Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Elsigan als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Sabaditsch, Dr. Köhler, Dr. Pichler und Dr. Höltzel als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter S*****, Besitzer, vulgo *****, vertreten durch Dr. Hermann Peterlunger, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagte Partei Adolf G*****, Handelsvertreter, *****, vertreten durch Dr. Walter Ertel, Rechtsanwalt in Spittal, wegen 18.210 S samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 29. Dezember 1959, GZ 4 R 192/59-60, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 3. September 1957, GZ 15 Cg 26/58-52, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass die Entscheidung zu lauten hat:
"Die Forderung der klagenden Partei besteht mit 4.727,50 S zu Recht. Die Gegenforderung der beklagten Partei besteht mit 6.750 S zu Recht. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 18.210 S samt 4 % Zinsen seit 17. Jänner 1958 zu bezahlen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 9.765,19 S bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Text
Entscheidungsgründe:
Beide Parteien sind vom Strafgericht rechtskräftig wegen der Übertretung nach § 431 StG verurteilt worden, und zwar der Kläger deshalb, weil er am 14. 11. 1957 um 17,10 Uhr auf der Drautal-Bundesstraße mit einem unbeleuchteten Pferdefuhrwerk gefahren ist, und der Beklagte, weil er mit seinem PKW mit überhöhter Geschwindigkeit bei abgeblendeten Scheinwerfern in das in gleicher Richtung fahrende unbeleuchtete Pferdefuhrwerk hineingefahren ist. Der Kläger hat mit der vorliegenden Klage einen Schadenersatz von 18.210 S an Sachschaden, Auslagen und Schmerzengeld (7.000 S) geltend gemacht und das alleinige Verschulden des Beklagten behauptet. Der Beklagte hat eine Gegenforderung von 20.985 S wegen des ihm entstandenen Sachschadens eingewendet und mit der Begründung Klagsabweisung begehrt, dass den Kläger das alleinige, jedenfalls aber das überwiegende Verschulden an dem Unfall treffe.
Das Erstgericht hat eine Verschuldensaufteilung im Verhältnis 1 : 1 vorgenommen, die Klagsforderung mit 8.905 S, darunter 1.500 S Schmerzengeld und 1.000 S als Ersatz für das beschädigte Pferdegeschirr festgestellt und ausgesprochen, dass die Klagsforderung mit 4.452,50 S zu Recht bestehe. Die Gegenforderung hat es mit 13.500 S errechnet. Das ist der Zeitwert des total beschädigten Kraftwagens von 15.000 S, abzüglich des für das Wrack zu erzielenden Erlöses von 1.500 S. Die Gegenforderung ist demnach mit 6.750 S als zu Recht bestehend erkannt und daher das Klagebegehren abgewiesen worden.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufungen erhoben. Der Kläger hat beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass bei Annahme seines Mitverschuldens zu einem Fünftel seine Forderung mit 17.905 S, die Gegenforderung mit 1.800 S festgestellt und der Beklagte verurteilt werde, ihm 12.580 S zu bezahlen. Der Beklagte hat beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass eine Verschuldensaufteilung im Verhältnis 90 % : 10 % zum Nachteil des Klägers vorgenommen und die Klagsforderung lediglich mit 840,50 S festgestellt werde. Die Forderung des Klägers wäre lediglich mit 8.405 S und nicht mit 8.905 S zu berechnen gewesen, da dem Kläger für das beschädigte Pferdegeschirr lediglich 500 S und nicht 1.000 S zugestanden wären.
Das Berufungsgericht hat der Berufung des Klägers nicht Folge, der Berufung des Beklagten teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil folgendermaßen abgeändert: Es hat eine Verschuldensaufteilung im Verhältnis 3 : 2 zum Nachteil des Klägers angenommen, ihm als Ersatz für das beschädigte Pferdegeschirr nicht 1.000 S, sondern nur 550 S zuerkannt, das Schmerzengeld jedoch von 1.500 S auf 2.500 S erhöht und die ungekürzte Klagsforderung mit 9.455 S errechnet. Im Hinblick auf die Verschuldensaufteilung hat es die Klagsforderung mit 3.782 S als zu Recht bestehend erkannt. Die Gegenforderung hat es, ausgehend von dem Schadensbetrag von 13.500 S und der Verschuldensaufteilung, mit 8.100 S festgestellt. Es ist daher wie das Erstgericht zu einer Klagsabweisung gekommen und hat den Kläger verurteilt, dem Beklagten drei Fünftel der Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzten.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers. Er macht die Revisionsgründe nach § 503 Z 2, 3, 4 ZPO geltend und beantragt wie im Berufungsverfahren, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass der Beklagte zur Zahlung von 12.580 S an ihn verurteilt oder zumindest das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt werde, oder das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an eines der Untergerichte zurückzuverweisen. Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revision kommt teilweise Berechtigung zu, auch wenn es im Endergebnis bei der Abweisung des Klagebegehrens bleiben muss. Der Kläger hat jedenfalls ein Interesse an der Feststellung der Klagsforderung. Je höher seine Klagsforderung festgestellt wird, umsomehr verringert sich die Gegenforderung des Beklagten, auch wenn die Entscheidung über die Gegenforderung nur bis zur Höhe der Klagsforderung der Rechtskraft unterliegt. Der teilweise Erfolg der Revision des Klägers hatte daher in einer Abänderung des angefochtenen Urteiles seinen Ausdruck zu finden, auch wenn es bei der Abweisung des Klagebegehrens verblieben ist.
