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61/01 Familienlastenausgleich;Norm
FamLAG 1967 §2 Abs1 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der TP in G, vertreten durch Chalupsky & Gumpoldsberger GmbH in 4600 Wels, WDZ III, Bauernstraße 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 28. Juli 2000, Zl. RV 820/1-8/2000, betreffend Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag für ihre am 25. April 1977 geborene Tochter Birgit hinsichtlich der Zeit ab Oktober 1999 im Instanzenzug abgewiesen. Gemäß § 2 Abs 1 lit h FLAG 1967 hätten Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die erheblich behindert seien, das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten und für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet würden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich sei. Aus der ärztlichen Stellungnahme des Bundessozialamtes ergebe sich (aufgrund einer Sehschwäche und einer Hauterkrankung) ein Behinderungsgrad des Kindes Birgit von 50 % (und damit die erhebliche Behinderung iSd zitierten Gesetzesstelle). Birgit sei vom Wintersemester 1995/96 bis einschließlich Wintersemester 1997/98 als ordentliche Studierende für die Studienrichtung Rechtswissenschaften (im Wintersemester 1997/98 zusätzlich Sozialwirtschaft) an der Universität Linz gemeldet gewesen. Im Sommersemester 1998 und vom Sommersemester 1999 bis einschließlich Sommersemester 2000 sei sie als ordentliche Studierende für die Studienrichtung Rechtswissenschaft an der Universität Wien gemeldet gewesen. Als letzte Prüfung habe sie am 4. März 1997 eine Diplom-Teilprüfung absolviert. Ab dem Wintersemester 1997/98 könne sohin nicht mehr von einem erkennbaren Bemühen um den Ausbildungserfolg (Berufsausbildung) gesprochen werden. Aus diesem Grund sei ein Anspruch auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe im Berufungszeitraum, das sei der Zeitraum von 1. Oktober 1999 bis 31. Jänner 2000, nicht gegeben.
Nachdem die Beschwerdeführerin verspätet Beschwerde gegen diesen Bescheid erhoben hatte, bewilligte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28. September 2004, 2004/14/0039, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Nunmehr hat der Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde erwogen:
Anspruch auf Familienbeihilfe haben gemäß § 2 Abs 1 lit h FLAG 1967 Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind nicht anzuwenden.
Im Beschwerdefall ist ausschließlich strittig, ob die Tochter der Beschwerdeführerin im Streitzeitraum iSd § 2 Abs 1 lit h FLAG "für einen Beruf ausgebildet" wurde. Die weiteren Tatbestandsmerkmale des zitierten Beihilfentatbestandes hat die belangte Behörde als gegeben angenommen.
In Auslegung des Beihilfentatbestandes nach § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 (außerhalb der Sonderbestimmungen dieses Tatbestandes betreffend Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen) hat der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsprechung entwickelt, dass ein ernstliches, zielstrebiges und nach außen erkennbares Bemühen um einen Ausbildungserfolg erforderlich sei, um von einer Berufsausbildung sprechen zu könne. Ein solches Bemühen manifestiere sich insbesondere im Antreten zu Prüfungen (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 21. Jänner 2004, 2003/13/0157). Zwar ist nicht der Prüfungserfolg ausschlaggebend; das Kind müsse aber durch Prüfungsantritte innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung zu erfüllen (vgl das hg Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, 94/15/0170).
Dieses Verständnis von Berufsausbildung ist grundsätzlich auch dem entsprechenden Tatbestandsmerkmal im Beihilfentatbestand nach § 2 Abs 1 lit h FLAG beizumessen, wobei allerdings zu beachten ist, dass dieser Tatbestand Kinder mit erheblicher Behinderung betrifft, und diesen Kindern im Hinblick auf die Behinderung ein ein der jeweiligen Behinderung gerecht werdender längerer Zeitraum für die Berufsausbildung zuzugestehen ist.
Zu § 2 Abs 1 lit b FLAG hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgesprochen, dass die Unterbrechung der Ausbildung durch der Natur der Dinge entsprechende Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich sei. Eine Unterbrechung der Ausbildung durch die Geburt eines Kindes sei für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich, wenn sie den Zeitraum von zwei Jahren nicht deutlich übersteige. Das gelte auch für Erkrankungen, welche die Berufsausbildung auf bloß begrenzte Zeit unterbrechen (vgl das hg Erkenntnis vom 20. Juni 2000, 98/15/0001). Auch diese Rechtsprechung hat auf den Tatbestand nach § 2 Abs 1 lit h FLAG entsprechende Anwendung zu finden.
Die Beschwerde bringt vor, die belangte Behörde habe bei den Universitäten Linz und Wien Erhebungen über die von der Tochter der Beschwerdeführerin absolvierten Prüfungen gepflogen. Der Beschwerdeführerin sei aber nicht die Möglichkeit der Stellungnahme zu den Ergebnissen der Ermittlungen eingeräumt worden. Sie habe daher nicht vorbringen können, dass ihre Tochter im Rahmen des Studiums der Rechtswissenschaft an der Universität Linz (nach den positiv abgelegen Prüfungen vom 23. Jänner 1996, 30. Jänner 1999 (gemeint: 1996), 1. März 1996, 15. April 1996, 27. September 1996, und 4. März 1997) auch am 16. Juni 1997 und am 14. November 1997 zu Prüfungen angetreten sei, wobei allerdings diese beiden Prüfungen nicht positiv beurteilt worden seien. Die Beschwerdeführerin habe weiters nicht vorbringen können, dass ihre Tochter für das Schuljahr 1998/99 das kaufmännische Kolleg einer konkret bezeichneten Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule in Wien besucht habe.
