Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Ersten Präsidenten Dr. Heller als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dinnebier, Dr. Machek, Dr. Berger und Dr. Überreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friedrich E*****, Privatbeamter, ***** vertreten durch Dr. Michael Stern, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Hildegard E*****, Private, ***** vertreten durch Dr. Martha Friedmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen 8.000 S samt Anhang infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 17. Februar 1960, GZ 43 R 55/95/60, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 5. Dezember 1959, GZ 5 C 511/59-22, und das vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zum Teil zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Rekurswerber hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Mit Notariatsakt vom 21. Dezember 1939 verpflichtete sich der Kläger, seiner Gattin, der Beklagten, mit der er damals in aufrechter Ehe lebte, "40 % seines wie immer Namen habenden Nettoeinkommens, das ist das um die Steuern und sozialen Abgaben verminderte Bruttoeinkommen," zu bezahlen. Bei einem Einkommen der Frau über 80 RM monatlich sollte sich der Unterhaltsbeitrag auf 33 1/3 % ermäßigen. Durch die Scheidung der Ehe sollte der Vergleich nicht berührt werden. Auf Grund dieses Notariatsaktes wurde der Beklagten mit Beschluss des Bezirksgerichtes Judenburg vom 28. 12. 1955 (E 3872/55-9) die Exekution zur Hereinbringung von 17.915,80 S an rückständigen Unterhaltsbeiträgen vom 1. 10. 1952 bis 31. 10. 1955 und zur Hereinbringung der ab 1. 11. 1955 fällig werdenden 40 % des jeweiligen Nettoeinkommens durch Pfändung und Überweisung der Dienstbezüge bewilligt.
Mit der am 23. 1. 1956 zu C 31/56 des Bezirksgerichtes Judenburg eingebrachten Klage begehrte der Kläger den Ausspruch, dass der Anspruch der Beklagten hinsichtlich eines Betrages von 12.405,38 S sowie dass der Anspruch der Beklagten, soweit die Bemessung dieser 40 % den reinen Nettogehalt als Basis übersteige, erloschen sei. Er behauptete, dass bei der Berechnung des Unterhaltes die verschiedenen Sonderzahlungen nicht zu berücksichtigen gewesen wären. Dieser Klage, die als Klage nach § 35 EO gewertet wurde, wurde hinsichtlich eines Betrages von 1.263,91 S stattgegeben, das Mehrbegehren aber abgewiesen.
Auf Grund des Urteiles des Bezirksgerichtes Döbling vom 3. 3. 1958 5 C 186/58 wurde die laufende Exekution ab 22. 3. 1958 auf 33 1/3 % eingeschränkt.
Der Kläger begehrt nunmehr 1.) die Feststellung, dass er auf Grund des Notariatsaktes nicht verpflichtet sei, die vereinbarte Unterhaltsleistung von 33 1/3 % seines wie immer Namen habenden Nettoeinkommens von den an ihn zur Auszahlung gelangenden Zulagen, nämlich Wohnungsbeihilfe, Ersparnisprämie, Urlaubsgeld, Kohlendeputat, zu erbringen, 2.) die Verurteilung der Beklagten, 6.734,96 S zu bezahlen. Nach dem Parteiwillen habe sich der Unterhaltsanspruch nur auf das reine Gehalt beziehen sollen. Es seien daher die genannten Sonderzahlungen nicht anzurechnen. Da sich die Beklagte weigere, diese Bemessungsgrundlage anzuerkennen, habe er ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung. Da die Beklagte nicht erst ab 1. 3. 1958 ein eigenes Einkommen beziehe, sondern schon seit Oktober 1955, habe er um 6.734,96 S zuviel bezahlt.
Die Beklagte wendet res iudicata, Unzuständigkeit, mangelndes rechtliches Interesse sowie eine compensando-Forderung ein. Nachdem eine Entscheidung des Erstgerichtes durch das Berufungsgericht aufgehoben worden war, wies das Erstgericht das Begehren auf Zahlung von 6.734,96 S neuerlich zurück und das weitere Klagebegehren ab. Der Sachverhalt zu 1) sei bereits zu C 31/56 des Bezirksgerichtes Judenburg geltend gemacht worden, könne daher nicht neuerlich zur Begründung eines Rückforderungsanspruches herangezogen werden. Es liege res iudicata vor. Zu 2) ergebe sich aus der Urkunde ohne jeden Zweifel, dass der Vertragswille der Parteien auf Einbeziehung des ganzen Nettoeinkommens gerichtet gewesen sei. Dieses Begehren sei daher abzuweisen.
