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96 StraßenbauNorm
B-VG Art140 Abs1 / AllgLeitsatz
Zurückweisung eines Gerichtsantrags auf Aufhebung der Bestimmung über das Inkrafttreten des ASFINAG-Ermächtigungsgesetzes betreffend die Einbringung ua der Österreichischen Autobahn- und Schnellstraßen AG in die ASFINAG und die Übertragung eines Fruchtgenußrechtes an bestehenden und künftigen Straßen an die ASFINAG; keine rückwirkende Übertragung der Wegehalterhaftung auf die ASFINAG; keine Beseitigung der angenommenen Verfassungswidrigkeit durch die beantragte GesetzesaufhebungSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Beim Landesgericht Innsbruck ist zu 1 R 217/00v eine Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Telfs anhängig, mit dem eine Schadenersatzklage gegen die Republik Österreich als Eigentümerin und Halterin der Inntal-Autobahn (A 12) mangels Passivlegitimation kostenpflichtig abgewiesen wurde.
Aus Anlaß dieses Verfahrens stellt das Berufungsgericht gemäß Art89 Abs2 B-VG den Antrag an den Verfassungsgerichtshof, "§14 des Infrastrukturfinanzierungsgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 113/1997," gemäß Art140 B-VG als verfassungswidrig aufzuheben, und bringt dazu vor:
Nach den im Berufungsverfahren nicht mehr strittigen Feststellungen des Erstgerichts habe sich am 22. Jänner 1997 um 7.00 Uhr aufgrund von (extremer) Glatteisbildung ein Verkehrsunfall auf der Inntal-Autobahn ereignet, an welchem die Klägerin des Ausgangsverfahrens als Lenkerin und Halterin eines PKW beteiligt gewesen ist und hiebei Verletzungen an der Brust- und Halswirbelsäule erlitten hat. Von dieser für die Klägerin nicht erkennbaren Glatteisbildung sei der Verantwortliche der Straßenmeisterei gegen
4.50 Uhr von zwei Gendameriebeamten verständigt worden. Eine Salzstreuung, die eine Eisbildung verhindern hätte können und durch die sich das Unfallrisiko für die Klägerin erheblich vermindert hätte, habe nicht stattgefunden.
In rechtlicher Hinsicht führte - so das antragstellende Gericht weiter - das Erstgericht aus, daß der beklagten Partei jedenfalls ein grob fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen sei, da die erforderliche Streuung des Autobahnstückes keine unzumutbare und übertriebene Anforderung darstellte. Da jedoch aus ArtI §4 und §9 des rückwirkend per 1. Jänner 1997 in Kraft getretenen Infrastrukturfinanzierungsgesetzes 1997 hervorgehe, daß mit dem Abschluß des Fruchtgenußvertrages im Sinne des ArtI §2 leg.cit. alle Rechte und Pflichten des Bundes auf die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-AG (im folgenden: ASFINAG) übergingen, liege die Passivlegitimation der beklagten Partei (der Republik Österreich) nicht vor, weshalb das Klagebegehren nicht zu Recht bestünde.
Nach wörtlicher Wiedergabe der für die Entscheidung über die Berufung der Klägerin maßgeblich erachteten Bestimmungen der §§4, 8, 9 und 14 des ASFINAG-Ermächtigungsgesetzes führt das antragstellende Gericht aus:
"Nach Ansicht des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht liegen im vorliegenden Fall keine besonderen Umstände vor, die eine derartige Rückwirkung erforderlich machten. Die Klägerin ist im Vertrauen auf die seit langer Zeit bestehende Rechtslage davon ausgegangen, dass die Republik Österreich als Eigentümerin und Straßenhalterin der Autobahn passiv legitimiert ist. Darauf durfte die Klägerin bei Klagseinbringung, somit vor Kundmachung des mit 1.1.1997 rückwirkend in Kraft getretenen Infrastrukturfinanzierungsgesetzes 1997 auch vertrauen, da bereits zuvor in unzähligen Gerichtsverfahren betreffend Verkehrsunfälle auf Autobahnen die beklagte Partei als Straßenhalterin in Anspruch genommen und deren Passivlegitimation bejaht wurde. Durch das rückwirkende Inkrafttreten des genannten Gesetzes wurde dieses Vertrauen der Klägerin massiv enttäuscht.
