TE OGH 1960/5/10 4Ob304/60

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Veröffentlicht am 10.05.1960
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Norm

Urheberrechtsgesetz §81
Urheberrechtsgesetz §86
Urheberrechtsgesetz §88

Kopf

SZ 33/53

Spruch

Nach § 31 des Gesamtvertrages zwischen der A. K. M. und dem Verband der Konzertlokalbesitzer und aller Veranstalter Österreichs trifft die Inhaber gastgewerblicher Betriebe für Eingriffe von Veranstaltungskomitees ohne Rechtspersönlichkeit bei Veranstaltungen in ihren Betrieben die gleiche Haftung wie nach § 86 UrhG. für Bedienstete und Beauftragte. Sie müssen sich ein solches Verhalten nach § 81 UrhG. zurechnen lassen.

"Ortsburschen" einer ländlichen Gemeinde, die in einem Gasthaus Tanzunterhaltungen veranstalten, sind keine Beauftragten des Wirtes im Sinne des § 81 Abs. 1 UrhG.

Entscheidung vom 10. Mai 1960, 4 Ob 304/60.

I. Instanz: Bezirksgericht Neusiedl am See; II. Instanz:

Landesgericht Eisenstadt.

Text

Die klagende Partei - die Staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger (A. K. M.), registrierte Genossenschaft m. b. H. - beantragte, den Beklagten schuldig zu erkennen,

a) die der klagenden Partei zur ausschließlichen Verwertung zustehenden Rechte nicht zu stören, insbesondere die öffentliche Aufführung geschützter Werke des Werkebestandes der klagenden Partei im Betrieb seines Gasthauses in W. durch Wiedergabe lebender oder mechanischer Musik durch wen oder auf welche Art immer zu unterlassen;

b) der klagenden Partei den Betrag von 515 S s. A. zu zahlen.

Zur Begründung dieser Begehren brachte die klagende Partei vor, der Beklagte sei Inhaber, des mit dem Standort in W. betriebenen Gemeindegasthauses. Als solcher habe er wiederholt bei musikalischen Veranstaltungen geschützte Werke der Tonkunst unbefugt, d. h. ohne die erforderlichen Aufführungsrechte von der klagenden Partei erworben zu haben, öffentlich aufführen lassen. Die klagende Partei sei daher genötigt gewesen, ihm mit Schreiben vom 15. November 1958 zu verbieten, künftighin wo, durch wen und auf welche Art immer auch nur ein einziges Werk aufführen zu lassen oder selbst aufzuführen, welches ihrem Werkebestand angehöre. Dennoch fahre der Beklagte fort, die von der klagenden Partei geschützten Urheberrechte unbefugt zu nutzen. So sei anläßlich einer am 10. Februar 1959 durchgeführten Musikkontrolle festgestellt worden, daß der Beklagte durch eine zehn Mann starke Musikkapelle im Rahmen einer Tanzunterhaltung in Anwesenheit von zirka achtzig Personen vier bestimmte Musikstücke unbefugt habe aufführen lassen. Das tarifmäßige Aufführungsentgelt hiefür betrage 432 S, wozu aus dem Titel des Schadenersatzes 83 S Kontrollkosten kämen.

Der Beklagte beantragte Abweisung der Klagebegehren, weil er am 10. Februar 1959 nur den Ortsburschen den Saal zur Verfügung gestellt und von der Veranstaltung gar nichts gewußt habe, da er krank im Spital gelegen sei. Wiederholungsgefahr sei nicht gegeben.

Die klagende Partei machte demgegenüber geltend, der Beklagte hafte auch gemäß § 31 des Gesamtvertrags zwischen ihr und dem Verband der Konzertlokalbesitzer, der auch auf den Beklagten anwendbar sei.

Das Erstgericht wies beide Begehren ab; das Zahlungsbegehren sei abzuweisen gewesen, weil die Tanzunterhaltung am 10. Februar 1959 nicht vom Beklagten veranstaltet worden sei. Das Unterlassungsbegehren sei unbegrundet, weil das Schreiben vom 15. November 1958 nicht ergebe, daß der Beklagte unbefugt Werke habe aufführen lassen. Die Veranstaltung vom 10. Februar 1959 habe er nicht zu vertreten. Die Ortsburschen seien nicht seine Bediensteten oder Beauftragten gewesen. § 31 des Gesamtvertrages berühre nicht § 81 UrhG. Es brauche nicht festgestellt zu werden, ob der Gesamtvertrag für den Beklagten gelte.

