TE OGH 1960/7/1 2Ob265/60

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Veröffentlicht am 01.07.1960
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Rat des Obersten Gerichtshofes Dr. Sabatisch als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Köhler, Dr. Pichler, Dr. Höltzel und Dr. Bauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt Salzburg, Salzburg, Dr.-Franz-Rehrlplatz 5, vertreten durch Dr. Richard Ciresa, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagten Parteien 1.) Hermann St*****, Kaufmann, *****, vertreten durch Dkfm. Dr. Walter Derganz, Rechtsanwalt in Bregenz, 2.) Firma Rudolf W***** & Co, *****großhandel, *****, 3.) Rudolf W*****, Kaufmann, *****, beide vertreten durch Dkfm. Dr. Armin Schwarz, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Leistung und Feststellung (Streitwert 25.886,93 S), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 26. Februar 1960, GZ R 265/59-44, womit infolge Berufungen der klagenden und der erstbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 20. Mai 1959, GZ Cg 1376/57-22, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher

Sitzung

I. den Beschluss gefasst:

Die Revision der zweit- und drittbeklagten Parteien wird, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, verworfen.

II. zu Recht erkannt:

Spruch

Im Übrigen wird den Revisionen der beklagten Parteien teilweise Folge gegeben. Das angefochtene Urteil und das erstinstanzlichen Urteil wurden dahin abgeändert, dass die Entscheidung zu lauten hat:

"1.) Es wird festgestellt, dass die beklagten Parteien für alle Pflichtleistungen, welche die klagende Partei an Hildegard V***** als Witwe nach dem am 6. 10. 1956 tödlich verunglückten Ludwig V***** in Hinkunft zu erbringen hat, zur ungeteilten Hand ersatzpflichtig sind, soweit diese Pflichtaufwendungen in einem Viertel des Schadens Deckung finden, den Hildegard V***** infolge des Todes ihres Ehegatten an entgangenen Unterhalt (§ 1327 ABGB) erleidet.

2.) Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei 5.888,60 S samt 4 % Zinsen aus 3.248,60 S vom 31. 12. 1957 bis 14. 12. 1958 und aus 5.888,60 S ab 15. 12. 1958 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

3.) Das Mehrbegehren an Feststellung und das Zahlungsmehrbegehren von 14.998,32 S samt 4 % Zinsen wird abgewiesen."

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die Hälfte der Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen, und zwar der erstbeklagten Partei die Hälfte der mit 5.117,23 S bestimmten Prozesskosten, somit den Betrag von 2.558,61 S, der zweit- und der drittbeklagten Partei die Hälfte der mit 6.168,11 S bestimmten Prozesskosten, somit den Betrag von 3.084,05 S.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens werden im Verhältnis zwischen der klagenden und erstbeklagten Partei gegeneinander aufgehoben.

Die zweit- und die drittbeklagte Partei sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die Hälfte der mit 6.519,76 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens, somit den Betrag von 3.259,88 S und die Hälfte der mit 801,38 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens, somit den Betrag von 400,69 S, binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Nach dem festgestellten Sachverhalt hatte der Erstbeklagte, der Angestellter der Zweitbeklagten war, die Absicht, von dieser einen gebrauchten PKW, Marke Steyr 50, zu kaufen. Am 6. 10. 1956 hat er mit dem nicht zum Verkehr zugelassenen PKW unter Benützung eines Probekennzeichens der Zweitbeklagten eine Probefahrt unternommen. Gegen 23 Uhr ist er in Bregenz in der Heldengangstraße gefahren und hat Ludwig V***** niedergestoßen und tödlich verletzt. Ludwig V***** war, um einer Regenpfütze auszuweichen, vom Gehsteig auf die Straße getreten. Der Erstbeklagte ist vom Strafgericht wegen des Vergehens nach den §§ 335, 337b StG, und zwar wegen unvorsichtigen, unaufmerksamen und raschen Fahrens bei Nacht und starkem Regen mit einem im mangelhaften Zustand befindlichen und nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftwagen, rechtskräftig verurteilt worden. Die klagende Partei, bei der der Verunglückte sozialversichert war und die an die Witwe Leistungen zu erbringen hat, hat mit der vorliegenden Klage den Ersatz der bereits erbrachten Leistungen von 20.886,92 S gemäß § 332 ASVG und die Feststellung begehrt, dass die Beklagten als Lenker und Halter des Kraftwagens zur ungeteilten Hand schuldig seien, ihr sämtliche an die Witwe V***** erbrachten, fälligen Pflichtleistungen zu ersetzen.