... (Der) einfache Gesetzgeber (darf) nur dann rückwirkend in die Rechtsposition der Normunterworfenen eingreifen, wenn dies besondere Umstände verlangen. Aus dem Wort- und Sinnzusammenhang des Infrastrukturfinanzierungsgesetzes 1997, aber auch aus der Regierungsvorlage geht eindeutig hervor, dass dieses Gesetz primär auf fiskalische Interessen, die Erfüllung der Konvergenzkriterien sowie die Entlastung des Bundeshaushaltes abzielte. Betreffend die Rückwirkung des Gesetzes ist in der Regierungsvorlage nur ausgeführt, diese sei vorzusehen, um die Entlastung des Bundeshaushalts bereits für das gesamte Haushaltsjahr 1997 zu ermöglichen, wobei die Rückwirkung der üblichen handelsrechtlichen Regelung bei Umgründungen entspreche. Weitere Argumente und somit besondere Umstände im Sinn der vom Verfassungsgerichtshof geforderten Judikatur enthält die Regierungsvorlage nicht, lassen sich aber auch (aus) dem letztendlichen Gesetzestext nicht ableiten.
Wenngleich Budgetkonsolidierung und Sparsamkeit in der jüngsten politischen Praxis besonderer Stellenwert beigemessen wird, darf dies nicht zur Folge haben, dass sich die Republik Österreich durch den einfachen Gesetzgeber zu Lasten der einzelnen Normunterworfenen haftungsfrei macht. Im Ergebnis bedeutet die rückwirkende Geltung des genannten Gesetzes für die zivilprozessuale Realität nämlich nichts anderes als eine Haftungsfreiheit der Republik in Verfahren, in denen diese von geschädigten Personen im berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage in Anspruch genommen wurde. Die verfassungsrechtliche Problematik dieser Regelung zeigt sich insbesondere daran, dass es der Klägerin - und all den anderen Klägern in gleichgelagerten Verfahren, die vor der Kundmachung des gegenständlichen Gesetzes eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen waren - nach den Regelungen der Zivilprozessordnung nicht möglich war, eine Berichtigung der Parteienbezeichnung vorzunehmen. Nach ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofes und herrschender Lehre darf die Änderung der Parteienbezeichnung nämlich nicht dazu führen, dass der Mangel der Sachlegitimation des als Beklagten bezeichneten Rechtssubjektes saniert wird (Fasching II 127; SZ 49/17; Rechberger in Rechberger ZPO Rz 11 zu §235). Die normunterworfene Klägerin hatte daher keine Möglichkeit, auf die durch das Infrastrukturfinanzierungsgesetz 1997 bewirkte Unternehmensumgründung zu reagieren und dadurch einer erstinstanzlichen Klagsabweisung wegen mangelnder Passivlegitimation entgegen(zu)wirken.
Die durch das rückwirkende Inkrafttreten des Infrastrukturfinanzierungsgesetzes geschaffene Privilegierung der Republik Österreich stellt nach Auffassung des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht einen aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht mehr zu tolerierenden Eingriff in die Rechtsposition des einzelnen Normunterworfenen sowie in den sich aus Art49 B-VG ableitenden Vertrauensgrundsatz dar ..."
2. Mit dem als Infrastrukturfinanzierungsgesetz 1997 bezeichneten Bundesgesetz BGBl. I 113/1997 werden zum einen das 14 Paragraphen umfassende Bundesgesetz über die Einbringung der Anteilsrechte des Bundes an den Bundestraßengesellschaften in die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft und der Einräumung des Rechts der Fruchtnießung zugunsten dieser Gesellschaft (ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997) erlassen (ArtI des Infrastrukturfinanzierungsgesetzes 1997) und zum anderen sieben Bundesgesetze (darunter das ASFINAG-Gesetz 1982) novelliert (ArtII bis VIII des Infrastrukturfinanzierungsgesetzes 1997).
§1 des ASFINAG-ErmächtigungsG 1997 verpflichtet den Bundesminister für Finanzen, die Anteile des Bundes an der Österreichischen Autobahnen- und Schnellstraßen AG und der Alpen Straßen AG als Sacheinlage entsprechend den Bestimmungen des UmgründungssteuerG in die ASFINAG ohne Gegenleistung einzubringen.
