TE OGH 1960/5/4 1Ob66/60

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Veröffentlicht am 04.05.1960
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Zweiten Präsidenten Dr. Fellner als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schuster, Dr. Stanzl, Dr. Zierer und Dr. Bauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Leopold H*****, Angestellter der A*****-Versicherung, *****, vertreten durch Dr. Josef Riz, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Franziska H*****, geb. F*****, Hausfrau in *****, vertreten durch Dr. Rudolf Frauwallner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ehescheidung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 2. Dezember 1959, GZ R 416/59-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 2. Oktober 1959, GZ 9 Cg 562/58-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 442 S 05 g bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 22. 10. 1900 geborene Kläger und die am 20. 2. 1910 geborene Beklagte haben am 3. 7. 1934 geheiratet. Der Ehe entstammt die nach Angabe des Klägers am 30. 4. 1940 geborene Tochter Hildegard. Das Erstgericht hat das auf § 55 EheG gestützte Scheidungsbegehren des Klägers, dem die Beklagte widersprochen hat, abgewiesen. Es stellte fest:

Die Parteien haben bis zum Jahre 1943 in Böhmen trotz schwieriger Verhältnisse eine gute Ehe geführt. Nach dem Kriege verschlug es den Kläger nach Österreich, die Beklagte nach Deutschland. Der Kläger stand jedoch mit der Beklagten in zum Teil herzlichem Briefwechsel, hat allerdings mit dem Brief vom 5. 8. 1953 einen Besuch der Beklagten als untunlich hingestellt, aber auch später und noch im Jahr 1955 durch Kartengrüße die Verbindung aufrecht erhalten. Erst mit dem Brief vom 28. 9. 1955 erklärte er der Beklagten, er habe das "Vagantenleben" gewählt, er sei heute hier und morgen dort, er gebe nun die Beklagte frei. Seine 1956 zu 9 Cg 174/56 des Erstgerichts erhobene Ehescheidungsklage wurde wegen einer damaligen tschechoslowakischen Staatsangehörigkeit zurückgewiesen. Der Kläger lebte jahrelang in ärmlichen Verhältnissen und war teilweise sogar auf Unterstützung seines selbst vermögenslosen Bruders Friedrich H***** angewiesen. Seit rund 1 1/2 Jahren verdient der Kläger jedoch als Versicherungsvertreter monatlich 1.000,-- S und dazu die Provisionen. Nach seiner Darstellung sind es nicht die Beziehungen zu anderen Frauen, welche ihn die Scheidung anstreben lassen, sondern der Wunsch, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erwerben und so als "Kopf" einer für alternde Menschen gegründeten Gemeinschaft bleiben zu können; nach Deutschland zu gehen, beabsichtige er keinesfalls.

Die beklagte Partei lebt in dürftigen Verhältnissen und hat außer einer Unterhaltshilfe von monatlich 120,-- DM kein weiteres Einkommen, zumal sie nach der ärztlichen Bescheinigung vom 10. 3. 1959 so leidend ist, dass sie als erwerbsunfähig gelten muss. Es besteht kein Grund daran zu zweifeln, dass die Bekundungen der Beklagten durchaus richtig sind, wonach sie dem Kläger immer die eheliche Treue gehalten hat und auch jetzt noch bereit ist, die Ehe mit dem Kläger fortzusetzen, sei es in Deutschland, sei es in Österreich. Die Beklagte hatte sich schon im Februar 1949 bemüht, für den Kläger die Einreise nach Deutschland zu erreichen, doch lehnte dieser ab.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht die Streitsache dahin, dass der Kläger die Zerrüttung der Ehe verschuldet habe, weil er sich grundlos von der pflichtgetreuen Gattin gelöst habe. Der Widerspruch der Beklagten sei beachtlich.

Die Berufung des Klägers blieb erfolglos.

In seiner Revision macht der Kläger unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abzuändern, dass die Ehe geschieden werde.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Wenn der Kläger in seiner Revision vorträgt, er habe nach dem Krieg und als Flüchtling nur schwer und nur schlechte Arbeit finden und nicht wieder Boden fassen können, so ist dies bedauerlich, kann aber für sich allein keinen Grund zur Auflösung der ehelichen Gemeinschaft geben. Dies um so weniger, als im vorliegenden Fall feststeht, dass die Ehegatten bis zum Jahre 1943 trotz schwieriger Verhältnisse eine gute Ehe geführt haben, so dass mit Recht hätte erwartet werden können, dass dies auch nach dem Krieg wieder gelingen werde, wenn der Kläger ernstlich gewollt hätte.

Selbst wenn eingeräumt wird, dass sich der Kläger aus der Gefangenschaft nach Österreich hat entlassen lassen müssen, so hätte das nicht gehindert, dass er sich alsbald nachdrücklich bemühte, seine Familie wieder zu finden. Dass er erst nach zehn Jahren erfahren habe, dass seine Frau und seine Tochter leben, ist aktenwidrig, weil feststeht, dass sich die Beklagte schon im Februar 1949 bemüht hatte, für den Kläger die Einreise nach Deutschland zu erreichen, was dieser jedoch ablehnte.

Die Auffassung, dass dem Kläger die Fortsetzung der Ehe wegen seiner schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zugemutet werden könne, ist unrichtig. Ihr ist schon oben entgegengetreten worden. Dass der Beklagten deswegen ein Verschulden anzulasten sei, weil sie abgelehnt habe, dass der Kläger in der Schweiz eine Stellung annehme, die er gemeinsam mit seiner "Frau im Arbeitskreis abwechselnd beziehen hätte können", geht nicht an. Dieses Vorbringen ist viel zu unbestimmt, als dass sich beurteilen ließe, ob dies ein für die Beklagte zumutbarer Vorschlag gewesen ist.

Darauf, ob die Beklagte unterhaltsbedürftig ist, kommt es nicht an. Entscheidend ist nur, dass der Kläger die Zerrüttung der Ehe allein verschuldet hat, dass daher der Widerspruch der Beklagten gegen die Scheidung gemäß dem Gesetz (§ 55 EheG) beachtet werden muss. Dafür, dass der Widerspruch sittlich nicht gerechtfertigt wäre, ist auch nicht der Schein einer Begründung zu erkennen.

Wenn der Kläger abschließend meint, es zeige sich hier, dass "das Flüchtlingselend wohl internationale Anerkennung und Unterstützung findet, aber in den wirklichen Lebensproblemen, wie sie hier zur Diskussion stehen, wenig Beachtung gefunden hat", so geht dies am Kern der Sache vorbei. Auch Flüchtlingselend darf nicht dazu führen, dass entgegen dem Willen der Frau, die bereit ist, das Schicksal des Mannes zu teilen, auf dessen Wunsch die Ehe geschieden werde. Der Revision des Klägers war daher keine Folge zu geben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E75247 1Ob66.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0010OB00066.6.0504.000

Dokumentnummer

JJT_19600504_OGH0002_0010OB00066_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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