TE OGH 1960/4/28 1Ob120/60

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Veröffentlicht am 28.04.1960
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Zweiten Präsidenten Dr. Fellner als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schuster, Dr. Gitschthaler, Dr. Zierer und Dr. Bachofner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Josef Korn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach Irene H*****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr. Walter Tanzer, Rechtsanwalt, Wien, und des Nebenintervenienten auf Seite der Beklagten Felix H*****, vertreten durch Dr. Walter Schuppich, Rechtsanwalt, Wien, wegen Aufkündigung eines Bestandvertrages infolge Revisionen der beklagten Partei und des Nebenintervenienten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 25. Jänner 1960, GZ 41 R 1053/59-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 4. November 1959, GZ 46 C 252/59-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 439,53 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Der Nebenintervenient hat die Kosten seiner Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht hob die auf den Kündigungsgrund des § 19 Abs 2 Z 11 MietG gestützte Aufkündigung des Bestandverhältnisses bezüglich der Wohnung W*****, bestehend aus 2 Zimmer, Küche und Nebenräumen, auf Grund folgender Feststellungen und rechtlichen Erwägungen auf:

Die Mieterin der Wohnung Irene H***** ist am 26. 6. 1959 gestorben. Ihr Sohn Felix H***** war erstmalig im Jahre 1943, als er auf Wehrmachtsurlaub kam, in der Wohnung angemeldet. Nach Kriegsende begab er sich nach Regensburg und war dort an verschiedenen Adressen gemeldet. Er ist von Beruf Artist und deshalb sehr viel im Ausland. Im Jahre 1950 kam er nach Wien und arbeitete drei Monate als Artist. In der Folge war er jedes Jahr einige Zeit in Wien und wohnte dann immer bei seiner Mutter und zwar sowohl, wenn er in Wien engagiert war, als auch dann, wenn er ohne Engagement war. Er hielt sich meist 14 Tage und manchmal auch länger in der Wohnung auf. Von März 1955 bis Herbst 1956 war er in Amerika engagiert und daher in dieser Zeit nicht in Wien. Am 22. 4. 1950 hatte er geheiratet und kam seit dieser Zeit auch seine Gattin in die aufgekündigte Wohnung. Die Eheleute wirtschafteten bei ihren Aufenthalten in Wien gemeinsam mit Irene H*****. Felix H***** hat in der Wohnung auch seine Fahrnisse aufbewahrt, so weit er sie nicht mitführt. Er hatte niemals seinen Wohnsitz in Regensburg bei seiner Schwiegermutter, zumal deren Wohnung räumlich beengt ist. Er betrachtete immer die aufgekündigte Wohnung als seinen ordentlichen Wohnsitz, bezahlte auch den Mietzins und ist seit 1957 in der Wohnung polizeilich gemeldet. Irene H***** erlitt im Dezember 1956 einen Oberschenkelbruch und wurde zunächst in das Allgemeine Krankenhaus und von dort am 2. 4. 1957 in das Altersheim Lainz eingeliefert, wo sie auch starb. Sie hatte jedoch stets die Absicht, in die Wohnung zurückzukehren. Felix H***** hat keine andere Wohnmöglichkeit und beabsichtigt sich in der gekündigten Wohnung niederzulassen, wenn er seinen Beruf nicht mehr ausüben kann.

Rechtlich beurteilt das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass der Beklagte ein dringendes Wohnungsbedürfnis an der gekündigten Wohnung habe und dass ein gemeinsamer Haushalt mit Irene H***** bestanden habe, der durch die berufsbedingten Abwesenheiten nicht aufgehoben worden sei. Dies sei auch nicht durch die krankheitsbedingte Abwesenheit der Irene H***** eingetreten. Das Berufungsgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam. Es übernahm die Beweiswürdigung und die Tatsachenfestellungen des Erstgerichtes mit der Einschränkung, dass die Annahme, Felix H***** habe die Wohnung immer als seinen Wohnsitz betrachtet und sei seit 1957 ständig in der Wohnung gemeldet gewesen, unrichtig sei. In rechtlicher Hinsicht würdigte das Berufungsgericht den Sachverhalt dahin, dass die verhältnismäßig kurzen Aufenthalte des Felix H***** in der Wohnung seiner Mutter während seiner Engagements in Wien und zwischen den Engagements nicht ausreichen, um einen gemeinsamen Haushalt mit der Mutter anzunehmen.

