Norm
EO §367Kopf
SZ 33/116
Spruch
Die Erklärung des Patienten, den Arzt vom Geheimnis zu entbinden, kann nicht vom Gericht im Sinne des § 367 EO. substituiert werden.
Entscheidung vom 28. Oktober 1960, 2 Ob 370/60.
I. Instanz: Landesgericht Eisenstadt; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Nach dem unbestrittenen Vorbringen der Klägerin ist ihre am 13. Juli 1957 mit dem Beklagten geschlossene Ehe mit Urteil vom 6. März 1958 geschieden worden. Mit der Begründung, sie benötige zur Ermöglichung einer kirchlichen Wiederverehelichung den Nachweis der Zeugungsunfähigkeit des Ehegatten, begehrt sie mit der vorliegenden Klage, den Beklagten zur Abgabe der Erklärung zu verurteilen, daß er schon vor der Eheschließung und auch während der Ehe zeugungsunfähig war; weiter solle er den gerichtlich beeideten Sachverständigen Dr. Eppl ermächtigen, das Ergebnis der ärztlichen Untersuchung vom 17. Dezember 1957 bekanntzugeben.
Beide Unterinstanzen haben die Klage abgewiesen. Sie waren der Ansicht, daß für ein solches Begehren jede gesetzliche Grundlage fehle.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die klagende Partei stellt das Begehren, den Beklagten zur Abgabe der Erklärung zu verurteilen, daß er im Zeitpunkt der Eheschließung und auch späterhin bis zur Scheidung der Ehe zeugungsunfähig war. Mit diesem Begehren verlangt sie im Grund eine ein Geständnis über das geschlechtliche Unvermögen in sich schließende Erklärung. Erklärungen solcher Art sind im Verfahren nicht erzwingbar; sie können auch im Wege der Klage nicht erzwungen werden.
Gleiches gilt für das weitere Begehren, den Beklagten zu verurteilen, in die Offenbarung des ärztlichen Untersuchungsergebnisses zu willigen. Die Entbindung vom Geheimnis kann nur von der interessierten Person selbst ausgehen. Sie ist kein Rechtsgeschäft, sondern ein persönlicher Akt, der die Lockerung der Abgeschlossenheit des Privatlebens bedeutet. Sie kann nicht von einem Bevollmächtigten verfügt werden; auch das Vertretungsrecht des Vaters, Vormundes oder Kurators kann sich auf einen Akt so persönlichen Charakters nicht erstrecken. Darum kann auch die Erklärung, den Arzt vom Geheimnis zu entbinden, nicht vom Gericht im Sinn des § 367 EO. substituiert werden (im gleichen Sinne Kienböck, Das Berufsgeheimnis der Ärzte und Sanitätspersonen, S. 39). Was nicht vollstreckbar ist, kann nicht Gegenstand einer Leistungsklage sein.
Aber auch die Beurteilung des ersten Teilbegehrens als Feststellungsbegehren kann nicht zum Ziel führen. Ihr Gegenstand wäre die Feststellung der Tatsache des geschlechtlichen Unvermögens; Tatsachenfeststellungen können aber - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall der Feststellung der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde - niemals Gegenstand einer Feststellungsklage sein.
Damit erübrigt es sich, auf die Revisionsausführungen einzugehen, die einen aus dem materiellen Recht sich ergebenden Anspruchsgrund dartun sollen.
Anmerkung
Z33116Schlagworte
Ärztliches Berufsgeheimnis, Entbindung nicht erzwingbar, Berufsgeheimnis, ärztliches, Entbindung nicht erzwingbar, Entbindung von ärztlichen Berufsgeheimnis nicht erzwingbar, Zwang, kein - zur Entbindung vom ärztlichen BerufsgeheimnisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1960:0020OB00370.6.1028.000Dokumentnummer
JJT_19601028_OGH0002_0020OB00370_6000000_000