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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde des L in L, vertreten durch Dr. Hubert Maier, Rechtsanwalt in 4310 Mauthausen, Vormarktstraße 17, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 27. August 2004, Zl. Gem-523596/4-2004-Sto/Pl, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (in einer Getränkesteuerangelegenheit), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des zuständigen Mitglieds des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 14. Juni 2004 wurde unter anderem Getränkesteuer für alkoholfreie Getränke und Speiseeis vorgeschrieben, die Getränkesteuer für alkoholische Getränke endgültig mit S 0,- festgesetzt und dem Antrag auf Rückzahlung bereits entrichteter Getränkesteuer teilweise stattgegeben.
Mit Schriftsatz vom 12. Juli 2004 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung einer Vorstellung gegen den genannten Bescheid und holte mit Schreiben vom 10. Juli 2004 die Vorstellung nach. Im Wiedereinsetzungsantrag brachte er vor, die Berufungsentscheidung sei am 17. Juni 2004 per Post in der Kanzlei des steuerlichen Vertreters eingegangen. Die zuständige Buchhaltungssachbearbeiterin habe im Bescheid die Hinweise auf die 14-tägige Frist zur Einbringung der Vorstellung übersehen und in die Terminverwaltung, welche erst seit kurzer Zeit ausschließlich über EDV erfolge, als "Berufungstermin" den 16. Juli 2004 eingetragen. Der eingetragene "Berufungstermin", welcher elektronisch an den für die Berufung zuständigen Sachbearbeiter weitergeleitet worden sei, sei von diesem auch zur Kenntnis genommen, aber "nicht mehr extra kontrolliert" worden, weil es bisher noch nie der Fall gewesen sei, dass ein Termin nicht richtig eingetragen worden wäre. Die Buchhaltungssachbearbeiterin sei seit fast 20 Jahren in der Kanzlei tätig. Der steuerliche Vertreter habe daher keinen Grund gesehen, "die Sache zu kontrollieren". Er habe die "Berufung" nach einer Kammerveranstaltung zum Thema Getränkesteuer verfassen wollen. Durch die unglücklichen Umstände dieser Fehleintragung sei nunmehr die Frist versäumt worden. Ein Verschulden des Beschwerdeführers könne jedoch ausgeschlossen werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet abgewiesen und die Vorstellung als verspätet zurückgewiesen. Begründend wurde nach Wiedergabe der Rechtslage und des Verfahrensganges ausgeführt, der Ansicht des Beschwerdeführers, es habe für den steuerlichen Vertreter keinen Grund gegeben, die Sache zu kontrollieren, könne nicht gefolgt werden, weil der Umstand, dass der Buchhaltungssachbearbeiterin in ihrer fast 20 Jahre dauernden Tätigkeit in der Kanzlei kein Fehler bei der Fristeintragung unterlaufen sei, noch nicht das gänzliche Unterlassen einer Kontrolle rechtfertige. Die bei Anlegung des bei beruflichen Parteienvertretern gebotenen strengeren Maßstabes erforderliche und zumutbare Sorgfalt hätte es notwendig gemacht, das von der Buchhaltungssachbearbeiterin berechnete Fristenende und/oder die erfolgte Eingabe in die Terminliste einer Überprüfung zu unterziehen; dies umso mehr, als die Terminverwaltung in der Kanzlei erst seit kurzer Zeit elektronisch erfolge. Dass seitens des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers Vorkehrungsmaßnahmen zur Verhinderung von Fristversäumnissen im Allgemeinen getroffen worden seien, sei nicht behauptet worden. Dies begründe einen erheblichen Organisationsmangel im Kontrollsystem der Kanzlei des beruflichen Parteienvertreters, sodass nicht mehr von einem bloß minderen Grad des Versehens ausgegangen werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Vorstellung sowie in seinem Recht auf inhaltliche Entscheidung über die Vorstellung verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß dem auf die Versäumung der Frist zur Einreichung einer Vorstellung im Sinne des Art. 119a Abs. 5 B-VG anzuwendenden § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ist gegen die Versäumung einer solchen Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2000, Zl. 99/16/0242).
Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben. Auffallend sorglos handelt ein Wiedereinsetzungswerber dann, wenn er die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. September 1994, Zl. 92/17/0276, mwN).
Der Beschwerdeführer beschränkte sich in seinem Wiedereinsetzungsantrag im Wesentlichen auf das Vorbringen, eine falsche Fristeintragung in der elektronischen Terminverwaltung der Kanzlei seines steuerlichen Vertreters durch dessen Buchhaltungssachbearbeiterin habe zu der in Rede stehenden Fristversäumung geführt.
Die belangte Behörde begründete ihre abweisende Entscheidung mit erheblichen Organisationsmängeln in der Kanzlei des damaligen Rechtsvertreters des Beschwerdeführers.
In der Beschwerde wird nun die Verletzung des Parteiengehörs gerügt, weil die belangte Behörde weder das System der elektronischen Terminverwaltung noch dessen Kontrolle bzw. das "Handling der Getränkesteuerakten" hinterfragt und den steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers dazu nicht persönlich gehört habe.
Macht ein Wiedereinsetzungswerber als Wiedereinsetzungsgrund ein Versehen eines Kanzleiangestellten seines bevollmächtigten berufsmäßigen Vertreters (Rechtsanwalt oder Wirtschaftstreuhänder) geltend, so hat er durch konkrete Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag nicht nur darzutun, worin das Versehen bestanden hat, sondern auch darzulegen, dass es zur Fehlleistung des Kanzleibediensteten gekommen ist, obwohl die dem Vertreter obliegenden Aufsichts- und Kontrollpflichten eingehalten wurden. Zwar ist eine regelmäßige Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft rein manipulative Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, dem Vertreter nicht zuzumuten, will man nicht seine Sorgfaltspflichten überspannen. Um einen solchen rein manipulativen Vorgang handelt es sich bei der kanzleimäßigen Bestimmung einer Rechtsmittelfrist aber nicht. Wenn der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers die Vorstellungsfrist daher nicht selbst kalendermäßig konkret bestimmte, sondern diese Bestimmung der Buchhaltungssachbearbeiterin überließ, so wäre es ihm jedenfalls oblegen, diesen Vorgang bzw. die richtige Eintragung im Kalender zu kontrollieren (vgl. wieder das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2000, Zl. 99/16/0242, mwN). Die tatsächliche Vornahme einer solchen Kontrolle der in Rede stehenden Eintragung durch den steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers wurde aber im Wiedereinsetzungsantrag ausdrücklich verneint.
Dem Beschwerdevorbringen, es werde in der Kanzlei des steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers für Getränkesteuerakten ein zusätzliches Terminvormerkverfahren angewendet, steht das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschende, aus § 41 VwGG abzuleitende Neuerungsverbot entgegen. Dies gilt auch für das Beschwerdevorbringen, "aus unerfindlichen Gründen" sei der Berufungsbescheid überdies in eine falsche Wochenmappe eingereiht worden, wodurch die irrtümliche Terminvormerkung nicht rechtzeitig habe entdeckt werden können. Auch bei dem Vorbringen, wonach der zuständige Steuerberater "üblicherweise im Zuge der Bearbeitung der Wochenerledigungen" auch "die anderen Wochen" durchblättere, um allfällige Fehlsortierungen zu entdecken, handelt es sich um eine unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung.
Damit kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass das auf eine fehlerhafte Fristeintragung zurückzuführende verspätete Einbringen der Vorstellung bloß auf einen minderen Grad des Versehens zurückzuführen ist. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 17. März 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004160204.X00Im RIS seit
15.04.2005