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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
GehG 1956 §12 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, in der Beschwerdesache der Dr. S in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 24. April 2002, Zl. 29407/4- III 6/01, betreffend die Einrechnung von Praxiszeiten in den Ausbildungsdienst gemäß § 15 RDG, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Die Anträge der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde auf Zuerkennung von Aufwandersatz werden abgewiesen.
Begründung
Die 1973 geborene Beschwerdeführerin hat nach ihrer Sponsion zur Mag. iur. im Dezember 1995 im Sommersemester 1996 das Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften begonnen. Während dieses Studiums absolvierte sie vom 1. Jänner 1997 bis 30. September 1997 die Gerichtspraxis im Sprengel des Oberlandesgerichtes X. Vom 1. April 1998 bis 31. Jänner 2001 war sie als Rechtsanwaltsanwärterin beschäftigt. Sie wurde am 13. Oktober 1998 zur Doktorin der Rechtswissenschaften promoviert und nach erfolgreicher Absolvierung von Europarechtslehrgängen akademisch geprüfte Europarechtsexpertin und Master of European Law. Mit Wirksamkeit vom 1. Februar 2001 wurde sie auf die Planstelle einer Richteramtsanwärterin für den Sprengel des Oberlandesgerichtes X. ernannt.
Mit Eingabe vom 26. Februar 2001 beantragte sie, ihre vor der Ernennung zur Richteramtsanwärterin zurückgelegte Praxis als Rechtspraktikantin im Sprengel des Oberlandesgerichtes X. und als Rechtsanwaltsanwärterin gemäß § 15 RDG in den Ausbildungsdienst ganz bzw. teilweise einzurechnen.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 24. April 2002 wurde die als Rechtsanwaltsanwärterin in der Zeit vom 1. April 1998 bis 31. Jänner 2001 zurückgelegte Praxis im Ausmaß von einem Jahr und vier Monaten in den Ausbildungsdienst eingerechnet, wodurch die Ausbildung beim Bezirksgericht im Ausmaß von 6 Monaten sowie beim Landesgericht und bei einer Rechtsanwältin bzw. einem Rechtsanwalt im Ausmaß von jeweils 5 Monaten ersetzt werden könne. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen.
Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass § 15 RDG eine zweckdienliche Ausbildung im richterlichen Vorbereitungsdienst gewährleisten solle. Eine weiter gehende Einrechnung von Praxiszeiten in den Ausbildungsdienst sei im Hinblick darauf, dass die im § 9 Abs. 4 RDG vorgesehenen Mindestausbildungszeiten einzuhalten seien, nicht möglich.
Anzumerken ist noch, dass durch den in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes X. vom 23. Oktober 2001 auch die von der Beschwerdeführerin zurückgelegte Gerichtspraxis in vollem Ausmaß gemäß § 15 RDG in den Ausbildungsdienst eingerechnet wurde.
Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 24. April 2002 richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes beantragt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Auf Anfrage vom 19. Jänner 2005 teile die belangte Behörde dem Verwaltungsgerichtshof mit, dass die Beschwerdeführerin mit 1. Juni 2003 zur Richterin des Landesgerichtes Y. ernannt wurde. Mit Berichterverfügung vom 19. Jänner 2005 wurde die Beschwerdeführerin im Hinblick darauf um Bekanntgabe ersucht, ob und bejahendenfalls aus welchen Gründen noch ein rechtliches Interesse an einer Sachentscheidung bestehe.
Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Stellungnahme vom 11. Februar 2005 ein solches Interesse behauptet und vorgebracht, bei "vollumfänglicher Einrechnung" der von ihr zurückgelegten Praxiszeiten in den Ausbildungsdienst hätte sie mit 1. Februar 2002 alle Ernennungsvoraussetzungen erfüllt. Auf Grund der nur teilweisen Einrechnung sei ihr "Ernennungsstichtag" hingegen auf den 1. Jänner 2003 gefallen. Ihre Ernennung zur Richterin sei mit 1. Juni 2003 erfolgt.