Dem §2 zufolge hat der Bundesminister für Finanzen der
ASFINAG das Recht der Fruchtnießung (§§509 ff. ABGB) unter anderem an
den bestehenden und künftig zu errichtenden Bundesstraßen A
(Bundesautobahnen) durch einen mit der ASFINAG abzuschließenden
Vertrag mit Wirksamkeit zum 1. Jänner 1997 zu übertragen. Das Recht
der Fruchtnießung wird von der ASFINAG durch Unterfertigung des
Fruchtgenußvertrages mit Wirksamkeit 1. Jänner 1997 erworben, wobei
§481 ABGB keine Anwendung findet (§3 ASFINAG-ErmächtigungsG).
§4 leg.cit. lautet:
"Ab Inkrafttreten des Fruchtgenußvertrages gehen alle Rechte und Pflichten des Bundes betreffend die Österreichische Autobahnen- und Schnellstraßen Aktiengesellschaft und Alpen Straßen Aktiengesellschaft auf die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft über. Unberührt bleiben die gesetzlich geregelten hoheitlichen Aufgaben des Bundes."
§7 ASFINAG-ErmächtigungsG ermächtigt den Bundesminister für Finanzen, das für die Betriebsführung der ASFINAG notwendige bewegliche und unbewegliche Bundesvermögen, ausgenommen das im §2 bezeichnete unbewegliche Bundesvermögen, in die ASFINAG als Sacheinlage mit 1. Jänner 1997 ohne Gegenleistung einzubringen.
Daran anschließend bestimmen die §§8 und 9:
"§8. Die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft tritt mit dem Zeitpunkt der Kundmachung dieses Gesetzes - oder danach mit dem künftigen Erwerb des Rechtes der Fruchnießung oder des Eigentums oder der dinglichen Nutzungsrechte an bundeseigenen Liegenschaften - von Gesetzes wegen in alle die Liegenschaften betreffenden Rechtsverhältnisse des Bundes mit Dritten ein, ohne daß es hiezu deren Zustimmung bedürfte. Der Bund haftet für die bis zu diesem Zeitpunkt von ihm eingegangenen Verpflichtungen gemäß §1357 ABGB.
§9. Der Fruchtgenußvertrag gemäß §2 hat vorzusehen, daß die Autobahnen- und Schnellstraßenfinanzierungs-Aktiengesellschaft auch die Verpflichtung des Bundes gemäß §§7 und 7a des Bundesstraßengesetzes, BGBl. Nr. 286/1971, die unter §2 bezeichneten Straßen zu planen, zu bauen und zu erhalten, übernimmt und den Bund diesbezüglich schad- und klaglos hält. Dies gilt auch für jene Teilstrecken, die bereits bisher an die Alpen Straßen Aktiengesellschaft und die Österreichische Autobahnen- und Schnellstraßen AG übertragen wurden."
Das Infrastrukturfinanzierungsgesetz 1997 wurde am 11. September 1997 im Bundesgesetzblatt I unter der Nr. 113 kundgemacht; der in §8 bezogene §1357 ABGB normiert eine Haftung als Bürge und Zahler.
Der zur Aufhebung beantragte §14 des ASFINAG-ErmächtigungsG lautet:
"Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 1997 in Kraft."
