Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Elsigan als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Köhler, Dr. Berger, Dr. Pichler und Dr. Höltzel als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Hubert P***** sen., *****, 2.) mj. Hubert P***** jun., ebendort wohnhaft, vertreten durch den Erstkläger als Vater und gesetzlicher Vertreter, beide vertreten durch Dr. Walter Schlesinger, Rechtsanwalt in Baden bei Wien, wider die beklagte Partei Florian Z*****, vertreten durch Dr. Donat Mossbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen restlicher S 2.500,-- sA, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 9. November 1959, GZ 5 R 593/59-61, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 13. Juli 1959, GZ Cg 338/56-55, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision des Erstklägers wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil und das erstgerichtliche Urteil werden hinsichtlich eines Schadensbetrages von S 2.500,-- und der Kosten bezüglich des Erstklägers aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gleich Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen haben wird. Die Revision des Zweitklägers wird zurückgewiesen. Der Zweitkläger ist schuldig, dem Beklagten 1/6 der mit S 349,69 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens, somit den Betrag von S 58,28 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Begründung:
Die Kläger sind bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt worden, der sich am 9. 1. 1954 in Baden dadurch ereignete, dass die auf einem Motorrad fahrenden Kläger mit einer die Straße überquerenden Kuh zusammenstießen. In einem auf den Grund des Anspruches eingeschränkten Verfahren ist rechtskräftig festgestellt worden, dass der Erstkläger und der Beklagte je zur Hälfte an diesem Unfall schuldtragend seien. In der Klage hat der Erstkläger neben anderen Ansprüchen auch einen Anspruch auf Schmerzengeld und einen Anspruch auf Entschädigung für verminderte Arbeitsfähigkeit von je S 5.000,-- geltend gemacht. Im weiteren Verfahren hat er seine Ansprüche um die Hälfte eingeschränkt.
Das Erstgericht hat ein Schmerzengeld von S 10.000,-- als Äquivalent für die durch den Unfall erlittenen Unbilden für angemessen erachtet, wobei es offenkundig die beiden in der Klage gesondert geltend gemachten Ansprüche als einen einheitlichen Schmerzengeldanspruch angesehen hat. Mit Rücksicht auf das Mitverschulden des Erstklägers hat es den Beklagten verurteilt, diesem ein Schmerzengeld von S 5.000,-- zu bezahlen.
Dieses Urteil hat der Beklagte mit Berufung insoweit angefochten, als dem Erstkläger ein S 2.500,-- übersteigendes Schmerzengeld zuerkannt worden ist. Das Berufungsgericht hat der Berufung Folge gegeben und das erstgerichtliche Urteil dahin abgeändert, dass es den Beklagten verurteilt hat, dem Erstkläger statt S 4.054,05 nur S 1.554,05 zu bezahlen. Das Mehrbegehren von S 2.500,-- ist abgewiesen worden. Es hat den Standpunkt eingenommen, dass so völlig verschiedene Ansprüche, wie das Schmerzengeld und der Ersatz des künftig entgangenen Verdienstes (Entschädigung für verminderte Arbeitsfähigkeit) nicht in einem Pauschalbetrag zusammengefasst werden dürfen. Der Kläger habe lediglich ein Schmerzengeld von S 5.000,-- begehrt und habe daher nur Anspruch auf S 2.500,-- aus diesem Titel.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Erstklägers. Er bekämpft es insoweit als ein Schmerzengeldbetrag von S 2.500,-- abgewiesen worden ist. Er macht die Revisionsgründe nach § 503 Z 2, 3 und 4 ZPO geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das erstgerichtliche Urteil wieder hergestellt werde, oder es aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Zweitkläger ficht mit der Revision die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes wegen Nichtigkeit an. Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Erstklägers ist gerechtfertigt.
