TE OGH 1960/4/6 1Ob88/60

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Veröffentlicht am 06.04.1960
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Zweiten Präsidenten Dr. Fellner als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schuster, Dr. Gitschthaler, Dr. Zierer und Dr. Bachofner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anna A*****, vertreten durch Dr. Christian Beurle, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, in Wien 1., Rosenbursenstraße 1, wegen S 30.000 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 11. Jänner 1960, GZ 1 R 444/59-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 14. Oktober 1959, GZ 1 Cg 2607/59-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 795,70 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin stützt ihr Begehren auf Zahlung von S 30.000 auf die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes und führt hiezu folgendes aus:

Sie sei in der Zeit vom 8. Juni 1955 bis 12. Oktober 1955 als Krankenpflegerin in der chirurgischen Abteilung des der Wiener Gebietskrankenkasse gehörenden Hanusch-Krankenhauses beschäftigt gewesen. Zu ihren Dienstobliegenheiten habe es auch gehört, Patientinnen zum und vom Operationssaal zu bringen. Im Allgemeinen seien dazu sogenannte „Bettfahrer" verwendet worden, um nicht die Betten oder die Kranken tragen zu müssen. Es habe aber eine generelle Aufsichtsanweisung bestanden, dass in den Räumen, in denen die Klägerin ihren Dienst versehen habe, solche Bettfahrer nicht verwendet werden durften, so dass die Schwestern u. a. auch die Klägerin, auch allein die Kranken heben mussten. Im September 1955 habe sie hiedurch einen Arbeitsunfall und zwar komplizierte, nicht mehr operable Brüche erlitten, wodurch sie nicht mehr ihrem Beruf als Krankenschwester nachgehen, und auch keinen anderen Beruf ausüben könne. Das Verschulden des Rechtsträgers sei in der generellen Dienstanweisung und in der völligen Unterlassung jeder Vorsichtsmaßnahme, das Verschulden der Dienstaufsichtsbehörde darin gelegen, dass sie eine derartige Anweisung nicht beanstandete, also genehmigte.

Überdies habe die Klägerin gegen die Wiener Gebietskrankenkassa für Arbeiter und Angestellte beim Arbeitsgericht Wien zur GZ 4 Cr 808/56 einen Schadenersatzanspruch geltend gemacht. Das Klagebegehren sei in erster Instanz abgewiesen und der Berufung vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien nicht Folge gegeben worden. Die Abweisung erfolgte deshalb, weil lediglich eine vorsätzliche Verursachung des Schadens unter Umständen eine Entschädigungsleistung für die Klägerin begründe, dass sie aber eine solche Behauptung nicht aufgestellt habe. Das Arbeitsgericht Wien und das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht hätten es unterlassen, die Klägerin im Rahmen der richterlichen Manuduktionspflicht dahin aufzuklären, dass sie die Behauptung der vorsätzlichen Herbeiführung des Arbeitsunfalles klar auszusprechen gehabt hätte. Darin werde eine rechtswidrige Gesetzesvollziehung der genannten Gerichte erblickt. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil im Wesentlichen aus folgenden Gründen:

Gemäß Art X Abs 1 Z 12 BVG sei hinsichtlich der Heil- und Pflegeanstalten nur hinsichtlich der sanitären Aufsicht die Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache. Eine Pflichtverletzung seitens der Organe des Bundes könne nur in der Nichtgenehmigung der in Rede stehenden Anweisung der Spitalsleitung gelegen sein. Aus einer Unterlassung könne eine Ersatzpflicht aber nur dann entstehen, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zum Handeln dem Geschädigten gegenüber bestehe. Dies sei nicht der Fall. Das Bundesministerium für soziale Verwaltung oder ein sonstiges Ministerium hatten keine Veranlassung, die innerbetriebliche Anordnung des Krankenhauses über die Nichtverwendung von Bettfahrern, zu untersagen, da es sich um keine sanitätspolizeiliche Maßnahme des Krankenhauses handelte. Es sei nicht behauptet worden, dass diese Anordnung von einem Bundesministerium erlassen oder ausdrücklich genehmigt worden sei, und dass es hievon Kenntnis erlangt habe.

