Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Ersten Präsidenten Dr. Heller als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dinnebier, Dr. Machek, Dr. Berger und Dr. Überreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Theodor L*****, Nachfolger OHG, Kraftfahrzeughandlung, *****, vertreten durch Dr. Kurt Eichinger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Georg B*****, 2.) Josef B*****, beide Kraftfahrzeughändler, *****, vertreten durch Dr. Franz Nitsche, Rechtsanwalt in Wien, wegen 20.001,20 S sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 25. Jänner 1960, GZ 6 R 10/60-77, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 31. Oktober 1959, GZ 18 Cg 375/57-70, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 870,08 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Zwangsfolge zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Folgender Sachverhalt ist festgestellt:
Der deutsche Staatsangehörige Alfred H***** kaufte am 1. 7. 1957 von der klagenden Partei einen gebrauchten PKW, Marke Goliath, um 3.600 DM gegen Eigentumsvorbehalt. Er gab eine Anzahlung von 1.000 DM, der Rest war in Raten zu begleichen, wofür Wechsel gegeben wurden. Die klagende Partei ließ eine auf den Namen des Käufers lautende Zulassungskarte ausstellen, behielt jedoch den Kraftfahrzeugbrief zurück. Der Käufer leistete außer der Anzahlung keine weiteren Zahlungen. H***** fuhr ohne Wissen der klagenden Partei nach Österreich. Er hatte bei Purkersdorf einen Unfall. Die Reparaturkosten beliefen sich auf 1.747,49 S. Da er diese Kosten nicht bezahlen konnte, bot er den Wagen unter Verschweigung des Eigentumsvorbehaltes den beiden Beklagten um 14.000 S zum Kauf an. Die Beklagten führten auf dem Autostandplatz des Autohändlers F***** damals ohne Gewerbeberechtigung Gelegenheitsgeschäfte mit Autos durch. Die Beklagten bezeichneten den Kaufpreis im Hinblick auf den fehlenden Kraftfahrzeugbrief als unmöglich, worauf es zu keinem Kaufabschluss kam. Am nächsten Tag einigten sich H***** und die beiden Beklagten auf einen Kaufpreis von 4.000 S. H***** übergab mit dem Wagen die deutsche Zulassungskarte, Triptyk und Steuerkarte. Das Fehlen des Kraftfahrzeugbriefes erklärte er damit, dass er aus politischen Gründen aus Deutschland geflohen sei. Die spätere Beibringung des Typenscheines hat er nicht in Aussicht gestellt. H***** reute einige Tage später dieses Geschäft und er wollte den Verkauf rückgängig machen. Die Beklagten hatten inzwischen den Wagen bereits an Roman G***** verkauft. Die Beklagten erklärten H*****, der Wagen sei ins Ausland verkauft worden, der Verkauf könne nicht mehr rückgängig gemacht werden. Als H***** mit der polizeilichen Anzeige wegen bedenklichen Ankaufes drohte, zahlten die Beklagten noch 2.000 S auf, womit H***** einverstanden war. G***** verkaufte den Wagen in Österreich weiter, bis der Wagen schließlich über einen befugten Gewerbsmann an einen gutgläubigen Erwerber kam, der dafür im Mai 1958 22.000 S bezahlte. Im Sommer 1957 wurde in Deutschland für einen derartigen Wagen 2.625 - 3.200 DM bezahlt. Durch den Unfall erlitt der Wagen eine Wertverminderung von 400 DM. In Österreich wurde für einen solchen Wagen damals etwa 22.500 S bezahlt. Der Erstbeklagte und Roman G***** wurden wegen Übertretung nach § 477 StG rechtskräftig verurteilt. Der Zweitbeklagte wurde freigesprochen. Die Klägerin begehrt von den beiden Beklagten und Roman G***** zur ungeteilten Hand einen Betrag von 20.001,20 S, und zwar an restlichem Kaufpreis 2.600 DM di 16.120 S, an Finanzierungsspesen für eingelöste Wechsel 176 DM, di 1.091,20 S sowie für Nachforschungskosten 450 DM, di 2.790 S, aus dem Titel des Schadenersatzes. Die beiden Beklagten wenden hinsichtlich der Nachforschungskosten Unzulässigkeit des Rechtsweges ein. Der Zweitbeklagte bestreitet die Passivlegitimation. Im Übrigen bestreiten sie beide jedes Verschulden. Hätte die Klägerin in dem Zulassungsschein einen Sperrvermerk anbringen lassen, wäre es zu diesem Kauf nicht gekommen. Der Wert des Wagens sei um die Reparaturkosten erhöht worden. Diese werden daher als Gegenforderung eingewendet.
