TE OGH 1960/3/16 5Ob75/60

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.03.1960
beobachten
merken

Norm

AO §23 Z1
KO §52

Kopf

SZ 33/33

Spruch

Postgebühren sind öffentliche Abgaben im Sinne des § 52 KO. und des § 23 Z. 1 AO.

Entscheidung vom 16. März 1960, 5 Ob 75/60.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die klagende Republik Österreich meldete zu dem mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 23. Dezember 1958, S 91/58-2, über das Vermögen der W.-Zeitschriften-Verlags-Ges. m. b. H. i. L. eröffneten Konkursverfahren eine vollstreckbare Postgebührenforderung von 36.250 S für die Beförderung von Massendrucksachen an. Der Masseverwalter bestritt den in der zweiten Klasse der Konkursforderungen in Anspruch genommenen Rang, da es sich um keine Forderung im Sinne des § 52 KO. handle.

Das Erstgericht sprach aus, daß die Forderung der klagenden Partei in die zweite Klasse der Konkursforderungen gehöre. Sowohl das Postgesetz, BGBl. Nr. 58/1957, als auch die Postgebührenordnung, BGBl. Nr. 124/1957, sprächen von Postgebühren. Auf die Geltendmachung der Ansprüche der Post sei das Verwaltungsverfahrensgesetz anzuwenden. Die Postgebühr stelle kein wirtschaftliches Äquivalent für die erbrachten Leistungen dar, vielmehr sei manchmal im allgemeinen Interesse die zu erbringende Gegenleistung geringer als die von der Post erbrachte Leistung. Es handle sich daher um Gebühren im Sinne des § 52 KO.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Aus den Worten "... und andere öffentliche Abgaben ..." im § 52 KO. gehe hervor, daß unter den dort genannten Gebühren ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung durch das Gesetz nur solche zu verstehen seien, die öffentliche Abgaben darstellten nicht aber Geldleistungen, die der einzelne Staatsbürger als Entgelt für die Inanspruchnahme von Staatsanstalten oder Staatsbetrieben entrichten müsse. Der Staat trete hinsichtlich der von der Post besorgten Geschäfte dem einzelnen nicht als Obrigkeit, sondern als juristische Person im Sinne des Privatrechtes gegenüber. Daß die Postgebühren zum Teil nicht den wirklichen Beförderungskosten entsprächen und daß sie einseitig durch Hoheitsakt des Staates festgesetzt würden, ändere hieran nichts. Auch Art. 23 Abs. 5 B-VG. spreche nur allgemein vom Gebiet des Post-, Telegraphen- und Fernsprechwesens, woraus nicht zu schließen sei, daß alle Vorgänge auf diesem Gebiet zur Hoheitsverwaltung gehörten. Hingegen sei von Bedeutung, daß das Postgesetz 1957 keine Bevorrechtung der Postgebühren im Konkurs- und Ausgleichsverfahren vorsehe, obwohl den Redaktoren die von der Lehre vertretene Auffassung, daß den Postgebühren kein Vorrang zukomme, bekannt gewesen sein mußte.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge und stellte das Ersturteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gemäß § 52 KO. gehören unter gewissen Voraussetzungen in die zweite Klasse der Konkursforderungen Steuern Gebühren, Zölle, Beiträge zur Sozialversicherung und andere öffentliche Abgaben. Soweit die Bevorrechtung nicht durch positive Gesetzesbestimmung ausdrücklich festgelegt ist, wie beispielsweise im § 16 Abs. 2 FernmeldeG., BGBl. Nr. 170/1949, kommt es somit nicht darauf an, ob irgendwelche Schuldigkeiten im Gesetz oder im Sprachgebrauch als Gebühren bezeichnet werden, sondern darauf, ob sie öffentliche Abgaben sind. Nach Bartsch - Pollak, KO., AO. und AnfO., 3. Aufl. II S. 277 ff. Anm. 16 und 17 zu § 23 AO., ist die Frage, was öffentliche Abgaben sind, nach den Lehren der Finanzwissenschaft zu beurteilen. Keine öffentlichen Abgaben sind hienach die vor den Gerichten verfolgbaren Ansprüche der Körperschaften öffentlichen Rechtes aus privatrechtlichen Verhältnissen, wie das Entgelt für die Lieferung von Gas, Wasser, elektrischer Energie sowie für die Beförderung durch die Eisenbahn oder durch die Post. Hingegen werden öffentliche Abgaben von der Behörde mit Ausschluß des Rechtsweges durch Zahlungsauftrag festgesetzt und auch im Verwaltungsweg hereingebracht.

