Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ASVG §111;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Köller und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der L in W, vertreten durch Mag. Dr. Ilse Korenjak, Rechtsanwältin in 1040 Wien, Gusshausstraße 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 23. Jänner 2003, Zl. 14-SV-3529/2/02 (mitbeteiligte Partei: Kärntner Gebietskrankenkasse in 9020 Klagenfurt, Kempfstraße 8), betreffend Haftung für Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 67 Abs. 10 ASVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 10. Jänner 2002 wurde ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der H. GmbH nach § 67 Abs. 10 ASVG für folgende auf dem Beitragskonto der Gesellschaft rückständigen Sozialversicherungsbeiträge, Fondsbeiträge und Umlagen hafte:
"Rest 06/95, 09/95-10/95, 12/95-02/96, Nachverrechnung 1994-1996,
EUR
3.944,69
Verzugszinsen gem. § 59 ASVG
EUR
2.686,81
Nebengebühren gem. § 64 ASVG
EUR
199,89
EUR
6.831,39
(ATS
94.001,95)
zuzüglich Verzugszinsen sei 01.01.2002 in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, das sind derzeit 7,21 %, berechnet von EUR 3.944,69 (ATS 54.280,12) ..."
Begründend wurde von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse ausgeführt, dass die im Spruch genannten Beiträge von der H. GmbH trotz Fälligkeit und Mahnung nicht bezahlt worden seien. Über das Vermögen der Beitragsschuldnerin sei am 24. Jänner 1997 das Konkursverfahren eröffnet und dieses sei am 11. Oktober 2001 mangels Kostendeckung aufgehoben worden. Die Beiträge seien daher bei der Gesellschaft nicht einbringlich. Die Beschwerdeführerin sei seit 12. Mai 1993 als Geschäftsführerin der Beitragsschuldnerin eingetragen und als solche für die termingerechte Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge verantwortlich. Zu den Pflichten der Geschäftsführerin gehörten neben der termingerechten Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge, Fondsbeiträge und Umlagen die richtige und zeitgerechte Erstattung von Meldungen. Die im Spruch genannten Beiträge würden "nicht abgeführte Beiträge wegen der Nichtweiterleitung der einbehaltenen Dienstnehmeranteile (§ 114 ASVG) sowie Beiträge infolge von Melde- und Auskunftspflichtverletzungen (§ 111 ASVG)" betreffen.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Einspruch der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben und den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bestätigt. Begründend wurde dabei im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin laut Firmenbuchauszug vom 9. Oktober 2002 als selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführerin der H. GmbH seit 12. Mai 1993 eingetragen sei. Der mit dem Einspruch vorgelegte Löschungsbeschluss vom 20. Februar 1998 betreffe eine andere Gesellschaft. Seitens der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse sei bei der Berechnung des Haftungsbetrages auf die mit Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2000, Zl. 98/01/0191, 0192, geänderte Spruchpraxis Bedacht genommen worden. Der Haftungsbetrag umfasse "nur die restlichen einbehaltenen Dienstnehmerbeitragsanteile sowie die restlichen Beiträge infolge von Melde- und Auskunftspflichtverletzungen (Nachverrechnung)". In der Folge wird in einer Tabelle dargelegt, wie sich der Haftungsbetrag errechne, wobei die Dienstnehmerbeitragsanteile nach Monaten aufgeschlüsselt sind und die Zahlung des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds abgezogen ist. Die Dienstnehmerbeitragsanteile betreffen die Monate Juni, September, Oktober und Dezember 1995 sowie Jänner und Februar 1996. Weiters wird eine "Nachverrechnung laut Beitragsprüfung 1994 bis 1996", abzüglich der Zahlung des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds, in Anschlag gebracht. Schließlich werden Verzugszinsen, berechnet bis 31. Dezember 2001 sowie Nebengebühren hinzugezählt, sodass sich der gesamte Haftungsbetrag von EUR 6.831,39 ergibt.
