Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hohenecker als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gitschthaler und Dr. Stanzl sowie die Beisitzer Dr. Strießner und Dr. Kolmaty als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Klara M*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Rudolf Machacek, Rechtsanwalt in Wien IV., wider die beklagte Partei "M*****" S***** & Co, KG, *****, vertreten durch Dr. Johann Augusta, Rechtsanwalt in Ebreichsdorf, Niederösterreich, wegen 23.300 S samt Anhang, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 4. Jänner 1960, GZ 44 Cg 207/59-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 17. November 1959, GZ 7 Cr 143/59-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit 807 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin verlangt Abfertigung in der Höhe von neun Monatsbezügen sowie 9/12 der Weihnachtsremuneration und des Urlaubszuschusses abzüglich erhaltener 4.000 S im Gesamtbetrag von 23.300 S. Sie begründet ihren Anspruch damit, dass sie bei Ing. D***** am 1. 6. 1937 als kaufmännische Angestellte eingetreten sei. Die Firma Ing. D***** sei im Jahre 1950 in eine offene Handelsgesellschaft, 1953 in eine Gesellschaft m.b.H. und schließlich in die heutige Beklagte umgewandelt worden. Anlässlich dieser Firmenumwandlung sei niemals eine Kündigung erfolgt oder Abfertigung bezahlt worden. Es habe sich auch in der Tätigkeit der Klägerin nichts geändert. Das Dienstverhältnis sei durch Kündigung der beklagten Partei mit 30. 6. 1957 beendigt worden. Der Abfertigungsanspruch sei auch anerkannt worden.
Die beklagte Partei beantragt kostenpflichtige Abweisung des Klagebegehrens und wendet ein, das Dienstverhältnis der Klägerin bei der beklagten Partei habe erst am 1. 7. 1950 begonnen; sie könne die Abfertigung daher erst ab diesem Zeitpunkt begehren, da wegen Anrechnung des früheren Dienstverhältnisses nichts vereinbart worden sei. Wirksam anerkannt sei der Anspruch nicht worden. Überdies habe die Klägerin ihre Obliegenheiten derart fahrlässig durchgeführt, dass der Beklagten durch zu Unrecht ausbezahlte höhere Krankenentgelte ein Schade von 3.069,61 S entstanden sei. Dieser Betrag werde aufrechnungsweise eingewendet.
Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung des Klagsbetrags. Es stellte fest:
Die Klägerin war seit 1. 7. 1937 als kaufmännische Angestellte bei Ing. Oskar D*****, dem Schwiegervater des Komplementärs der beklagten Partei, beschäftigt. Ing. D***** hatte eine Eisengroßhandlung, die später aufgelöst wurde und eine gleichfalls auf seinen Namen lautende Firma, die sich hauptsächlich mit Vertretungen beschäftigte, und die Fabrik in S***** inne. Die Klägerin hat Dienste für alle Betriebe geleistet.
Die Klägerin wurde bei der im Jahre 1950 erfolgten Umwandlung der "***** Ing. Oskar D*****" in "M***** ***** Ges.m.b.H.", weder gekündigt nicht entlassen und wurde ihr seit 1. 7. 1937 andauerndes Dienstverhältnis stillschweigend bis zum Jahre 1957 fortgesetzt. Die Klägerin hat sogar nach Ablauf der Kündigungsfrist am 30. 6. 1957 über Wunsch des Komplementärs H***** bis etwa November 1957 noch weitere Dienste für die beklagte Partei geleistet, bestand jedoch auf ihren Abfertigungsansprüchen seit 1937 mit Ende der Kündigungszeit 30. 6. 1957.
Mit Schreiben der beklagten Partei vom 9. 3. 1957 hat diese auch solche Abfertigungsansprüche anerkannt und eine monatliche à Contozahlung von 1.000 S zugesichert.
Am 27. 6. 1957 hat die beklagte Partei neuerlich Abfertigungsansprüche der Klägerin seit 1937 im Betrage von 20.463,20 S anerkannt und die Ausstellung von zwei Rimessen über diesen Betrag zugesichert, jedoch nicht ausgestellt. Der Nachsatz zu diesem Schreiben, dass diese Anerkennung nur Gültigkeit habe "insoferne sie dem normalen Dienstverhältnis wie in diesem Fall bei Verbleib in der gleichen Firma entspreche" ist unverständlich. Der Parteienaussage des Komplementärs der beklagten Partei, H*****, er sei zu der Anerkennung der Abfertigungsansprüche der Klägerin gezwungen worden, kann kein Glauben geschenkt werden.
Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht rechtlich dahin, dass die Abfertigung für die Zeit seit 1937, also in Höhe von neun Monatsbezügen, gebühre.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es die Klagsforderung von 23.300 S zu Recht, die Gegenforderung von 3.069,62 S als nicht zu Recht bestehend erkannte und demgemäß ebenfalls die beklagte Partei zur Zahlung von 23.300 S verurteilte. Das Berufungsgericht hatte keine Bedenken gegen die Feststellungen des Erstgerichtes. Es stellte zusätzlich fest, dass die Klägerin den Urlaub in einem Ausmaß erhielt, der ihrer am 1. 7. 1937 begonnenen Dienstzeit entspricht und dass auch die angewendete Kündigungsfrist dieser Dauer des Dienstverhältnisses entsprechend ist. Ferner stellte es fest, dass der Zusatz auf dem Schreiben vom 27. 6. 1957 über Wunsch des Komplementärs Josef H***** erfolgte, dass er diesen deswegen machte, um sich eine Bekämpfung der klägerischen Ansprüche vorzubehalten, da er der Meinung war, dass er infolge Aufnahme dieses Nachsatzes keinerlei Verpflichtung eingehe. Von diesem, seinem inneren Vorbehalt hat er der Klägerin "wohlweislich" keine Mitteilung gemacht, obwohl er sich dessen bewusst war, dass er durch den Nachsatz das vorangegangene Schreiben völlig entwertete. Auch die Rechtsrüge der beklagten Partei erachtete das Berufungsgericht für unbegründet.
