TE OGH 1960/3/8 4Ob19/60

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Veröffentlicht am 08.03.1960
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Norm

Angestelltengesetz §17 Abs4
Arbeiterurlaubsgesetz 1959 §3

Kopf

SZ 33/28

Spruch

Anrechnung von Angestelltendienstzeiten eines Arbeiters bei der Urlaubsbemessung.

Entscheidung vom 8. März 1960, 4 Ob 19/60.

I. Instanz: Arbeitsgericht Linz; II. Instanz: Landesgericht Linz.

Text

Der Kläger ist seit 16. August 1957 als Portier des Landestheaters L. im Arbeiterverhältnis beschäftigt. Vorher war er als Chorsänger an diesem Theater tätig. Da ihm das beklagte Land Oberösterreich für die Bemessung des Urlaubs nur die Arbeiterdienstzeit anrechnete, begehrte er die Feststellung, daß er gegenüber der beklagten Partei einen Urlaubsanspruch besitze, der sich nach einer ununterbrochenen Dienstzeit ab 1. Oktober 1945. bemesse.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Urlaubsrecht sei um erstenmal im Jahre 1910 im Handlungsgehilfengesetz geregelt worden. Damit habe diese Dienstnehmergruppe im Urlaubsrecht einen erheblichen Vorsprung gegenüber den sonstigen Dienstnehmern in der Privatwirtschaft erreicht. Für diese sei erst nach dem ersten Weltkrieg im Arbeiterurlaubsgesetz vom 30. Juli 1919, StGBl. Nr. 395, eine gesetzliche Regelung des Urlaubs getroffen worden. Die trotzdem weiterbestehenden bedeutenden Unterschiede zwischen dem Urlaubsrecht der Angestellten und dem der Arbeiter seien im wesentlichen bis zum Ende des zweiten Weltkrieges aufrecht geblieben. Nachher sei das Bestreben immer stärker geworden, die Schlechterstellung der Arbeiter im Urlaubsrecht zu beseitigen und dieses an das der Angestellten anzugleichen. Die damals dem Nationalrat als Regierungsvorlage (Nr. 155 und 156 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, V. GP.) zugeleiteten Entwürfe eines neuen Arbeiterurlaubsgesetzes und eines zweiten Gesetzes, in dem die Neufassung bzw. Neuschaffung der §§ 17 bis 17b AngG. enthalten gewesen sei, seien im Ausschuß für soziale Verwaltung weitgehend geändert worden. Insbesondere die Vorschriften über das Urlaubsausmaß der Arbeiter seien maßgeblich verbessert worden, doch seien dafür im Arbeiterurlaubsgesetz die Bestimmungen der Regierungsvorlage über die Anrechnung von Vordienstzeiten fallengelassen worden. Es handle sich um die dann im Bundesgesetzblatt unter Nr. 173 und 174 veröffentlichten Gesetze. Diese Entwicklung und die Art der Gesetzwerdung der einzelnen Bestimmungen zeige, daß die Urlaubsbestimmungen des Arbeiter- und des Angestelltenrechtes immer für sich getrennt gewesen seien und daher jedes Gesetz nur das Gebiet betroffen habe, für das es erlassen worden sei. Dieser Umstand sei im Arbeiterurlaubsgesetz vom 25. Juli 1946, BGBl. Nr. 173, bei der Abgrenzung des Geltungsbereiches deutlich zum Ausdruck gebracht worden. Es werde nämlich im § 2 ausdrücklich bestimmt, daß Arbeiter im Sinne dieses Gesetzes nur solche Dienstnehmer seien, die nicht als Angestellte angesehen werden könnten. Daher fänden die Bestimmungen des Arbeiterurlaubsgesetzes auf Angestellte grundsätzlich keine Anwendung. Sowohl im Angestelltengesetz als auch im Arbeiterurlaubsgesetz werde nicht schlechthin von Dienstnehmern, sondern jeweils von Angestellten oder von Arbeitern gesprochen. Daraus folge, daß dann, wenn von einem Dienstverhältnis oder von einer Dienstzeit im Angestelltengesetz die Rede sei, darunter nur Angestelltendienstverhältnisse oder -dienstzeiten zu verstehen seien. Wenn diese Ausdrücke aber im Arbeiterurlaubsgesetz gebraucht würden, handle es sich nur um Dienstverhältnisse und -zeiten der Arbeiter. Eine Vermengung der Angestelltendienstzeit mit der Arbeiterdienstzeit sei grundsätzlich unzulässig, sofern nicht eine besondere gesetzliche Vorschrift ausdrücklich etwas anderes vorsehe. Die Bestimmung des § 3 Abs. 4 ArbUrlG., wonach für die Bemessung der Urlaubsdauer Dienstzeiten, die keine längere Unterbrechung als jeweils sechzig Tage aufwiesen, zusammenzurechnen seien, betreffe nur Dienstzeiten als Arbeiter bei demselben Dienstgeber. Eine entsprechende Bestimmung weise auch § 17 Abs. 8 AngG. auf. Dennoch seien im § 17 Abs.4 dieses Gesetzes noch ausdrücklich Bestimmungen darüber getroffen worden, wann und in welchem Ausmaß die Dienstzeiten eines Angestellten, die er als Arbeiter zugebracht habe, für die Bemessung der Urlaubsdauer angerechnet werden könnten. Wenn für den Bereich des Arbeiterurlaubsgesetzes eine Dienstzeit als Angestellter hätte berücksichtigt werden sollen, wäre es nach der Meinung des Erstgerichtes notwendig gewesen, eine dem § 17 Abs. 4 AngG. entsprechende Bestimmung zu erlassen. Da dies nicht geschehen sei, müsse daraus geschlossen werden, daß zwar Dienstzeiten als Arbeiter bei Übernahme in das Angestelltenverhältnis für die Bemessung des Urlaubs anzurechnen seien, nicht aber Dienstzeiten des Angestellten bei Übertritt in das Arbeiterverhältnis. Die Bestimmung des § 17 Abs. 4, letzter Satz, AngG. könne auch nicht im Wege eines Schlusses vom Größeren auf das Kleinere oder durch Analogie auf den Bereich des Arbeiterurlaubsgesetzes übertragen werden, weil der Gesetzgeber eine dem § 17 Abs. 4 AngG. entsprechende Bestimmung im Arbeiterurlaubsgesetz mit Absicht nicht erlassen habe. Auch sozialpolitische Gründe sprächen nicht für die Anrechnung, weil es sich im Fall des § 17 Abs. 4 AngG. um den sozialen Aufstieg eines Arbeiters, im anderen Fall aber um einen Angestellten handle, der keinen Angestelltenposten finden könne und die Übernahme in das Arbeiterverhältnis als das kleinere Übel der drohenden Arbeitslosigkeit vorziehe. Die Anrechnungspflicht könnte nach der Ansicht des Erstgerichtes dazu führen, daß der Dienstgeber die vom Dienstnehmer gewünschte Weiterbeschäftigung wenigstens als Arbeiter ablehnen könnte. Die an sich zulässige Feststellungsklage sei daher abzuweisen gewesen.

