TE OGH 1960/7/5 4Ob326/60

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Veröffentlicht am 05.07.1960
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Norm

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1

Kopf

SZ 33/74

Spruch

Die Ausnützung einer wirtschaftlichen Machtstellung ist nur bei Unsittlichkeit des Zweckes, Unerlaubtheit der angewendeten Mittel oder Verstoß der Art ihrer Anwendung gegen die sittlichen Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise unsittlich. Kontrahierungszwang besteht in der Regel nur auf Grund gesetzlicher Anordnung oder für an jedermann abzugebende Bedarfsgüter des täglichen Lebens. Eine Monopolstellung verpflichtet nicht zum Vertragsabschluß mit Zwischenhändlern.

Entscheidung vom 5. Juli 1960, 4 Ob 326/60.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin begehrt das Urteil, die Beklagte schuldig zu erkennen,

1.) Plakatierungsaufträge der Klägerin zu den gleichen Bedingungen und Provisionen wie solche anderer Werbungsmittler entgegenzunehmen und auszuführen, auch wenn der Auftraggeber der Klägerin vorher direkter Vertragspartner der Beklagten gewesen sei, in eventu festzustellen, daß die Beklagte nicht berechtigt sei, die Entgegennahme und Ausführung von Aufträgen, die ihr die Klägerin erteilen sollte, abzulehnen, auch wenn der Auftraggeber der Klägerin vorher direkter Vertragspartner der Beklagten gewesen sei, ferner

2.) der Klägerin den Betrag von 10.000 S samt 5% Zinsen seit dem Klagstag zu zahlen, und zwar unter Anführung folgender Behauptungen:

Die Klägerin sei eine Werbeagentur; Gegenstand derselben sei die treuhänderische Beratung werbungtreibender Unternehmungen, die Mitarbeit an absatzwirtschaftlichen Aufgaben im Sinne des Marketing, die Planung und Durchführung von Werbe- und Verkaufsförderungsmaßnahmen, die Gestaltung, Herstellung und Streuung von Werbemitteln sowie Marktforschung, Werbemittel- und Werbeträgerforschung. Im Auftrag der C.-GesmbH. habe die Klägerin der Beklagten einen Plakatierungsauftrag in allen Bundesländern, 2500 Stück monatlich im 4-Bogen-Format, und Plakatierung an Großflächen erteilt. Die Beklagte habe den Auftrag mit der Begründung nicht entgegengenommen, sie stehe mit der C.-GesmbH. seit mehreren Jahren in direkter Geschäftsverbindung und wolle diese Verbindung aus grundsätzlichen Erwägungen auch weiter pflegen. Die Beklagte übe dadurch, daß sie es verstanden habe, sämtliche Plakatierungsflächen Österreichs unter Ausschluß Wiens in ihre Verfügungsgewalt zu bekommen, ein Monopol aus, weil Plakatierungen in Österreich außerhalb von Wien nur über die Beklagte veranlaßt werden könnten. Eine Monopolstellung verpflichte aber zur gleichmäßigen Belieferung aller in Betracht kommenden Abnehmer, bedeute also für den Monopolisten Kontrahierungszwang. Dieses Gebot der Gleichbehandlung habe die Beklagte verletzt. Sie nütze auch ihr Plakatierungsmonopol dahin sittenwidrig aus, daß sie Aufträge von Werbeagenturen nicht entgegennehme, wenn der Kunde seinerzeit durch die Beklagte selbst werbemäßig versorgt wurde, und den Werbeagenturen in vielen Fällen die handelsübliche Provision für die Vermittlung von Werbungsaufträgen verweigere. Die C.-GesmbH. habe sich nach Ablehnung des Auftrages der Klägerin unmittelbar an die Beklagte gewendet, ihr Auftrag sei entgegengenommen worden und werde auch ausgeführt im Hinblick auf das mit grundsätzlichen Erwägungen begrundete sittenwidrige Verhalten der Beklagten sei mit Wiederholungsgefahr zu rechnen. Der Plakatierungsauftrag der C.- GesmbH. habe einen Wert von mindestens 100.000 S, die übliche Provision der Werbeagenturen betrage 10%. Somit sei der Klägerin durch die sittenwidrige Weigerung der Beklagten, den Plakatierungsauftrag zu erfüllen, ein Betrag von 10.000 S entgangen, wofür die Beklagte aufzukommen habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Seinen Feststellungen zufolge steht die C.-GesmbH. seit ihrem Auftreten auf dem österreichischen Markt um 1953 mit der Beklagten in Geschäftsverbindung und erteilt ihr seitdem Plakatierungsaufträge. Die Zuführung der C.-GesmbH. hat seinerzeit ein Vertreter der Beklagten bewirkt; dieser genießt hiefür Kundenschutz und bekommt Provision.

