TE OGH 1960/5/9 3Ob176/60

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Veröffentlicht am 09.05.1960
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Ersten Präsidenten Dr. Heller als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dinnebier, Dr. Liedermann, Dr. Machek und Dr. Berger als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien Franz und Marie B*****, Schuhmachersehegatten in *****, vertreten durch Dr. Franz Drabek, Rechtsanwalt in Hollabrunn, wider die beklagten Parteien Johann und Anna D*****, Landwirtsehegatten in *****, vertreten durch Dr. Wilhelm Ortmayr, Rechtsanwalt in Hollabrunn, wegen Unterlassung (Streitwert S 3.000,--), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Berufungsgerichtes vom 8. April 1959, GZ R 27/59-12, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Hollabrunn vom 16. Dezember 1958, GZ C 162/58-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kläger sind schuldig, den Beklagten die mit S 568,56 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind unstreitig seit 1942 je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 686 KG O***** mit Wohnhaus Nr 8. Die Beklagten sind seit 1957 je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 9 KG O***** mit Wohnhaus Nr 9. Zwischen beiden Liegenschaften liegt das langgestreckte schmale Grundstück Nr 13 Einfahrt, das bücherlich zur Liegenschaft der Kläger gehört.

Der Erstrichter hat der Klage, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, das Abmähen und Entfernen von Gras und Goldruten von dem den Klägern gehörigen, im Grundbuch O***** EZ 686 eingetragenen Grundstück Nr 13 Einfahrt, entlang des Wohnhauses O***** Nr 9 und der daran anschließenden Ladenwand, zu unterlassen, stattgegeben. Das Berufungsgericht hat nach Beweiswiederholung durch Vornahme eines Lokalaugenscheines und Vernehmung der Zeugin Magdalena E***** die Klage abgewiesen.

Dagegen richtet sich die Revision der Kläger wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, unter Urteilsabänderung der Klage stattzugeben oder unter Urteilsaufhebung die Sache an die zweite Instanz zurückzuverweisen. Die Beklagten beantragen, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Das Berufungsgericht hat aufgrund der Ergebnisse des Lokalaugenscheines und der Zeugenaussage der Magdalena E***** ohne Verstoß gegen den aktenmäßigen Inhalt ihrer Aussage festgestellt, dass die Zeugin und ihr Ehegatte Anton E***** als Eigentümer der Liegenschaft EZ 9 KG O***** seit 1906 den strittigen, an ihre Liegenschaft angrenzenden Grenzstreifen des Grundstückes Nr 13 Einfahrt durch Abmähen von Gras, Brennesseln, Strauchwerk und Goldruten zum Schutz der eigenen Liegenschaft reinigten, ohne dass die Kläger und ihre Voreigentümer dies beanstandet hätten und ohne dass die Kläger oder ihre Voreigentümer um Erlaubnis gefragt worden wären. Dies sei so bis zum Jahre 1957 gehalten worden. Anton E*****, und als dieser nicht mehr in der Lage war, auch der Erstkläger haben zur besseren Begehung des auf dem Grundstück Nr 13 Einfahrt befindlichen Fußsteiges auch hölzerne Schwellen in den beiderseitigen Böschungen verankert. Die Goldruten auf dem strittigen Grenzstreifen gingen aus einem von der Liegenschaft EZ 9 stammenden Samen auf. Die Behauptung der Kläger, sie hätten die Goldruten am Lattenzaun der Beklagten gepflanzt, wurde nicht als erwiesen angenommen. Die Revision der Kläger führt richtig aus, dass der Erstrichter seine Feststellung, es habe Anton E*****, der Gatte der Zeugin Magdalena E*****, bei jeder Reinigung des strittigen Grenzstreifens den Erstkläger um Erlaubnis gefragt, unter Ablehnung der Zeugenaussage der Magdalena E***** auf die Parteiaussage des Erstklägers gestützt hat. Ebenso ist richtig, dass das Berufungsgericht die Parteienvernehmung nicht wiederholt und aufgrund der Aussage der neuerlich vernommenen Zeugin Magdalena E***** eine gegenteilige Feststellung getroffen hat. Gemäß § 371 Abs 2 ZPO kann die Parteienvernehmung nur dann angeordnet werden, wenn der Beweis der strittigen Tatsache nicht auf andere Weise erbracht wurde. Infolge dieses subsidiären Charakters der Parteienvernehmung gilt der Grundsatz, dass das Berufungsgericht bei Umwürdigung der Beweise alle vom Erstgericht aufgenommenen wesentlichen Beweismittel wiederholen muss, nicht für die Parteienvernehmung (SZ XXIV 176). Wenn das Berufungsgericht nach unmittelbarer Vernehmung der Zeugin Magdalena E***** und Vornahme eines Lokalaugenscheines den Beweis für die maßgebenden strittigen Tatsachen bereits als erbracht ansah und daher die Parteienvernehmung unterließ, handelt es sich um einen Akt der freien Beweiswürdigung, der im Revisionsverfahren nicht überprüfbar ist. Es liegt daher die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht vor.

Soweit die Kläger bei der Ausführung des Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung von dem in erster Instanz und nicht von dem in zweiter Instanz festgestellten Sachverhalt ausgehen, ist ihr Vorbringen unbeachtlich. Im Übrigen haben die Beklagten schon bei der ersten mündlichen Streitverhandlung vorgebracht, dass der strittige Grenzstreifen in ihrem ungestörten Besitz stehe, dass diese Besitzverhältnisse schon seit mehr als 30 Jahren herrschen und dass weder den Beklagten noch ihren Besitzvorgängern vor dem Prozess das Recht zur Vornahme der strittigen Besitzhandlungen streitig gemacht worden sei. Da mit den Besitzvorgängern nur die Vorgänger im Eigentumsrecht gemeint sein können, muss angenommen werden, dass sich dieses ganze Vorbringen der Beklagten auf das Eigentumsrecht und nicht auf den bloßen Besitz im juristischen Sinn bezieht. Zutreffend konnte daher das Berufungsgericht ausführen, dass sich die Beklagten auf die Ersitzung des strittigen Grenzstreifens durch mehr als 30jährige Benützung seitens ihrer Rechtsvorgänger im guten Glauben darauf berufen, die Eigentümer dieses Grenzstreifens zu sein. Die weitere Feststellung des Berufungsgerichtes, dass die Ersitzung von den Besitzvorgängern der Beklagten schon in der Zeit vor dem Ankauf des klägerischen Anwesens im Jahre 1942 durch die Kläger vollendet wurde, dass die Kläger auch nach 1942 bis zum Jahre 1957 die Besitzhandlungen ihrer Grundnachbarn niemals angefochten bzw ihnen widersprochen haben, rechtfertigt den rechtlichen Schluss, dass das außerbücherliche Eigentum auf Seite der Besitzvorgänger und auf Seite der Beklagten auch in der Folge nicht verloren gegangen ist. Denn die Kläger haben nach den getroffenen Feststellungen durch viele Jahre die Besitzhandlungen ihrer Grundnachbarn an dem strittigen Grenzstreifen geduldet (§ 1500 ABGB, SZ XXVI 289).

Der Revision war daher keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E76130 3Ob176.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0030OB00176.6.0509.000

Dokumentnummer

JJT_19600509_OGH0002_0030OB00176_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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