann, obwohl in der Verpflichtungserklärung der Republik Österreich im Art. 27 des Staatsvertrages wesentliche Momente eines solchen liegen.

Der Oberste Gerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, daß es sich beim Anspruch des österreichischen Staatsbürgers im Sinne des Art. 27 Z. 2 des Staatsvertrages um einen Anspruch eigener Art handelt, der sich aus Elementen des Vertrages zugunsten Dritter, der Enteignung und des konstitutiven

Zu III: Es ist nunmehr die Frage zu lösen, ob die Feststellung des zu II. erwähnten Anspruches sui generis eines Ausführungsgesetzes bedarf.

Es handelt sich um einen privatrechtlichen Anspruch. Hiezu ist auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 27. März 1957, JBl. 1957 S. 557, zu verweisen; in dieser Entscheidung führt der Verfassungsgerichtshof, ohne allerdings zur Frage der Anspruchsberechtigung selbst Stellung zu nehmen, aus: Wenn sich daher die österreichische Regierung verpflichtet hat, österreichische Staatsangehörige, deren Vermögen auf Grund dieser Bestimmung herangezogen wird, zu entschädigen, ist dies die Zusage einer Schadloshaltung im Sinne des § 365 ABGB. Es handelt sich um einen privatrechtlichen Anspruch und daher um eine bürgerliche Rechtssache, über welche nach der Regel des § 1 JN. die ordentlichen Gerichte allein zur Entscheidung zuständig sind. Da der Gesetzgeber bisher keine andere Verteilung der Kompetenz, welche die Ansprüche aus Art. 27 Z. 2 des Staatsvertrages betreffen würde, zwischen den Gerichten und den Verwaltungsbehörden getroffen hat, so kann dieser privatrechtliche Anspruch vor den Gerichten geltend gemacht werden (vgl. auch Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes Slg. NF. 450).

Der Rechtsweg ist in allen Fällen zulässig, sofern nicht das Verfahren außer Streitsachen auf Grund des Außerstreitgesetzes oder einer ausdrücklichen Bestimmung in einem anderen Gesetz vorgesehen ist. In das außerstreitige Verfahren gehören nach der Entscheidung RiZ. 1937 S. 346 zivilrechtliche Ansprüche nur dann, wenn das geltende Recht sie dahin verweist. Dies ergibt sich auch eindeutig aus der Diktion des § 1 AußStrG: "... nur insofern vorzugehen, als es die Gesetze anordnen" (vgl. hiezu auch Rintelen, Grundriß des Verfahrens außer Streitsachen, S. 1 f.). Der Anspruch der klagenden Partei konnte daher im streitigen Rechtsweg geltend gemacht werden.

Es ist daher möglich, die Voraussetzungen für den Anspruch nach Art. 27 Z. 2 des Staatsvertrages festzustellen; hiezu bedarf es, soweit es sich zum Beispiel um die Fragen der Staatsbürgerschaft der Kläger, der Beschlagnahme, der Zurückbehaltung oder Liquidation und des Zeitpunktes dieser Maßnahmen durch die Föderative Volksrepublik Jugoslawien handelt, sicherlich keines Ausführungsgesetzes. Schwierigkeiten könnten sich allenfalls bei der Feststellung der Höhe der Entschädigung und der hiebei anzuwendenden Grundsätze ergeben. Da jedoch der Anspruch der klagenden Partei auch Elemente einer Enteignung aufweist, können in dieser Richtung zunächst sinngemäß die materiellrechtlichen Grundsätze des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, und des Art. 13 VerwaltungsentlastungsG., BGBl. Nr. 277/1925, herangezogen werden. Sollte dies nicht ausreichen, so besteht im § 273 ZPO. eine Möglichkeit, Schwierigkeiten in dieser Richtung zu überwinden. So muß zum Beispiel auch nach § 394 EO. die Höhe des Ersatzes, der dem Gegner der gefährdeten Partei gebührt, nach freier Überzeugung nach § 273 ZPO. durch Beschluß festgesetzt werden. Hiebei kann es ebenfalls zu erheblichen Schwierigkeiten kommen. Trotzdem hat der Oberste Gerichtshof bei wesentlich größeren Beträgen gemäß § 273 ZPO. die Festsetzung vorgenommen (SZ. XXVI 201, EvBl. 1958 Nr. 335, AnwZ. 1935 S. 133). Es bedarf daher Art. 27 Z. 2 des Staatsvertrages auch bezüglich der Festsetzung der Höhe der Entschädigung keines weiteren Ausführungsgesetzes. Art. 27 Z. 2 des Staatsvertrages ist daher in diesem Sinne self-executing. Die zu Art. 24 bis 26 des Staatsvertrages ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes stehen mit dieser Auffassung, wie bereits ausgeführt, nicht im Widerspruch, weil die Rechtslage bei Art. 27 Z. 2 des Staatsvertrages anders ist.

