TE OGH 1960/10/28 2Ob311/60

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Veröffentlicht am 28.10.1960
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Elsigan als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Sabaditsch, Dr. Köhler, Dr. Pichler und Dr. Bauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Oberösterreichische V*****, reg. Gen mbH. in *****, vertreten durch Dr. Gottfried Köhler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Karl K***** jun., Transportunternehmer in *****, vertreten durch Dr. Erich Oberleithner, Rechtsanwalt in Linz, unter Beitritt 1) des Landes Oberösterreich, vertreten durch Dr. Eduard Ludescher, Rechtsanwalt in Linz, und 2) des Karl Sch*****, Landwirts in *****, vertreten durch Dr. Friedrich Kempf, Rechtsanwalt in Linz, als Nebenintervenienten auf Seite der klagenden Partei, wegen S 4.372,80 sA, infolge Revision der klagenden Partei und ihres Nebeninterventienten Land Oberösterreich gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 14. April 1960, GZ 2 R 454/59-87, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 23. Oktober 1959, GZ 1 Cg 1118/59-77, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 621,26 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der beklagte Autotransportunternehmer führte am 7. 6. 1955 auf Bestellung der Klägerin einen Viehtransport mit seinem Lastkraftwagen durch seinen Bediensteten Helmut S***** durch. Auf der Harterleithener Bezirksstraße rutschte der mit Lebendvieh beladene Lastkraftwagen des Beklagten über die Straßenböschung, wodurch die Ladung beschädigt wurde. Das im Zusammenhange mit diesem Verkehrsunfall gegen Helmut S***** wegen Übertretung nach § 431 StG eingeleitete Strafverfahren wurde am 11. 7. 1955 gemäß § 90 StPO eingestellt (Akten U 84/55 des Bezirksgerichtes Pregarten). Die Klägerin führt aus, dass durch die Beschädigung des Viehs ein Mindererlös entstanden sei und begehrt nach dem letzten Stande des erstgerichtlichen Verfahrens Schadenersatz in der Höhe von 4.372,80 S sA. Den Kraftfahrer des Beklagten treffe am Unfalle ein Verschulden;

der Beklagte hafte nach § 7 KraftfVerkG sowie nach den Bestimmungen der §§ 429, 431 HGB. Der Beklagte hat die Klagsabweisung beantragt;

seine Halterhaftung sei nach § 8 KraftfVerkG nicht gegeben, da zwar die Beförderung entgeltlich gewesen sei, es habe sich aber nicht um eine Beförderung durch ein dem öffentlichen Verkehr dienendes Fahrzeug gehandelt; als Frachtführer hafte er aber deswegen nicht, weil weder ihn noch seinen Kraftfahrer ein Verschulden treffe; der Unfall sei auf das Nachgeben des Straßenunterbaues zurückzuführen; der Schade sei trotz Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht abzuwenden gewesen. Außer Streit wurde gestellt (S 10), dass der Schade der Klägerin 4.372,80 S betrage. Auf Seite der Klägerin sind dem Rechtsstreite das Land Oberösterreich (ON 11) sowie Karl Sch***** (ON 16) beigetreten.

Mit Urteil vom 30. 5. 1958 (ON 60) hat das Erstgericht das bezeichnete Klagebegehren abgewiesen. Den Berufungen der Klägerin und des Landes Oberösterreich als ihrer Nebenintervenientin hat das Berufungsgericht mit Beschluss vom 2. 12. 1958 Folge gegeben (ON 67), das bezeichnete Ersturteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Nach Ergänzung des Verfahrens hast das Erstgericht dem Klagebegehren stattgegeben (ON 77). Nach Wiederholung des Beweisverfahrens (ON 86) hat das Berufungsgericht der Berufung des Beklagten Folge gegeben und in Abänderung des Ersturteils ON 77 das Klagebegehren abgewiesen (ON 87).

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richten sich 1) die Revisionen der Klägerin und 2) jene des Landes Oberösterreich als Nebenintervenientin auf Seite der klagenden Partei. Beide Revisionswerberinnen machen die Revisionsgründe des § 503 Z 2, 3 und 4 ZPO geltend und beantragen die Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils; hilfsweise haben sie die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Rückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung beantragt.

Der Beklagte hat die Revisionen bekämpft und beantragt, ihnen keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind nach der dargestellten Aktenlage zulässig, sie sind aber nicht begründet.