Die Beklagten haben Klagsabweisung begehrt und ein überwiegendes Mitverschulden des Verunglückten eingewendet, weil dieser vor dem herankommenden PKW unvermittelt vom Gehsteig auf die Straße getreten sei. Die zweit- und die drittbeklagte Partei haben ihre Haltereigenschaft mit der Behauptung bestritten, dass der Erstbeklagte den Kraftwagen vor der Ausfahrt von ihnen gekauft und übernommen habe und damit Halter geworden sei.

Das Erstgericht hat eine Verschuldensaufteilung im Verhältnis 3:1 zum Nachteil des Verunglückten vorgenommen, indem es festgestellt hat, dass dieser in einer Entfernung von 10 m vor dem mit einer Stundengeschwindigkeit von 40 km herankommenden PKW unvermittelt vom Gehsteig auf die Straße getreten sei, ohne sich um den Verkehr zu kümmern. Es hat weiter als erwiesen angenommen, dass der Witwe des Verunglückten monatlich 880 S an Unterhalt entgangen seien und hat den Erstbeklagten verurteilt, der klagenden Partei Leistungen im Ausmaß von monatlich 220 S zu ersetzen, und zwar für die Zeit bis 31. 12. 1958 die im Urteilsspruch angeführten Beträge. Das Mehrbegehren ist abgewiesen worden. Außerdem hat es das gesamte Klagebegehren bezüglich der zweit- und der drittbeklagten Partei abgewiesen, weil es davon ausgegangen ist, dass der Erstbeklagte den Kraftwagen gekauft hatte und damit alleiniger Halter des Fahrzeuges geworden sei, bevor er die Fahrt unternommen habe.

Gegen dieses Urteil haben die erstbeklagte Partei und die klagende Partei Berufung erhoben.

Das Berufungsgericht hat die Beweisaufnahmen über den behaupteten Kauf des Kraftwagens durch den Erstbeklagten und über die Kenntnis der zweitbeklagten Partei von der "verkehrswidrigen" Beschaffenheit des Kraftwagens wiederholt. Es hat beiden Berufungen teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil abgeändert. Es hat festgestellt, dass die beklagten Parteien der klagenden Partei die an die Witwe V***** zu erbringenden Pflichtleistungen insoweit zu ersetzen haben, als diese in der Hälfte des Schadens Deckung finden. Es hat die Beklagten verurteilt, der klagenden Partei 11.777,20 S zu bezahlen. Das Mehrbegehren von 9.109,72 S ist abgewiesen worden. Bezüglich der Verschuldensaufteilung hat das Berufungsgericht die Auffassung vertreten, dass die Feststellung des Erstgerichtes, der Verunglückte sei in einer Entfernung von 10 m vor dem herankommenden Kraftwagen unvermittelt vom Gehsteig auf die Straße getreten, mit den Feststellungen im Strafurteil im Widerspruch stehe. Es sei daher nur von der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung des Erstbeklagten und davon auszugehen, dass der Verunglückte, ohne auf den Verkehr zu achten, die Fahrbahn benützt habe. Weitere Feststellungen bezüglich des Ausmaßes des beiderseitigen Verschuldens könnten nicht getroffen werden, weshalb die Aufteilung im Verhältnis 1:1 gemäß § 1304 ABGB angebracht sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richten sich die Revisionen der Beklagten. Der Erstbeklagte ficht das Urteil hinsichtlich der getroffenen Feststellung im vollen Umfang und bezüglich der Zahlungsverfplichtung hinsichtlich eines Betrages von 9.076 S sA an. Er macht die Revisionsgründe nach § 503 Z 2-4 ZPO geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass eine Verschuldensaufteilung im Verhältnis 4:1 zum Nachteil des Verunglückten vorgenommen und das Feststellungs- und Zahlungsbegehren in diesem Sinn abgeändert werde.

Die zweit- und die drittbeklagte Partei wenden sich gegen das Berufungsurteil insoweit, als sie damit verurteilt worden sind. Sie machen die Revisionsgründe nach § 503 Z 1-4 ZPO geltend und beantragen, das angefochtene Urteil als nichtig aufzuheben oder dahin abzuändern, dass das erstgerichtliche Urteil wieder hergestellt und ihnen gegenüber das gesamte Klagebegehren abgewiesen werde oder festzustellen, dass der Witwe V***** monatlich nur 578 S entgangen seien und sie daher der klagenden Partei höchstens ein Viertel und somit monatlich 144,50 S zu ersetzen hätten. Außerdem wäre eine weitere Beschränkung durch Berücksichtigung der Pflichtleistungen der Pensionsversicherungsanstalt für Angestellte vorzunehmen. Hilfsweise beantragen sie, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an eines der Untergerichte zurückzuverweisen. Die klagende Partei beantragt, den Revisionen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind teilweise gerechtfertigt.