Diese Voraussetzungen treffen nach dem nunmehr geltenden Postgesetz vom 13. Februar 1957, BGBl. Nr. 58, für die für die Beförderung von Postsendungen zu entrichtenden Postgebühren zu. Sie sind nach dessen § 26 von den Postbehörden (§ 2) im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Finanzen durch Verordnung festzusetzen. Nicht entrichtete, fällige Postgebühren sind nach § 30 PostG. auf Grund von Bescheiden der Post- und Telegraphendirektion einzubringen, wobei die Hereinbringung im Verwaltungsweg zulässig ist. Gemäß § 26 PostG. ist bei der Festsetzung der Gebühren nicht nur auf Art und Umfang der Leistung, sondern auch darauf Bedacht zu nehmen, daß die Post eine Einrichtung der öffentlichen Verwaltung ist. Aus all diesen Gründen werden die Postgebühren auch in dem Kommentar zum Postgesetz von Schaginger - Trpin auf S. 109 f. als echte Gebühren bezeichnet.

Auch im vorliegenden Fall wurde mit vollstreckbarem Bescheid der Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19. September 1958 gemäß § 29 PostG. und § 6 PostgebührenO. der Gemeinschuldnerin aufgetragen, den Gebührenfehlbetrag von 36.250 S binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Der Qualifikation der Postgebühren als öffentliche Abgaben steht die in der Lehre (Swoboda in Klang 1. Aufl. IV 98; Gschnitzer in Klang

2. Aufl. VI 99; Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, I S. 84; gegenteilig Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 S. 517; Nawiasky, Deutsches und österreichisches Postrecht, I S. 17 f.) vertretene Ansicht, der Staat trete der Partei hinsichtlich der einzelnen von der Postanstalt übernommenen Geschäfte nicht als Obrigkeit gegenüber, sondern als juristische Person im Sinne des Privat rechtes, nicht entgegen, da sowohl Swoboda wie Gschnitzer darlegen, daß dieses privatrechtliche Vertragsverhältnis durch öffentlich-rechtliche Gesichtspunkte einschneidend beeinflußt werde, wie sich dies auch auf anderen Gebieten des Privatrechtes feststellen lasse. Auch nach diesen beiden Autoren findet sich besonders im Bereich des Postverkehrs trotz des privatrechtlichen Charakters der mit der Post abgeschlossenen Beförderungsverträge ein starker Einfluß des öffentlichen Rechtes, der einerseits auf die großen Interessen der Allgemeinheit an der Gestaltung dieses Rechtsgebietes und andererseits auf den geschichtlichen Ursprung des staatlichen Postregals zurückgehe. Es ist daher trotz der privatrechtlichen Natur der mit der Post abgeschlossenen Beförderungsverträge, welche bei anderen Fragen zur Auswirkung kommt, ohne weiteres möglich, den hieraus entspringenden Gebührenansprüchen den Charakter öffentlicher Abgaben zuzuerkennen.

Daß das Postgesetz im Gegensatz zum Fernmeldegesetz die Bevorrechtung der Gebühren im Konkurs und Ausgleich nicht ausspricht, hindert nicht, eine solche Bevorrechtung unmittelbar aus § 52 KO. abzuleiten. Den Gesetzesmaterialien zum Postgesetz ist hierüber weder in dem einen noch in dem anderen Sinne etwas zu entnehmen.

Schaginger - Trpin meinen allerdings auf S. 110 ihres Kommentars, daß die Postgebühren keine solchen Vorrechte genießen, weil es sich bei ihnen in der Regel um geringe Beträge handle, die überdies grundsätzlich bei der Aufgabe zu entrichten seien. Soweit ihre Entrichtung nach der Aufgabe zulässig ist, sei die Post berechtigt, die Sendung zurückzubehalten und durch öffentliche Versteigerung zu verwerten, falls die Zahlung verweigert werde. Die Geringfügigkeit der Postgebühren und die im Postrecht vorgesehenen Einbringungsmöglichkeiten rechtfertigten daher keine Bevorzugung im Konkurs- und Ausgleichsverfahren.

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Zunächst zeigt der vorliegende Fall, daß der Post auch beträchtliche Gebührenansprüche erwachsen können, die weder durch Zurückbehaltung noch durch Versteigerung der Sendung hereinzubringen sind. Davon abgesehen aber kann, wenn die Postgebühren als öffentliche Abgaben anerkannt werden, die sich gemäß § 52 KO. zwangsläufig daraus ergebende Bevorrechtung nicht mit der Begründung verneint werden, daß wegen Geringfügigkeit und anderen Einbringungsmöglichkeiten in der Regel kein Bedürfnis nach einer solchen Bevorrechtung bestehe.

Anmerkung

Z33033

Schlagworte

Ausgleichsverfahren, Bevorrechtung der Postgebühren, Konkursverfahren Bevorrechtung der Postgebühren, Postgebühren, Bevorrechtung im Konkurs- und Ausgleichsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0050OB00075.6.0316.000

Dokumentnummer

JJT_19600316_OGH0002_0050OB00075_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten