TE OGH 1960/9/16 2Ob313/60

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Veröffentlicht am 16.09.1960
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Rat des Obersten Gerichtshofes Dr. Sabaditsch als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Köhler, Dr. Pichler, Dr. Höltzel und Dr. Bauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friedrich K*****, Postdirektor i.P., N*****, vertreten durch Dr. Josef Wenisch, Rechtsanwalt in Neunkirchen, wider die beklagten Parteien 1) Johann H*****, Transportunternehmer und Großhändler, N*****, 2) Johann L*****, Kraftfahrer, P*****, beide vertreten durch Dr. Ernst Fasan, Rechtsanwalt in Neunkirchen, 3) Franz T*****, Fuhrwerksunternehmer, *****, vertreten durch Dr. Siegmund Reichard, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen S 11.611,30 s.A., infolge Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 13. Mai 1960, GZ 3 R 127/60-34, womit infolge Berufung der erstbeklagten Partei das Zwischenurteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 11. November 1959, GZ Cg 252/58-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben,

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als Verfahrenskosten erster Instanz zu behandeln.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 19. 4. 1957 ist es, wie feststeht, auf der Bundesstraße zwischen Neunkirchen und Puchberg zu einem Verkehrsunfall gekommen, bei dem der dem Erstbeklagten gehörige und vom Zweitbeklagten gelenkte Tankwagen mit Anhänger bei der Begegnung mit dem vom Drittbeklagten gelenkten und ihm gehörigen LKW mit Anhänger von der Fahrbahn auf das unbefestigte Bankett abgekommen und über die anschließende Böschung in einen Teich gestürzt ist.

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger Schadenersatzansprüche mit der Behauptung geltend gemacht, dass er diesen Teich und fünf anschließende kleinere Teiche, die aus dem erstgenannten Teich mit Wasser versorgt werden, zur Fischzucht gepachtet habe. Er habe dadurch einen schweren Schaden erlitten, dass einerseits durch das ausfließende Dieselöl und Benzin das Wasser verseucht und andererseits durch das unsachgemäße Abschleppen des Fahrzeuges durch den Teich der am Grunde liegende Schlamm mit Öl durchsetzt worden sei. Dadurch sei auf Jahre hinaus eine Fischzucht unmöglich gemacht worden.

Der Erstbeklagte hat eingewendet, dass er weder auf Grund eines Verschuldens des Zweitbeklagten noch auch nach den Bestimmungen der §§ 7 ff KfzVerkG hafte, weil der Absturz seines Fahrzeuges einzig und allein auf den schlechten Bauzustand der Straße zurückzuführen sei. Darin sei ein unabwendbares Ereignis nach § 7 Abs 2 KfzVerkG gelegen. Außerdem sei der Unfall nur auf das verkehrswidrige Verhalten des bei seinem Betriebe nicht beschäftigten Drittbeklagten zurückzuführen. Der Zweitbeklagte habe alle nach den gegebenen Umständen gebotene Sorgfalt beobachtet.

Das Verfahren gegen den Zweitbeklagten ruht (S 81), das Verfahren gegen den Drittbeklagten ist unterbrochen und bisher nicht wieder aufgenommen worden (S 16 und S 81).

Das Erstgericht hat das Verfahren auf den Grund des Anspruches eingeschränkt und mit Zwischenurteilen erkannt, dass der Anspruch des Klägers gegenüber dem Erstbeklagten dem Grunde nach zu Recht bestehe. Das Berufungsgericht hat der Berufung des Erstbeklagten nicht Folge gegeben.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Erstbeklagten. Die offenbar nur versehentliche Anführung des Namens des Zweitbeklagten in der Revision, bezüglich dessen das Verfahren ruht, ist unbeachtlich.

Der Erstbeklagte macht die Revisionsgründe nach § 503 Z 2 bis 4 ZPO geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde, oder die Urteile der Untergerichte aufzuheben und die Sache an eines der Untergerichte zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Als aktenwidrig wird die Annahme des Berufungsgerichtes gerügt, dass für den Zweitbeklagten kein Anlass bestanden habe, den als Bankett erkannten Straßenstreifen zu benützen. Diese Ausführungen gehen schon deshalb fehl, weil es sich bei dieser Annahme des Berufungsgerichtes nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine rechtliche Beurteilung der Sache handelt.