Der Kläger rügt Mängel des Verfahrens in derselben Richtung, wie er es bereits im Berufungsverfahren getan hat. Er macht geltend, dass das Berufungsgericht die Vernehmung eines zweiten Sachverständigen aus dem Verkehrsfach unterlassen, das Schreiben des Beklagten vom 2. 4. 1958 zum Beweis nicht zugelassen, keinen informierten Vertreter der Haftpflichtversicherungsanstalt als Zeugen vernommen und nicht den Eintritt der Fälligkeit der Klagsforderung mit 15. 1. 1958 festgestellt habe.
Mit diesen Ausführungen greift der Kläger im Wesentlichen in die Beweiswürdigung der Untergerichte ein, was im Revisionsverfahren unzulässig ist. Das Berufungsgericht hat gleich dem Erstgericht das Gutachten des Sachverständigen aus dem Kratfahrzeugwesen für unbedenklich erachtet. Die Frage, ob ein zweiter Sachverständiger zur Kontrolle des vernommenen Sachverständigen beizuziehen ist, stellt einen Akt der Beweiswürdigung dar. Der Sachverständige hat auch nicht, wie der Kläger meint, ein Rechtsgutachten abzugeben. Rechtsfragen sind vom Gericht und nicht vom Sachverständigen zu lösen. Dies gilt insbesondere für die Fragen, ob der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, auf halbe Sicht zu fahren, ob das Winken der auf dem Pferdefuhrwerk sitzenden Zeugen R***** eine geeignete Warnung für den Beklagten darstellte und ob im gegebenen Zeitpunkt bereits eine Beleuchtung des Fahrzeuges notwendig war. Die Frage, mit welcher Geschwindigkeit ein Fahrzeug gefahren ist, das in einer Sekunde 20 m zurücklegt, ist eine einfache Rechenaufgabe, für deren Lösung es keines Sachverständigen bedarf.
Für die rechtliche Beurteilung der Sache ist es nicht von Belang, ob der Haftpflichtversicherer des Klägers bereit gewesen ist, den Schaden zu ersetzen. Der Beklagte hatte sich in erster Linie an den Kläger zu halten und dieser hätte das Erforderliche bei seinem Versicherer veranlassen müssen. Es war daher weder das Schreiben des Beklagten vom 2. 4. 1958, mit welchem er dem Kläger seinen Schaden im einzelnen bekanntgegeben hat, noch die Vernehmung eines informierten Vertreters des Versicherers des Klägers erforderlich, um die Rechtsfrage zu lösen. Der Mängelrüge konnte daher kein Erfolg beschieden sein.
Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit ist nicht näher ausgeführt worden. Eine Aktenwidrigkeit liegt nicht vor.
Berechtigung kommt der Rechtsrüge des Klägers insoweit zu, als er die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensaufteilung bekämpft. Im vorliegende Fall kann tatsächlich nicht gesagt werden, dass das Verschulden einer der Parteien überwiegt. Vielmehr haben beide Parteien in gleich schwerer Weise gegen die Verkehrsvorschriften verstoßen, ohne dass gesagt werden könnte, dass die Handlungsweise oder Unterlassung des einen oder anderen die Hauptursache des Verkehrsunfalles gewesen sei. Der Kläger hat sein Fuhrwerk zu einer Zeit nicht beleuchtet gehabt, als dies nach den festgestellten Witterungs- und Sichtverhältnissen bereits notwendig gewesen ist. Er hatte auch keine Blendlinse auf dem an den Wagen angehängten Düngerstreuer angebracht. Dadurch hat er gegen die Vorschriften des § 55 StPolG (§ 58 StPlO) verstoßen. Der Umstand, dass der angehängte Düngerstreuer das im § 54 Abs 4 StPolG, (§ 57 Abs 1 StPolO) in der Regel für zulässig angenommene Ausmaß von 2 m um 10 cm überschritten hatte, ist nicht geeignet, ein überwiegendes Verschulden beim Kläger anzunehmen. Dieser Umstand ist nach dem festgestellten Sachverhalt nicht als unfallskausal anzunehmen. Es steht nicht fest, dass der Beklagte, wenn der Düngerstreuer nur 2 m breit gewesen wäre, an das Fuhrwerk nicht angefahren wäre. In dieser Hinsicht vermag sich der Oberste Gerichtshof der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht anschließen.