Dem Klagebegehren gegen Roman G***** wurde mit Versäumungsurteil bereits rechtskräftig vollinhaltlich stattgegeben.
Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges. Es verpflichtete die beiden Beklagten zur ungeteilten Hand mit G***** zur Zahlung von 13.802,73 S und wies das Mehrbegehren ab. Die beiden Beklagten haben gemeinsam einverständlich und widerrechtlich gehandelt. Sie haften für den eingetretenen Schaden gemäß § 1301 ABGB solidarisch. Sie haben der Klägerin den Schaden zu ersetzen, dass sie den noch ihr gehörenden, aber durch die Beschädigung im Wert verminderten Wagen als Befriedigungsobjekt nicht wieder erlangen konnte. Das sei jener Betrag, den die Klägerin in Deutschland zur Erlangung eines gleichartigen Wagens hätte aufwenden müssen, keineswegs aber mehr als der aushaftende Restkaufpreis. Ein gleichartiger Wagen hätte 2.625 DM gekostet. Der Wert verminderte sich durch die Beschädigung um 400 DM. Der Beschaffungspreis habe daher 2.225 DM betragen. Das seien nach dem unbestrittenen Umrechnungsschüssel 13.802,73 S. Wechselspesen und Nachforschungskosten betreffen ausschließlich H*****, für diese haften die Beklagten nicht.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien nicht Folge. Die Beklagten hatten auch die Verwerfung der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges bekämpft. Diesbezüglich führt das Berufungsgericht aus, es brauche darauf nicht einzugehen, weil den Beklagten wegen der Abweisung des bezüglichen Begehrens ein Rechtsschutzinteresse nicht zukomme.
Gegen dieses Urteil erheben die beiden Beklagten allein Revision, machen als Revisionsgründe § 503 Z 2 und 4 ZPO geltend und beantragen, das Klagebegehren ganz oder teilweise - ohne anzugeben, in welcher Höhe - abzuweisen oder das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an die Untergerichte zurückzuverweisen.
Rechtliche Beurteilung
Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens wird geltend gemacht, dass kein Sachverständigengutachten darüber eingeholt worden sei, welche Papiere bei Übertragung des Kraftfahrzeuges notwendig, ob Verkäufe ohne Typenschein möglich und handelsüblich seien und darüber, ob es Sache der Klägerin gewesen wäre, einen Sperrvermerk auf dem Kraftfahrzeugschein anbringen zu lassen. Damit werden im Wesentlichen Feststellungsmängel gerügt, über welche bei Behandlung der Rechtsrüge zu sprechen sein wird. Als weiterer Mangel wird geltend gemacht, dass die Untergerichte über die Kompensationseinrede nicht entschieden haben. Es ist nun richtig, dass im Spruch eine Entscheidung hierüber nicht erfolgte. Es ist den Urteilsgründen aber zu entnehmen, dass die Untergerichte eine solche Forderung als nicht bestehend angesehen, auch wenn sie darüber nicht ausdrücklich abgesprochen haben. Das Vorbringen der Beklagten ist auch keineswegs schlüssig. Sie haben gar nicht behauptet, dass diese Werterhöhung der Klägerin zugekommen wäre, was aber Voraussetzung für eine Forderung gegen die Klägerin wäre. Eine solche Behauptung war auch gar nicht möglich. Im Zeitpunkt des Aufwandes für die Reparaturkosten war der Wagen bereits der Klägerin durch die Beklagten entzogen. Ist durch die Zahlung der Reparaturkosten eine Werterhöhung eingetreten, so haben den Nutzen daraus doch nur die Beklagten gezogen, die den Wagen mit dieser Werterhöhung weiterverkauft haben. Ein Mangel liegt daher nicht vor. In der Rechtsrüge führen die Beklagten aus, das Berufungsgericht habe zu Unrecht das Rechtsschutzinteresse hinsichtlich der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges verneint. Diesbezüglich ist aber darauf zu verweisen, dass das Begehren auf Zahlung der Nachforschungskosten, hinsichtlich deren die Einrede erhoben wurde, rechtskräftig abgewiesen ist. Im Hinblick auf die Rechtskraft der Entscheidung kann eine Prüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht mehr vorgenommen werden.
