Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Rat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lenk als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofs Dr. Meyer-Jodas, Dr. Hammer, Dr. Lassmann und Dr. Nedjela als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Walter Z*****, vertreten durch Dr. Richard Tenschert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Emma Z*****, vertreten durch Dr. Angela Thies, Rechtsanwältin in Wien, als Beistand, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichtes vom 5. Mai 1960, AZ 4 R 139/60, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 19. Februar 1960, GZ 31 Cg 16/60-50, in der Hauptsache bestätigt und im Kostenpunkt abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Oberste Gerichtshof hatte sich mit dem vorliegenden Scheidungsbegehren des Klägers, das dieser zunächst auf die Bestimmungen des § 49 EheG, später hilfsweise auch auf jene der §§ 50 und 51 EheG gestützt hatte, bereits in seinem Beschluss vom 25. 11. 1959, 6 Ob 389/59, zu befassen, sodass an die damals gegebene Zusammenfassung der Sach- und Rechtslage angeknüpft werden kann. Die am 13. 1. 1926 geborene Beklagte, mit welcher der am 5. 4. 1920 geborene Kläger seit 16. 11. 1946 verheiratet ist, leidet an Hebephrenie, einer progredienten, unheilbaren, zum Formenkreis der Schizophrenie zählenden Geisteskrankheit. Der Verfall ihrer Persönlichkeit ist bereits so weit fortgeschritten, dass sie nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. R***** die eheliche Bindung nicht mehr empfindet. Der Oberste Gerichtshof bejahte darum bereits im ersten Rechtsgang das Vorliegen des Scheidungsgrundes nach § 51 EheG; die Sache war nur hinsichtlich der Beurteilungsgrundlagen nach § 54 EheG nicht spruchreif.
Der Erstrichter erkannte nach Verfahrensergänzung neuerlich auf Scheidung der Ehe gemäß § 51 EheG. Die Berufung der Beklagten blieb in der Hauptsache erfolglos.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird von der Beklagten aus dem Revisionsgrund nach § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Klagsabweisung angefochten.
Der Kläger beantragt, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Unterinstanzen haben im zweiten Rechtsgang zusätzlich festgestellt, dass zwischen eigenem Verhalten des Klägers und Ausbruch und Entwicklung der Krankheit der Beklagten kein Kausalzusammenhang besteht. Wohl hat die nunmehr entmündigte und im Prozess durch ihren Beistand vertretene Beklagte seinerzeit auch geltend gemacht, der Kläger habe es an der erforderlichen Rücksichtnahme auf ihre Krankheit fehlen lassen, doch hat das Berufungsgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, dass die wenigen konkret hervorgekommenen Einzelheiten keinesfalls als Eheverfehlungen des Klägers gemäß § 49 EheG gewertet werden könnten, um somehr als erst im Zug dieses Prozesses erkannt wurde, dass der Missmut, das Schweigen, die Nachlässigkeit der Beklagten, auf welche der Kläger selbst unfreundlich reagierte, auf Geisteskrankheit beruhten. Die Beklagte macht den auch in der Revision keineswegs geltend, der Kläger benütze ihre Geisteskrankheit nur zu einem Versuch, eine Scheidung zu erreichen, die er im Hinblick auf eigene Eheverfehlungen nach eheschuldrechtlichen Grundsätzen nicht durchsetzen könnte.
Die Verfahrensergänzung hat weiter ergeben, dass der Persönlichkeitsverfall der Beklagten auch ihrem im Jahr 1948 geborenen Kind gegenüber besteht; sie verlangt nämlich nicht einmal nach ihm. Damit scheiden ungewöhnlich harte Konsequenzen einer Scheidung auf dem Sektor einer noch erhaltenen Bindung zwischen Mutter und Kind ebenfalls aus.
Die Tatsache, dass aus der Ehe ein Kind stammt, rechtfertigt für sich allein nicht die Anwendung der Härteklausel des § 54 EheG, was auch für den Hinweis auf die Dauer der Ehe gilt, da es immer auf die gesamten Umstände des Falles ankommt (3 Ob 53/59, 5 Ob 131/59 ua). Gewiss sind die familiären Verhältnisse der Beklagten außerhalb des Bereiches der Ehe ungünstig. Sie lebt wieder bei ihren Eltern, die im Jahr 1940 aus der Bukowina nach Wien „umgesiedelt" wurden und einst bessere Tage erlebt haben. Beide Eltern sind auch leidend. Die Unterinstanzen haben dies nicht übersehen und deshalb auch in Betracht gezogen, dass die Beklagte bei einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Eltern bzw nach deren Ableben allenfalls in einem Heim untergebracht werden muss. Den Unterinstanzen kann beigepflichtet werden, dass ein außergewöhnlicher Härtefall dessen ungeachtet nicht vorliegt. Dabei zieht der Oberste Gerichtshof zusätzlich in Erwägung, dass eine Unterbringung der Beklagten in einem „Heim" im gewöhnlichen Sinn des Sprachgebrauches einmal auf Schwierigkeiten stoßen mag und sogar eine Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt notwendig werden kann. Mit all dem müsste nämlich zufolge der Natur der Geisteskrankheit der Beklagten früher oder später auch dann gerechnet werden, wenn die Ehe nicht geschieden würde. Soweit dies der Beklagten ungeachtet des Persönlichkeitsverfalles noch zu Bewusstsein käme, wird damit der Bereich außergewöhnlicher Härte im Sinn des Gesetzes noch nicht erreicht.
In finanzieller Hinsicht haben die Unterinstanzen zutreffend auf die gesetzliche Regelung verwiesen.
Aus diesen Erwägungen ist der Revision ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO.
Anmerkung
E77119 6Ob265.60European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1960:0060OB00265.6.0713.000Dokumentnummer
JJT_19600713_OGH0002_0060OB00265_6000000_000