TE OGH 1960/6/9 5Ob165/60 (5Ob166/60)

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Veröffentlicht am 09.06.1960
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Kisser als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Turba, Dr. Lachout, Dr. Hammer und Dr. Graus als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Raiffeisenkasse *****, registrierte Genossenschaft mit unbeschränkter Haftung in *****, vertreten durch Dr. Benedikt Lins, Rechtsanwalt in Lambach, wider die beklagte Partei Richard S*****, vertreten durch Dr. Sepp Aschauer, Rechtsanwalt in Linz, wegen 30.000 S samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei und der Rekurse beider Parteien gegen das Teilurteil und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 5. Februar 1960, GZ 1 R 6/60-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 23. November 1959, GZ 4 a Cg 254/59-11, teils abgeändert, teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung I. zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 588,56

S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss

gefasst:

Den Rekursen wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei unter Abstandnahme von dem gebrauchten Aufhebungsgrund aufgetragen.

Die Kosten der Rekurse werden gleich weiteren Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln sein.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei hat dem L***** Kaufmann Ludwig K***** mit Krediteinräumungsvertrag vom 1. 8. 1954 einen binnen einem Jahr zurückzahlbaren Kredit bis zum Höchstbetrag von 30.000 S unter der Voraussetzung bewilligt, daß der Kredit durch Bürgschaft gesichert wird. Mit der Verpflichtungserklärung vom 19. 8. 1954 hat der Beklagte für alle Verpflichtungen des Schuldners aus dem Krediteinräumungsvertrag einschließlich aller Nebenverbindlichkeiten, Zinsen und Kosten die Haftung als Bürge und Zahler ohne zeitliche Beschränkung übernommen und auf alle im § 1364 ABGB vorgesehenen, dem Bürgen gegen den Gläubiger zustehenden Regreßrechte verzichtet. Die Klägerin gibt schon in der Klage zu, daß der Schuldner nicht nur den bewilligten Kredit benützte, sondern ihn überzog und ihr schließlich am 10. 10. 1958, an welchem Tag der Konkurs über sein Vermögen eröffnet wurde, einen Betrag von 76.815 S schuldete. Am 1. 4. 1959 schloß der Gemeinschuldner mit seinen Gläubigern einen später vom Konkursgericht bestätigten Zwangsausgleich auf Zahlung von 25 % der Konkursforderungen ab, den er auch gegenüber der Klägerin erfüllte. Nach Abzug der erhaltenen Quote im Betrag von 19.203,75 S haftet von der Darlehensforderung der Klägerin noch ein Betrag von 57.611,25 S aus. Die Klägerin nimmt mit der Klage die Haftung des Beklagten als Bürgen und Zahler für den Betrag von 30.000 S samt 8 1/2 % Zinsen seit dem 1. 7. 1958 in Anspruch.

Der Beklagte hat aufrechnungsweise eine Gegenforderung in gleicher Höhe aus dem Titel des Schadenersatzes geltend gemacht. Er habe Ende 1955 auf eine mündliche Anfrage von einer Beamtin der Klägerin Hildegard H***** die Auskunft erhalten, die Kreditsache sei erledigt, weil sich ein anderer Bürge gefunden habe. Im Jahre 1957 habe diese Beamtin die Auskunft gelegentlich eines zufälligen Zusammentreffens auf der Straße wiederholt. Im Vertrauen auf diese Zusage habe er gegen den Schuldner keine Schritte unternommen. Er sei von der klagenden Partei von der Verlängerung und Überziehung des Kredites nicht verständigt worden. Dadurch sei ihm ein Schaden in der Höhe der Bürgschaftssumme entstanden, denn im Jahre 1955 und auch noch im Jahre 1957 hätte er die Möglichkeit gehabt, den Betrag beim Schuldner einbringlich zu machen.