Infolge Berufung des Klägers, bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil. Die Annahme des Klägers, daß die Dienstzeit eines Angestellten höher als die eines Arbeiters zu werten sei, entbehre nach der Meinung des Berufungsgerichtes der Begründung. Es könne keinem Zweifel unterliegen, daß ein hochqualifizierter Vor- oder Facharbeiter eine höherwertige Arbeit leiste und für den Dienstgeber und den Betrieb bedeutend wichtiger sei als eine durchschnittliche Stenotypistin, die durch jede andere Schreibkraft ohne weiteres ersetzt werden könne. Die Dienstverhältnisse eines Angestellten und eines Arbeiters könnten schon wegen ihrer Verschiedenartigkeit nicht in eine Rangordnung zueinander gebracht werden. Da das Angestelltengesetz und das Arbeiterurlaubsgesetz am gleichen Tag erlassen worden seien, sich im Angestelltengesetz eine ausdrückliche Anrechnungsbestimmung bezüglich der Arbeitervordienstzeiten vorfinde, im Arbeiterurlaubsgesetz dagegen eine ähnliche Bestimmung bezüglich allfälliger Angestelltenvordienstzeiten fehle, könne der Wille des Gesetzgebers nur dahin ausgelegt werden, daß er eine abweichende Regelung treffen wollte.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge, hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Den Untergerichten ist ohne weiteres zuzugeben, daß der Gesetzgeber die Dienstverhältnisse der Angestellten und der Arbeiter seit jeher in getrennten Vorschriften und nach verschiedenen Grundsätzen geregelt hat. Es ist auch durchaus richtig, daß bei der Umschreibung des persönlichen Geltungsbereiches des betreffenden Gesetzes etwa in den §§ 1, 17 AngG. und in den §§ 1, 3 ArbUrlG. 1959 (BGBl. Nr. 24) bei den Dienstverhältnissen und Dienstzeiten in erster Linie nur solche der Angestellten bzw. der Arbeiter gemeint sein konnten, weil ja das Einzelgesetz nur auf eine der beiden Arbeitnehmergruppen zugeschnitten ist.