Die Beklagten rügen als Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit die Annahme des Berufungsgerichtes, dass sich die Wiederholung der Beweisaufnahme auch auf die Verschuldensfrage bezogen habe und das Berufungsgericht daher berechtigt gewesen sei, von den Feststellungen des Erstgerichtes, soweit sie die Grundlagen für die Beurteilung der Verschuldensfrage bilden, abzugehen. Sie verweisen darauf, dass sich nach dem eindeutigen Inhalt des Beweisbeschlusses (S 207) die Wiederholung der Beweisaufnahmen nicht auf die Verschuldensfrage bezogen habe und daher die Annahme des Berufungsgerichtes mit dem Akteninhalt im Widerspruch stehe. Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu. Wie bereits oben ausgeführt worden ist, hat sich nach dem eindeutigen Inhalt des Beweisbeschlusses die Beweiswiederholung lediglich auf die Frage des Kaufabschlusses und der Kenntnis der zweitbeklagten Partei von der Verkehrsuntauglichkeit des Kraftwagens bezogen. Das Berufungsgericht hätte daher nicht von den Feststellungen des Erstgerichtes über den Unfallshergang und über das Verhalten der am Unfall Beteiligten abgehen dürfen. Dieser Umstand erfordert es aber nicht, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Oberste Gerichtshof vermag sich der Ansicht des Berufungsgerichtes, dass die Feststellung des Erstgerichtes, der Verunglückte sei in einer Entfernung von 10 m vor dem herankommenden PKW unvermittelt auf die Straße getreten, im Widerspruch zu den im strafgerichtlichen Urteil getroffenen Feststellungen stehe, nicht anzuschließen. Die in beiden Verfahren getroffenen Feststellungen sind ohne Schwierigkeit miteinander in Einklang zu bringen. Das Strafgericht hat angenommen, dass der Erstbeklagte unaufmerksam gefahren sei, weil er den Verunglückten erst auf eine Entfernung von ca 10 m erblickt habe. In dieser Hinsicht ist das Zivilgericht an die Auffassung des Strafgerichtes gebunden. Diese Verschuldenskomponente fällt aber nicht zu sehr ins Gewicht, weil feststeht, dass sich der Verunglückte nicht immer auf der Straße fortbewegt hat, sondern für einen ganz kurzen Zeitraum vom Gehsteig auf die Straße getreten ist, um einer Regenpfütze auszuweichen. Er hat nach dem festgestellten Sachverhalt nur ein bis zwei Schritte auf der Straße gemacht und sich daher 1 bis 1 ½ Sekunden auf der Straße aufgehalten. Wenn ihn also der Erstbeklagte nach den Feststellungen des strafgerichtlichen Urteiles etwas früher hätte sehen können und sehen müssen, so kann es sich der Entfernung nach nur um einige Meter über die 10 m hinaus gehandelt haben. Auch bei dieser Sachlage ist die Annahme gerechtfertigt, dass der Verunglückte unvermutet für den mit einer Geschwindigkeit von 40 km/h heranfahrenden Erstbeklagten auf die Straße getreten ist. Dem Erstbeklagten muss daher eine gewisse verlängerte Reaktionszeit zugebilligt werden, damit er sich auf diese für ihn unvermutet eingetretene Verkehrslage einstellen konnte. Wenn es ihm daher auf die kurze Entfernung von etwas über 10 m nicht mehr gelungen ist, seinen Kraftwagen abzubremsen oder abzulenken, so kann ihm dies nicht in dem Maß als Verschulden angerechnet werden, wie es das Berufungsgericht getan hat; vielmehr ist anzunehmen, dass das Verschulden des Verunglückten überwiegt, weil er, ohne auf den herankommenden Verkehr zu achten, vom Gehsteig auf die Straße getreten ist. Bei der gegebenen Sachlage ist die vom Erstgericht angenommene Verschuldensaufteilung im Verhältnis 3:1 zum Nachteil des Verunglückten gerechtfertigt.