3. Die Bundesregierung begehrt in ihrer Äußerung vom 14. November 2000, der Verfassungsgerichtshof wolle den vorliegenden Antrag auf Aufhebung des "'§14 des Infrastrukturfinanzierungsgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 113/1997' (richtig: §14 des ASFINAG-Ermächtigungsgesetzes 1997 (ArtI des Infrastrukturfinanzierungsgesetzes 1997), BGBl. I Nr. 113)" als unbegründet abweisen. Sie begründet dies wie folgt:
"... Die Bundesregierung vertritt die Ansicht, dass sich der vorliegende Antrag auf falsche Prämissen stützt: Den Haftungsübergang vom bisherigen Straßenerhalter, dem Bund, auf den neuen Straßenerhalter, der ASFINAG, gegenüber Dritten regelt §8 des ASFINAG-Ermächtigungsgesetzes (arg.: 'Die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft tritt ... von Gesetzes wegen in alle die Liegenschaften betreffenden Rechtsverhältnisse mit Dritten ein, ohne dass es hiezu deren Zustimmung bedürfte.'). Dass von diesen Rechtsverhältnissen die Verpflichtungen aus der Haftung als Wegeerhalter nicht umfasst sein sollten, ist weder dem Gesetzestext noch den Materialien zu diesem Bundesgesetz zu entnehmen (RV 698 BlgNR XX.GP, AB 828 BlgNR XX.GP). Dieser Haftungsübergang knüpft jedoch ausdrücklich an den Zeitpunkt der Kundmachung des ASFINAG-Ermächtigungsgesetzes an. Daran vermag nach Ansicht der Bundesregierung auch §14 leg.cit. nichts zu ändern, da mit der dort festgesetzten Rückwirkung lediglich das Bundesgesetz als solches in Kraft gesetzt und weiters 'den üblichen handelsrechtlichen Regelungen bei Umgründungen' entsprochen und dadurch der Bundeshaushalt bereits für das gesamte Haushaltsjahr 1997 entlastet werden sollte. Eine Inkraftretensklausel steht jedoch einer Regelung im Rahmen des betreffenden Gesetzes nicht entgegen, die ihrerseits selbständig Rechtsfolgen - wie im vorliegenden Fall §8 leg.cit. - an den Eintritt besonderer Ereignisse udgl. (etwa auch im Rahmen einer 'unechten' Rückwirkung) knüpft.
Da der primär maßgebliche Wortlaut des §8 des ASFINAG-Ermächtigungsgesetzes für den speziellen Fall des Haftungsüberganges einen eigenen Stichtag nennt, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diesen bewusst gewählt hat, zumal auch bei nachträglich rückwirkend verfügtem Rechtsübergang dieser Rechtsverhältnisse gegebenenfalls die Rückabwicklung für nahezu ein dreiviertel Jahr zu bewältigen gewesen wäre. In diesem Zusammenhang sei auch die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes in Erinnerung gerufen, wonach Rechtsvorschriften grundsätzlich nicht so ausgelegt werden dürfen, dass sie überflüssig und daher inhaltslos werden (VfSlg. 13.161/1992, VfGH 16.12.1999, G69/99, G70/99). Der Bund haftet aber überdies, wie der zweite Satz des §8 leg.cit. bestimmt, für die bis zu diesem Zeitpunkt von ihm eingegangenen Verpflichtungen gemäß §1357 ABGB. Damit wird für diese Gruppe von Verpflichtungen der Bund ausdrücklich als 'Bürge und Zahler' eingesetzt, der stets ohne Vorausmahnung des Schuldners, hier nunmehr der ASFINAG, in Anspruch genommen werden kann (s. auch Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts, Bd. I, 10. Aufl., 312).
... Im Lichte dieser Ausführungen wird deutlich, dass die vom antragstellenden Gericht bekämpfte Rückwirkung die Verpflichtungen, die den Bund als Straßenerhalter bis 'zur Kundmachung' des ASFINAG-Ermächtigungsgesetzes zukamen, gar nicht regelte. Für diese Fallgruppe ist vielmehr bis zu dem genannten Zeitpunkt ein weiterer Schuldner neben den Bund getreten, der gegebenenfalls zur Zahlung herangezogen werden konnte (und kann).
Der dem Antrag zugrundeliegende Autounfall ereignete sich im Jänner 1997, die diesbezügliche Klage langte am 2. Juli 1997 beim zuständigen Bezirksgericht ein. Erst mit Ablauf des 11. September 1997 (dem Tag der Kundmachung des ASFINAG-Ermächtigungsgesetzes) sind gemäß §8 leg.cit. die gegenüber Dritten übernommenen Verpflichtungen auf die ASFINAG übergegangen, wobei hiefür der Bund weiterhin als Bürge und Zahler einzustehen hatte. Diese zuletzt angeführte Rechtsfolge stellt aber keinen Fall der Rückwirkung in dem vom antragstellenden Gericht offenbar gemeinten Sinne dar, sondern wäre allenfalls (allein) unter dem Aspekt des Vertrauensgrundsatzes zu prüfen (vgl. Koja, Die Rückwirkung von Gesetzen und die Bundesverfassung, JRP 1999, 40ff). Eine solche von den dargelegten Bedenken des antragstellenden Gerichts nicht erfasste Prüfung ist dem Verfassungsgerichtshof jedoch verwehrt (vgl. VfSlg. 9287/1981, 13.335/1993, 15.302/1998)."
