Norm
ABGB §37Kopf
SZ 34/35
Spruch
Welches Recht auf einen Schiedsvertrag anzuwenden ist, ist in erster Linie nach dem Willen der Parteien zu beurteilen.
Entscheidung vom 8. März 1961, 1 Ob 98/61.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Klägerin begehrt als Alleinerbin nach ihrem verstorbenen Vater Albert J. mit der beim Handelsgericht Wien eingebrachten Klage die Feststellung, daß an der im Handelsregister des Handelsgerichtes Wien zu 7 HRA 4670 protokollierten Kommanditgesellschaft Ernst D. & Co. der Drittbeklagte als Komplementär zu 2/5 und die Klägerin als Kommanditistin zu 3/5 beteiligt seien, sowie die Ermächtigung gegenüber der drittbeklagten
Partei, das Unternehmen der Kommanditgesellschaft Ernst D. & Co. ohne Liquidation mit, allen Aktiven und Passiven zu übernehmen. Für den Fall der Abweisung des Feststellungsbegehrens stellt sie das Hilfsbegehren auf Ermächtigung gegenüber den beklagten Parteien, die vorgenannte Kommanditgesellschaft ohne Liquidation mit allen Aktiven und Passiven übernehmen.
Die Beklagten haben bei der ersten Tagsatzung örtliche und sachliche Unzuständigkeit eingewendet.
Das Erstgericht wies die Klage mit der Begründung zurück, die örtliche Zuständigkeit sei nur hinsichtlich der erst- und drittbeklagten Parteien, nicht aber hinsichtlich der zweitbeklagten Partei gegeben. Die sachliche Zuständigkeit sei zufolge Vorliegens eines Schiedsvertrages nicht gegeben.
Infolge Rekurses der Klägerin änderte das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß die von den beklagten Parteien erhobenen Prozeßeinreden der örtlichen und der auf einen Schiedsvertrag gegrundeten sachlichen Unzuständigkeit des Handelsgerichtes Wien zurückgewiesen wurden. Das Rekursgericht sah den Gerichtsstand des Vermögens hinsichtlich aller Beklagten als gegeben an und verneinte das Zustandekommen eines gültigen Schiedsvertrages.
Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionsrekursen der Beklagten, die die Zurückweisung der Einrede der örtlichen Unzuständigkeit nicht mehr bekämpfen, nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Revisionsrekurse sind zwar zulässig, weil § 45 Abs. 1 JN. nur auf Fälle anwendbar ist, in denen die gesetzliche Zuständigkeit strittig ist, nicht aber dann, wenn strittig ist, ob die Parteien ein bestimmtes Gericht (Schiedsgericht) prorogiert haben (EvBl. 1957 Nr. 338). Die Revisionsrekurse sind aber unbegrundet.
Die beklagten Parteien haben ihre Einreden der sachlichen Unzuständigkeit auf die §§ 12 bis 14 des Gesellschaftsvertrages vom 28. Februar 1939, abgeschlossen in München zwischen dem Vater der Klägerin und den drei Beklagten (sämtliche Gesellschafter hatten ihren ordentlichen Wohnsitz in München), gestützt. Diese Vertragsbestimmungen lauten:
"§ 12: Etwaige Streitigkeiten aus diesem Vertrag sind von einem Schiedsgericht nach Maßgabe des heute abgeschlossenen Schiedsvertrages zu entscheiden.
§ 13: Insoweit der Vertrag besondere Vereinbarungen nicht vorsieht, sollen die im Altreich geltenden gesetzlichen Bestimmungen Anwendung finden.
§ 14: Sollte aus einem Grund ein Teil der vorstehenden Bestimmungen keine rechtliche Gültigkeit haben, so sind die Vertragschließenden darüber einig, daß der Vertrag im übrigen Geltung haben soll."