Durch die Auftragserteilung im Namen der C.-GesmbH. zur Plakatierung im bisherigen Umfang und in der bisherigen Aufteilung sei die Klägerin nur Vermittlerin im Sinne des Handelsagentengesetzes, so daß sie nur gegen ihren Auftraggeber, die C.-GesmbH., Ansprüche habe. Gegen die Beklagte erwerbe die Klägerin Provisionsansprüche nur, wenn ihr die Beklagte solche ausdrücklich oder stillschweigend zusichere. Werde nun der Inhaber einer Monopolstellung zum Kontrahierungszwang und damit zum Vertragsabschluß unter Provisionszusage verhalten, so werde er in seiner eigenen Werbung erheblich behindert. Er könne nämlich den von ihm selbst bestellten Agenten nicht mehr die Rechte der §§ 7 und 8 HAG. einräumen oder setze sich der Gefahr aus, daß er Ansprüche nach den §§ 7 und 8 HAG. und solche nach § 29 dieses Gesetzes zu befriedigen habe. Wenn daher auch vollständigem Monopol die Einschaltung eines Vermittlers abgelehnt werde, so liege darin kein Verstoß gegen die guten Sitten "sondern nur die Wahrnehmung berechtigter eigener Interessen. Es erübrige sich daher die Prüfung der Frage, inwieweit die Beklagte eine beherrschende Marktstellung habe und inwieweit bei einem Monopol an Plakatierungsfläche ein Kontrahierungszwang bestehe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei keine Folge und stellte fest, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteigt. Die Klägerin sei ebenso zu behandeln wie ein Zwischenhändler; so wie dieser die Waren vom Erzeuger übernehme und an den Kleinverkäufer oder Einzelverbraucher weitergebe, habe die Klägerin den Werbeauftrag von der C.-GesmbH. übernommen und an die Beklagte weitergeben wollen, also auch nur eine Vermittlerrolle innegehabt. In dieser Eigenschaft könne sie sich aber auf eine angebliche Monopolstellung der Beklagten und einen daraus abgeleiteten Abschlußzwang nicht berufen. Habe aber die Beklagte durch die Auftragsverweigerung nicht rechtswidrig gehandelt, sei sie auch zum Ersatz der hiedurch angeblich entgangenen Provision der Klägerin nicht verpflichtet.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zunächst ist festzuhalten, daß die Beklagte den nur von der Klägerin weitergegebenen Auftrag gar nicht unbedingt abgelehnt, hat. Sie weigerte sich bloß, den Auftrag über die Klägerin entgegenzunehmen, weil sie zur Auftraggeberin C.-GesmbH. schon früher in direkter Geschäftsbeziehung stand und diese unmittelbare Verbindung weiterpflegen wollte. Wie die nachfolgenden Ereignisse zeigten, ist die Beklagte dem unmittelbar gestellten Begehren der Auftraggeberin auch anstandslos nachgekommen, hat also ihre Plakatierungsflächen der Reklame der C.-GesmbH. zur Verfügung gestellt und damit deren Bedarf nach wirksamer Werbung in den Bundesländern Österreichs befriedigt. Die Ausübung einer wirtschaftlichen Machtstellung wird erst dann unsittlich, wenn der Zweck unsittlich ist oder wenn die angewendeten Mittel ihrer Natur nach unerlaubt sind oder nach der Art ihrer Anwendung gegen die sittlichen Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise verstoßen (Schönherr - Saxl - Wahle, Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. S. 164 E. Nr. 655 zu § 1 UWG.). Kontrahierungszwang besteht in der Regel nur in den Fällen, in welchen er gesetzlich vorgesehen ist oder wo es sich um Bedarfsgüter des täglichen Lebens handelt, die an jedermann abzugeben sind (Schönherr - Saxl - Wahle a. a. O. S. 165 E. Nr. 658 zu § 1 UWG.). Dagegen ist es in der Rechtsprechung anerkannt, daß eine Monopolstellung nicht zum Vertragsabschluß mit Zwischenhändlern verpflichtet. Wer das Recht zum Alleinvertrieb einer Ware hat, kann die Ware unmittelbar an Kunden abgeben oder sich der Mitwirkung von Zwischenhändlern bedienen, wobei er auch nicht gehindert werden kann, sich jene Personen auszusuchen, mit denen er Verträge abschließen will (Schönherr - Saxl - Wahle a. a. O. S. 165 E. Nr. 660 zu § 1 UWG.). Das Ausnutzen einer Monopolstellung ist nicht unerlaubt, wenn dadurch die wirtschaftliche Existenz der Konkurrenten zwar erschwert, in ihrer Grundlage aber nicht berührt wird (Schönherr - Saxl - Wahle a. a. O. S. 166 E. Nr. 662 zu § 1 UWG.). Es ist das Recht jedes Unternehmers, seine Erzeugnisse oder Waren, sofern es sich nicht um die Befriedigung allgemeiner Bedürfnisse handelt, abzugeben oder nicht abzugeben, an wen er will, und das Eingehen von Lieferungsverpflichtungen von Bedingungen abhängig zu machen (Schönherr - Saxl - Wahle a. a. O. S. 172 E. Nr. 703 zu § 1 UWG.). Warum selbst bei Unterstellung eines Alleinvertriebsrechtes die Beklagte nicht berechtigt sein soll, die in ihrer Verfügungsgewalt befindlichen Plakatierungsmöglichkeiten, zumal mit der von ihr angeführten und erwiesenen Motivierung, unter Ausschaltung der Klägerin unmittelbar an den Kunden abzugeben, ist um so weniger einzusehen, als zwischen den Streitteilen nicht die geringsten Bindungen bestehen. Der Kontrahierungszwang, immer vorausgesetzt, daß überhaupt eine marktbeherrschende (Monopol-)Stellung der Beklagten vorliegt, schützt wohl den Abnehmer, nicht aber den Mittler.

Anmerkung

Z33074

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0040OB00326.6.0705.000

Dokumentnummer

JJT_19600705_OGH0002_0040OB00326_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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