Bevor noch die weiter geltend gemachten Revisionsgründe in Behandlung gezogen werden, war auf die Rechtsrüge einzugehen. Diese erscheint insofern nicht gerechtfertigt, als die Ansicht des Berufungsgerichtes bekämpft wird, dass es sich bei den in der Klage unter Punkt III Z 2 und 3 geltend gemachten Ansprüchen, nämlich "Schmerzengeld auf Grund der oben beschriebenen Verletzungen und Schmerzenszustände S 5.000,--", und "Entschädigung für verminderte Arbeitsfähigkeit (Störung des Sehzentrums im Gehirn, Verminderung der Greiffähigkeit der rechten Hand, welches beides für den Beruf eines Metalldrehers äußerst wichtig ist) S 5.000,--" um verschiedene Ansprüche handle und nur ein Schmerzengeld von S 5.000,-- geltend gemacht worden sei. Richtig ist zwar, dass auch aus dem Titel einer Entschädigung für verminderte Arbeitsfähigkeit ein Schmerzengeld und nicht nur ein entgangener oder zukünftig entgehender Verdienst begehrt werden könnte. Im vorliegenden Fall hat aber der Erstkläger die Ansprüche getrennt geltend gemacht, indem er einerseits ausdrücklich ein Schmerzengeld und andererseits eine Entschädigung für verminderte Arbeitsfähigkeit begehrt hat. Diese Aufgliederung ist auch durch die Einschränkung des Klagebegehrens (S 161) nicht beseitigt worden. Das Berufungsgericht ist daher mit Recht davon ausgegangen, dass zwei getrennte Ansprüche nach § 1325 ABGB geltend gemacht wurden. Die Abweisung eines Anspruches von S 2.500,-- erscheint aber noch nicht gerechtfertigt, weil der Sachverhalt in der Richtung noch nicht geklärt ist, welche, wenn auch nur vorübergehende, Unfallsfolgen in der Richtung einer Arbeitsbehinderung der Erstkläger zu ertragen hatte, in welcher Weise er dadurch in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt war und welchem Verdienstausfall er hatte. Das Erstgericht wird den Sachverhalt in dieser Hinsicht klarzustellen und die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Erst dann wird entschieden werden können, ob dem Kläger ein Anspruch aus dem Titel der verminderten Arbeitsfähigkeit zusteht. Aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Anton E***** (S 203), das vier Jahre nach dem Unfall eingeholt worden ist, könnte entnommen werden, dass Sehstörungen und Bewegungseinschränkungen beim Kläger bestanden haben. Der Sachverständige hat allerdings darauf hingewiesen, dass eine dauernde Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers als Verletzungsfolge nicht anzunehmen sei. Dies ist aber offenbar auf den Zeitpunkt der Untersuchung zu beziehen. Die Frage, ob der Kläger in der Zwischenzeit, wenn auch nur zeitweise, beschränkt arbeitsunfähig war und dies einen Verdienstausfall zur Folge hatte, ist damit noch nicht geklärt. Es bestehen somit Feststellungsmängel, die vom Erstkläger auch in der Revision unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend gemacht worden sind und die derzeit eine rechtliche Beurteilung der Sache in dieser Richtung verhindern.
Aus den angeführten Gründen war es erforderlich, nicht nur das angefochtene, sondern auch das erstgerichtliche Urteil bezüglich des in der Klage unter Punkt III Z 3 geltend gemachten Anspruches (Entschädigung für verminderte Arbeitsfähigkeit) aufzuheben und die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht zurückzuverweisen. Die teilweise Aufhebung der Urteile der Untergerichte hat auch die Aufhebung der Kostenentscheidungen bezüglich des Erstklägers erforderlich gemacht, weil über die Kosten erst entschieden werden kann, wenn über den gesamten Klagsanspruch abgesprochen ist. Die Revision des Zweitklägers richtet sich gegen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes. Da eine Anfechtung der Entscheidung zweiter Instanz über den Kostenpunkt gemäß § 528 Abs 1 ZPO unzulässig ist, war die Revision des Zweitklägers als unzulässig zurückzuweisen. Der strittige Kostenbetrag macht ungefähr ein Sechstel des noch im Streit verfangenen Betrages aus, weshalb dem Zweitkläger der Ersatz eines Sechstels der Kosten des Revisionsverfahrens an den Beklagten aufzuerlegen war. Die Kostenentscheidung bezüglich des Zweitklägers gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Kostenvorbehalt bezüglich des Erstklägers gründet sich auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E75299 2Ob16.60European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1960:0020OB00016.6.0226.000Dokumentnummer
JJT_19600226_OGH0002_0020OB00016_6000000_000