Eine weitere Aktenwidrigkeit soll in der Feststellung gelegen sein, der Sachverständige Dr. Ing. Fritz K***** habe in seinem Gutachten ON 11 angenommen, dass bei einer ruhenden Belastung der rechte Fahrbahnstreifen nicht abgebrochen wäre. Diese Ausführungen sind ebenfalls verfehlt, weil der Sachverständige nicht von einem Fahrbahnstreifen, sondern vom Bankett als unbefestigten Teil neben der befestigten Fahrbahn gesprochen hat. Die Ausführungen des Sachverständigen in dieser Hinsicht sind allerdings widerspruchsvoll. Er hat nämlich in seinem schriftlichen Gutachten (S 39) behauptet, dass ein Absturz nicht erfolgt wäre, wenn der Zweitbeklagte den Kraftwagen auf dem Bankett zum Stillstand gebracht hätte. Bei der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung (S 49) hat er jedoch den Standpunkt eingenommen, dass wegen der stärkeren Neigung der Böschung und wegen der Durchnässung des Erdmaterials der Absturz unbedingt erfolgen musste. Diese Widersprüche hätten aufgeklärt werden müssen. Es kann aber keine Aktenwidrigkeit darstellen, wenn sich das Gericht der einen oder anderen Meinung des Sachverständigen angeschlossen hat. Im Übrigen ist diese Frage für die rechtliche Beurteilung des Sache in der Richtung eines schuldhaften Verhaltens des Zweitbeklagten nicht von entscheidender Bedeutung, wie bereits das Berufungsgericht richtig ausgeführt hat. Bei der festgestellten Situation hätte der Zweitbeklagte sein Kraftfahrzeug auf dem Bankett überhaupt nicht mehr anhalten können, weil er eine zu hohe Geschwindigkeit hatte und es ihm nicht gelungen war, wieder auf die befestigte Fahrbahn zurückzukehren.

Die Berechnung des Abstandes, in welchem die beiden Fahrzeuge, wenn sie auf der Fahrbahn geblieben wären, aneinander vorbeifahren hätten müssen, hat das Berufungsgericht im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung der Sache vorgenommen. Es kann daher nicht von einer aktenwidrigen Feststellung gesprochen werden. Im Einzelnen wird darauf noch bei der Behandlung der Rechtsrüge einzugehen sein. Auf Seite 2 des angefochtenen Urteiles hat das Berufungsgericht eine kurze Darstellung des Sachverhaltes gegeben, ohne dass gesagt werden könnte, dass es sich hiebei um die Anführung der vom Erstgericht festgestellten Tatsachen handle. Diese Darstellung war auch nicht die Grundlage für die rechtliche Beurteilung der Sache. Da der Zweit- und der Drittbeklagte im Strafverfahren freigesprochen worden sind, kommt es auch nicht auf die Feststellungen im strafgerichtlichen Urteil an. Maßgebend sind die in diesem Verfahren getroffenen Feststellungen. Dass der Einbruch bereits bis zu einer Tiefe von 30 m im Asphalt erfolgte, ist nicht festgestellt worden.

Die Auffassung des Berufungsgerichtes, dass der LKW-Zug des Drittbeklagten auf seiner Fahrbahnhälfte gefahren sei, stellt nicht die Feststellung einer Tatsache, sondern eine Schlussfolgerung aus der Tatsache dar, dass beide Fahrzeuge aneinander vorbeigekommen sind, ohne sich zu beschädigen. Von einer Aktenwidrigkeit kann daher auch hier nicht die Rede sein.

Wie schon erwähnt, hat das Berufungsgericht die Berechnungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung der Sache vorgenommen. Es hat dabei keine neuen Feststellungen getroffen, die eine Beweiswiederholung zur Voraussetzung gehabt hätten. In dieser Hinsicht liegt die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht vor.

Die Annahme des Berufungsgerichtes, dass dem Zweitbeklagten der Unterschied zwischen Fahrbahn und Bankett und nicht wie der Erstbeklagte ausführt, zwischen befestigter und unbefestigter Fahrbahn, bekannt war, stellt ebenfalls keine Tatsachenfeststellung, sondern eine Schlussfolgerung dar, die keine Beweiswiederholung erfordert hat.