Der Ansicht des Erstbeklagten, dass ihn nur ein Mitverschulden von einem Fünftel treffe, kann deshalb nicht gefolgt werden, weil ihm vom Strafgericht auch zur Last gelegt worden ist, dass er für die damaligen Verhältnisse zu rasch gefahren sei. Bei einer geringeren Geschwindigkeit hätte er den Unfall, wenn auch vielleicht nicht verhindern, so doch in seinen Wirkungen abschwächen können. Soweit die Beklagten den Umstand rügen, dass das Berufungsgericht nicht auch die von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten beim Landesgericht Feldkirch zu Cg 317/58 gegen sie eingebrachte Klage und die dort geltend gemachten Ansprüche als konkurrierende Ansprüche im Sinne des § 336 ASVG berücksichtigt habe, kann den Ausführungen nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht hat sich mit Recht auf den Standpunkt gestellt, dass diese Ansprüche nur dann berücksichtigt hätten werden dürfen, wenn die beiden Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden wären (siehe SZ XXIX 28 weiter 2 Ob 159/60). Daraus wächst dem Beklagten auch kein Nachteil, weil die in diesem Prozess ergangene Entscheidung in dem noch nicht erledigten Rechtsstreit zu berücksichtigen sein wird.

Die zweit- und die drittbeklagte Partei wenden sich in ihrer Revision mit ihrer Rechtsrüge auch gegen die Berechnung des Deckungsfonds. In dieser Hinsicht ist sie aber nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie von anderen tatsächlichen Feststellungen ausgeht, als sie vom Erstgericht getroffen worden sind.

Danach steht fest, dass der Verunglückte ein monatliches Durchschnittseinkommen von 1.600 S und nicht von 1.520 S hatte. Dass die Witwe zusätzlich monatlich 350 S verdiente und diesen Betrag zur Haushaltsführung beisteuerte, ist nicht festgestellt worden. Diese Tatsachen können daher nicht zum Ausgangszeitpunkt für die Berechnung des Deckungsfonds genommen werden. Das Berufungsgericht hat auch eine richtige Aufteilung des Einkommens des Verunglückten zwischen ihm und seiner Gattin insoweit vorgenommen, als es die besonderen Auflagen des Verunglückten im Einzelnen berücksichtigt hat. Gegen diese Berechnungsart bestehen keine Bedenken. Seinen Aufwand mit 60 % seines Einkommens anzunehmen, wie es die zweit- und die drittbeklagte Partei für richtig halten, liegen keine hinreichenden Gründe vor. Das Hauptgewicht der Revision der zweit- und der drittbeklagten Partei liegt in der Bekämpfung der Auffassung des Berufungsgerichtes, dass sie im Zeitpunkt des Unfalles Halter des Kraftwagens gewesen seien und gemäß Art IV EvzKfzVerkG für das Verschulden des Erstbeklagten haften. Sie führen hiezu aus, dass der Erstbeklagte das Fahrzeug weder als ihr Angestellter noch in ihrem Auftrag noch in ihrem Interesse gelenkt habe. Das Berufungsgericht habe den Erstbeklagten als Kaufinteressenten qualifiziert und es gehe daher nicht an, auch aus seiner Eigenschaft als Angestellter Folgerungen in der Weise zu ziehen, dass er in ihrem Dienst und Interesse tätig geworden sei. Diese Ausführungen sind nicht überzeugend. Das Berufungsgericht ist, der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes folgend, zu der Auffassung gelangt, dass die Haftung der zweit- und der drittbeklagten Partei deshalb gegeben sei, weil der Erstbeklagte den Kraftwagen noch nicht gekauft hatte, als er die Probefahrt unternahm. Nach der Sachlage war die zweitbeklagte Partei Halter des Kraftwagens und der Erstbeklagte hat die Probefahrt als Kaufinteressent und damit in ihrem Interesse durchgeführt. Das angefochtene Urteil weist somit keine im § 477 Z 9 ZPO angeführten Mängel auf, so dass von einer Nichtigkeit im Sinne dieser Gesetzesstelle keine Rede sein kann. Wohin der Erstbeklagte die Probefahrt unternommen hat und ob er diese allein oder gemeinsam mit anderen Personen durchgeführt hat, ist nicht von Bedeutung. Dass der Erstbeklagte den Kraftwagen ohne Wissen und Willen der zweitbeklagten Partei benützt hat, ist nicht festgestellt worden. Die zweit- und die drittbeklagte Partei vermögen nicht zu bestreiten, dass sie dem Erstbeklagten das Probekennzeichen überlassen haben, damit er den PKW benütze.