Das Erstgericht erkannte, die eingeklagte Forderung bestehe zu Recht, die Gegenforderung nicht zu Recht, und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 30.000 S samt 8 1/2 % Zinsen seit dem 1. 7. 1958. Das Berufungsgericht wies die Klage hinsichtlich eines Teilbetrages von 7.500 S samt 8 1/2 % Zinsen seit dem 1. 7. 1958 ab und hob das Ersturteil hinsichtlich des Mehrbegehrens und der Gegenforderung mit Rechtskraftvorbehalt auf. Es gehe nicht an, die Zahlung der 25 %igen Quote so zu verrechnen, als ob sie sich nur auf den nicht verbürgten Teil der Schuld bezöge. Die Klägerin habe auch 25 % der verbürgten Schuld erhalten und könne daher vom Beklagten nicht mehr den vollen Betrag von 30.000 S, sondern nur 75 % davon, das sind 22.500 S, verlangen. Die Bürgschaft dürfe nicht weiter ausgedehnt werden, als sich der Bürge ausdrücklich erklärt hat. Dieser habe aber die Bürgschaft nur für 30.000 S, nicht aber für den überzogenen Teil des Kredites übernommen. Die Forderung der klagenden Partei bestehe daher nur mit 22.500 S zu Recht, das Mehrbegehren sei abzuweisen. Das Verfahren über die Gegenforderung sei noch nicht spruchreif. Sei die Beamtin im Geschäftslokal der klagenden Partei tätig gewesen und habe sie im Rahmen der durch den Bürgschaftsvertrag zwischen den Parteien hergestellten Geschäftsverbindung gehandelt, sei sie als Erfüllungsgehilfin nach § 1313a ABGB anzusehen. Die Klägerin sei nach der Natur der Sache dem Beklagten zur Auskunft verpflichtet gewesen, ob der Schuldner seinen Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin nachkomme. Habe die Beamtin dem Beklagten eine falsche Auskunft erteilt, habe die Klägerin dafür zu haften. Freilich setze eine solche Haftung auch den Nachweis eines Schadens voraus, doch hätte das Erstgericht den Beklagten zu einer Ergänzung seines diesbezüglichen Vorbringens zu veranlassen gehabt. Der Beklagte werde zu beweisen haben, daß er im Zeitpunkt der behaupteten unrichtigen Auskunft mit Erfolg gegen den Schuldner auf Sicherstellung hätte dringen können. Erst wenn der Sachverhalt in dieser Richtung geklärt ist, sei zur Frage eines Eigenverschuldens des Beklagten Stellung zu nehmen. Das Berufungsgericht trug dem Erstgericht auf, die zum erwähnten Sachverhalt geführten Zeugen zu vernehmen. Angefochten wird von der klagenden Partei die teilweise Abweisung der Klage mit Berufung auf § 503 Z 4 ZPO und von beiden Parteien der mit Rechtskraftvorbehalt gefaßte Aufhebungsbeschluß.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittel sind zulässig, aber nicht begründet. Was die Revision der Klägerin anlangt, ist davon auszugehen, daß die schließliche Konkursforderung aus zwei Teilen bestand, und zwar aus einem durch die Bürgschaft des Beklagten gesicherten Teil von 30.000 S und aus einem nicht durch Bürgschaft gesicherten Teil von 46.815 S. Die gezahlte 25 %ige Quote im Betrag von 19.203,75 S muß daher, da nichts anderes darüber vereinbart wurde und keiner der Fälle des § 1416 ABGB gegeben ist, verhältnismäßig auf die beiden Teile der Schuld verrechnet werden (vergl. GlU 9924, 5 Ob 35/58). Änderungen der Hauptschuld können in der Regel die Haftung des Bürgen nicht erweitern. Der Anspruch der Klägerin bestünde nur dann in der eingeklagten Höhe zu Recht, wenn der Beklagte für den vollen Betrag der auf 76.815 S angewachsenen Schuld Bürgschaft geleistet hätte (Ehrenzweig, System, 2. Aufl., 2/1, S. 112). Dies war jedoch nach dem klaren Wortlaut der Verpflichtungserklärung nicht der Fall. Die im Rekurs des Beklagten vertretene Meinung, die Teilzahlung müßte gemäß § 1416 ABGB auf den durch Bürgschaft gesicherten und daher lästigeren Teil der Schuld verrechnet werden (SZ XVI/23), trifft nicht zu, weil die Willensmeinung des Schuldners nicht zweifelhaft ist. Die 25 %ige Quote wurde in Erfüllung des Ausgleichs und daher auf Abschlag der ganzen Schuld gezahlt. Der Revision muß daher ein Erfolg versagt bleiben.