Wenn die Republik Österreich die finanzielle Tragbarkeit der ihr nach Art. 27 Z. 2 des Staatsvertrages auferlegten Verpflichtung bezweifelt, so ist - abgesehen davon, daß hierin eine konkrete Einwendung der Unmöglichkeit der Leistung nicht erblickt werden kann und daß es sich hiebei um eine unzulässige Neuerung handelt - darauf zu verweisen, daß die klagende Partei eine Geldschuld geltend macht und die Einwendung der Unmöglichkeit im Sinne des § 1447 ABGB. bei dieser Rechtslage nicht in Betracht gezogen werden kann. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ. XXIII 335 u. a. m.) können Geldleistungen grundsätzlich nicht als unerschwinglich angesehen werden. Es besteht für den Gesetzgeber die Möglichkeit, in dieser Richtung ein Gesetz zu erlassen. Das Gericht kann jedoch nicht den Inhalt eines solchen Gesetzes vorwegnehmen, es hat vielmehr auf Grund der bestehenden Rechtslage zu entscheiden. Dieser Auffassung stehen die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes 2 Ob 730/55 und 3 Ob 480/57 zu Art. 24 des Staatsvertrages, wonach es sich mangels Richtlinien ergeben könnte, daß die Ansprüche der Geschädigten in ihrer Gesamtheit von der Republik Österreich überhaupt nicht erfüllt werden können, und nicht nur die Verhältnisse der Geschädigten, sondern auch die Verhältnisse der ersatzpflichtigen Republik Österreich zu berücksichtigen sind, das heißt also, daß sich diese billige Entschädigung auch im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Bundes halten müsse, nicht entgegen, weil Art. 24 Z. 2 des Staatsvertrages im Gegensatz zu Art. 27 des Staatsvertrages ausdrücklich davon spricht, daß die österreichische Regierung nur zustimmt, eine "billige" Entschädigung zu leisten, so daß von vornherein nicht klar ist, was unter einer "billigen" Entschädigung zu verstehen ist. Es kann nicht übersehen werden, daß schließlich selbst die beklagte Partei von einer den Klägern gerechterweise gebührenden Entschädigung spricht.

Da die Rechtsauffassung der Untergerichte mit der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes nicht übereinstimmt und nunmehr Beweiserhebungen und Feststellungen erforderlich sind, waren die Urteile aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Verhandlung und Urteilsfällung aufzutragen. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren insbesondere zu den folgenden Fragen Beweise zu erheben und Feststellungen zu treffen haben: über die Behauptung der Kläger, daß sich die von ihnen angegebenen Vermögenschaften, Rechte und Interessen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Staatsvertrages auf jugoslawischem Gebiet befanden; über die von den Klägern behaupteten Verfügungen (im Einzelfall oder generell); über Beschlagnahme, Zurückbehaltung oder Liquidation; über die Staatsangehörigkeit der Kläger bis zum Zeitpunkt einer solchen generellen Verfügung Jugoslawiens auf Grund des Art. 27 Z. 2 des Staatsvertrages und des Beschlusses vom 6. Februar 1957 oder einer Einzelverfügung, allenfalls auch über die von den Klägern in der Klage behaupteten, durch eine solche Verfügung betroffenen Vermögenschaften und deren Wert.

Für die Bewertung würde der Tag maßgebend sein, an dem durch die Föderative Volksrepublik Jugoslawien auf Grund des Art. 27 Z. 2 des Staatsvertrages österreichisches Vermögen herangezogen wurde. Bei der Feststellung des Wertes wird so vorzugehen sein, wie wenn es sich um eine Enteignung und die dafür zu leistende angemessene Entschädigung handelte. Andererseits wird nur für alle vermögensrechtlichen Nachteile Ersatz zu leisten sein und daher in analoger Anwendung des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 nur eine wirkliche Entschädigung festzusetzen, aber eine etwaige Bereicherung nicht zu berücksichtigen sein. Vor allem wird aber festzustellen sein, ob es sich überhaupt um eine "österreichische" Vermögenschaft handelt; dies ist insbesondere nicht der Fall, wenn ein jugoslawischer Staatsbürger sein Eigentum durch eine derartige Maßnahme der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien, die nach innerstaatlichem Recht Jugoslawiens gültig war, verloren und erst nach Verlust des Eigentums die österreichische Staatsbürgerschaft erworben hat.

Anmerkung

Z33015

Schlagworte

Enteignung in Jugoslawien, Ansprüche nach Art. 27 Z. 2 des, Staatsvertrages, Jugoslawien, Enteignung, Ansprüche nach Art. 27 Z. 2 des Staatsvertrages, Konfiskation in Jugoslawien, Ansprüche nach Art. 27 Z. 2 des, Staatsvertrages, Staatsvertrag, Entschädigung für Konfiskation in Jugoslawien

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0030OB00183.58.0204.000

Dokumentnummer

JJT_19600204_OGH0002_0030OB00183_5800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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