Ungeachtet dessen, daß die Bundesregierung die Ansicht vertrete, die für den Anlaßfall in erster Linie maßgebliche Bestimmung des §8 des ASFINAG-ErmächtigungsG stelle selbst keine rückwirkende Bestimmung dar und sei auch vor dem Hintergrund des vorliegend bekämpften §14 leg.cit. nicht im Sinne einer (echten) Rückwirkung auszulegen, werde "aus advokatorischer Vorsicht" folgendes ausgeführt:
"... Von Verfassungs wegen ist rückwirkende Gesetzgebung nur im Bereich der Strafgesetze verboten (Art7 Abs1 EMRK). Es ist ansonsten zulässig, bereits früher verwirklichte Sachverhalte nachträglich einer Regelung zu unterwerfen, wenn dies mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist.
Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt dargelegt hat, zielen Rechtsnormen auf die Steuerung menschlichen Verhaltens und können daher diese Funktion nur erfüllen, wenn sich die Normunterworfenen an der geltenden Rechtslage orientieren können. Daher können gesetzliche Vorschriften mit dem Gleichheitssatz in Konflikt geraten, weil und insoweit sie die im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage handelnden Normunterworfenen nachträglich belasten. Das kann bei schwerwiegenden und plötzlich eintretenden Eingriffen in erworbene Rechtspositionen, auf deren Bestand der Normunterworfene mit guten Gründen vertrauen konnte, zur Gleichheitswidrigkeit des belastenden Eingriffs führen.
Allerdings steht es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, die Rechtslage für die Zukunft anders und entgegen den Erwartungen der Normunterworfenen auch ungünstiger zu gestalten. Wie aber im Einzelfall auch rückwirkende Verschlechterungen der Rechtslage etwa im Steuerrecht ihrer Zielsetzung und dem Ausmaß und der Art ihrer Auswirkungen nach verfassungsrechtlich zulässig sein können, kann die Enttäuschung des Vertrauens der Normunterworfenen auf den Fortbestand und die zukünftige Entwicklung der Rechtsordnung auch ohne Rückwirkung unter Umständen sachlich nicht mehr zu rechtfertigen sein. Eine solche Unsachlichkeit hat der Gerichtshof etwa angenommen, wenn der Normunterworfene durch eine in Aussicht gestellte Begünstigung zu einem bestimmten Aufwand veranlasst werden sollte, der dann durch Wegfall der Begünstigung frustriert wird (VfSlg. 12.944/1991, Nachtfahrverbot für lärmarme LKW) oder wegen Inangriffnahme der geförderten Maßnahme nicht mehr aufgebracht werden kann (VfSlg. 13.655/1993, Abschaffung der Energieförderungsmaßnahme) (s. hiezu etwa VfSlg. 15.373/1998).
... Im vorliegenden Fall kann
jedoch schon deshalb von einem Verlust der Rechtsposition (hier:
einem zwingenden Wechsel des Verpflichteten und damit der Passivlegitimation) nicht die Rede sein, weil §8 des ASFINAG-Ermächtigungsgesetzes gerade die weiterlaufende Haftung des Bundes bis zu dem genannten Zeitpunkt gemäß §1357 ABGB anordnet. Selbst wenn jedoch ein rückwirkender Wechsel angeordnet wäre, könnte er nicht als schwerwiegende Verschlechterung der Rechtsposition Dritter angesehen werden, verschlechterte sich deren Rechtsposition doch lediglich insoweit, als sie allenfalls neuerlich prozessuale Handlungen vornehmen müßten. Dies könnte aber im Hinblick auf das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel einer klaren Trennung der Belange des 'alten' Straßenerhalters von jenen des 'neuen' einerseits und der bloß wenigen Fälle, in denen bereits gerichtliche Schritte gesetzt wurden, andererseits ('Härtefälle') gerechtfertigt erscheinen.
... Zusammenfassend kann daher
festgehalten werden, dass die vom antragstellenden Gericht zu §14 des ASFINAG-Ermächtigungsgesetzes vorgebrachten Bedenken von der Bundesregierung insgesamt nicht geteilt werden können."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung ein antragstellendes Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weshalb ein Gesetzesprüfungsantrag mangels Präjudizialität nur zurückgewiesen werden darf, wenn es offenkundig unrichtig ist, daß die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (vgl. zB VfSlg. 9811/1983, 10.296/1984, 12.189/1989).