Die getrennte Regelung läßt aber in der hier strittigen Frage der Anrechnung von Vordienstzeiten eines Arbeitnehmers, der beim selben Arbeitgeber zuerst als Angestellter und dann als Arbeiter tätig ist, einen zwingenden Schluß nicht zu. Zwar hat nur der durch das Gesetz vom 25. Juli 1946, BGBl. Nr. 174, novellierte § 17 AngG. im Abs. 4 vorgesehen, daß im Fall der Übernahme eines Arbeiters in das Angestelltenverhältnis die Dienstzeit als Arbeiter bei demselben Dienstgeber sofort zur Gänze angerechnet wird, wogegen sich im Arbeiterurlaubsgesetz eine entsprechende Vorschrift nicht vorfindet, obwohl dieses Gesetz gleichfalls am 25. Juli 1946 erlassen worden ist. Das Argument, im Arbeiterurlaubsgesetz sei im Interesse einer Verlängerung des dem Arbeiter zustehenden Urlaubs die Anrechnung von Vordienstzeiten fallengelassen worden, was auf den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers schließen lasse, für Arbeiter und Angestellte die hier strittige Frage verschieden zu lösen, ist nicht zutreffend. Im Antrag des Ausschusses für soziale Verwaltung (Nr. 204 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, V. GP., S. 3) ist allerdings der Hinweis enthalten, daß der Ausschuß die Anrechnung von Vordienstzeiten nicht habe eintreten lassen. Allein ein Vergleich des Gesetzestextes mit der Regierungsvorlage ergibt entgegen der Meinung der Untergerichte, daß auch schon in der Regierungsvorlage Anrechnungsbestimmungen nicht enthalten waren. Jedenfalls konnte unter der Anrechnung von "Vordienstzeiten" nur die Berücksichtigung von Dienstzeiten des Arbeiters bei einem anderen Arbeitgeber gemeint gewesen sein, wie sich aus der technischen Bedeutung dieses Wortes (vgl. etwa § 26 VBG. 1948) und der Nationalratsdebatte (29. Sitzung vom 25. Juli 1946, stenographische Protokolle, V. GP., S. 648) ergibt. Aus dem Fallenlassen von Bestimmungen über die Anrechnung von Vordienstzeiten kann daher ein Schluß auf den Willen des Gesetzgebers, den Arbeitern auch die Berücksichtigung von Dienstzeiten vorzuenthalten, die sie bei demselben Arbeitgeber nicht als Arbeiter verbracht haben, nicht gezogen werden.

