Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Zweiten Präsidenten Dr. Fellner als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schuster, Dr. Gitschthaler, Dr. Zierer und Dr. Bachofner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gilbert H*****, vertreten durch Dr. Hans Herzog, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dipl. Ing. Peter H*****, vertreten durch Dr. Hans Gürtler und Dr. Rolf Gürtler, Rechtsanwälte in Wien, wegen Zuhaltung eines Vertrages und Feststellung infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 17. März 1960, GZ 6 R 127/60-14, womit der Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 11. Februar 1960, GZ 40 Cg 292/59-11, abgeändert wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der erstgerichtliche Beschluss in seinen Aussprüchen Punkt 1.) und 2.) wieder hergestellt wird. Die Kosten der Tagsatzung vom 10. 2. 1960 werden gegeneinander aufgehoben.
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 231 S 02 g bestimmten Kosten des Kostenrekurses und die mit 1.976 S 61 g bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Begründung:
Zwischen den Streitteilen wurde am 14. 3. 1958 ein Vertrag geschlossen, wonach der Beklagte dem Kläger die Hälfte seiner Rechte an einem von ihm erfundenen Apparat und Verfahren zur Feststellung der Zusammensetzung der Erdschichten übertrug. Er verpflichtete sich, einen Musterapparat anzufertigen, ihn zu Vorführungszwecken nach Paris zu versenden und dort vorzuführen. Der Kläger erwirkte beim Bezirksgericht Hietzing eine einstweilige Verfügung, mit welcher dem Beklagten die Erzeugung und der Vertrieb des oben angeführten Apparates verboten wurde.
Mit der Behauptung, der Beklagte habe den Vertrag nicht eingehalten, begehrt der Kläger dessen Verurteilung, den Apparat vorzuführen, ihm sämtliche Unterlagen auszuhändigen und gemäß der einstweiligen Verfügung des Bezirksgerichtes Hiezing vom 14. 10. 1959, 6 C 944/59, die Erzeugung, den Vertrieb, die Veräußerung und das Inverkehrsetzen derartiger Apparate zu unterlassen.
In dem in französischer Sprache abgefassten Vertrag wurde eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen, von der zwei Übersetzungen vorliegen, die folgendermaßen lauten:
„Die Rechtsprechung wird ausdrücklich den zuständigen Gerichten des Departements Seine überlassen, vorbehaltlich Rekurs an ein eventuelles, nicht obligatorisches Schiedsgericht". „Es ist ausdrücklich die Gerichtsbarkeit der zuständigen Gerichte des Departments Seine vereinbart, ausgenommen wenn ein allgemeines Schiedsgericht angerufen wird, was aber nicht verpflichtend ist". Die Klage auf Zuhaltung des Vertrages und Feststellung wurde beim Gericht des Wohnsitzes des Beklagten eingebracht. Der Beklagte wendete örtliche und sachliche Unzuständigkeit ein. Er begründete die erste Einrede damit, dass der ausschließliche Gerichtsstand der zuständigen Gerichte des Departements Seine vereinbart worden sei. Das Erstgericht verwarf die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit, erkannte sich aber als sachlich unzuständig und überwies auf Antrag des Klägers die Rechtssache gemäß § 261 Abs 6 ZPO an das offenbar nicht unzuständige Handelsgericht Wien. Es legte weiter dem Kläger den Ersatz der der beklagten Partei für die Verrichtung der Tagsatzung zur Erörterung der Unzuständigkeitseinrede aufgelaufenen Kosten auf.
Das Rekursgericht wies auf Rekurs des Beklagten die Klage wegen Unzuständigkeit zurück und verwies den Rekurs des Klägers gegen den Kostenausspruch des Erstgerichtes auf diese Entscheidung. Es schloss aus dem Vorbehalt der Anrufung eines Schiedsgerichtes, dass im Übrigen der Gerichtsstand ein ausschließlicher sein sollte.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss erhobene, als Rekurs bezeichnete Revisionsrekurs des Klägers ist begründet.
Beizupflichten ist der Ansicht des Rekursgerichtes, dass aus der Gerichtsstandsvereinbarung die Absicht der Parteien hervorgeht, den Gerichtsstand als ausschließlichen festzusetzen. Die Vereinbarung eines ausländischen Gerichtes als ausschließlichen Gerichtsstand ist grundsätzlich zulässig (SZ XXVI/13). Die Vereinbarung kann aber im vorliegenden Fall deshalb nicht zur Anwendung gelangen, weil Urteile französischer Gerichte in Österreich nicht vollstreckbar sind, so dass der Kläger auch im Fall des Obsiegens beim ausländischen Gericht nicht die Möglichkeit hätte, sein Recht gegen den in Österreich wohnenden Beklagten durchzusetzen. In einem solchen Fall muss dem Kläger das Recht zugebilligt werden, den Beklagten ungeachtet der getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung bei dem Gericht seines Wohnsitzes zu belangen. Diese Notwendigkeit ergibt sich auch daraus, dass dann, wenn das Urteil des ausländischen Gerichtes im Inland der Vollstreckung nicht teilhaftig ist, die Klagserhebung beim ausländischen Gericht nicht zur Wahrung der in der einstweiligen Verfügung für die Klagserhebung bestimmten Frist ausreicht (SZ I/26). Aus diesen Erwägungen war die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit zu verwerfen und in Abänderung des angefochtenen Beschlusses der erstgerichtliche Beschluss in Punkt 1.) wiederherzustellen. Da infolge der Zurückweisung der Klage durch das Rekursgericht auch der Ausspruch des Erstgerichtes über die sachliche Unzuständigkeit beseitigt wurde, war auch dieser Ausspruch wiederherzustellen. Da ferner der Kostenausspruch des Erstgerichtes durch die Entscheidung des Rekursgerichtes gleichfalls beseitigt ist, war es erforderlich, über die Kosten des Zuständigkeitsstreites zu entscheiden, wobei auch auf die Kosten des vom Kläger erhobenen Kostenrekurses Bedacht zu nehmen war. Diesbezüglich ist folgendes auszuführen:
Die Kosten des Zuständigkeitsstreites waren gemäß § 43 Abs 1 ZPO gegeneinander aufzuheben. In der Tagsatzung vom 10. 2. 1960 wurde sowohl über die Einrede der örtlichen als auch über die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit verhandelt. Während der Kläger hinsichtlich der ersten Einrede obsiegte, unterlag er hinsichtlich der zweiten Einrede.
Der von ihm erhobenen Kostenrekurs hätte daher nur insofern Erfolg haben können, dass er von der Zahlung des ihm vom Erstgericht auferlegten Betrages von 1.288,14 S befreit worden wäre. Auf dieser Grundlage waren demnach die Kosten zu bemessen, welche 231,02 S betragen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E81573 1Ob131.60European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1960:0010OB00131.6.0511.000Dokumentnummer
JJT_19600511_OGH0002_0010OB00131_6000000_000