Zu den von den Revisionswerbern geltend gemachten Mängelrügen (§ 503 Z 2 ZPO):

Augenschein und Zeugenvernehmungen sind in erster Instanz durch das Rechtshilfegericht vorgenommen worden (ON 27 und 46); unmittelbar sind vom Erstgerichte nur die Sachverständigen Dipl. Ing. Alfred Ko***** und Dipl. Ing. Fritz K***** vernommen worden (ON 73). Das Berufungsgericht hat den Kraftfahrer des Beklagten Helmut S***** als Zeugen und die genannten Sachverständigen in der Berufungsverhandlung (ON 86) vernommen und nach Fassung des diesbezüglichen Beweisbeschlusses (S 395 der Prozessakten) die im Rechtshilfewege in erster Instanz aufgenommenen Protokolle zur Verlesung gebracht (S 395 f). Bei dieser Aktenlage hat die zweite Instanz keineswegs gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit verstoßen. Die Beschwerdeführer übersehen auch, dass sie nach Verlesung der durch das Rechtshilfegericht aufgenommenen Protokolle in der Berufungsverhandlung keinen Antrag auf Vornahme unmittelbarer Beweisaufnahme gestellt haben. Schon aus diesem Grunde kann die Rüge der Unterlassung der ergänzenden Vernehmung der Gendarmeriebeamten (Rudolf F***** und Franz G*****) als Zeugen sowie der Vornahme eines Augenscheins durch den erkennenden Senat des Berufungsgerichtes nicht durchgreifen. Die Behauptung von Feststellungsmängeln ist nicht gerechtfertigt; die festgestellten Umstände reichen zur rechtlichen Beurteilung über das Klagebegehren zu (in dieser Hinsicht ist auf die späteren Ausführungen zu den Rechtsrügen zu verweisen). Es trifft auch nicht zu, dass das Berufungsgericht bei seiner Feststellung (S 409 der Prozessakten), der Kraftfahrer des Beklagten Helmut S***** sei zunächst am äußersten rechten Rande gerade so gefahren, dass er mit der Ladefläche nicht anstreifte, ein Tatsachenzugeständnis der beklagten Partei oder eine unbekämpfte Feststellung der ersten Instanz unberücksichtigt gelassen hätte. Denn das Vorbringen der beklagten Partei in der Klagebeantwortung (ON 3) steht ebensowenig in Widerspruch zu der erwähnten Feststellung wie der Inhalt der Berufungsschrift der beklagten Partei (ON 78). Somit stellen sich die Ausführungen der Revisionswerber unter dem Gesichtspunkte des § 503 Z 2 ZPO in Wirklichkeit als nichts anderes dar als eine Bekämpfung der Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes, insbesondere seiner Feststellungen auf Grund der in den eingangs bezogenen Strafakten vorhandenen Skizze. Nach der Regelung des § 503 ZPO unterliegt aber die Beweiswürdigung der zweiten Instanz nicht der Anfechtung im Revisionsverfahren. Der Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO ist also in keiner Hinsicht gegeben.

Zu den Rügen der Revisionswerber nach § 503 Z 3 ZPO: Die Vorinstanz hat ausgeführt (S 410 der Prozessakten), dass die Feststellung, der Kraftfahrer des Beklagten Helmut S***** sei ursprünglich so weit als möglich rechts gefahren und erst dann allmählich nach links abgekommen, vor allem auf der Skizze aus den Strafakten beruhe, die das einzige objektive Beweismittel darstelle. Die Einsicht in die Strafakten ergibt die Richtigkeit dieser Darlegungen. Von einer Aktenwidrigkeit kann also keine Rede sein. Die Ausführungen der Revisionswerber unter diesem Gesichtspunkte verkennen die Voraussetzungen des § 503 Z 3 ZPO; das Vorbringen in den bezogenen Rügen bedeutet eine unzulässige Anfechtung der Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes. Der Revisionsgrund des § 503 Z 3 ZPO liegt demnach nicht vor.

Es kommt aber auch den Rechtsrügen der Revisionswerber (§ 503 Z 4 ZPO) keine Berechtigung zu.

In rechtlicher Hinsicht ist zu dem Schadenersatzbegehren der Klägerin gegenüber ihrem Frachtführer zunächst Artikel 8, Nr. 26 (Haftung bei Beförderung mit Kraftfahrzeugen) der 4. Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften in Österreich festzuhalten, wonach durch die Vorschriften des HGB über die Haftung des Frachtführers die Sondervorschriften über die Ersatzansprüche aus der Beschädigung von Sachen, die mit Kraftfahrzeugen befördert werden, nicht berührt werden (die Bestimmungen des § 4 Abs 1 EKHG sind gemäß den §§ 23, 21 EKHG auf diese Streitsache noch nicht anwendbar). Die Halterhaftung des Beklagten nach § 7 Abs. 1 KraftfVerkG ist aber nach § 8 Abs 2 KraftfVerkG nicht gegeben: wenn die beschädigte Sache zur Zeit des Unfalls durch ein Kraftfahrzeug befördert worden ist, haftet der Halter dieses Fahrzeugs nach § 7 nur dann, wenn es sich um entgeltliche Beförderung durch ein dem öffentlichen Verkehr dienendes Fahrzeug handelt. Zutreffend verweist der Revisionsgegner gegenüber den Ausführungen des Berufungsgerichtes darauf, dass der Ausnahmetatbestand des § 8 Abs 2 KraftfVerkG vorliege. Ein Güterlinienverkehr war ja nicht gegeben, vielmehr ist die Fahrt, auf der sich der Unfall ereignete, auf besondere Bestellung der Klägerin ausschließlich für ihre Zwecke unternommen worden. Bei diesen Umständen ist die Voraussetzung der "Beförderung durch ein dem öffentlichen Verkehr dienendes Fahrzeug" nicht hergestellt (vgl. Veit-Veit, Kraftfahrzeughaftpflichtrecht, 5. Aufl., S. 79 f). Entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichtes ist das Revisionsgericht schon in 2 Ob 125/56 vom 14. 3. 1956 von der in 2 Ob 535/50 vom 15. 12. 1950 vertretenen, mit der oben dargelegten Ansicht in Widerspruch stehenden Auffassung abgegangen. Demgemäß kommt auf den vorliegenden Fall nicht die Sonderregelung des KraftfVerkG, sondern die Vorschrift des § 429 HGB bzw des § 431 HGB zur Anwendung:

der Beklagte als Frachtführer haftet der Klägerin für den Schaden, der durch Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Annahme bis zur Ablieferung entstanden ist, es sei denn, dass die Beschädigung auf Umständen beruht, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht abgewendet werden konnten; der Frachtführer hat ein Verschulden seiner Leute in gleichem Umfange zu vertreten wie eigenes Verschulden.

Zutreffend hat das Berufungsgericht nach den von ihm festgestellten Umständen dieses Verkehrsunfalls (die Sachverhaltsfeststellungen der zweiten Instanz sind im Revisionsverfahren nach den obigen Ausführungen maßgeblich geblieben) die Haftung des geklagten Frachtführers abgelehnt. Der Unfall und damit die Beschädigung der Fracht konnte ja durch die pflichtgemäße Sorgfalt des Kraftfahrers des Beklagten keineswegs abgewendet werden. Dass die keinen Verkehrsbeschränkungen unterliegende Bezirksstraße einbrechen werde, war für den Kraftfahrer nicht voraussehbar; dieser ist den Verhältnissen durchaus angepasst gefahren und hat bei Erkennen der Gefahr alles ihm Zumutbare unternommen, um das Fahrzeug samt Ladung zu retten. Im Einzelnen ist auf die durch die Begutachtung der Sachverständigen gestützte Beurteilung des Berufungsgerichtes zu verweisen und im Hinblick auf die Ausführungen der Revisionswerber zu § 503 Z 4 ZPO noch Folgendes zu bemerken:

Wie im vorausgegangenen Verfahren bringen die Revisionswerber vor, dass der Kraftfahrer des Beklagten den Unfall hätte vermeiden können, wenn er statt mit 15 km/h im Schritttempo gefahren wäre, wenn er bei Erkennen des Einsinkens sofort gebremst hätte und wenn er mit seinem Lastkraftwagen auf dem festen Teil der Straße gefahren wäre. Die Ausführungen der Revisionswerber sind aber nicht geeignet, die Beurteilung der Vorinstanz zu widerlegen, abgesehen davon, dass sie von den Sachverhaltsfeststellungen des Berufungsgerichtes in wesentlichen Belangen abweichen und insoweit als Rechtsrüge unbeachtlich sind. Helmut S***** fuhr doch zunächst am äußersten rechten Rande der Straße, gerade so, dass er mit der Ladefläche nicht an der rechten Böschung anstreifte; erst durch das Nachgeben der Straßenunterlage wurde der Wagen nach links gezogen, so dass er schließlich auf den Grasstreifen geriet. Überzeugend hat das Berufungsgericht dargelegt, dass die von S***** eingehaltene Geschwindigkeit von 15 km/h zulässig gewesen sei; auf die Möglichkeit eines Straßeneinsturzes musste S***** bei der Wahl der Fahrgeschwindigkeit nicht Bedacht nehmen, da eine derartige Gefahr für ihn nicht erkennbar war. Was aber die von den Revisionswerbern behauptete Möglichkeit der Verhinderung des Absturzes des Fahrzeugs durch rechtzeitige Abwehrhandlungen des Kraftfahrers betrifft, so geht das Revisionsvorbringen an dem Umstande vorbei, dass bei dem Radstande des Fahrzeugs von 3,70 m der Absturz des Fahrzeugs unvermeidlich war, wenn das Fahrzeug nicht vor dieser Distanz angehalten wurde, und dass ein Anhalten auf diese Entfernung dem Kraftfahrer nicht möglich war. Bei diesen Umständen hat aber der Beklagte den ihm nach den §§ 429, 431 HGB obliegenden Entlastungsbeweis erbracht, so dass auch die Rechtsrüge der Revisionswerber erfolglos bleiben muss.

Somit war den Revisionen nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung (Zuschlag gemäß § 17 RAT-Verordnung gebührt dem Beklagten nur im Ausmaß von 10 %, da sich am Revisionsverfahren nur ein Nebenintervenient auf Seite seiner Gegnerin beteiligt hat) gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.

Anmerkung

E75702 2Ob311.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0020OB00311.6.1028.000

Dokumentnummer

JJT_19601028_OGH0002_0020OB00311_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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