Weiter wird ausgeführt, der Zweitbeklagte könne nach den getroffenen Feststellungen nicht als Mittäter angesehen werden; ihm mangle daher die Passivlegitimation. Die Beklagten hätten auch in der ersten Instanz ein Mitverschulden der Klägerin eingewendet, wenn sie ausgeführt haben, die Klägerin wäre verpflichtet gewesen, einen Sperrvermerk auf dem Zulassungsschein anbringen zu lassen. Es sei auch keineswegs irrelevant, ob in Österreich der Verkauf von Fahrzeugen ohne Typenschein möglich und üblich sei. Diesbezüglich ist nun auf die getroffenen Feststellungen zu verweisen, dass beide Beklagte gemeinsam im Einverständnis als Käufer aufgetreten sind, dass sie beide gemeinsam den Wagen gekauft und wieder verkauft haben. Die beiden Beklagten haben daher im gemeinsamen Handeln den Schaden herbeigeführt und haften hiefür ohne Rücksicht darauf, ob sie strafrechtlich verurteilt wurden oder nicht. Sie haben den Wagen ohne Typenschein gekauft. Dass solche Verkäufe ohne Typenschein nicht üblich sind und dies den Beklagten beim Ankauf auch klar war, ergibt sich schon daraus, dass sie wegen des Fehlens des Typenscheines den Preis von 14.000 S, der ohnehin nur noch zwei Drittel des wahren Wertes des Wagens in diesem Zeitpunkt betrug, als unmöglich bezeichneten. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass Zulassungsschein und Triptyk nicht hinreichen, um die Rechtmäßigkeit des Besitzes des Vormannes nachzuweisen (ZVR 1958, Nr 204). Erhebungen über diese Frage waren entbehrlich. Als Grund für das Fehlen des Typenscheines wurde den Beklagten angegeben, H***** sei politischer Flüchtling. Hätten die Beklagten diese Ausrede nicht geglaubt, so mussten ihnen schon wegen der unrichtigen Auskunft Zweifel über die Rechtmäßigkeit des Besitzes des Vormannes kommen. Haben sie die Ausrede geglaubt, so musste ihnen klar sein, dass politische Flüchtlinge in der Wahl der Mittel zu ihrer Flucht möglicherweise bedenkenlos vorgehen; schon aus diesem Grund musste ihnen der Kauf bedenklich erscheinen. Wird schließlich berücksichtigt, dass sie einen Wagen, der selbst unter Berücksichtigung der Wertverminderung durch den Unfall rund 20.000 S wert war, um 4.000 S kauften, so haben sie mindestens mit einer außerordentlichen und auffallenden Sorglosigkeit gehandelt. Sie können sich auch nicht dadurch von ihrer Haftung befreien, dass auf dem Zulassungsschein kein "Sperrvermerk" war. Solche Sperrvermerke sind gesetzlich nicht vorgesehen. Bei Kreditkäufen vermerken die Zulassungsbehörden gelegentlich auf Antrag des Verkäufers auf dem Zulassungsschein, dass Benützungsberechtigter und Eigentümer nicht ident sind. Zu einem solchen Vermerk sind aber die Behörden in keiner Weise verpflichtet. Aus dem Fehlen eines solchen Vermerkes können somit die Käufer keinerlei Schlüsse ziehen. Die Beklagten sind gemäß § 368 ABGB als unredliche Besitzer anzusehen (GlUNF 2291). Sie sind verpflichtet, die Sache herauszugeben. Darüber hinaus sind sie gemäß § 335 ABGB verbunden, nicht nur alle durch den Besitz der Sache erlangten Vorteile zurückzustellen, sondern auch diejenigen, welche der Verkürzte erlangt hätte; sie haben allen durch den Besitz entstandenen Schaden zu ersetzen. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin ihren Anspruch unter Berücksichtigung der von H***** bezahlten 1.000 DM mit der Höhe des Restkaufpreises begnügt. Es kann daher nie mehr als dieser Restkaufpreis zugesprochen werden. Es braucht deshalb nicht untersucht zu werden, ob der Klägerin ein höherer Betrag zustünde, es kann aber auch nicht der von H***** bezahlte Betrag der Klägerin neuerlich in Rechnung gestellt werden. Was nun die Höhe des Schadens anlangt, so haben die Beklagten auch in der Revision den vom Erstrichter angewendeten Umrechnungsschlüssel nicht bekämpft. Da der Klägerin nur die Kosten der Wiederbeschaffung des Wagens in Deutschland im Zeitpunkt der Entziehung zugesprochen wurden und auch hier nur der niedrigste Betrag angenommen wurde, dieses Urteil von der Klägerin nicht mehr angefochten wird, braucht nicht untersucht zu werden, ob der Wert in Deutschland oder der höhere Wert in Österreich maßgebend war. Die durch H***** herbeigeführte Wertminderung wurde den Beklagten ohnehin nicht angelastet.
Soweit die Beklagten die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes bekämpfen, ist das Rechtsmittel unzulässig. Auf diese Ausführungen ist nicht einzugehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E76128 3Ob166.60European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1960:0030OB00166.6.0509.000Dokumentnummer
JJT_19600509_OGH0002_0030OB00166_6000000_000