Das Berufungsgericht hat zur Frage, ob der Erstbeklagte den Kraftwagen bereits gekauft hatte, als er die Fahrt unternahm, auf Grund der Beweiswiederholung andere Feststellungen getroffen als das Erstgericht. Von diesen Feststellungen ist im Revisionsverfahren auszugehen. Danach erscheint die Ansicht des Berufungsgerichtes gerechtfertigt, dass der Kaufvertrag noch nicht abgeschlossen war, als der Erstbeklagte die Probefahrt unternahm. Das Beweisergebnis auf Grund der einzelnen Zeugenaussagen kann im Revisionsverfahren nicht bekämpft werden, weshalb auf diese Ausführungen in der Revision nicht einzugehen war. Das Berufungsgericht hat daher die Haftung der zweit- und der drittbeklagten Partei mit Recht angenommen. Die Anwendung des Art IV EvzKfzVerkG stellt weder eine unrichtige rechtliche Beurteilung noch eine unzulässige Klagsänderung noch eine Überschreitung des Klagebegehrens noch eine Nichtigkeit dar, wie die zweit- und die drittbeklagte Partei meinen. Der festgestellte Sachverhalt war vom Gericht in jeder Richtung rechtlich zu beurteilen. Eine rechtliche Beurteilung brauchte die klagende Partei in ihrer Klage nicht vorzunehmen. Nach den in der Klage aufgestellten Behauptungen ist die Anwendung dieser Gesetzesbestimmung ausgeschlossen. Insbesondere lässt die Behauptung in der Klage, dass der Erstbeklagte bei der zweitbeklagten Partei bedienstet sei, die rechtliche Beurteilung der Sache in der Richtung ihrer Halterhaftung in jeder Richtung offen. Ein Beweis, dass der Erstbeklagte eine Dienstfahrt unternommen hat, war nicht zu erbringen, da die Haftung der zweitbeklagten Partei und damit auch des Drittbeklagten aus anderen Gründen anzunehmen war.

Auch die richtige Fassung des Feststellungsbegehrens durch das Berufungsgericht stellt keine Überschreitung der Parteienanträge dar und macht das angefochtene Urteil nicht nichtig. Wesentlich ist nur, ob die klagende Partei ein Feststellungsinteresse hat und ob die Fassung des Feststellungsbegehrens so gewesen ist, dass damit auch die zukünftigen Leistungen erfasst wurden. Diese Voraussetzungen sind hier vorgelegen.

Die Haftung der zweit- und der drittbeklagten Partei nach der bezogenen Gesetzesstelle ist eine über den Rahmen des Kraftfahrzeugverkehrsgesetzes hinausgehende Haftung. Eine Beschränkung auf die Höchstbeträge nach § 12 KfzVerkG kommt daher hier nicht in Betracht.

Im Revisionsverfahren kann die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes nicht angefochten werden (§ 528 ZPO). Mit Rücksicht auf die Abänderung des angefochtenen Urteiles war aber über die Kosten erneut zu entscheiden.

Bezüglich der Kostenentscheidung ist im Verfahren erster Instanz davon auszugehen, dass die klagende Partei nur mit rund einem Viertel ihres Anspruches durchgedrungen und mit drei Viertel unterlegen ist. Sie hat daher den Beklagten die Hälfte der Prozesskosten zu ersetzen. Im Berufungsverfahren hatte die klagende Partei gegenüber dem Erstbeklagten nur einen teilweisen Erfolg, weil sie ihr gesamtes Klagebegehren durchsetzen wollte, während der Erstbeklagte eine Verschuldensaufteilung im Verhältnis 4:1 zum Nachteil des Verunglückten anstrebte. Die Kosten des Berufungsverfahrens waren daher gegeneinander aufzuheben. Gegenüber der Zweitbeklagten und dem Drittbeklagten hatte die klagende Partei insoweit Erfolg, als sie ihre Mithaftung mit dem Erstbeklagten durchsetzte. Da sie ihnen gegenüber aber auch zum Teil unterlegen ist, waren ihr nur die Hälfte der Kosten des Berufungsverfahrens zuzusprechen.

Dieselbe Kostenaufteilung hat auch für das Revisionsverfahren zu gelten. Da die klagende Partei das Urteil zweiter Instanz unangefochten ließ, war von einem Streitwert von 14.227,20 S, d.i 11.777,20 S + 2.500 S (Feststellung) auszugehen. Da der Erstbeklagte nur zu einem geringen Teil obsiegte als die Zweitbeklagte und der Drittbeklagte, die die Abweisung des Klagebegehrens erreichen wollten, waren die Kosten des Revisionsverfahrens zwischen der klagenden Partei und dem Erstbeklagten gegeneinander aufzuheben, während die Zweitbeklagte und der Drittbeklagte zum Ersatz der halben Kosten an die klagende Partei zu verurteilen waren. Die Entscheidung über die Prozesskosten gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO. Die Entscheidungen über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens stützen sich auf die §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO.

Anmerkung

E75321 2Ob265.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0020OB00265.6.0701.000

Dokumentnummer

JJT_19600701_OGH0002_0020OB00265_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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