Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Elsigan als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Sabaditsch, Dr. Köhler, Dr. Pichler und Dr. Bauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Leopold P*****, vertreten durch Dr. Ernst Lepolt, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei Julius Sch*****, vertreten durch Dr. August Bichler, Rechtsanwalt in Leoben, wegen S 14.363,62 s. A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 10. März 1960, GZ 3 R 20/60-31, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 28. Dezember 1959, GZ 4 Cg 66/59-27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 807,10 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger wurde am 7. 3. 1957 bei einem vom Beklagten verschuldeten Verkehrsunfall verletzt. Er erhob aus diesem Anlass Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten. Nach Bereinigung der übrigen Ansprüche schränkte er sein Begehren auf Zahlung des Betrages von S 14.363,62 ein, den er als Ersatz für seinen Verdienstentgang in der Zeit vom 1. 5. 1958 bis 31. 10. 1959 verlangte. Außerdem begehrte er die Feststellung, dass der Beklagte auch für seinen künftigen Schaden aufzukommen habe. Der Erstrichter gab dem Feststellungsbegehren statt, wies jedoch das Leistungsbegehren ab. Er stelle im Wesentlichen fest: Das Dienstverhältnis des Klägers als Gutsverwalter bei der Gutsherrschaft M***** sei erst am 30. 4. 1958 gelöst worden. Bis dahin habe der Kläger die vollen Dienstbezüge erhalten. Der Verdienstentgang in der klagsgegenständlichen Zeit (1. 5. 1958 bis 31. 10. 1959) betrage 45.615,18 S. Die Sozialversicherungsträger hätten in der Zeit vom 11. 4. 1957 bis 31. 10. 1959 Leistungen von zusammen 35.130,20 S erbracht. Die Verpflegskostenersparnis während des Krankenhausaufenthaltes sei mit S 1.284 zu veranschlagen. Vom Haftpflichtversicherer seien S 10.704,76 bezahlt worden. An Arbeitslosenunterstützung habe der Kläger bis 28. 10. 1959 S 1.700,10 bezogen. Es verbleibe daher kein zu ersetzender Betrag.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das erstrichterliche Urteil, das hinsichtlich des Ausspruches über das Feststellungsbegehren unbekämpft geblieben war, dahin ab, dass auch dem Leistungsbegehren stattgegeben wurde. Es ging von dem vom Erstrichter festgestellten Verdienstentgang von S 45.615,58 aus, berücksichtigte aber anders wie der Erstrichter von den Leistungen der Sozialversicherungsträger und von den ersparten Verpflegungskosten nur diejenigen, die in die klagsgegenständliche Zeit fallen. Den zu berücksichtigenden wirtschaftlichen Vorteil des Klägers errechnete daher das Berufungsgericht nur mit dem Betrag von S 30.689,96, den es dem vorerwähnten Verdienstentgang gegenüberstellte. Es gelangte so zu einem Differenzbetrag von S 14.925,62, also zu einem etwas höheren als dem Klagsbetrag. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf § 503 Z 4 ZPO gestützte Revision des Beklagten mit dem Antrag, das Urteil dahin abzuändern, dass das Begehren auf Zahlung von S 14.363,62 abgewiesen werde. Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht begründet.
Der Beklagte wendet sich mit dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, von den Leistungen der Sozialversicherungsträger seien nur jene zu berücksichtigen, die ab dem Zeitpunkt, ab welchem Ersatz für Verdienstentgang begehrt wird (1. 5. 1958), erbracht wurden. Die Notwendigkeit der Bedachtnahme auf eine solche zeitliche Übereinstimmung zwischen den Leistungen der Sozialversicherungsträger und dem erhobenen Ersatzanspruch ergebe sich aus keiner gesetzlichen Bestimmung. Da jeder Vorteil, der dem Geschädigten aus Anlass des Unfalles zukommt, den Schaden mindere, seien auch die in der Zeit vom 11. 4. 1957 bis 30. 4. 1958 erbrachten Leistungen der Sozialversicherungsträger, die zusammen mit der in diese Zeit fallenden Verpflegskostenersparnis S 14.439,90 ausmachen, in Anschlag zu bringen.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Es ist wohl richtig, dass als Schaden grundsätzlich der Betrag zu gelten hat, um welchen die wirtschaftlichen Nachteile die wirtschaftlichen Vorteile überwiegen (Geigel, Der Haftpflichtprozess9, S 22). Es trifft auch zu, dass zu den zu berücksichtigenden wirtschaftlichen Vorteilen auch die Leistungen der Sozialversicherungsträger gehören. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Anspruch des Geschädigten im Rahmen des § 332 ASVG auf den Träger der Sozialversicherung übergeht. Daraus folgt aber auch die Notwendigkeit der Bedachtnahme auf die zeitliche Übereinstimmung zwischen den einzelnen Leistungen der Sozialversicherungsträger und den Zeiträumen, für die sie bestimmt sind. In Lehre und Rechtsprechung wird einheitlich die Auffassung vertreten, dass der Schadenersatzanspruch des Verletzten insoweit auf den Träger der Sozialversicherung übergeht, als ihm der Art und Zeit nach kongruente Leistungsverpflichtungen des letzteren gegenüberstehen (vgl Wussow, Das Unfallhaftpflichtrecht6, S 612 und 616; Geigel, aaO S 504). Träfe die Auffassung des Beklagten zu, dass bei der Ermittlung des Schadens des Verletzten auch solche Leistungen der Sozialversicherungsträger unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen seien, die nicht durch einen gleich hohen Verdienstentgang des Geschädigten im gleichen Zeitraum gedeckt sind, dann würde dies dazu führen, dass sich die Sozialversicherungsträger in eben dem Maße, in dem sie Leistungen erbringen, die nicht durch einen entsprechenden Verdienstentgang des Geschädigten gedeckt sind, um die Möglichkeit bringen würden, für spätere Leistungen, auch wenn sie durch den nunmehrigen Verdienstausfall des Geschädigten gedeckt wären, Ersatz vom Schädiger zu erhalten. Denn der Übergang eines Ersatzanspruches auf den Träger der Sozialversicherung im Sinn des § 332 ASVG hat das Vorhandensein eines Schadens des Verletzten zur Voraussetzung. Ein solches Ergebnis würde der oben dargestellten, in Lehre und Rechtsprechung vertretenen Auffassung über die Voraussetzungen und den Umfang des Anspruchsüberganges widersprechen. Daraus folgt, dass entgegen der in der Revision vertretenen Rechtsmeinung die Leistungen der Sozialversicherungsträger an den Kläger, die für die Zeit vom 11. 4. 1957 bis 30. 4. 1958 erbracht wurden, mangels zeitlicher Übereinstimmung mit dem geltend gemachten Schadenersatzanspruch nicht als wirtschaftliche Vorteile bei der Ermittlung des Entganges, den der Kläger in der Zeit vom 1. 5. 1958 bis 31. 10. 1959 erlitten hat, berücksichtigt werden können.
Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E75303 2Ob195.60European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1960:0020OB00195.6.0610.000Dokumentnummer
JJT_19600610_OGH0002_0020OB00195_6000000_000