Einen weiteren Mangel macht der Erstbeklagte in der Richtung geltend, dass das Erstgericht nicht aus der Skizze zu demselben Ergebnis bezüglich der Frage gekommen sei, von welcher Stelle der Zeuge S***** die Messungen vorgenommen habe, vom Geländer oder von der Böschung. Damit wird ein Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens geltend gemacht. Dies ist im Revisionsverfahren unzulässig. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Zeuge S***** dort, wo noch ein Geländer vorhanden war, die Messungen von diesem vorgenommen hat. Dies ergibt sich auch deutlich aus der Skizze. Da das Erstgericht selbst darüber Beweise aufgenommen hat, konnten die Ergebnisse im Strafverfahren in dieser Richtung nicht maßgebend sein. Die Nichtbeachtung der Strafakten stellt daher in diesem Zusammenhang keinen Mangel des Berufungsverfahrens dar.

Mit der Rechtsrüge wendet sich der Erstbeklagte gegen die Auffassung der Untergerichte, den Zweitbeklagten treffe deshalb ein Verschulden, weil er ohne Notwendigkeit auf den äußersten rechten Fahrbahnrand ausgewichen sei, wobei es diesen Fahrbahnrand als Bankett bezeichnete. Ob ein Fahrbahnstreifen ein Bankett ist, sei eine Frage der rechtlichen Beurteilung. Die zulässige Fahrzeugbreite sei 2,50 m. Die Bundesstraßenverwaltung musst daher damit rechnen, dass an der Unfallsstelle breitere Fahrzeuge einander nur passieren können, wenn zumindestens eines davon auf den unbefestigten Fahrbahnteil ausweiche. Gerade deshalb habe der Zweitbeklagte annehmen müssen, dass dieser Teil zur Fahrbahnmitte gehöre und daher kein Bankett darstelle, dessen Befahren verboten sei. Anderenfalls hätte die Bundesstraßenverwaltung Warnungstafeln aufstellen müssen, dass die Bankette nicht befahrbar seien. Weil weder das eine noch das andere geschehen sei, gehöre der unbefestigte Straßenteil zur Fahrbahn. Diese Ausführungen gehen am Kern der Sache vorbei. Es ist nicht ausschlaggebend, ob die Bundesstraßenverwaltung ihre Verpflichtung bezüglich der Anlegung der Straße und der Aufstellung von Verkehrszeichen erfüllt hat, wesentlich ist, ob es für den Zweitbeklagten erkennbar war, dass er die befestigte mit Asphalt bedeckte Fahrbahn verlässt und sich auf einen unbefestigten Teil der Straße begibt.

Der Oberste Gerichtshof hat sich in seiner Entscheidung 2 Ob 35/56, die in ZVR 1956 unter Nr 79 veröffentlicht wurde, mit der Frage befasst, was ein Bankett sei. Er hat dort die Meinung vertreten, von der abzugehen hier kein Anlass besteht, dass der Ausdruck Bankett ein Fachausdruck des Straßenbaues für die neben der festen Straßendecke liegenden unbefestigten Streifen sei. Verkehrsrechtlich sei das Bankett eine der Befestigung nach nicht für schwere Kraftfahrzeuge brauchbare im Allgemeinen nicht geeignete Erweiterung der Fahrbahn nach einer oder beiden Seiten.

Jeder Kraftfahrzeugführer muss wissen, dass es eine von ihm zu vertretende Unkenntnis darstellt, wenn er bei einer asphaltierten Fahrbahn den anschließenden Sandstreifen benützt. Fahrbahn ist gemäß § 1 Z 3 StPolG allein der Teil der Straße, der für den Fahrzeugverkehr bestimmt ist, nicht der auf beiden Seiten oder nur auf einer Seite der Fahrbahn in gleicher Höhe mit ihr liegende Straßenstreifen.