Das Berufungsgericht bestätigte die Zurückweisung des Begehrens zu 1), hob jedoch aus Anlass der Berufung das Urteil zu 2), mit Ausnahme der Kostenentscheidung, sowie das vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies dieses Klagebegehren zurück. Zu 1) liege zwar nicht res iudicata vor, jedoch unheilbare Unzuständigkeit, weil das Begehren nur beim Exekutionsgericht hätte gestellt werden können. Zu
2) handle es sich um eine Streitigkeit im Laufe und aus Anlass des Exekutionsverfahrens zwischen den Parteien, welche die Änderung eines in einem vollstreckbaren Notariatsakt verankerten materiellen Rechtes zum Gegenstand habe. Solche Einwendungen könnten nur mit Klage nach § 35 EO geltend gemacht werden. Es sei daher auch für das Feststellungsbegehren das angerufene Gericht nicht zuständig, sondern das Exekutionsgericht. Die Klage sei daher aus diesem Grund zurückzuweisen, ohne dass es einer Erörterung bedürfe, ob res iudicata vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese Entscheidung erhebt der Kläger Rekurs, soweit das Begehren zu 2) zurückgewiesen wurde. Es sei aktenwidrig, dass die Einrede der Unzuständigkeit in erster Instanz erhoben worden sei. Aus diesem Grund könne die Klage nicht wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen werden. Die Entscheidung in nicht öffentlcher Sitzung stelle überdies eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar. Eine Feststellungsklage sei bei einem Dauerschuldverhältnis, Parteienvereinbarungen seien nur im Exekutionsverfahren wirkungslos, nicht aber für die aus dem Exekutionsverfahren sich ergebenden Rechtsstreitigkeiten.
Der Rekurswerber ist im Recht, wenn er sich gegen die Zurückweisung der Klage wegen unheilbarer Unzuständigkeit wendet. Wie der Oberste Gerichtshof bereits zu SZ XIX/279 ausgesprochen hat, können sich die Parteien trotz der Ausschließlichkeit der in der Exekutionsordnung angeordneten Gerichtsstände in den Fällen der §§ 35 - 37 EO dadurch einem an sich unzuständigen Gericht erster Instanz unterwerfen, wenn sie die Einwendung der Unzuständigkeit nicht erheben und in der Hauptsache verhandeln. Nicht derartige Vereinbarungen über den Gerichtsstand sind nach § 51 EO wirkungslos, sondern lediglich Vereinbarungen der Parteien über die Zuständigkeit der Gerichte im Exekutionsverfahren selbst. Um Wiederholungen zu vermeiden, sei auf die in der zitierten Entscheidung gegebene Begründung verwiesen, welche die gegenteilige Ansicht im Kommentar Neumann- Lichtblau ausdrücklich ablehnt.
Trotzdem konnte dem Rekurs nicht Folge gegeben werden, weil die Zurückweisung der Klage aus einem anderen Grund begründet war. Im Verfahren zu C 31/56 des Bezirksgerichtes Judenburg begehrte der Kläger den Ausspruch, dass die von diesem Gericht bewilligte Exekution hinsichtlich eines Betrages von 14.300,17 S unzulässig sei und dass der Anspruch der Beklagten hinsichtlich der 40 % laufenden Unterhaltsbeitrages aus dem Notariatsakt, soweit die Bemessung dieser 40 % den reinen Nettogehalt des Klägers als Basis übersteigen, erloschen sei. Er stützte sein Klagebegehren darauf, dass die Errechnung des Unterhaltsrückstandes unrichtig sei, da gewisse Zulagen bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage auszuscheiden seien. Von diesen Zulagen wurden ausdrücklich Wohnungsgeld, Ersparnisprämie, Urlaubszuschuss, Familienzuschuss und Naturalbezüge genannt. Nach Meinung des Klägers sollte eben nur das reine Gehalt der Berechnung zugrundegelegt werden. Die Feststellung sollte sich, wie dem Klagebegehren eindeutig entnommen werden kann, nicht nur für die Rückstände getroffen werden, sondern für alle Zukunft ("Anspruch erloschen").
Mit der vorliegenden Klage begehrt nun der Kläger neuerlich, dass der Unterhaltsbeitrag nur vom reinen Gehalt berechnet werde und die zur Auszahlung gelangenden Zulagen, nämlich Wohnungsbeihilfe, Ersparnisprämie, Urlaubsgeld, Kohlendeputat, nicht einbezogen werden. Das Begehren zu 2) deckt sich somit völlig mit dem bereits zu C 31/56 des Bezirksgerichtes Judenburg geltend gemachten, über welches aber bereits rechtskräftig abgesprochen wurde. Daran ändert nichts, dass die laufende Exekution auf 33 1/3 % eingeschränkt wurde. Parteien und Klagsgegenstand sind ident. Aus diesem Grund braucht nicht weiter untersucht zu werden, ob dieses Begehren als Feststellungsbegehren zu stellen oder es nur im Wege einer Oppositionsklage geltend zu machen wäre. Da res iudicata in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen ist, soweit nicht eine bindende Entscheidung entgegensteht, hatte auch der Oberste Gerichtshof diesen Mangel wahrzunehmen. Aus diesem Grunde war die Zurückweisung der Klage zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.
Anmerkung
E75757 3Ob118.60European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1960:0030OB00118.6.0404.000Dokumentnummer
JJT_19600404_OGH0002_0030OB00118_6000000_000