Das Rekursgericht hat die Rechtsansicht vertreten, daß schon der Wortlaut des Gesellschaftsvertrages als solcher nicht für das Zustandekommen einer Schiedsgerichtsvereinbarung spreche. Der natürliche Sinn der Worte im § 12 des Vertrages weise vielmehr darauf hin, daß ein Schiedsvertrag abgesondert abgeschlossen werden und die Schiedsvereinbarung nur dann und nach den Bestimmungen des Schiedsvertrages auch wirksam sein sollte. Diese Auslegung werde auch durch die §§ 13 und 14 des Gesellschaftsvertrages gestützt. Gemäß § 13 sollten insoweit, als der Vertrag besondere Vereinbarungen nicht vorsehe, die im "Altreich" geltenden gesetzlichen Bestimmungen Anwendung finden. § 1027 Abs. 1 DZPO. sehe vor, daß der Schiedsvertrag der Schriftform bedürfe und daß die Urkunde darüber andere Vereinbarungen als solche, die sich auf das schiedsgerichtliche Verfahren beziehen, nicht enthalten dürfe. Die Beklagten hätten auch nicht behauptet, daß die Voraussetzungen des § 1027 Abs. 2 DZPO. vorgelegen seien, wonach die Vorschriften des Abs. 1 nicht anzuwenden seien, wenn der Schiedsvertrag für beide Teile ein Handelsgeschäft sei und keine der Parteien zu den im § 4 HGB. bezeichneten Gewerbetreibenden gehöre. Die Kommanditisten als solche seien, wenn ihnen nicht aus anderen Gründen Vollkaufmannseigenschaft zukomme, aus ihrer Stellung zur Kommanditgesellschaft allein auf keinen Fall Kaufleute oder gar Vollkaufleute. Die Beklagten hätten auch keine Behauptung in der Richtung aufgestellt, daß außerhalb des Vertragstextes gelegene Tatsachen für einen anderen Parteiwillen sprächen als jenen, der sich aus der Vertragsurkunde ergebe.
Die beklagten Parteien bekämpfen nicht die Rechtsansicht des angefochtenen Beschlusses, wonach nach deutschem Recht ein gültiger Schiedsvertrag nicht zustandegekommen ist, da außer Streit steht, daß der im § 12 des Gesellschaftsvertrages vorgesehene Schiedsvertrag nicht errichtet wurde. Die Beklagten meinen aber, daß auf den vorliegenden Fall von den österreichischen Gerichten nur die österreichische ZPO. angewendet werden dürfe und daß nach dieser in der Bestimmung des § 12 des Gesellschaftsvertrages ein gültiger Schiedsvertrag gelegen sei. Die Formulierung des § 12 des Gesellschaftsvertrages "nach Maßgabe des heute abgeschlossenen Schiedsvertrages" stelle keine Einschränkung des die Schiedsvereinbarung beinhaltenden Parteiwillens dar, da es sich nur um einen vorgesehenen modus procedendi für das Schiedsverfahren gehandelt habe, der aber in der Folge nicht zur Ausführung kam und auch nicht zur Ausführung kommen mußte, weil die österreichische ZPO. das Schiedsverfahren im Gesetz genau regle. Auch die weiteren Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages in den §§ 13 und 14 stützten nach Meinung der beklagten Parteien die Schiedsvereinbarung. Der Hinweis auf die hilfsweise heranzuziehenden gesetzlichen Bestimmungen des "Altreiches" beziehe sich nach ihrer Meinung nicht auf den Schiedsvertrag, sondern auf den Gesellschaftsvertrag als solchen. An eine Anwendung der §§ 1027 f. DZPO. sei anläßlich des Vertragsabschlusses bestimmt nicht gedacht worden, zumal dem Parteiwillen durch zwingende prozeßrechtliche Vorschriften Grenzen gesetzt seien.