Die beklagte Partei und der Nebenintervenient fechten das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, erstere auch wegen Aktenwidrigkeit an und beantragen, es dahin abzuändern, dass das Ersturteil wiederhergestellt werde, oder es aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind nicht begründet.

Voraussetzung des gemeinsamen Haushaltes im Sinne des § 19 Abs 2 Z 11 MietenGes ist ein regelmäßiges Zusammenleben bei gemeinsamen Wohnen und Wirtschaften (MietSlg 3264, 4679 ua). Dazu ist in erster Linie erforderlich, dass diese Art des Zusammenlebens von einer gewissen Dauer ist und auf Dauer berechnet ist. Nur dann schaden kurze Unterbrechungen nicht. Im vorliegenden Fall war aber das Zusammenleben von vornherein niemals auf Dauer berechnet und konnte dies im Hinblick auf den Beruf des Felix H***** auch gar nicht sein. Es wiederholte sich vielmehr in höchst unregelmäßigen Zeitabständen, war nicht sehr häufig und nur stets von kurzer Dauer. Von einer Regelmäßigkeit kann daher nicht gesprochen werden. Felix H***** hat ferner auch vor Ergreifung seines Berufes niemals längere Zeit mit seiner Mutter im gemeinsamen Haushalt gelebt, sodass auch nicht gesagt werden kann, er habe von dort seinen Beruf angetreten und sei immer wieder „nach Hause" zurückgekehrt. Seine kurzen Aufenthalte tragen daher lediglich Besuchscharakter an sich. Gegen die Annahme, dass Felix H***** mit seiner Mutter einen gemeinsamen Haushalt führte, spricht ferner die lange Unterbrechung der an sich schon dürftigen Aufenthalte in der Zeit vom März 1955 bis Herbst 1956, die an sich ausgereicht hätte, um einen bis dahin bestandenen gemeinsamen Haushalt zur Auflösung zu bringen, und ferner der Umstand, dass Irene H***** seit Dezember 1956 bis zu ihrem Tod nicht mehr in der Wohnung wohnte, sodass ein faktisches Zusammenleben seit dieser Zeit überhaupt ausgeschlossen war. Diese beiden Umstände runden das Gesamtbild dahin ab, dass ein gemeinsamer Haushalt im Sinne des Gesetzes niemals begründet worden ist. Im gleichen Sinne erging in letztere Zeit die Entscheidung 5 Ob 414/59, der ein ähnlicher Sachverhalt zu Grunde lag.

Da also ein gemeinsamer Haushalt in dem oben definierten Sinne niemals begründet wurde, konnte er durch die Abwesenheiten nicht unterbrochen werden. Im Hinblick auf die Revisionsausführungen sei jedoch bemerkt, dass die für den Kündigungsgrund des § 19 Abs 2 Z 13 MietGes geltenden Grundsätzen auf den vorliegenden Kündigungstatbestand nicht angewendet werden könnten, wie dies bereits in der Entscheidung MietSlg 1953 ausgeführt wurde. Der Umstand, dass Felix H***** keine andere Wohnung und in der aufgekündigten Wohnung seine Fahrnisse untergebracht hat, dass er die Wohnung beschaffte und den Zins zahlt, sind für die Frage des gemeinsamen Haushaltes nicht entscheidend. Dasselbe gilt von der Behauptung, er habe an diesem Ort seinen Wohnsitz im Sinne des § 66 JN. Der Begriff des Wohnsitzes ist von jenem des gemeinsamen Haushaltes völlig verschieden. Während für den ersten Begriff die Absicht wesentlich ist sind für den letzteren Begriff lediglich die faktischen Wohnverhältnisse maßgebend. Auf die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Aktenwidrigkeit war demnach als gegenstandslos nicht einzugehen.

Da bereits das Tatbestandsmerkmal des gemeinsamen Haushaltes mangelt, erübrigt sich eine Erörterung darüber, ob das zweite Tatbestandsmerkmal des dringenden Wohnungsbedürfnisses gegeben ist. Den Revisionen war demnach der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich bezüglich der beklagten Partei auf die §§ 41, 50, bezüglich des Nebenintervenienten auf die §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E81572 1Ob120.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0010OB00120.6.0428.000

Dokumentnummer

JJT_19600428_OGH0002_0010OB00120_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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