Die Berufung der klagenden Partei blieb erfolglos. Das Berufungsgericht bewertete den Streitgegenstand mit mehr als 10.000

S.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge, hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zuzustimmen ist allerdings den Untergerichten darin, daß die Ortsburschen nicht als Beauftragte des Beklagten (§§ 81, 88 UrhG.) angesehen werden können. Festgestelltermaßen kommt es oft vor, daß die Ortsburschen, und zwar jahrgangsweise, Tanzunterhaltungen veranstalten. Um eine solche Veranstaltung handelte es sich am 10. Februar 1959. Sie fand im Gemeindegasthaus statt. Diese Feststellungen ergeben - selbst bei weitherzigster Auslegung des Begriffes des Beauftragten - keinen Anhaltspunkt, um irgendeine rechtliche Beziehung zwischen dem Beklagten und den "Ortsburschen" annehmen zu können, auf Grund deren diese als Beauftragte des Beklagten angesehen werden könnten.

Dagegen kann der weiteren rechtlichen Beurteilung der Untergerichte nicht gefolgt werden.

Bei ordnungsgemäßem Vorgehen hat der Veranstalter, der natürlich auch Inhaber eines gastgewerblichen Unternehmens sein kann, hinsichtlich der von der klagenden Partei verwalteten Werke die Aufführungsbewilligung einzuholen. Dadurch kommt zwischen dem Veranstalter und der klagenden Partei ein Werknutzungsvertrag zustande. Diesen Weg hat der Veranstalter auch dann einzuhalten, wenn seine Bediensteten oder Beauftragten im Betrieb seines Unternehmens von der klagenden Partei verwaltete Werke aufführen sollen. Im Falle der unbefugten Werknutzung haftet der Veranstalter für das angemessene Entgelt (§ 86 UrhG.). Dieser Anspruch gegen ihn besteht auch dann, wenn der Eingriff im Betrieb seines Unternehmens von einem Beauftragten begangen wurde (§ 88 UrhG.). Ebenso ist der Unterlassungsanspruch in gleicher Weise ohne Rücksicht darauf gegeben, ob der Veranstalter selbst oder seine Bediensteten oder Beauftragten die Urheberrechtsverletzung begangen habe (§ 81 UrhG.).

Durch § 31 des Gesamtvertrags in der Fassung sämtlicher Zusatzübereinkommen einschließlich des Zusatzübereinkommens vom 3. März 1944 und vom 10. Dezember 1955 zwischen der A. K. M. und dem Verband der Konzertlokalbesitzer und aller Veranstalter Österreichs (KLBV.) wird "einverständlich festgestellt, daß in jenen Fällen, in denen sogenannte Veranstaltungskomitees ohne Rechtspersönlichkeit u. dgl. die Durchführung einer in einem gastgewerblichen Betrieb stattfindenden Veranstaltung bewerkstelligen, der Inhaber (Pächter) des gastgewerblichen Betriebes die Aufführungsbewilligung bei der A. K. M. zu erwerben hat". Damit ist als ordnungsgemäßer Weg bei Veranstaltungen durch Veranstaltungskomitees und dgl. ohne Rechtspersönlichkeit vereinbart, daß der Inhaber des gastgewerblichen Betriebs, in dem die Veranstaltung stattfindet, die Aufführungsbewilligung bei der klagenden Partei erwirbt, also mit ihr einen Werknutzungsvertrag schließt. Durch eine solche Vereinbarung wird dieser Fall jenem gleichgestellt, in dem der Veranstalter selbst oder seine Bediensteten oder Beauftragten die Werke aufführen wollen. Daraus, ergibt sich aber für den Fall der unbefugten Werknutzung, daß der Inhaber des gastgewerblichen Betriebes so, als ob sie von ihm selbst oder seinen Bediensteten oder Beauftragten begangen wäre, haftet, wenn die unbefugte Werknutzung bei einer von einem Veranstaltungskomitee ohne Rechtspersönlichkeit u. dgl. in seinem Betrieb durchgeführten Veranstaltung geschieht. Nur diese Auslegung ist sinnvoll. Es wäre ein Widerspruch in sich, auf der einen Seite sich zwar zum Abschluß des Werknutzungsvertrags in solchen Fällen zu verpflichten, auf der anderen Seite aber die gesetzlichen Folgen der unbefugten Werknutzung auszuschalten. Wenn das Berufungsgericht meint, der Betriebsinhaber, der es unterlassen habe, die Aufführungsbewilligung einzuholen, handle zwar vertragswidrig, "könne jedoch nur im Rahmen der vom Gesetz gebotenen Möglichkeiten (z. B. §§ 86 bis 88 UrhG.) und nicht bloß unter Berufung auf § 31 des Gesamtvertrages zum Ersatz des Aufführungsentgeltes herangezogen werden, weil die zitierte Vertragsbestimmung nur den Zweck verfolge, der A. K. M. gegenüber eine zahlungspflichtige Rechtspersönlichkeit zu fixieren", so ist dies nicht gut verständlich. Eine zahlungspflichtige Rechtspersönlichkeit zu fixieren, gegen sie aber keinen Anspruch zuzugestehen, kann nicht die Absicht der Parteien bei Abschluß des Gesamtvertrags gewesen sein.