Die Nichtbeleuchtung des Fahrzeuges durch den Kläger wird aufgewogen durch die unvorsichtige und vorschriftswidrige Fahrweise des Beklagten. Er ist nicht auf Sicht gefahren und hat damit einen der wichtigsten Grundsätze im Straßenverkehr verletzt. Der Beklagte hat selbst zugegeben, dass er erst in einer Entfernung von 20 m hinter dem Pferdefuhrwerk wegen eines entgegenkommenden Kraftwagens seine Scheinwerfer abgeblendet habe und dass es eine Sekunde später bereits zum Zusammenstoß gekommen sei. Der Beklagte ist daher äußerst unaufmerksam gefahren, da er anderenfalls das Fuhrwerk im Lichtkegel seiner Scheinwerfer auf einer Entfernung von ungefähr 100 m hätte wahrnehmen können und müssen, auch wenn das Fuhrwerk nicht beleuchtet gewesen ist. Jedenfalls hätte ihm aber beim Herankommen das Fuhrwerk bei gehöriger Aufmerksamkeit nicht entgehen können. Hätte der Beklagten beim Abblenden seine Geschwindigkeit entsprechend der Reichweite seiner abgeblendeten Scheinwerfer herabgesetzt, dann hätte er allenfalls den Unfall vermeiden, jedenfalls aber den Schadensumfang verringern können, weil er dann nicht mit einer so hohen Geschwindigkeit (70 km/h - 80 km/h) in das Pferdefuhrwerk hineingerast wäre. Dadurch, dass er mit unverminderter Geschwindigkeit weitergefahren ist, hat er gegen die Bestimmungen des § 18 Abs 1 StPolG, (§ 20 Abs 1 StPolO) verstoßen und damit in gleicher Weise zu dem Verkehrsunfall beigetragen. Bei der gegebenen Sachlage ist eine Verschuldensaufteilung im Verhältnis 4 : 1, wie sie der Kläger zu seinen Gunsten angenommen haben will, nicht gerechtfertigt. Seine Ausführungen in der Revision, dass die Nichtbeleuchtung seines Fahrzeuges nicht unfallskausal gewesen sei, zeigt, dass er die Sach- und Rechtslage verkennt. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass die Beleuchtung des Pferdefuhrwerkes und die Anbringung einer Blendlinse am angehängten Düngerstreuer den Beklagten weit eher auf das Pferdefuhrwerk aufmerksam gemacht hätte. Die Nichtbeleuchtung des Pferdefuhrwerkes ist daher mit eine der Ursachen für den Verkehrsunfall. Die Verschuldensaufteilung im Verhältnis 1 : 1, wie sie das Erstgericht vorgenommen hat, erscheint gerechtfertigt.
Der Kläger wendet sich auch gegen die Bemessung des Schmerzengeldes mit 2.500 S. Er hält ein Schmerzengeld von 7.000 S für angemessen. Zieht man aber die Art und Schwere der Verletzungen des Klägers und die Dauer und Intensität der Schmerzen in Betracht, wie sie vom Erstgericht auf Grund des Sachverständigengutachtens festgestellt und vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrundegelegt worden sind, dann ist das vom Berufungsgericht ausgemessene Schmerzengeld ausreichen. Der vom Erstgericht gar nicht festgestellte Umstand, dass der Kläger durch 10 Monate beim Gehen behindert war, ist bereits vom Berufungsgericht berücksichtigt worden. Eine weitere Erhöhung des Schmerzengeldes auf 7.000 S ist nicht gerechtfertigt. Ebenso sind die Ausführungen der Revision zur Schadenshöhe bezüglich des Pferdegeschirrs nicht geeignet, eine Abänderung des angefochtenen Urteiles herbeizuführen. Der Schadensberechnung war der Wert zugrundezulegen, den das Pferdegeschirr im Zeitpunkt der Beschädigung hatte. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Entschädigung in der Höhe eines neuen Pferdegeschirres zu, weil ihm dann etwas ersetzt würde, was er gar nicht besessen hat. Das Pferdegeschirr war alt und abgenützt und hatte nach dem Sachverständigengutachten einen Wert von 500 bis 600 S. Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes auf Ersatz von 550 S bestehen daher keine Bedenken.
Gegen die Feststellung des Zeitwertes des beim Unfall beschädigten Kraftwagens des Beklagten mit 15.000 S und des Abzuges von 1.500 S als zu erzielenden Kaufpreis für das Wrack vermag der Kläger in seiner Revision nichts Überzeugendes vorzubringen. Auch hiezu ist ein Sachverständiger vernommen worden.
Es war daher der Revision des Klägers nur in der Richtung der Verschuldensaufteilung Folge zu geben.
Da das Klagebegehren in erster Instanz abgewiesen worden ist, hat der Kläger dem Beklagten die Prozesskosten zu ersetzen. Im Berufungsverfahren ist auch der Beklagte mit seiner Berufung beteiligt gewesen und der Kläger hatte im Rechtsmittelverfahren nur teilweise und geringfügig Erfolg. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens waren daher gegeneinander aufzuheben. Die Entscheidung über die Prozesskosten gründet sich auf § 41 ZPO. Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO.
Anmerkung
E75320 2Ob258.60European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1960:0020OB00258.6.0624.000Dokumentnummer
JJT_19600624_OGH0002_0020OB00258_6000000_000