Vor ihr seien mehrere Personen (solche werden beispielhaft angeführt), die einen nach dem 1. Februar 2002 liegenden "Ernennungsstichtag" hätten, auf Richter- bzw. Staatsanwaltsstellen ernannt worden, auf die sie sich ebenfalls beworben habe oder hätte bewerben können, wenn sie bereits ernennungsfähig gewesen wäre. Wären ihre Praxiszeiten in vollem Umfang eingerechnet worden, hätte sie eine dieser Planstellen "mit Sicherheit erhalten".
Da das Gehalt eines Richters bzw. Staatsanwaltes erheblich über dem Gehalt eines Richteramtsanwärters liege, habe sie einen Verdienstentgang erlitten. Diesen könnte sie gegen die Republik Österreich als Schadenersatzforderung geltend machen, wenn in einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes festgestellt würde, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig gewesen sei. Gemäß § 11 AHG wären die ordentlichen Gerichte an eine derartige Feststellung gebunden.
Der angefochtene Bescheid hätte Auswirkungen auf ihren Vorrückungsstichtag (wird näher unter Anführung des § 12 Abs. 3 GehG dargestellt). Darüber hinaus könne nicht ausgeschlossen werden, dass dieser Bescheid auch künftig "allenfalls Bedeutung für die Frage der Reihung in einem Besetzungsvorschlag bei Bewerbung um eine Planstelle" hätte. Gemäß § 33 RDG habe eine Reihung im Besetzungsvorschlag zunächst nach der Eignung, bei gleicher Eignung nach der für die Vorrückung in höhere Bezüge maßgebenden Dienstzeit zu erfolgen. Eine Regelung dafür, wie die Reihung bei gleicher Eignung und gleicher für die Vorrückung in höhere Bezüge maßgebender Dienstzeit vorzunehmen sei, finde sich im Gesetz nicht. Es wäre daher möglich, dass in einem solchen Fall bei der Reihung auch die als Richterin zurückgelegte Dienstzeit oder der Umstand, wann die Ernennungsvoraussetzungen erfüllt worden seien, berücksichtigt würden. Insgesamt könne also nicht ausgeschlossen werden, dass ihre Rechtsposition durch den Wegfall des angefochtenen Bescheides verbessert wäre, weshalb ein rechtlicher Interesse an der Entscheidung nach wie vor aufrecht sei.
Dem ist Folgendes zu entgegnen:
Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandlos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahren offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde. Wie der Verwaltungsgerichtshof dazu in ständiger Rechtsprechung erkennt, tritt eine Klaglosstellung nur dann ein, wenn der beim Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid formell aufgehoben wird. Wurde hingegen der angefochtene Bescheid durch keinen formellen Akt aus dem Rechtsbestand beseitigt, kann eine zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit der Beschwerde auch dann eintreten, wenn durch Änderung maßgebender Umstände das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung wegfällt. Es ist nämlich nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes, in einer Beschwerdesache zu entscheiden, wenn der Entscheidung nach der Sachlage praktisch überhaupt keine Bedeutung mehr zukommt (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 30. Juli 1998, Zl. 93/12/0152, und vom 4. Juli 2001, Zl. 98/12/0233).
Diese Voraussetzung ist im Beschwerdefall deshalb gegeben, weil die Beschwerdeführerin nach der Ernennung zur Richterin das Ziel ihrer Beschwerde - nämlich eine abweichende Entscheidung über die Einrechnung in den Ausbildungsdienst nach § 15 RDG, die nach dem Abschluss dieses Ausbildungsdienstes nicht mehr möglich ist, und im Anschluss daran eine frühere Ernennung zur Richterin - auch im Fall einer aufhebenden Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht mehr bewirken könnte (vgl. zum Wegfall der Möglichkeit, das Verfahrensziel zu erreichen, etwa den hg. Beschluss vom 21. April 1999, Zl. 94/12/0230).
§ 15 des Richterdienstgesetzes (RDG), BGBl. Nr. 305/1961 (der letzte Satz eingefügt durch die Novelle BGBl. Nr. 230/1988, im Übrigen in der Stammfassung), lautet:
"Einrechnung in den Ausbildungsdienst.