Der Oberste Gerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, daß durch § 31 des Gesamtvertrags die Inhaber gastgewerblicher Betriebe die Haftung für Eingriffe bei von sogenannten Veranstaltungskomitees ohne Rechtspersönlichkeit u. dgl. in ihrem Betrieb bewerkstelligten Veranstaltungen in gleicher Weise übernommen haben, wie sie ihnen § 88 UrhG. für Bedienstete oder Beauftragte auferlegt. Daraus folgt weiter, daß in solchen Fällen der Inhaber des gastgewerblichen Betriebes sich solches Verhalten auch im Sinne des § 81 UrhG. zurechnen lassen muß. Es wäre unverständlich, den Unternehmer zwar für das angemessene Entgelt bei Eingriffen durch Veranstaltungskomitees u. dgl. in gleicher Weise wie bei eigenen Eingriffen sowie bei Eingriffen durch Bedienstete oder Beauftragte haften zu lassen, den Unterlassungsanspruch, der in paralleler Weise aufgebaut ist, aber anders zu behandeln.

Von dieser Rechtsauffassung ausgehend, ist die Frage von entscheidender Bedeutung, ob der erwähnte Gesamtvertrag auch für den Beklagten gilt. Dafür spricht das von der klagenden Partei in Abschrift vorgelegte Übereinkommen vom 15. Mai 1956. Da aber diese Frage und auch die weitere Frage, ob die Voraussetzungen des § 31 des Gesamtvertrages im konkreten Fall vorliegen, mit den Parteien nicht erörtert wurden und da auch ausreichende Feststellungen hiezu fehlen, ist das Verfahren der Untergerichte in wesentlichen Punkten mangelhaft geblieben.

Für den Fall, daß der Beklagte für die Tanzunterhaltung vom 10. Februar 1959 nicht in der erwogenen Weise verantwortlich sein sollte, bleibt die Frage zu prüfen, ob der Unterlassungsanspruch infolge vorausgegangener Eingriffe begrundet ist. Hierzu haben die Untergerichte in Auslegung des Schreibens vom 15. November 1958 gemeint, daß der Inhalt dieses Schreibens nicht die Annahme rechtfertige, der Beklagte habe bereits früher mehrfach Ausschließungsrechte verletzt. Dabei handelt es sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes nicht um eine Tatsachenfeststellung, sondern um die Auslegung einer Urkunde und damit um eine Frage der rechtlichen Beurteilung. Der Oberste Gerichtshof vermag auch dieser Rechtsansicht der Untergerichte nicht zu folgen. In dem Schreiben ist davon die Rede, daß der Beklagte "keinerlei Aufführungsrechte für die Nutzung der meiner Mandantschaft zum Schutz übertragenen Werke der Tonkunst" besitze. Das Schreiben läßt daher jedenfalls keinen verläßlichen rechtlichen Schluß in der Richtung zu, daß entgegen der Behauptung der klagenden Partei frühere unbefugte Eingriffe nicht stattgefunden hätten. In dieser Beziehung liegen daher Feststellungsmängel vor, so daß - sofern dieser Umstand noch entscheidungserheblich sein sollte - die Untergerichte unter Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Beweismittel gegebenenfalls feststellen werden müssen, ob die in dem Schreiben erwähnten Werknutzungen befugter- oder unbefugterweise geschehen sind.

Anmerkung

Z33053

Schlagworte

Gastwirt, Haftung für Urheberrechtseingriffe Ortsburschen, Haftung eines Gastwirtes für Urheberrechtseingriffe Urheberrechtseingriff, Haftung des Inhabers eines gastgewerblichen Betriebes Veranstaltungskomitee Haftung eines Gastwirtes für Urheberrechtseingriffe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0040OB00304.6.0510.000

Dokumentnummer

JJT_19600510_OGH0002_0040OB00304_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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