TE OGH 1960/6/1 3Ob117/60

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Veröffentlicht am 01.06.1960
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Ersten Präsidenten Dr. Heller als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dinnebier, Dr. Liedermann, Dr. Machek und Dr. Überreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien

1.) Dr. Franz M*****, Hofrat und Vizepräsident a.D. der B*****, 2.) Elsa H*****, Hausfrau in *****, vertreten durch Dr. Josef Riz, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Walter R*****, Kaufmann in *****, vertreten durch Dr. Otto Sarlay, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 12. Februar 1960, GZ 2 R 687/59-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 16. November 1959, GZ 12 C 2068/59-21, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Auf die Kosten des Revisionsverfahrens wird als weitere Verfahrenskosten Bedacht zu nehmen sein.

Text

Begründung:

Folgender Sachverhalt ist unbestritten:

Der Erstkläger ist Eigentümer des Hauses I*****, A***** 16, die Zweitklägerin ist Eigentümerin des Hauses I*****, A***** 18a. Der Beklagte betreibt auf seinem cirka 4.000 m2 großen in nordwestlicher Richtung oberhalb des Bahnhofes A***** liegenden Grundstück, auf dem ein Wirtschaftsgebäude mit Stall steht, eine Hühnerfarm. In dem Stall, der aus Parterre, erstem Stock und Dachraum besteht, sind in Steigen, eng zusammengepfercht, circa 3.500 Hühner untergebracht, die gemästet und von denen jeden Mittwoch circa 300 Stück in dem im Parterre gelegenen Schlachtraum geschlachtet werden. Die Kläger begehren unter Darstellung des unerträglichen Gestankes und der Schmeißfliegenplage das Urteil: a) es wird dem Beklagten untersagt, auf das Grundstück seiner Hühnerfarm die Abfälle und Innereien der geschlachteten Hühner und den Hühnermist frei abzustellen, und ihm aufgetragen, den frei und ungeschützten Hühnerdüngerhaufen zu entfernen; b) der Beklagte ist weiterhin verpflichtet, Vorsorge zu treffen, dass durch den Betrieb der Hühnerfarm keine Geruchsbelästigungen in Zukunft für die Nachbarn entstehen.

Das Erstgericht wies mit Urteil vom 19. 12. 1958 (ON 9) das Klagebegehren zu a) mit der Begründung ab, dass es mit Rücksicht auf die vom Beklagten nach Klagseinbringung getroffenen Maßnahmen bereits überholt sei, gab aber dem Klagebegehren zu Punkt b) statt. Die vom Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges wies es zurück. Obwohl dieses Urteil nur vom Beklagten wegen der Verurteilung zu Punkt b) angefochten wurde, hob das Berufungsgericht mit Beschluss vom 3. 4. 1959 (ON 15) nach dem Inhalt des Spruchs das Urteil zur Gänze auf. Es hielt eine Verfahrensergänzung für notwendig. Entscheidend werde hiebei die Feststellung bleiben, ob vom Grundstück des Beklagten noch weiterhin über das ortsübliche Ausmaß hinausgehende Immissionen ausgehen, wogegen es nicht darauf ankomme, ob und welche Verbesserungen mittlerweile vom Beklagten vorgenommen worden seien, denn es wäre ja möglich, dass schon allein das Halten von tausenden Hühnern auf engstem Raum an und für sich mit übermäßigen Immissionen unvermeidbar verbunden ist, besonders wenn die Nachbargrundstücke so nahe wie im vorliegenden Fall gelegen seien.

Das Erstgericht wies nach Verfahrensergänzung neuerlich die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück, wies das Klagebegehren zu Punkt a) neuerlich ab und gab dem Klagebegehren zu b) neuerlich statt. Es kann unberücksichtigt bleiben, dass die neuerliche Zurückweisung der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges durch das Erstgericht überflüssig war, da dieser Beschluss vom Berufungsgericht nicht aufgehoben worden war. Die neuerliche Abweisung des Klagebegehrens zu Punkt a) durch das Erstgericht ist wohl auf die Fassung des Aufhebungsbeschlusses durch das Berufungsgericht, mit dem das Urteil des Erstgerichtes schlechthin aufgehoben und nicht ausgesprochen wurde, dass die Abweisung des Klagebegehrens zu Punkt a) als nicht angefochten unberührt bleibt, zurückzuführen. Der Beschluss über die Zurückweisung der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges und das Urteil, soweit es das Klagebegehren zu a) neuerlich abwies, wurden nicht angefochten. Dagegen erhob der Beklagte gegen den stattgebenden Teil des Urteiles (Punkt b) des Klagebegehrens) neuerlich Berufung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, weil es nunmehr, offenbar im Gegensatz zur Rechtsansicht bei Fassung des Aufhebungsbeschlusses im ersten Rechtsgang, das Klagebegehren zu Punkt b) nicht für genügend bestimmt im Sinne des § 226 ZPO ansah. Es nahm daher auch zu den tatsächlichen Feststellungen, zur Beweiswürdigung und rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes nicht Stellung.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Parteien aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Ergebnis begründet.