Notwendige Voraussetzung für die Zulässigkeit ist u.a. die genaue Bezeichnung der angefochtenen Gesetzesstelle; das Fehlen dieser Voraussetzung stellt einen Zurückweisungsgrund dar (vgl. zB VfSlg. 11.888/1988, 14.040/1995, 14.634/1996).
Unzulässig ist ein Antrag aber auch dann, wenn der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, daß die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl. zB VfSlg. 13.299/1992, 14.740/1997).
2. a) Das Landesgericht Innsbruck beantragt, "§14 des Infrastrukturfinanzierungsgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 113/1997" als verfassungswidrig aufzuheben. Eine solche Bestimmung gibt es nicht. Das Infrastrukturfinanzierungsgesetz 1997, BGBl. I 113, ist - wie unter Pkt. I.2. dargestellt wurde - ein in acht Artikel gegliedertes Sammelgesetz, mit dessen ArtI das ASFINAG-ErmächtigungsG 1997 erlassen und mit dessen ArtII das ASFINAG-Gesetz novelliert wurde, wobei einerseits das ASFINAG-ErmächtigungsG einen §14 enthält und andererseits dem ASFINAG-Gesetz ein §14 angefügt wird.
In der Begründung seines Antrages gibt das Gericht die angefochtene Bestimmung allerdings auch in ihrem Wortlaut wieder. Angesichts dessen kann in der Sache kein Zweifel daran bestehen, daß das Gericht die Verfassungswidrigkeit des §14 des ASFINAG-ErmächtigungsG 1997 behauptet und dessen Aufhebung begehrt. Es ist daher davon auszugehen, daß dem Gericht bei der Bezeichnung der angefochtenen Gesetzesstelle insofern ein vom Verfassungsgerichtshof als offenkundiger Schreibfehler gewerteter Zitierfehler unterlaufen ist, als es statt richtig "§14 des ArtI des Infrastrukturfinanzierungsgesetzes 1997 ..." irrtümlich "§14 des Infrastrukturfinanzierungsgesetzes 1997 ..." geschrieben hat.
Der Verfassungsgerichtshof ist aus diesen Gründen der Ansicht, daß der Antrag die zur Aufhebung beantragte Gesetzesstelle im Sinne des §62 VerfGG ausreichend genau bezeichnet.
b) Der Antrag erweist sich jedoch aus folgenden Gründen als unzulässig:
Gemäß §1319a ABGB haftet der Halter eines Weges den Benützern, wenn durch einen mangelhaften Zustand eines Weges ein Schaden herbeigeführt wird und der Halter selbst oder einer seiner Leute den Mangel vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet hat. Halter eines Weges ist, wer die Kosten seiner Errichtung und Erhaltung trägt und über den Weg die Verfügungsmacht hat (OGH 11.6.1981, 7 Ob 555, 556/81).
Das antragstellende Gericht geht davon aus, daß die Wegehalterhaftung durch den rückwirkend abgeschlossenen Fruchtgenußvertrag "zwischen der Republik Österreich (in der Folge auch kurz 'Bund' genannt)" und der ASFINAG vom 23. Juni und 25. Juli 1997 hinsichtlich der Bundesstraßen A mit Wirkung ab 1. Jänner 1997 auf die ASFINAG übertragen wurde und daß die Ermächtigung zu dieser rückwirkenden Vertragsgestaltung in §14 leg.cit. liegt.
Diese Prämisse trifft aber - ebenso wie die Ansicht der Bundesregierung, §8 des ASFINAG-ErmächtigungsG bewirke, daß eine Änderung des Haftungspflichtigen nach §1319a ABGB erst "mit dem Zeitpunkt der Kundmachung dieses Gesetzes" eintrete - nicht zu:
§8 leg.cit. kann sich - was sich aus seinem klaren Wortlaut und der systematischen Stellung dieser Bestimmung eindeutig ergibt - nicht auf Schadenersatzpflichten aus deliktischem Verhalten beziehen.
