Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Rat des Obersten Gerichtshofes Dr. Sabaditsch als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Köhler, Dr. Heidrich, Dr. Pichler und Dr. Bauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, vertreten durch die Landesstelle Salzburg in Salzburg, Dr. Franz Rehrlplatz 5, vertreten durch Dr. Richard Ciresa, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei Adelhelm M*****, Zimmermann in *****, vertreten durch Dr. Ludwig Gassner, Rechtsanwalt in Bludenz, wegen restlich 8.977,33 S sA, (im Revisionsverfahren) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 1. Juli 1960, GZ R 202/60-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 8. April 1960, GZ Cg 1029/59-7, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 588,56 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der bei der Klägerin pflichtversicherte Jakob St***** hat am 16. 9. 1956 einen Verkehrsunfall erlitten, woraus ihm die Klägerin Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung erbringt. Im vorliegenden Prozesse nimmt sie gemäß § 332 ASVG den Beklagten auf teilweisen Ersatz ihrer Leistungen an Jakob St***** in Anspruch, weil der Beklagte den Unfall zum Teil verschuldet habe; die Klägerin legt ihren Ansprüchen die Schadensteilung von 1 zu 1 im Verhältnis der Unfallbeteiligten untereinander zugrunde.
Das Erstgericht hat dem Beklagten gegenüber festgestellt, dass dieser verpflichtet sei, die Aufwendungen der Klägerin aus Anlass des Unfalls des Jakob St***** vom 16. 9. 1956 insoweit zu ersetzen, als diese Leistungen bei 50 %iger Verschuldensteilung in dem Schaden Deckung fänden, dessen Ersatz der Verletzte selbst vom Beklagten aus Anlass dieses Unfalls fordern könnte; zugleich hat das Erstgericht den Beklagten verurteilt, der Klägerin den Betrag von 22.261,88 S sA zu bezahlen, und das Mehrbegehren pcto 11.964,56 S sA abgewiesen (diese Abweisung blieb unangefochten).
Das Berufungsgericht hat der vom Beklagten erhobenen Berufung hinsichtlich des Feststellungserkenntnisses und der Verurteilung des Beklagten, der Klägerin den Betrag von 18.433,46 S sA zu bezahlen, keine Folge gegeben und das Ersturteil in diesem Umfange als Teilurteil bestätigt. Hinsichtlich der Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines weiteren Betrages von 3.828,46 S - richtig laut S 93 der Prozessakten: 3.828,42 S sA hat das Berufungsgericht der Berufung des Beklagten Folge gegeben, das Ersturteil in diesem Aussprüche und in der Kostenentscheidung aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfange zur Fortsetzung der Verhandlung und neuerlichen Urteilsfällung an das Erstgericht zurückverwiesen (dieser Aufhebungs- und Rückverweisungsbeschluss des Berufungsgerichtes steht derzeit in dritter Instanz nicht zur Erörterung). Das Teilurteil hat das Berufungsgericht damit begründet, dass von einer Schadensteilung im Verhältnisse von 1 zu 1 zwischen dem Beklagten und Jakob St***** auszugehen sei; der Zuspruch des Erstgerichtes an Ersatz für geleistete Vollrenten samt Kinderzuschlag, Tag- und Familiengeld, Krankenbehandlungskosten für die Zeit vom 18. 9. 1957 bis 20. 10. 1958 und Heilanstaltskosten für die Zeit vom 21. 10. bis 5. 12. 1958 im Gesamtbetrage von 18.433,46 S sA sei gerechtfertigt. Hinsichtlich der Forderung an Ersatz von Heilbehandlungskosten für den Zeitraum vom 6. 12. 1958 bis 30. 9. 1959 in der Höhe von 3.828,42 S sei das Verfahren ergänzungsbedürftig.
Der Beklagte erhebt Revision und ficht darin aus den Revisionsgründen des § 503 Z 2 und 4 ZPO das Urteil der zweiten Instanz insoweit an, als das Ersturteil auch pcto 6.276,32 S (Verdienstentgang) und 2.701,01 S (Heilungskosten) je sA zusammen also pcto 8.977,33 S sA, bestätigt worden sei. In diesem Umfange wird die Aufhebung des Berufungsurteils und die Rückverweisung der Sache an das Gericht zweiter Instanz beantragt; hilfsweise beantragt der Beklagte die Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne der Abweisung des Begehrens auf Zahlung von 8.977,33 S sA.
Die klagende Partei hat die Revision bekämpft und beantragt, ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nach der dargestellten Aktenlage zulässig (vgl JB. Nr. 56 neu); sie ist aber nicht begründet.
