TE OGH 1960/9/7 1Ob252/60

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Veröffentlicht am 07.09.1960
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Rat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schuster als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gitschthaler, Dr. Stanzl, Dr. Zierer und Dr. Bachofner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Jean P*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Otto Tuma, Rechtsanwalt in Wien III., wider die beklagten Parteien 1.) Oskar Sch*****, Hauseigentümer, *****, und 2.) Paula O*****, Hauseigentümerin, *****, beide vertreten durch die Realkanzlei A. H*****, diese vertreten durch Dr. Josef Materna, Rechtsanwalt in Wien I., wegen Nichtigkeitserklärung einer Aufkündigung infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 3. Juni 1960, GZ 41 R 322/60-11, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 11. Feber 1960, GZ 43 C 395/59-6, aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurse wird nicht Folge gegeben.

Der Rechtsmittelwerber hat die Kosten des Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger begründet sein Begehren, durch Urteil zu erkennen, dass die Aufkündigung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 29. 5. 1959, 43 K 164/59, ihrem ganzen Inhalt nach nichtig sei, mit folgendem Vorbringen: Durch die rechtskräftige Aufkündigung sei der von ihm gemietete Bestandgegenstand in *****gasse 9, bestehend aus einem Gassenlokal, einer Werkstätte und einem Vorzimmer zum 30. 6. 1959 aufgekündigt worden. Der Kläger fechte diese Aufkündigung deshalb an, weil er im Verfahren hierüber nicht vertreten gewesen und ihm die Aufkündigung niemals zugestellt worden sei. Als Angestellter der Firma Ing. R. H***** habe er sich in deren Auftrag während der Sommermonate im Ausland befunden. Da er im Zeitpunkt der Zustellung der Kündigung nicht ortsanwesend gewesen sei, hätte eine Ersatzzustellung nicht vorgenommen werden dürfen. Als der Kläger nach der Rückkehr von seinen Dienstreisen das Bestandobjekt aufgesucht habe, sei keine postamtliche Aufforderung zur Behebung eines Gerichtsstückes vorgelegen. Bei einem neuerlichen Besuch im Lokal am 15. 9. 1959 habe er feststellen müssen, dass am Geschäftseingang neue Schlösser angebracht waren. Am 17. 9. 1959 habe er in der Realkanzlei A. H***** erst erfahren, dass er rechtskräftig gekündigt sei. Es liege somit der Nichtigkeitsgrund des § 529 Z 2 ZPO vor; die Frist des § 534 Abs 1 ZPO sei gewahrt.

Demgegenüber behaupten die Beklagten, dass die Klage verspätet sei, der Kläger es unterlassen habe, sich um die postalische Zustellung und seine finanziellen Verpflichtungen aus dem Mietvertrag zu kümmern.

Das Erstgericht hat im Sinne des Urteilsbegehrens erkannt. Es ging hiebei von folgendem Sachverhalt aus: Die Zustellung der gerichtlichen Aufkündigung des Geschäftslokals des Klägers geschah am 3. 6. 1959 durch postamtliche Hinterlegung mit dem Vermerk "Empfänger trotz Aufforderung nicht anzutreffen". Da das Zustellstück auch in der Folge vom Gekündigten (jetzigen Kläger) nicht abgeholt wurde, ging es ans Gericht zurück. Auf Grund der am 10. 7. 1959 bewilligten Räumungsexekution war der Räumungstermin für 2. 9. 1959 anberaumt worden. Auch der Exekutionsbewilligungsbeschluss ist hinterlegt und mit dem gleichen Vermerk wie die Kündigung ans Gericht zurückgesendet worden. Am 15. 9. 1959 stellte der Kläger die Anbringung neuer Schlösser am Geschäftslokal fest. Als er am 17. 9. 1959 mit dem Konzipienten seines Vertreters in der Realkanzlei H***** vorsprach, erfuhr er von der rechtskräftigen Aufkündigung und der Räumungsexekution. In den Sommermonaten Juni, Juli und August befand sich der Kläger meistens im Ausland und hatte zwischendurch nur kurzfristige Aufenthalte in Wien. Im Geschäftslokal war während der Abwesenheit des Klägers niemand anwesend. Poststücke blieben dort wochenlang unbehoben.

Aus diesen Feststellungen folgerte das Erstgericht, dass der Kläger im Kündigungsverfahren ohne sein Verschulden nicht vertreten, die Kündigung und Bewilligung der Räumungsexekution daher für nichtig zu erklären gewesen seien. Der Kläger habe mangels Geschäftsbetriebes auch nicht annehmen müssen, dass wichtige Geschäftsstücke an die Adresse des Geschäftslokals gesendet würden. Da auch die Frist zur Einbringung der Nichtigkeitsklage gewahrt sei, habe dem Klagebegehren entsprochen werden müssen.

