TE OGH 1960/8/9 3Ob247/60

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Veröffentlicht am 09.08.1960
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Ersten Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Heller als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zierer, Dr. Machek, Dr. Berger und Dr. Hammer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anna van H*****, Haushalt, *****, vertreten durch Dr. Franz Schotola, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Gerda G*****, Rechtsanwalt in *****, als Konkursmasseverwalter der reg. Fa. Dr. Paul E***** Erbin Maria B*****, Lack- und Farbenfabrik, *****, wegen Exszindierung (Streitwert 15.481,40 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 18. März 1960, GZ 46 R 206/60, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Exekutionsgerichtes Wien vom 28. Dezember 1959, GZ 2 C 64/59-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben und das durch das Berufungsgericht bestätigte erstrichterliche Urteil dahin abgeändert, dass das Klagebegehren auf Unzulässigerklärung der zu 3 E 10782/58 bewilligten Exekution abgewiesen wird. Im Übrigen wird das angefochtene Urteil bestätigt.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 737,90 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution nach Maßgabe des vorhandenen Massevermögens zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei stützt ihre Widerspruchsklage auf die Behauptung, dass ihr der Verpflichtete, ihr Ehegatte, die gepfändeten Möbelstücke bereits im Spätherbst 1944, als er von der Gestapo verhaftet wurde, geschenkt habe. Das Erstgericht hat die Exekution mit Ausnahme einer Postzahl für unzulässig erklärt. Das Berufungsgericht hat bestätigt.

Festgestellt wurden folgende Tatsachen: Der Verpflichtete heiratete die Klägerin im Jahre 1940. Das Ehepaar bezog die Wohnung in W*****, N***** 14, deren Hauptmieter der Verpflichtete war. Er wurde in der NS-Zeit politisch verfolgt, und als er im Jahre 1944 zur Gestapo vorgeladen wurde, fürchtete er seine Verhaftung. Er wurde auch tatsächlich kurz danach verhaftet und ins Konzentrationslager gebracht. Schon vor seiner Verhaftung hatte er in Anwesenheit der Zeugin Sch***** mehrmals erklärt, dass alle seine Sachen der Klägerin gehören, wenn er ins KZ komme. Noch vor seiner Verhaftung erklärte der Verpflichtete neuerlich in Anwesenheit der Zeugin, er schenke seine gesamte Habe der Klägerin, weil seine Rückkehr ungewiss sei. Eine Schenkungsurkunde wurde nicht verfasst. Die Einrichtungsgegenstände verblieben nach der Schenkung auf ihrem alten Platz in der Wohnung. Der Eigentumsübergang wurde nicht kenntlich gemacht. Die Untergerichte nahmen an, dass die Schenkung durch Erklärung im Wege der Besitzauflassung vollzogen worden sei. Der Vorschrift der "Erweislichkeit" im Sinne des § 428 ABGB sei durch die formlose Erklärung des Verpflichteten Genüge getan. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen des § 503 Z 3 und 4 ZPO.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision war mit Rücksicht auf die Streitwertbemessung über 10.000 S zulässig; sie ist aber nicht begründet.

Aktenwidrig soll das Berufungsurteil sein, weil das Berufungsgericht feststellte, dass der Verpflichtete vor seiner Verhaftung erklärt habe, alle seine Sachen gehören der Klägerin, wenn er ins Konzentrationslager käme, tatsächlich aber die Zeugin Sch***** erklärt habe, dass die Erklärung des Verpflichteten so lautete, dass der Klägerin alles gehören soll, wenn ihm etwas passiere bzw wenn ihm etwas zustoße.

Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Das Berufungsgericht hat die Beweiswürdigung des Erstgerichtes übernommen, die Beweise nicht wiederholt. Die Feststellung, dass der Verpflichtete die Schenkung für den Fall vornahm, dass er ins Konzentrationslager käme, beruht nicht allein auf der Zeugenaussage Sch*****, sondern auch auf der Zeugenaussage des Verpflichteten und der Parteiaussage der Klägerin sowie des Kontrollzeugen Dr. S*****. Es kann sich daher in diesem Falle um keine Aktenwidrigkeit handeln, sondern stellt die Feststellung das Ergebnis der vorgenommenen Beweiswürdigung dar, die im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft werden kann. Auch die Rechtsrüge ist unbegründet. Die Rechtsprechung steht in neuerer Zeit einhellig auf dem Standpunkt, dass dort, wo Schenker und Beschenkte im gemeinsamen Haushalte leben, bei der Schenkung von Gegenständen, die zwar nur einem der beiden Teile gehören, aber sich schon bisher in gemeinsamer Verfügungsmacht befanden, eine Änderung in den äußeren Verhältnissen regelmäßig nicht eintritt, sondern es einer besonderen Überlassung der Verfügungsmacht nicht bedarf. Der Beschenkte ist schon bisher Mitinhaber und übt, ohne dass in den äußeren Verhältnissen eine Veränderung eintritt, nun die schon geübte Verfügungsmacht auch als Eigentümer aus. Es liegt eine Konkurrenz von Besitzauflassung und Besitzauftrag durch vor. Im vorliegenden Fall kann nach der damals gegebenen Sachlage vor allem die Besitzauflassung den Verpflichteten, der unmittelbar nachher die gemeinsame Wohnung infolge seiner Verhaftung verlassen musste, in Betracht. Diese wird im Gegensatz zum Besitzkonstitut seit jeher als "wirkliche" Übergabe im Sinne des § 943 ABGB angesehen. Der Revision war daher teilweise statt zugeben, sonst der Erfolg zu versagen.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 43, 50 ZPO, 124 KO. Die Klagsabweisung verursachte aber keine Kosten, sodass alle Revisionskosten der Beklagten anzurechnen waren.

Anmerkung

E76142 3Ob247.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0030OB00247.6.0809.000

Dokumentnummer

JJT_19600809_OGH0002_0030OB00247_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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