Was der Revisionswerber unter dem Revisionsgrunde des § 503 Z 2 ZPO rügt, stellt schon nach seinem Vorbringen eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens im Sinne der bezogenen Gesetzesbestimmung nicht dar. Denn der Revisionswerber weist selbst darauf hin, dass das Berufungsgericht aus dem Rentenakt der Klägerin über Jakob St***** entnommen habe, dass dem Genannten von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter mit Bescheid vom 12. 2. 1958 eine Rente von 508,20 S monatlich zuerkannt worden sei. Zur Erörterung steht also nur die Rechtsfrage, ob wegen dieses Umstandes eine Kürzung des Zuspruchs von Ersatzleistungen (in dieser Hinsicht vertritt der Revisionswerber die Auffassung, dass der Klägerin um 6.276,32 S zu viel zuerkannt worden sei) vorzunehmen sei. Demgemäß ist auf die Rechtsrüge (§ 503 Z 4 ZPO) des Beklagten zu diesem Punkte (S 99 f der Prozessakten) einzugehen. Nun führt der Revisionswerber aus, dass die Klägerin für den ihrem Anspruch auf Ersatz der Vollrente zugrundeliegenden Verdienstentgang des Jakob St***** beweispflichtig gewesen sei; zufolge des Bezugs der oben erwähnten Rente von 508,20 S monatlich seitens der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter habe aber Jakob St***** nicht einen Verdienstentgang von 1.800 S monatlich, sondern nur einen solchen von 1.291,80 S monatlich (nämlich 1.800 S weniger 508,20 S) gehabt. Richtig ist, dass dem Klagsanspruch die Legalzession des § 332 ASVG zugrunde liegt, so dass also zunächst zu erörtern ist, wie hoch sich der Schadenersatzanspruch des Verletzten (Jakob St*****) gegenüber dem Beklagten nach § 1325 ABGB unter Berücksichtigung des eigenen Verschuldens des Verletzten beläuft (Deckungsfonds); nur dieser Anspruch geht nach Maßgabe der Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers auf diesen über. Der Revisionswerber übersieht aber in seinem weiteren Vorbringen, dass die Frage nach dem Schaden des Jakob St***** aus dem Verkehrsunfalle vom 16. 9. 1956 von der weiteren Frage nach der etwaigen Vorteilsausgleichung zufolge der Leistungen an Jakob St***** aus der Sozialversicherung auseinander zuhalten ist. Der in der Person des Jakob St***** eingetretene Schade ist doch dadurch entstanden, dass der durch den Verkehrsunfall Verletzte nach Maßgabe der konkreten Umstände dieses Falles einen Verdienstentgang erlitten hat. Die Leistungen der Sozialversicherungsträger an Jakob St***** vermindern den Deckungsfonds nicht, sie haben für die rechtliche Stellung des ersatzpflichtigen Beklagten nur insoferne Bedeutung, als nicht der Verletzte selbst Ansprüche gegenüber dem Schädiger erheben kann, soweit der Sozialversicherungsträger nach § 332 ASVG aktiv legitimiert ist. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Leistungen der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter an Jakob St***** in diesem Rechtsstreite nicht als Abzugspost behandelt. Für den Beklagten ist rechtlich nur von Bedeutung, dass er aus Anlass des Unfalls des Jakob St***** insgesamt nicht mehr an Schadenersatz leisten muss, als er an Jakob St***** zu leisten hätte, wenn die Legalzession des § 332 ASVG nicht zu beachten wäre. Dass der Beklagte an die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter als einer weiteren Legalzessionarin schon Leistungen im Zusammenhange mit dem Verkehrsunfalle des Jakob St***** erbracht hätte, hat er aber selbst nicht vorgebracht. Der zu diesem Punkte gerügte Rechtsirrtum ist also nicht zu erkennen.
Die Rechtsrüge (§ 503 Z 4 ZPO) ist aber auch im Übrigen (S 100 f der Prozessakten) nicht gerechtfertigt. Der Ansicht des Revisionswerbers, dass der Klägerin an Heilungskostenersatz unbegründeter Weise um 2.701,01 S zu viel zugesprochen worden sei, kann nicht beigepflichtet werden. Der Revisionswerber beruft sich für seine Auffassung, dass die Erhöhung der Leistungen an Krankengeld nach Abs 2 und Abs 3 des § 141 ASVG nicht zu berücksichtigen seien, auf den Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung (613 der Beilagen zu den stenografischen Protokollen des NR., VII. GP, Punkt 118). Nun hat zwar der Revisionswerber den Wortlauf dieses Ausschlussberichtes richtig wiedergegeben, mit der Lehre (vgl Gehrmann-Rudolph-Teschner, ASVG, S 514) ist aber festzuhalten, dass die Ansicht des Ausschusses, dass unter dem gebührenden Krankengeld nach § 141 ASVG lediglich das im Absatz 1 dieses Paragraphen vorgesehene Normalkrankengeld zu verstehen sei, im Wortlauf des Gesetzes keinen Ausdruck gefunden hat; aus der uneingeschränkten Zitierung des § 141 ASVG in § 328 ASVG (diese Vorschrift ist vorliegendenfalls nach § 332 Abs 4 ASVG entsprechend anzuwenden) muss vielmehr geschlossen werden, dass auch die im § 141 Abs 2 und Abs 3 vorgesehenen Erhöhungen des Krankengeldes zu berücksichtigen sind. Die Auslegung der Vorinstanzen ist zu billigen. Maßgebend ist ja der objektive Sinn des Kundgemachten (vgl Wolff in Klangs Kommentar, 2. Aufl, I/S 90); ein Rechtssatz, der im Gesetze nicht angedeutet ist und nur in den Materialien steht, kann nicht durch Auslegung Geltung erlangen (vgl Ehrenzweig, Allgemeiner Teil, 1951, S 77). Die Rechtsrüge des Revisionswerbers ist also auch in diesem Punkte nicht begründet. Aus diesen Erwägungen war der Revision der Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens (wegen 8.977,33 S sA wird im Revisionsverfahren abschließend entschieden) gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.
Anmerkung
E75730 2Ob464.60European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1961:0020OB00464.6.0105.000Dokumentnummer
JJT_19610105_OGH0002_0020OB00464_6000000_000