Die beklagte Partei bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes aus den Gründen des § 503 Z 2 bis 4 ZPO mit Revision. Sie beantragt, das "angefochtene Urteil werde aufgehoben und das Kalgebegehren kostenpflichtig abgewiesen".
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht begründet.
Die Klägerin ist 1937 in den Dienst des Ing. D***** eingetreten. Aus dessen Unternehmen entstand später eine Ges.m.b.H. und schließlich die nunmehr beklagte Partei. Die Klägerin hat vom 1. 7. 1937 an in allen Unternehmen die gleiche Arbeit geleistet, sie wurde nie gekündigt, es wurde ihr auch nie eine Abfertigung ausbezahlt, ihre Arbeitsstätte und ihr Arbeitsbereich sind durch die ganzen Jahre die gleichen geblieben. Aus diesem Sachverhalt ergibt sich schlüssig (§ 863/1 ABGB), dass das Dienstverhältnis mit der Klägerin jeweils unter den gleichen Bedingungen und unter Einrechnung der Vordienstzeiten fortgesetzt wurde. Hätte dies nicht der Fall sein sollen, so hätte von Seiten des jeweiligen bei Übernahme des Unternehmens, Dienstgebers jeweils ein entsprechender gegenteiliger Vorbehalt gemacht werden müssen (E. 28. 4. 1937, SZ XIX/145; 5. 2. 1952, 4 Ob 136/51, Arb 5361; 21. 4. 1959, 4 Ob 26/59, Arb 7031 = Soz. I A e, 335).
Dieses Ergebnis wird auch noch dadurch bestätigt, dass die beklagte Partei der Klägerin Urlaub gemäß einer Dienstzeit seit 1937 gewährt und dass sie auch gemäß dieser Dienstzeit gekündigt hat. Von dieser rechtlichen Beurteilung ausgehend bleibt zu den Ausführungen in der Revision nur noch folgendes zu bemerken:
Der Beweisantrag, bei der Gebietskrankenkasse darüber nachzufragen, ob die Klägerin bei Beginn der Tätigkeit der Ges.m.b.H. für diese Dienstgeberin neu gemeldet wurde, war unerheblich. Welche Auffassung die Ges.m.b.H. damals hinsichtlich der Fortsetzung oder Neubegründung des Dienstverhältnisses gegenüber der Gebietskrankenkasse vertreten hat, wenn solches überhaupt geschehen ist, ist unerheblich, weil nicht feststeht, dass die Ges.m.b.H. der Klägerin gegenüber irgendwie zum Ausdruck gebracht hätte, sie wolle das bestandene Dienstverhältnis nicht fortsetzen.
Wenn aus dem vorliegenden Handelsregisterauszug Aktenwidrigkeit bei Feststellung der Entwicklung von Einzelunternehmen des Ing. D***** zur jetzigen beklagten Partei abzuleiten versucht werden, so übersieht dabei die beklagte Partei, dass diese Entwicklung keineswegs nur auf Grund des Registerauszugs, sondern auch auf Grund anderer Beweismittel festgestellt wurde. Es liegen daher im Revisionsverfahren unüberprüfbare Fragen der Beweiswürdigung vor, auf die nicht einzugehen ist.
In rechtlicher Beziehung kommt es nicht darauf an, ob die Ges.m.b.H. die Rechtsnachfolgerin des Ing. D***** oder der damals bestandenen OHG war, sondern nur darauf, wie diese sich der Klägerin gegenüber verhalten hat. Dieses Verhalten ist aber bereits oben rechtlich gewürdigt worden. Deswegen, weil die Klägerin damals nicht mehr für Ing. D*****, sondern für die Ges.m.b.H. arbeitete, brauchte sie keineswegs entnehmen, dass diese in das Dienstverhältnis nicht eingetreten sei; sie hatte vielmehr - wie schon mehrfach hervorgehoben - allen Grund zur Annahme, dass das Dienstverhältnis unverändert unter Anrechnung der Vordienstzeiten fortgesetzt wurde. Abwegig ist der in der Revision unternommene Versuch, daraus, dass die Klägerin das Anerkenntnis vom 27. 6. 1957 zu erhalten trachtete, abzuleiten, dass sie sich bewusst gewesen sei, keine Ansprüche zu haben. Von den Tatsachenfeststellungen der Untergerichte entfernt sich die Revision in unzulässiger Weise, wenn in ihr ausgeführt wird, die Klägerin habe das Anerkenntnis "unter äußerst bedenklichen Umständen zu erlangen versucht". Im Übrigen braucht auf die Schreiben vom 9. 3. 1957 und 27. 6. 1957 nicht eingegangen zu werden, weil ohnedies der Anspruch der Klägerin auch ohne Anerkennung zu Recht besteht.
Der Revision war daher nicht Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E76806 4Ob56.60European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1960:0040OB00056.6.0517.000Dokumentnummer
JJT_19600517_OGH0002_0040OB00056_6000000_000