§ 15. Die vor der Ernennung zum Richteramtsanwärter zurückgelegte Praxis als Rechtspraktikant, bei der Finanzprokuratur oder bei einer anderen Dienststelle der Verwaltung, als Rechtsanwaltsanwärter oder Notariatskandidat ist vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes ganz oder teilweise in den Ausbildungsdienst einzurechnen, soweit durch diese Praxis eine den Zwecken des Ausbildungsdienstes entsprechende Verwendung und Ausbildung des Richteramtsanwärters gewährleistet ist. Im Einrechnungsbescheid ist festzustellen, ob, welche und in welchem Umfang im § 9 Abs. 2 aufgezählte Ausbildungsstationen ersetzt werden."
Durch die Einrechnung gemäß § 15 RDG wird lediglich der Ausbildungsdienst nach § 9 leg. cit. verkürzt, jedoch nicht das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis (des damaligen Richteramtsanwärters) als solches berührt. Insbesondere sind von der Einrechnung gemäß § 15 RDG die Festsetzung des Vorrückungsstichtages nach § 12 GehG (also die so genannte Anrechnung von Vordienstzeiten für die Vorrückung in höhere Bezüge) und die Anrechnung von Ruhegenussvordienstzeiten oder im Ruhestand verbrachter Zeiten gemäß den §§ 53ff PG 1965 zu unterscheiden (Spehar/Fellner, RDG3, Anm. 7 zu § 15).
Für andere Belange wie etwa die Feststellung des Vorrückungsstichtages ist eine nach § 15 RDG erfolgte Einrechnung, die nur den Ausbildungsdienst vor der Ernennung zum Richter betrifft, unter dem Gesichtspunkt des § 12 (unter dessen Abs. 3) GehG ohne normative Bedeutung.
Auch die weitere Argumentation der Beschwerdeführerin vermag kein fortdauerndes rechtliches Interesse an einer Sachentscheidung zu begründen:
Die eingangs angeführten hypothetischen Möglichkeiten einer früheren Ernennung liegen in der Vergangenheit, könnten also durch eine neue Sachentscheidung - nach Abschluss des vorliegenden Beschwerdeverfahrens zu Gunsten der Beschwerdeführerin - nicht beeinflusst werden. Was die von der Beschwerdeführerin gezogenen Rückschlüsse auf in der Zukunft liegende Ernennungsmöglichkeiten betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass dem RDG kein Anspruch auf die von ihr angesprochenen Ernennungen entnommen werden kann (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 14. Jänner 1971, Zl. 2078/70). Schon deshalb kommt den von der Beschwerdeführerin iVm § 33 Abs. 2 RDG angestellten Überlegungen - selbst wenn sie zutreffen sollten (was hier ungeprüft bleiben kann) - keine rechtserhebliche Bedeutung für ein fortdauerndes rechtliches Interesse zu.
In einem Beschwerdeverfahren nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann es auch nicht zur bloßen Feststellung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne dessen Aufhebung kommen, weil eine solche Entscheidungsform für eine Bescheidbeschwerde einer Partei nach der genannten Bestimmung und nach dem Inhalt des VwGG nicht zulässig ist. Eine derartige Möglichkeit sieht lediglich die auf Art. 131 Abs. 2 B-VG gestützte Bestimmung des § 11 des Amtshaftungsgesetzes (AHG) vor; für dieses Verfahren gelten die §§ 64 bis 70 VwGG. Die Voraussetzungen des § 11 AHG sind im Beschwerdefall nicht erfüllt. Das geltend gemachte Amtshaftungsinteresse ist somit - jedenfalls bei der im Beschwerdefall gegebenen Konstellation - nicht geeignet, ein rechtliches Interesse an der Forstsetzung des vorliegenden Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof zu begründen (vgl. die hg. Beschlüsse vom 24. März 1999, Zl. 99/12/0016, und vom 21. April 1999, Zl. 94/12/0230).
Die Beschwerde war daher nach Anhörung der Beschwerdeführerin als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren in sinngemäßer Anwendung des § 33 VwGG einzustellen. Von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 1 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 58 Abs. 2 VwGG. Die Beurteilung des hypothetischen Verfahrensausganges wäre mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden. Im Beschwerdefall erscheint es daher sachgerecht, keiner Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens Kostenersatz zuzuerkennen.
Wien, am 16. März 2005
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2002120202.X00Im RIS seit
02.06.2005