Es musste daher auch dem Zweitbeklagten bekannt sein, dass er durch die Ablenkung seines Kraftfahrzeuges nach rechts mit den rechten Rädern die Fahrbahn verlässt und das Bankett benützt. Gemäß § 9 Abs 3 StPolG sind zum Befahren mit Fahrzeugen ausschließlich die Fahrbahnen bestimmt. Das Benützen der Bankette zum Befahren oder Ausweichen ist verboten (siehe auch ZVR 1960 Nr 218 und EvBl 1953 Nr 416). Gegen dieses Verbot, das nach der Anlage der Straße nur den Zweck haben kann, den Verkehr auf der Straße zu sichern, hat der Zweitbeklagte verstoßen. Er und der Erstbeklagte als Halter des Kraftwagens hätten daher im Sinne des § 1311 ABGB zu beweisen gehabt, dass auch ohne Verletzung dieser Vorschrift der Schaden eingetreten wäre. Einen solchen Beweis haben sie nicht einmal angetreten. Konnte der Zweitbeklagte aber an dem entgegenkommenden LKW nicht vorbeikommen, ohne auf das Bankett ausweichen zu müssen, dann hätte er stehen bleiben und allenfalls gemäß der Vorschrift des § 15 Abs 3 StPolG zurückfahren müssen. Der Zweitbeklagte ist aber wie feststeht mit einer Geschwindigkeit von 30 km/h an dieser gefährlichen Straßenstelle unter Benützung des Bankettes vorbeigefahren. Er hat dadurch auch gegen die Bestimmung des § 7 StPolG verstoßen, weil es seine Verpflichtung gewesen wäre, Rücksicht auf den Straßenverkehr zu nehmen und die zur Wahrung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehres erforderliche Vorsicht und Aufmerksamkeit zu beobachten. Der Zweitbeklagte hat aber auch eine für die damaligen Straßen- und Verkehrsverhältnisse unzulässig hohe Geschwindigkeit eingehalten und dadurch gegen die Vorschriften des § 18 Abs 1 StPolG verstoßen, weil er nicht eine solche Fahrgeschwindigkeit gewählt hat, das die Sicherheit von Personen und Sachen nicht gefährdet werden konnte und er in der Lage geblieben wäre, seinen Verpflichtungen bei Führung und Bedienung des Fahrzeuges Genüge zu leisten.

Wenn man davon ausgeht, dass die Fahrzeuge auf der Fahrbahn nur mit einem Zwischenraum von 4,5 cm aneinander hätten vorbeifahren können, wie der Sachverständige im Strafverfahren (S 90 des Strafaktes) angeführt hat, dann hätte der Zweitbeklagte stehen bleiben müssen, was ihm noch vor der Kreuzung mit dem entgegenkommenden LKW möglich gewesen wäre, zumal er diesen bereits auf 46 m erblickt hatte. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte er schon zu diesem Zeitpunkte die Breite der Fahrbahn von 5 m und die Breite des Fahrzeuges von je 2,35 m zusammen also 4,70 m abschätzen können und es hätte ihm bewusst werden müssen, dass beim Vorbeifahren der beiden Fahrzeuge eine gefährliche Situation entstehen könnte. Wenn überhaupt wäre daher ein Vorbeifahren nur im Schritttempo möglich gewesen, wie auch der Sachverständige Dr. Ing. B***** im Strafverfahren angenommen hat, auf den sich der Erstbeklagte immer wieder beruft. Es kommt daher auf die vom Berufungsgericht vorgenommene Berechnung nicht entscheidend an. Wie immer man die Sache betrachtet, muss man zu einem schuldhaften Verhalten des Zweitbeklagten gelangen. Es ist daher die Haftung des Erstbeklagten im Sinne des Art IV EVzKfzVerkG für das Verschulden des Zweitbeklagten im Sinne der Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes gegeben. Eine Einschränkung der Haftung nach § 12 KfzVerkG kommt hier nicht in Betracht. Inwieweit der Unfall durch ein vorschriftswidriges Verhalten des Drittbeklagten mitverursacht oder mitverschuldet worden ist, war vorerst nicht zu prüfen, da das Verfahren gegen diesen unterbrochen ist.

Der Vorbehalt der Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E75703 2Ob313.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0020OB00313.6.0916.000

Dokumentnummer

JJT_19600916_OGH0002_0020OB00313_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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