Infolge Berufung der beklagten Parteien hob das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil auf und wies die Klage als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet zurück. Es hält die Nichtigkeitsklage gemäß § 529 Abs 1 Z 2 ZPO für unzulässig, da sie nur darauf gestützt werde, dass die Aufkündigung im Bestandverfahren nicht ordnungsgemäß im Sinne der Zivilprozessordnung zugestellt wurde. Wie sich aus der Bestimmung des § 477 ZPO im Zusammenhalte mit § 529 Abs 1 ZPO ergebe, beträfen die Nichtigkeitsgründe nur das Verfahren, das der erlassenen Entscheidung vorausgehe. Nur das die Grundlage der Entscheidung bildende und ihr vorausgegangene Verfahren könne nichtig sein, nicht aber eine fehlerhafte Zustellung der Entscheidung, die ja nicht das zur Entscheidung führende Verfahren betreffe, sondern der Entscheidung nachfolge. Da durch die ordnungswidrige Zustellung der Aufkündigung eine die Grundlage der Entscheidung berührende Nichtigkeit nicht hervorgerufen worden sei, könne die Erlassung einer Aufkündigung nie als nichtig bezeichnet werden, wenn auch die Zustellung der Entscheidung an den Gegner nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Eine mangelhafte Zustellung wäre vom Gericht einfach in einer dem Gesetz gemäßen Form zu wiederholen. Eine Beteiligung des Gegners bei Erlassung einer Aufkündigung im Bestandverfahren sei nicht vorgesehen, so dass von einer unterbliebenen Vertretung in diesem Verfahren überhaupt nicht gesprochen werden könne. Dem Ausgeführten zufolge werde die Nichtigkeitsklage auf keinen gesetzlichen Anfechtungsgrund gestützt. Deshalb sei das erstgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage gemäß § 538 ZPO zurückzuweisen gewesen. Der gegen den berufungsgerichtlichen Beschluss erhobene Rekurs des Klägers macht geltend, dass das auf Feststellung der Nichtigkeit der Aufkündigung gerichtete Klagebegehren die Nichtigkeit des gesamten Verfahrens anstrebe, so dass darin auch die Nichtigkeit des Zustellvorgangs mitenthalten sei. Der Klage wäre daher wenigstens teilweise und zwar insoweit stattzugeben gewesen, als die Zustellung der Aufkündigung nichtig sei, wenn auch die Abweisung des darüber hinausgehenden Klagebegehrens nach der im SpruchRep. Nr. 29 festgelegten Rechtsmeinung als richtig angesehen würde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist schon nach seinem eigenen Inhalt völlig unbegründet. Der Kläger begehrt ausdrücklich die Nichtigkeit der Aufkündigung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 29. 5. 1959, 43 K 164/59, somit einer Entscheidung, die der Zustellung der Aufkündigung vorausgeht. Die Behauptung im Rekurs, dass das Klagebegehren auch die Feststellung der Nichtigkeit eines Zustellvorganges mitbeinhalte, entbehrt somit jeder Grundlage, ist vielmehr geradezu aktenwidrig. Seit der Entscheidung vom 11. 4. 1951, 1 Ob 328/51 = SprRep. 29 = SZ XXIV 100, hat der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung daran festgehalten, dass eine Nichtigkeitsklage gemäß § 529 Abs 1 Z 2 ZPO unzulässig ist, wenn diese lediglich darauf gestützt wird, die Zustellung der Aufkündigung im Bestandverfahren, des Zahlungsbefehls im Mahnverfahren oder des Zahlungsauftrages im Mandats- und Wechselverfahren sei nicht ordnungsgemäß im Sinne der Zivilprozessordnung erfolgt. Daraus ergibt sich, dass eine Nichtigkeit der Zustellung der Entscheidung auch nicht Gegenstand eines Urteilsspruches sein kann (14. 1. 1959, 1 Ob 487/58). Die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils und die Zurückweisung der Klage durch das Berufungsgericht halten sich demnach durchaus im Rahmen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung, sodass dem Rekurs auch ein teilweiser Erfolg nicht beschieden sein kann.

Der Ausspruch in der Kostenfrage beruht auf den §§ 40, 50 ZPO, d. h. die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels hat der Rechtsmittelwerber selbst zu tragen.

Anmerkung

E75227 1Ob252.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0010OB00252.6.0907.000

Dokumentnummer

JJT_19600907_OGH0002_0010OB00252_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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