Dagegen sind die Rekurse gegen den Aufhebungsbeschluß berechtigt. Gewiß kann der mit der von Wolff (in Klang's, Kommentar zum ABGB2, VI. Band, S. 51) vertretenen Lehrmeinung und mit der Rechtsprechung (SZ XXVII/89, SZ XXX/60, 6 Ob 107/59) im Einklang stehenden Rechtsanschauung des Berufungsgerichtes, eine wissentlich unrichtige Auskunft könne einen Haftungsgrund nach § 1295 Abs 1 und 2 ABGB bilden, nicht entgegengetreten werden. Voraussetzung jedes Schadenersatzanspruches ist jedoch der Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem eingetretenen Schaden. Die österreichische Rechtsprechung folgt der Lehre vom adäquaten Kausalzusammenhang. Die Ursache muß generell geeignet sein, den Schaden nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge herbeizuführen (Ehrenzweig, aaO, 2/1, S. 42, Entscheidungen bei Kapfer, ABGB, 26. Aufl., § 1295 Nr. 31 bis 38). Der Beklagte behauptet, Ende 1955 eine Beamtin der klagenden Partei - bei welcher Gelegenheit wird nicht gesagt - über den Stand der Kreditangelegenheit gefragt und die Auskunft erhalten zu haben, die Kreditsache sei erledigt, weil sich ein anderer Bürge gefunden habe. Im Jahre 1957 habe ihm die Beamtin gelegentlich eines zufälligen Zusammentreffens auf der Straße gesprächsweise mitgeteilt, die Angelegenheit mit seiner Bürgschaft sei erledigt. Solche Auskünfte sind im allgemeinen nicht geeignet, den vom Beklagten behaupteten Schaden herbeizuführen. Ganz abgesehen davon, daß der Beklagte nicht behauptet, es habe sich um die für seine Kreditsache zuständige Beamtin der klagenden Partei gehandelt, die nach der Sachlage als Erfüllungsgehilfin angesehen werden könnte, geht aus den Auskünften weder hervor, das der Schuldner die Schuld bezahlt habe, noch daß der Beklagte aus seiner Bürgschaftshaftung entlassen worden sei. Dem Beklagten mußte klar sein, daß die Beamtin nicht berechtigt war, ihn namens der klagenden Partei aus der Bürgschaft zu entlassen. Solange den Beklagten nichts Näheres über die Person des anderen Bürgen bekannt wurde, konnte er nicht einmal annehmen, daß eine Erleichterung seiner Haftung eingetreten sei. Derart unbestimmte, zum Teil nur im privaten Gespräch auf der Straße erhaltenen Auskünfte haben im allgemeinen nicht die Eignung, einen vernünftigen Menschen von der Wahrung seiner Interessen abzuhalten. Sie können daher als adäquate Ursache, wegen der der Beklagte nicht rechtzeitig auf Sicherstellung durch den Schuldner drang, nicht in Betracht kommen. Auf welche Ursachen der Schaden des Beklagten tatsächlich zurückzuführen ist und wen daran ein Verschulden trifft, ist bei der vom Beklagten angegebenen Sachlage nicht mehr zu erörtern. Das Vorbringen des Beklagten ist nicht schlüssig und kann zur Begründung seines Anspruches nicht dienen. Die vom Berufungsgericht vermißten Beweisaufnahmen sind nicht erforderlich. Vielmehr war der Aufhebungsbeschluß zu beheben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50, 52 ZPO, jener über die Kosten der Rekurse auf den §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E76827 5Ob165.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0050OB00165.6.0609.000

Dokumentnummer

JJT_19600609_OGH0002_0050OB00165_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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