Der Kläger ist bemüht, so wie in der Berufungsschrift auch in der Revisionsschrift darzutun, daß die Dienstleistung eines Arbeiters in mancher Hinsicht geringer zu bewerten sei als die eines Angestellten. Aus diesem Grund müßten einem Arbeiter nach § 3 Abs. 4 ArbUrlG. ebenso wie gleichrangige Dienstleistungen als Arbeiter um so mehr auch höherrangige als Angestellte angerechnet werden. Der Kläger läßt jedoch unberücksichtigt, daß es beim Grundsatz des Ansteigens des Urlaubsanspruchs eines Arbeitnehmers nach Maßgabe der bisherigen Dauer seiner Dienstzeit nicht so sehr auf die Art und Einstufung seines Dienstes als darauf ankommt, daß die Kräfte eines Arbeitnehmers mit der Zeit in gleicher Weise abnehmen, gleichviel, ob er als Angestellter oder Arbeiter tätig war, und deshalb eine immer längere Zeit notwendig ist, um sie im Urlaub wiederherzustellen. Für die Urlaubsbemessung ist somit die Art der Beschäftigung im Einzelfall und die Abwägung ihrer Wichtigkeit und ihres Ranges nicht von Bedeutung.

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes ist aber die Tatsache maßgebend, daß der Gesetzgeber im § 17 Abs. 4 AngG. den Grundsatz der Gleichstellung der Dienstzeiten als Arbeiter und als Angestellter für die Urlaubsbemessung aufgestellt hat. Wenngleich dieser Grundsatz zunächst nur in seiner Auswirkung auf die Übernahme eines Arbeiters in das Angestelltenverhältnis angewendet wird, besteht kein Hindernis, ihn in seiner völlig gleichwertigen Umkehrung auch für Arbeiterdienstverhältnisse heranzuziehen, wenngleich er im Arbeiterurlaubsgesetz nicht ausdrücklich enthalten ist.

Auch wenn der Kläger ungeachtet der übereinstimmenden Parteibehauptung, der Kläger sei als Chorsänger im Angestelltenverhältnis gestanden, nach § 1 Abs. 1 SchauspielerG. zu beurteilen ist, sind die angestellten Erwägungen auf ihn anzuwenden. Obwohl im Schauspielergesetz eine dem § 17 Abs. 4 AngG. entsprechende Bestimmung fehlt, ist die Regelung nach dieser Gesetzesstelle maßgebend, weil es sich dort um einen Grundsatz handelt, der allgemeine Geltung beanspruchen kann.

Unter den "Dienstzeiten" des § 3 ArbUrlG. sind daher kraft der Gleichstellung auch Dienstzeiten zu verstehen, die der jetzige Arbeiter nicht als solcher verbracht hat. Es darf nicht außer acht gelassen werden, daß der Gesetzgeber an die weitaus zahlreicheren Fälle des Übertrittes eines Arbeiters in das Angestelltenverhältnis sicher in erster Linie gedacht hat und die ungewöhnlicheren Fälle des gegenteiligen Vorganges übersehen haben könnte, weshalb er die Gleichstellung nur im Angestelltengesetz ausgesprochen hat. Es sollte ja auch, wie der Ausschuß für soziale Verwaltung (Nr. 204 der Beilagen, S. 2) erklärt hat, "die Ungleichheit in der Urlaubsfrage zwischen Arbeitern und Angestellten beseitigt und den Arbeitern Gerechtigkeit zuteil werden".

Auch die sozialpolitischen Erwägungen, die das Erstgericht angestellt hat, scheinen dem Obersten Gerichtshof nicht überzeugend zu sein. Ein Dienstnehmer wie der Kläger, der wegen Alters oder Einziehung seiner Stelle gezwungen ist, Arbeiter zu werden, soll nämlich zum Nachteil des sozialen Abstieges nicht auch noch die Unbill der Verkürzung seines Urlaubs, den er mit Rücksicht auf sein Alter nötig hat, in Kauf nehmen müssen. Der Kläger ist vielmehr berechtigt, den Erholungsurlaub in einem Maß zu fordern, das seiner gesamten Dienstzeit entspricht.

Anmerkung

Z33028

Schlagworte

Angestelltenvordienstzeiten eines Arbeiters, Anrechnung für den Urlaub, Anrechnung von Vordienstzeiten als Angestellter auf den Urlaubsanspruch, des Arbeiters, Arbeiter, Urlaubsausmaß, Anrechnung von Vordienstzeiten als Angestellter, Urlaubsausmaß eines Arbeiters, Anrechnung von Vordienstzeiten als, Angestellter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0040OB00019.6.0308.000

Dokumentnummer

JJT_19600308_OGH0002_0040OB00019_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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