Die kollisionsrechtliche Frage, welches Recht auf den Schiedsvertrag (nicht auf das Schiedsverfahren) anzuwenden ist, ist bestritten (vgl. Baumbach - Schwab, Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. S. 77). Nach der einen Meinung (vgl. Stein - Jonas - Schönke - Pohle, Kommentar zur DZPO., 17. Aufl. II § 1025 I 2) ist zunächst zu prüfen, welches Recht auf das Schiedsverfahren Anwendung findet; nach diesem Recht sei dann zu prüfen, ob der Schiedsvertrag gültig sei. Nach Punkt 2 Abs. 1 des Genfer Protokolles über die Schiedsklauseln im Handelsverkehr vom 24. September 1923, BGBl. Nr. 57/1928, sind für das Verfahren in Schiedssachen einschließlich der Zusammensetzung des Schiedsgerichtes der Parteiwille und die gesetzlichen Bestimmungen des Landes maßgebend, auf dessen Gebiet das Schiedsverfahren stattfindet. Die Parteien können daher nach österreichischem internationalem Privatrecht das Recht frei bestimmen, das auf das Schiedsverfahren Anwendung zu finden hat, damit aber auch, folgt man der angeführten Rechtsansicht, das Recht, das auf den Schiedsvertrag anzuwenden ist.
Nach der anderen Meinung (Riezler, Internationales Zivilprozeßrecht, S. 621; Raape, Internationales Privatrecht, 4. Aufl. S. 517) ist auf den Schiedsvertrag das Recht anwendbar, dem das materielle Rechtsverhältnis untersteht, das zum Schiedsvertrag Anlaß gegeben hat. Auch nach dem österreichischen internationalen Privatrecht können die Parteien in der Regel frei bestimmen, welches Recht auf das materielle Rechtsverhältnis anzuwenden ist, das zum Schiedsvertrag Anlaß gegeben hat.
Beide Rechtsansichten führen daher im vorliegenden Fall zum gleichen Ergebnis, nämlich daß in erster Linie der Parteiwille maßgebend ist, welches Recht auf den Schiedsvertrag anzuwenden ist.
Den §§ 12 bis 14 des Gesellschaftsvertrages kann nun in keiner Weise entnommen werden, daß die Parteien dem Schiedsvertrag österreichisches Recht zugrunde legen wollten. Beweispflichtig für eine solche Parteienabsicht sind die beklagten Parteien, da ja sie die Einwendung der sachlichen Unzuständigkeit zufolge Schiedsvertrages erhoben haben. Im Gegenteil, § 13 des Gesellschaftsvertrages, der hinsichtlich des § 12 des Vertrages keine Ausnahme macht, läßt eher den Schluß zu, daß die Parteien auch hinsichtlich des beabsichtigten Schiedsvertrages die im "Altreich" geltenden gesetzlichen Bestimmungen angewendet haben wollten.
Selbst wenn aber österreichisches Recht angewendet würde, würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Dem § 12 des Gesellschaftsvertrages kann nicht entnommen werden, daß mit dieser Vertragsbestimmung ein Schiedsvertrag im Sinne des § 577 ZPO. abgeschlossen werden sollte. Eine ungezwungene Auslegung dieser Vertragsbestimmung kann nur dazu führen, daß die Parteien nicht schon durch § 12 des Gesellschaftsvertrages selbst, sondern durch einen gesonderten schriftlichen Vertrag einen Schiedsvertrag abschließen wollten, der aber, wie unbestritten ist, in der Folge nicht abgeschlossen wurde. Hätten die Parteien schon durch § 12 des Gesellschaftsvertrages einen Schiedsvertrag im Sinne des § 577 ZPO. errichten wollen, so hätte es eines Hinweises auf einen gesonderten Schiedsvertrag gar nicht bedurft.
Anmerkung
Z34035Schlagworte
Internationales Privatrecht, Schiedsvertrag Privatrecht internationales, Schiedsvertrag Schiedsvertrag, anzuwendendes RechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1961:0010OB00098.61.0308.000Dokumentnummer
JJT_19610308_OGH0002_0010OB00098_6100000_000