Auch eine schuldhafte Schadenszufügung durch ein rechtswidriges Verhalten der Organe des Arbeitsgerichtes Wien oder des Berufungsgerichtes sei nicht gegeben. Die Pflicht zur Belehrung und Anleitung der Parteien bedeute nicht, dass aus dieser neue Ansprüche und Einwendungen seitens des Gerichtes herauszuholen seien. Im gegenständlichen Falle sei ferner die Klägerin anwaltlich vertreten gewesen. Nach den auf den gegenständlichen Unfall noch zur Anwendung gelangenden Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung sei der Unternehmer dem Versicherten nur schadenersatzpflichtig, wenn strafgerichtlich festgestellt worden sei, dass er den Unfall vorsätzlich herbeigeführt habe. Beide Voraussetzungen seien nicht gegeben bzw behauptet worden. Die Klägerin hätte daher mit ihrem Klagebegehren auch dann nicht durchdringen können, wenn sie die im gegenständlichen Prozess aufgestellten Behauptungen im arbeitsgerichtlichen Verfahren vorgebracht hätte. Es mangle daher auch die Rechtswidrigkeit.

Die Klägerin ficht das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens an und beantragt, es dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde, oder es aufzuheben und die Sache an eine der Unterinstanzen zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Die Klägerin führt gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes an, dass sich sowohl aus Artikel X Abs 1 Z 12 und Art XII Abs 1 Z 2 BVG als auch aus § 53 Abs 1 des im Zeitpunkt des Unfalles noch in Geltung gestandenen Krankenanstaltsgesetzes, StGBl Nr 327/20, die Verpflichtung der Organe des Bundes ergebe, den Betrieb der öffentlichen Krankenanstalten in sanitärer Hinsicht zu kontrollieren und Missstände abzustellen. Im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichtes handle es sich bei der in Rede stehenden Anordnung um eine sanitäre Maßnahme.

Es erübrigt sich, auf diese Ausführungen näher einzugehen, weil selbst dann, wenn ihnen beigepflichtet würde, für die Klägerin nichts gewonnen wäre. In keiner der angeführten Bestimmungen wird die dem Bundesministerium für soziale Verwaltung obliegende Pflicht näher umschrieben, die Begriffe der sanitären Aufsicht und des Missstandes näher definiert und nicht konkretisiert, wenn und in welcher Weise die Organe des Bundes einzuschreiten haben und das dem Staat zustehende Kontrollrecht auszuüben ist. Die Ausübung des Kontroll- und Aufsichtsrechtes des Bundes ist daher dem Ermessen der Behörde anheim gegeben. Nach ständiger Rechtsprechung (1 Ob 97/52, JBl 1952, S 567, 1 Ob 236/55, 1 Ob 170/58, 1 Ob 113/59 u. a.) könnte in einem solchen Fall ein Amtshaftungsanspruch nur bei Vorliegen eines Ermessensmissbrauches bestehen. Es müsste also behauptet und bewiesen werden, dass die Kontrolle aus irgend welchen unsachlichen Gründen unterblieben ist. Derartiges wird von der Klägerin weder behauptet noch bewiesen. Wenn die Klägerin in der Klage vorbrachte, sie erblickt in die Nichtbeanstandung der Anordnung seitens der übergeordneten Ministerien eine vorsätzliche Schädigung, weil Verletzungen als selbstverständlich zu erwarten gewesen seien, so ist dieses Vorbringen nicht schlüssig, weil die Klägerin, wie das Berufungsgericht richtig und von der Revision nicht bekämpft ausführt, nicht behauptet hat, dass das zuständige Ministerium von der Anordnung Kenntnis erlangt hat. Sie hält in der Revision dieses Vorbringen nicht mehr aufrecht.

Die Klägerin macht ferner geltend, dass die Arbeitsinspektorate im Rahmen ihres Wirkungskreises durch ihre Organe die Einhaltung der zum Schutze der Dienstnehmer erlassenen Vorschriften hätten überwachen müssen.

Auf dieses Vorbringen war nicht einzugehen. Da es die Behauptung in sich schließt, die Organe des Arbeitsinspektorates hätten ihre Pflicht zur Beaufsichtigung vernachlässigt, und diese Behauptung im Verfahren erster Instanz nicht aufgestellt wurde, handelt es sich um eine unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung.

Was die Behauptung der Unterlassung der Anleitungspflicht der Klägerin im arbeitsgerichtlichen Verfahren anlagt, so führt die Klägerin ohne Begründung nur an, dass sie auf ihrem Standpunkt beharre. Es genügt daher, auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteiles, welcher sich der Oberste Gerichtshof anschließt, zu verweisen.

Der lediglich aus der unrichtigen rechtlichen Beurteilung abgeleitete Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist infolge der Ablehnung der Rechtsansicht der Klägerin gegenstandslos. Der Revision war demnach der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E82240 1Ob88.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0010OB00088.6.0406.000

Dokumentnummer

JJT_19600406_OGH0002_0010OB00088_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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