In der Gegenschrift der belangten Behörde wird ausgeführt, der Sachverhalt (Ermittlungsergebnis) sei bei mehreren Vorsprachen der Beschwerdeführerin erörtert worden, weshalb diese am 3. Juli 2000 erklärt habe, eine ärztliche Bestätigung beizubringen, wonach ihre Tochter nicht in der Lage gewesen sei, das Studium weiter zu betreiben.
Dieses Vorbringen der Gegenschrift findet im Verwaltungsakt nur insofern Deckung, als dieser eine Gesprächsnotiz vom 3. Juli 2000 enthält, welcher zufolge die Beschwerdeführerin aufgefordert worden ist, eine ärztliche Bestätigung vorzulegen, die belege, dass ihre Tochter nicht bzw nur erschwert studieren könne. Der dem Gerichtshof vorgelegte Verwaltungsakt lässt hingegen nicht erkennen, dass der Beschwerdeführerin - entgegen ihrem Vorbringen in der Beschwerde - hinsichtlich der behördlichen Erhebungen betreffend die Bemühungen der Tochter der Beschwerdeführerin um einen Ausbildungserfolg Parteiengehör gewährt worden wäre.
Der angefochtene Bescheid nimmt nicht auf die Behauptung Bedacht, dass die Tochter der Beschwerdeführerin im Schuljahr 1998/99 das kaufmännische Kolleg einer Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule besucht habe. Wenn in der Gegenschrift vorgetragen wird, bereits am 16. November 1998 sei die Abmeldung von Schulbesuch erfolgt, ist darauf zu verweisen, dass dieses - auch im angefochtenen Bescheid nicht erwähnte - Vorbringen im Verwaltungsakt keine Stütze findet.
Im Verwaltungsakt befindet sich eine ärztliche Bestätigung vom 13. Juli 2000, aus welcher sich ergibt, dass die Tochter der Beschwerdeführerin im Studienjahr 1999/2000 wegen depressiver Stimmungslage während und besonders nach der Schwangerschaft (in der Gegenschrift bestätigt die belangte Behörde den in der Beschwerde mit 15. Jänner 2000 angegebenen Geburtstermin) aus gesundheitlicher Sicht nicht in der Lage gewesen sei, ihrem Studium nachzukommen.
Bei der gegebenen Sachlage ist der von der Beschwerdeführerin aufgezeigte Verfahrensmangel als wesentlich zu beurteilen.
Erweist sich das in der Beschwerde enthaltene Vorbringen, dessen Erstattung im Verwaltungsverfahren unterblieben ist, weil Parteiengehör nicht gewährt worden ist, als richtig, so ergibt sich: Die Tochter der Beschwerdeführerin hat auch noch im Wintersemester 1997/98 durch das Antreten zu einer Prüfung an der Universität Linz ein nach außen erkennbares Bemühen um einen Ausbildungserfolg gesetzt. Im Sommersemester 1998 ist sie (unter Beibehaltung der Studienrichtung Rechtswissenschaft) an die Universität Wien gewechselt. Unter den gegebenen Umständen kann es noch nicht als ein Indiz gegen das Bemühen um einen Ausbildungserfolg angesehen werden, dass sie in diesem Semester (nach dem Wechseln der Universität) nicht zu Prüfungen angetreten ist. Im Schuljahr 1998/99 ist es sodann zum Besuch des kaufmännischen Kollegs an einer Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule gekommen, wobei keine Sachverhaltsfeststellungen vorliegen, dass die näheren Umstände dieses Schulbesuches nicht für das ernstliche Bemühen um einen Ausbildungserfolg sprächen. Im Wintersemester 1999/2000 ist sie bereits wieder an der Universität Wien für die Studienrichtung Rechtswissenschaft inskribiert. Wenn es auch in diesem Semester nicht zu einem Antreten zu Prüfungen gekommen ist, ist im gegebenen Zusammenhang von Bedeutung, dass selbst eine Unterbrechung der Ausbildung nicht zwingend zum Wegfall des Beihilfenanspruches führen: Der Natur der Dinge entsprechende Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges sind nämlich für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich, wobei zu den nicht schädlichen Unterbrechungen jene gehören, die auf die Geburt eines Kindes oder auf eine Krankheit zurückzuführen sind. Im Beschwerdefall liegt hinsichtlich des Wintersemesters 1999/2000 eine ärztliche Bestätigung vor, nach welcher die depressive Stimmungslage der Tochter der Beschwerdeführerin, die im Zusammenhang mit deren Schwangerschaft aufgetreten sei, in diesem Zeitraum dem erfolgreichen Betreiben des Studiums entgegengestanden sei.
Die - zur Abweisung des Beihilfenantrages führende - Sachverhaltsfeststellung der belangten Behörde, es gebe seit dem Wintersemester 1997/98 kein erkennbares Bemühen der Tochter der Beschwerdeführerin um einen Ausbildungserfolg, ist sohin unter Verletzung von Verfahrensvorschriften getroffen worden.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II 333/2003.
Wien, am 16. März 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004140114.X00Im RIS seit
13.04.2005