Da die Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren zu den von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse aufgeschlüsselten Haftungsbeträgen nicht Stellung genommen habe, müsse davon ausgegangen werden, dass die Höhe des Haftungsbetrages nicht in Zweifel gezogen worden sei. Die bloße Behauptung im Einspruch, dass laut Aussage des Steuerberaters sämtliche Meldungen fristgerecht erstattet worden seien, sei im Einspruchsverfahren durch keine Beweise untermauert worden und deshalb als reine Schutzbehauptung zu qualifizieren. Unstrittig sei, dass über das Vermögen der Beitragsschuldnerin am 24. Jänner 1997 das Konkursverfahren eröffnet und am 11. Oktober 2001 mangels Kostendeckung aufgehoben worden sei. Damit seien die im Spruch genannten Beiträge nicht mehr einbringlich gewesen. Dass dafür "kausal schuldhafte Pflichtverletzungen" der alleinigen Geschäftsführerin zu Grunde lägen, ergebe sich aus der Tatsache, dass es in den Jahren 1994 bis 1996 Meldepflichtverletzungen gegeben habe und es zu einer Nachverrechnung gekommen sei. Beweise dafür, dass diese Nachverrechnung zu Unrecht erfolgt sei, seien von der Beschwerdeführerin in keiner Phase des Verfahrens vorgelegt worden. Dasselbe gelte für die einbehaltenen und nicht abgeführten Dienstnehmerbeitragsanteile für die Beitragsmonate Juni, September, Oktober und Dezember 1995 sowie Jänner und Februar 1996.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften (u.a.) die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000, Zlen. 98/08/0191, 0192, Slg. Nr. 15.528/A, vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass unter den "den Vertretern auferlegten Pflichten" im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG in Ermangelung weiterer, in den gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich normierter Pflichten des Geschäftsführers im Wesentlichen die Melde- und Auskunftspflichten, soweit diese in § 111 ASVG i.V.m. § 9 VStG auch gesetzlichen Vertretern gegenüber sanktioniert sind, sowie die in § 114 Abs. 2 ASVG umschriebene Verpflichtung zur Abfuhr einbehaltener Dienstnehmerbeiträge zu verstehen sind. Ein Verstoß gegen diese Pflichten durch einen gesetzlichen Vertreter kann daher, sofern dieser Verstoß verschuldet und für die gänzliche oder teilweise Uneinbringlichkeit einer Beitragsforderung kausal ist, zu einer Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG führen. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
2. Die Beschwerdeführerin vermeint, dass ihr kein schuldhaftes Verhalten angelastet werden könne, da sie "keine Informationen über die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge" gehabt habe, da sie seit 1985 unter Morbus Crohn leide und sich ihr Gesundheitszustand im Laufe der Jahre zunehmend verschlechtert habe. Dem ist entgegenzuhalten, dass ein allenfalls gegebener schlechter Gesundheitszustand, der die Leistungsfähigkeit erheblich einschränkt, kein Grund ist, eine Pflichtverletzung zu rechtfertigen, zumal sich die Beschwerdeführerin bei Erfüllung ihrer Aufgaben auch hätte vertreten oder unterstützen lassen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. September 2004, Zl. 2001/08/0072); dies wäre im vorliegenden Fall umso mehr angezeigt gewesen, als sich der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin nach ihren eigenen Angaben seit dem Jahr 1985 auf Grund einer chronischen Erkrankung zunehmend verschlechtert hat. Die Beschwerdeführerin hätte daher vorzusorgen gehabt, dass sie - gegebenenfalls durch Erteilung einer Bevollmächtigung nach § 35 Abs. 3 ASVG - in der Lage ist, ihren Verpflichtungen als Geschäftsführerin trotz des sich verschlechternden Gesundheitszustandes weiter nachzukommen.
3. Die Beschwerdeführerin rügt jedoch zu Recht, dass die Kausalität der - in ihrem Einspruch ausdrücklich bestrittenen - Meldepflichtverstöße nicht geprüft wurde. Wie der Verwaltungsgerichtshof im bereits zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000 ausgesprochen hat, ist Voraussetzung für eine Haftung im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG nicht nur, dass der Verstoß gegen § 111 ASVG verschuldet erfolgt, sondern auch, dass er für die gänzliche oder teilweise Uneinbringlichkeit einer Beitragsforderung kausal ist.
Die belangte Behörde - die zunächst hätte feststellen müssen, welche Umstände zu welchem Zeitpunkt im Sinne der §§ 33 ff ASVG hätten gemeldet werden müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. August 2004, Zl. 2001/08/0162) - hat im angefochtenen Bescheid ohne nähere Aufschlüsselung lediglich ausgeführt, dass es Meldepflichtverletzungen gegeben habe. Schon mangels konkreter Darlegung der unterlassenen Meldungen ist die Kausalität dieser Pflichtverletzungen für die Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden nach den vorliegenden Verfahrensergebnissen nicht in ausreichendem Maße nachvollziehbar.
4. Schließlich erweist sich der angefochtene Bescheid auch aus einem in der Beschwerde zwar nicht genannten, aber im Rahmen des Beschwerdepunktes von Amts wegen aufzugreifenden Grund als begründet. Nach der Aufschlüsselung im Spruch des - von der belangten Behörde bestätigten - Bescheides der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse soll sich die festgestellte Haftung der Beschwerdeführerin auch auf Verzugszinsen und Nebengebühren beziehen.
Die Haftung für Zinsen und Verwaltungskosten im Sinne des § 83 ASVG trifft den Geschäftsführer jedoch nur im Rahmen des § 67 Abs. 10 ASVG. Für die Entrichtung dieser Nebengebühren fehlt es aber an einer spezifischen sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtung des Geschäftsführers im Sinne des zitierten Erkenntnisses eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000 (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juli 2001, Zl. 2001/08/0061).
5. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da in dem zugesprochenen Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand von EUR 991,20 die Umsatzsteuer bereits enthalten ist. Das auf Ersatz der
Beschwerdegebühr gerichtete Begehren war im Hinblick auf die auch vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende sachliche Gebührenfreiheit gemäß § 110 ASVG abzuweisen.
Wien, am 15. März 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003080042.X00Im RIS seit
19.04.2005