Der Inkrafttretensbestimmung des §14 leg.cit. kommt die ihr vom antragstellenden Gericht beigemessene Bedeutung einer Ermächtigung zum Abschluß eines Fruchtgenußvertrags mit rückwirkender Kraft nicht zu:
Dem Verfassungsgerichtshof erscheint es angesichts der Textierung des Vertrags und der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl. OGH vom 11.3.1993, 2 Ob 3/93 und vom 5.12.1995, 1 Ob 29/95) zweifelhaft, ob das Gericht mit der Auffassung im Recht ist, daß mit dem Abschluß des Fruchtgenußvertrages der Bund überhaupt von der Wegehalterhaftung im Sinne des §1319a ABGB entbunden wurde. Er hat dies aber angesichts seiner ständigen Rechtsprechung, der zufolge er mit seiner Zulässigkeitsentscheidung ein antragstellendes Gericht nicht an eine bestimmte Rechtsauslegung binden soll, ebensowenig zu klären wie die Frage, wie sich der erwähnte Fruchtgenußvertrag zwischen dem Bund und der ASFINAG im allgemeinen und im Hinblick auf die Wegehalterhaftung im besonderen zu dem von der ASFINAG mit dem Land Tirol mit Datum 23. Juni/8. August 1997 betreffend die Verwaltung und Erhaltung von Autobahnen und Schnellstraßen im Bundesland Tirol abgeschlossenen Vertrag verhält. Denn selbst bei Zutreffen der Annahme des Gerichts ergäbe sich die rückwirkende Veränderung in der Person des Haftungsträgers nach §1319a ABGB nicht aus der Anordnung des rückwirkenden Inkrafttretens des Gesetzes insgesamt, sondern aus dem Abschluß des Fruchtgenußvertrages selbst, der - gestützt auf §2 des ASFINAG-ErmächtigungsG - (übrigens ebenso wie der zwischen der ASFINAG und dem Land Tirol abgeschlossene Vertrag) mit 1. Jänner 1997 in Kraft gesetzt wurde.
Daß der Bestimmung des §14 leg.cit. über das rückwirkende Inkrafttreten des Gesetzes insgesamt auch im Gesetzgebungsverfahren nicht die vom Gericht zugeschriebene Bedeutung beigemessen wurde, zeigen auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (698 BlgNR, 20. GP, S 13, zu ArtI §13), wonach die Rückwirkung zum Zweck der "Entlastung des Bundeshaushalts bereits für das gesamte Haushaltsjahr 1997" vorgesehen wurde, um das Ziel zu erreichen, "unter Beachtung der Konvergenzkriterien die ASFINAG-Schulden in einen nicht den öffentlichen Bereich zuzuordnenden Gesellschaftsverbund zu überführen" (aaO, S 11).
Die Ansicht des antragstellenden Gerichts, die angefochtene Bestimmung des §14 ASFINAG-ErmächtigungsG führe zur rückwirkenden Übertragung der Wegehalterhaftung auf die ASFINAG ist daher verfehlt. Angesichts dessen würde durch die vom Landesgericht begehrte Eliminierung dieser Bestimmung aus der Rechtsordnung nicht eine Rechtslage hergestellt, auf die die geltend gemachten Bedenken nicht mehr zuträfen (vgl. zu einer gleichartigen Konstellation VfSlg. 13.299/1992); vielmehr bliebe auch unter der Annahme, daß der Bund durch den Abschluß des Fruchtgenußvertrages der Wegehalterhaftung entbunden wurde, die als bedenklich erachtete Änderung der Person des Haftungsträgers als Folge des auch in seiner Rückwirkung auf §2 leg.cit. gestützten Fruchtgenußvertrags bestehen. Das Ziel des Aufhebungsantrages würde also durch Aufhebung des §14 des ASFINAG-ErmächtigungsG nicht erreicht, weshalb der Antrag zurückzuweisen war (vgl. hiezu etwa VfSlg. 11.826/1988, 12.666/1991, 13.299/1992).
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangehende mündliche Verhandlung beschlossen werden.
Schlagworte
Auslegung eines Antrages, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Rückwirkung, Straßenverwaltung, Wegehaftung, VfGH / Formerfordernisse, Zivilrecht, Schuldrecht, Haftung, Sachenrecht, Servituten, FruchtnießungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:G101.2000Dokumentnummer
JFT_09989385_00G00101_00