Nach § 364 Abs 2 ABGB, der für die Beurteilung des Sachverhaltes maßgebend ist, kann der Eigentümer eines Grundstückes dem Nachbarn unter anderem die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Geruch insoweit untersagen, als sie das nach örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen. Es kann daher grundsätzlich die Unterlassung des Eingriffes durch Klage erzwungen werden. Da aber in vielen Fällen eine Untersagung der Einwirkung allein überhaupt nicht denkbar ist, nämlich dann, wenn diese Einwirkung an sich vom Willen des belangten Nachbarn unabhängig und nur die nicht vermeidbare Folge einer in anderer Richtung gehenden Handlungsweise ist, lässt die Rechtsprechung sogar ein Verbot der Quelle dieser Einwirkung zu (vgl 8 E des OGH vom 30. 1. 1958, 3 Ob 497/57). Wenn daher im vorliegenden Fall die Geruchsbelästigung der Kläger als Nachbarn des Beklagten, die ihre Ursache in der vom Beklagten betriebenen Hüherfarm hat, das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß trotz aller Vorkehrungen des Beklagten überschreitet und die ortsübliche Benutzung der Grundstücke der Kläger wesentlich beeinträchtigt, könnte dem Beklagten die Weiterführung der Hühnerfarm zumindest im bisherigen Umfang untersagt werden. Die Kläger begehren unter Punkt b) ihrer Klage nur, den Beklagten zu verpflichten, Vorsorge zu treffen, dass durch den Betrieb der Hüherfarm keine Geruchsbelästigungen in Zukunft für sie entstehen. Es ist zuzugeben, dass das Begehren in dieser Form unbestimmt ist. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass schon nach der Klagserzählung und nach dem ganzen Sachverhalt die Kläger erreichen wollen, dass dem Beklagten der Betrieb der Hühnerfarm auf seinem Grund nur insoweit untersagt wird, als er durch die damit verbundene übermäßige Geruchsbelästigung die Benutzung ihrer eigenen Grundstücke für Wohnzwecke wesentlich beeinträchtigt. In dem von den Klägern als Leistungsbegehren formulierten Klagebegehren b) ist daher als minus auch ein Unterlassungsbegehren enthalten. Das Erstgericht, aber auch das Berufungsgericht wären daher, falls das Vorliegen der Voraussetzungen des § 364 Abs 2 ABGB bejaht wird, berechtigt und verpflichtet gewesen, den Urteilsspruch in Form eines Untersagungs- oder Unterlassungsbegehrens zu fassen und das Mehrbegehren abzuweisen. Gegen eine das Klagebegehren nicht überschreitende, sondern einengende Fassung des Urteilsspruches bestehen im vorliegenden Fall keine Bedenken. Es ist nur notwendig, dass dadurch ein auch zur Exekutionsführung geeigneter Titel geschaffen wird. Sache des Beklagten wird es dann sein, entweder weitere innerbetriebliche Maßnahmen zur Vermeidung unzulässiger Geruchsbelästigungen der Nachbarn durch den Betrieb der Hühnerfarm, allenfalls auch durch weitgehende Einschränkung des Betriebes zu treffen. In welcher Weise er tatsächlich Abhilfe schafft, müsste ihm überlassen bleiben. Da das Berufungsgericht, von einer anderen Rechtsansicht ausgehend, eine sachliche Stellungnahme zu den tatsächlichen Feststellungen, zur Beweiswürdigung und zur rechtlichen Beurteilung unterließ, musste der Revision Folge gegeben, das Berufungsurteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E75756 3Ob117.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0030OB00117.6.0601.000

Dokumentnummer

JJT_19600601_OGH0002_0030OB00117_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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